Urteil des BGH vom 10.10.2006

BGH (gegenstand des verfahrens, rechtliches gehör, antragsteller, antrag, hamburg, beschwerde, vermögensverfall, vorinstanz, abgabe, widerruf)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 28/06
vom
7. August 2006
in dem Verfahren
wegen Feststellung des Fehlens von Widerrufsvoraussetzungen
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Basdorf, die Richterin Dr. Otten, den Richter Dr.
Schmidt-Räntsch, den Rechtsanwalt Dr. Wüllrich und die Rechtsanwältinnen Dr.
Hauger und Kappelhoff
am 7. August 2006
beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers, dieses Verfahren mit dem Verfah-
ren AnwZ (B) 45/06 zu verbinden, wird zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hanse-
stadt Hamburg vom 10. Januar 2006 wird als unzulässig verwor-
fen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und
der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstande-
nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 €
festgesetzt.
Gründe
Der seit 1980 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Antragsteller vertrat
von Dezember 1990 bis Mai 2000 im Ergebnis ohne Erfolg eine Erbengemein-
schaft bei der Durchsetzung eines Restitutionsanspruchs. Seine Klage gegen
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die Erbengemeinschaft auf Zahlung des Honorars scheiterte an deren Aufrech-
nung mit Schadensersatzansprüchen; auf deren Widerklage hin wurde der An-
tragsteller rechtskräftig zur Zahlung von 4.228,88 € zuzüglich Zinsen verurteilt.
Aufgrund eines zur Durchsetzung dieser Forderung erlassenen Haftbefehls
wurde der Antragsteller in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. In dem dar-
aufhin eingeleiteten Verfahren zum Widerruf seiner Zulassung als Rechtsanwalt
wies die Antragsgegnerin den Antragsteller nach erfolglosen Gesprächsangebo-
ten am 8. August 2005 auf die durch den Haftbefehl ausgelöste gesetzliche
Vermutung des Vermögensverfalls, auf seine Mitwirkungspflicht nach § 36a
BRAO und die Notwendigkeit hin, die Vermutung zu entkräften.
Am 7. September 2005 hat der Antragsteller bei dem Anwaltsgerichtshof
beantragt festzustellen, dass mit dem Erlass des Haftbefehls durch das Amts-
gericht H. Grundlage für das Auslösen der in § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO bestimmten gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls nicht gege-
ben und er auch nicht nach Maßgabe von § 36a BRAO zur Mitwirkung verpflich-
tet sei. Diese Feststellungsanträge hat Anwaltsgerichtshof durch den angefoch-
tenen Beschluss als unzulässig abgewiesen.
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Die Antragsgegnerin hat am 12. September 2005 die Zulassung des An-
tragstellers zur Rechtsanwaltschaft widerrufen. Den Antrag des Antragstellers
auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerruf hat der Anwaltsgerichtshof
am 21. Februar 2006 trotz zwischenzeitlicher Löschung der Eintragung im
Schuldnerverzeichnis mangels Darlegen der Vermögensverhältnisse als unbe-
gründet zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des
Antragstellers ist bei dem Senat unter Aktenzeichen AnwZ (B) 45/06 anhängig.
Der Antragsteller hat beantragt, beide Verfahren zu verbinden.
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II.
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs
vom 10. Januar 2006 ist unzulässig. Daran scheitert eine Verbindung dieses
Verfahrens mit dem Verfahren AnwZ (B) 45/06 über die sofortige Beschwerde
des Antragstellers gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwalt-
schaft.
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1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nicht statthaft.
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a) Das lässt sich allerdings nicht unmittelbar aus §§ 42, 223 BRAO ablei-
ten. Diese Vorschriften sehen die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde zum
Bundesgerichtshof nur bei der Zurückweisung eines Antrags auf gerichtliche
Entscheidung gegen die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder
einem Gericht oder gegen den Widerruf einer solchen Zulassung (§ 42 Abs. 1
BRAO) sowie gegen andere Verwaltungsakte (§ 223 Abs. 3 BRAO) vor. Mit der
Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung eines An-
trags auf feststellende gerichtliche Entscheidung befassen sie sich dagegen,
von dem heute gegenstandslosen Sonderfall des Antrags auf feststellende ge-
richtliche Entscheidung gegen ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer nach
§ 8 Abs. 2 BRAO abgesehen, nicht, weil die Bundesrechtsanwaltsordnung ei-
nen solchen Antrag ansonsten nicht vorsieht.
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b) Soweit ein solcher Feststellungsantrag gleichwohl ausnahmsweise
zulässig ist, ist gegen seine Zurückweisung durch den Anwaltsgerichtshof die
sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof nach der Rechtsprechung des
Senats nur statthaft, wenn die Entscheidung von ähnlich weittragender Bedeu-
tung ist wie die in § 42 Abs. 1 BRAO genannten Entscheidungen, die unmittel-
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bar an die berufliche Existenzgrundlage des Betroffenen rühren (BGHZ 34, 244,
250 f; Beschl. v. 3. Oktober 1983, AnwZ (B) 13/83; v. 22. Mai 1985, AnwZ (B)
42/84, NJW 1985, 1842, 1843; v. 1. Juli 2002, AnwZ (B) 46/01, NJW-RR 2002,
1641, 1642). Daran fehlt es hier.
c) Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es nicht um die Überprü-
fung des erfolgten Widerrufs der Zulassung des Antragstellers. Diese ist viel-
mehr Gegenstand des gesonderten Beschwerdeverfahrens AnwZ (B) 45/06 vor
dem Senat. Hier geht es um den Versuch des Antragstellers, dem von der An-
tragsgegnerin eingeleiteten Widerrufsverfahren mit Hilfe eines Feststellungsan-
trags die Grundlage zu entziehen. Ein solches Vorgehen ist in § 9 Abs. 2 BRAO
für den (heute, nach Übertragung der Zuständigkeit auf die Rechtsanwalts-
kammern, nicht mehr eintretenden) Fall vorgesehen, dass die Landesjustizver-
waltung über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu entscheiden und dazu
nach § 8 Abs. 2 BRAO ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer einzuholen
hat. In dieser Konstellation ist ein Angriff auf das Gutachten und bei seiner Zu-
rückweisung eine sofortige Beschwerde statthaft, weil die formell noch ausste-
hende Sachentscheidung durch das Gutachten inhaltlich präjudiziert wird (vgl.
Senat, Beschl. v. 10. Juli 2000, AnwZ (B) 55/99, NJW 2000, 3575, 3576). Damit
ist der vorliegende Fall aber nicht vergleichbar. Die Antragsgegnerin brauchte
sich im Vorfeld ihres Bescheids vom 12. September 2005 nicht festzulegen und
hat es auch nicht. Eine solche Festlegung kann weder der Einleitung des Ver-
fahrens noch ihrem Hinweis vom 8. August 2005 entnommen werden. Die An-
tragsgegnerin konnte der Aufnahme von Ermittlungen nach dem Erlass eines
Haftbefehls gegen den Antragsteller nicht ausweichen. Sie hat die Ermittlungen,
wie ihre Gesprächangebote und ihr Hinweis vom 8. August 2005 zeigen, ergeb-
nisoffen betrieben. Eine Festlegung erfolgte erst bei Erlass des Bescheids, der
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deshalb allein als Grundlage einer Beeinträchtigung von Rechten oder der Exis-
tenz des Antragstellers in Betracht kommt.
d) Ob die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags
auf feststellende gerichtliche Entscheidung in anderen Fällen entsprechend
§ 223 Abs. 3 BRAO zugelassen werden könnte, bedarf keiner Entscheidung,
weil der Anwaltsgerichtshof eine solche Zulassung nicht ausgesprochen hat und
der Senat daran gebunden ist (Senat, Beschl. v. 1. März 2004, AnwZ (B) 38/03,
AnwBl. 2004, 449).
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e) Hierdurch wird der Antragsteller auch nicht an der effektiven Verfol-
gung seiner Rechte gehindert. Sie ist vielmehr uneingeschränkt möglich, weil
der Antragsteller die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Entschei-
dung gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit der so-
fortigen Beschwerde angreifen und dort die ihm hier wichtigen Gesichtspunkte
vorbringen kann (vgl. Senat, Beschl. v. 5. März 1979, AnwZ (B) 34/78, EGE XIV
126, 128; v. 22. Mai 1985, AnwZ (B) 42/84, NJW 1985, 1842, 1843). Ein sol-
ches Verfahren ist vor dem Senat auch anhängig.
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2. Ist die vorliegende sofortige Beschwerde aber unzulässig, führte ihre
Verbindung mit dem erwähnten Verfahren über die sofortige Beschwerde des
Antragstellers gegen die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Ent-
scheidung gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht
weiter. Sie scheidet deshalb aus.
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3. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es nicht (BGHZ 44, 25).
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Terno Basdorf Otten Schmidt-Räntsch
Wüllrich Hauger Kappelhoff
Vorinstanz:
OLG Hamburg, Entscheidung vom 10.01.2006 - II ZU 15/05 -