Urteil des BGH vom 08.01.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 267/05
vom
8. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG §§ 35, 46 Nr. 5; KSchG § 14 Abs. 1
a)
Das organschaftliche Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers einer
GmbH mutiert durch deren Umwandlung in eine GmbH & Co. KG und seine
Bestellung zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH nicht in ein dem
Kündigungsschutzgesetz unterliegendes Arbeitsverhältnis.
b) Über die Kündigung gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-
GmbH einer KG haben nicht deren Gesellschafter, sondern hat die Gesell-
schafterversammlung der Komplementär-GmbH entsprechend § 46 Nr. 5
GmbHG zu entscheiden.
BGH, Hinweisbeschluss vom 8. Januar 2007 - II ZR 267/05 - OLG Frankfurt
LG
Frankfurt
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. Januar 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe einstimmig
beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beab-
sichtigt, die Revision des Klägers durch Beschluss gemäß § 552 a
ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedarf es hier einer Entscheidung
des Revisionsgerichts weder zur Klärung entscheidungserheblicher Grundsatz-
fragen noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2
ZPO). Die Entscheidung des vorliegenden Falles ergibt sich vielmehr aus über-
einstimmenden Grundsätzen der Rechtsprechung des Senates und des Bun-
desarbeitsgerichts. Danach hat die Revision auch keine Erfolgsaussicht.
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1. Im Ergebnis zutreffend hält das Berufungsgericht die von dem klagen-
den GmbH-Geschäftsführer ursprünglich bei dem Arbeitsgericht erhobene und
nach Verweisung gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 GVG bei der ordent-
lichen Gerichtsbarkeit anhängige "Kündigungsschutzklage" (§ 4 i.V. mit § 1
Abs. 2 KSchG) für unbegründet, weil das Anstellungsverhältnis des Klägers bei
der beklagten GmbH & Co. KG nicht dem Kündigungsschutz gemäß §§ 1 ff.
KSchG unterlag und deshalb die Kündigung der Beklagten keiner sozialen
Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedurfte.
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a) Nach dem im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Beschluss des
Bundesarbeitsgerichts vom 6. August 2003 (5 AZB 79/02, ZIP 2003, 1722) gilt
der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG gemäß § 5 Abs. 1
Satz 3 ArbGG - auch bei einem von dem Bundesarbeitsgericht so genannten
"arbeitnehmerähnlichen" Status im Einzelfall - nicht als Arbeitnehmer i.S. des
Arbeitsgerichtsgesetzes, weil er gemäß §§ 161 Abs. 2, 125, 170 HGB, 35
Abs. 1 GmbHG mittelbar zur Vertretung der KG, also einer "Personengesamt-
heit" i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG berufen sei und Arbeitgeberfunktionen
für sie wahrnehme.
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Ob damit zugleich schon aus arbeitsrechtlichen Gründen ein materieller
Kündigungsschutz des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH gemäß
der für Vertreter einer Personengesamtheit geltenden Ausnahmevorschrift des
§ 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG generell ausscheidet, wie das Berufungsgericht an-
nimmt, hatte das Bundesarbeitsgericht in dem genannten Beschluss nicht zu
entscheiden; eine entsprechende Aussage ist dem Beschluss auch nicht zu
entnehmen (vgl. dagegen BAGE 39, 16). Im Schrifttum ist die Frage umstritten
(dafür Löwisch/Spinner, KSchG 9. Aufl. § 14 Rdn. 7; v. Hoyningen-Huene/Linck,
KSchG 13. Aufl. § 14 Rdn. 6; Kiel in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht
7. Aufl. § 14 KSchG Rdn. 4; Zimmer/Rupp, GmbHR 2006, 572, 576; a.A. Biebl
in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, §
14 KSchG Rdn.
10; Kitt-
ner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 6. Aufl. § 14 KSchG Rdn. 12).
Für die Unanwendbarkeit des materiellen Kündigungsschutzes bei dieser Fall-
gestaltung spricht immerhin, dass § 4 KSchG ersichtlich von einem überein-
stimmenden Anwendungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes und des Kündi-
gungsschutzgesetzes ausgeht (vgl. auch BAGE 39, 16, 26 f.; BGH, Urt. v.
25. Juli 2002 - III ZR 207/01, ZIP 2002, 1593 f.), weil gemäß § 4 KSchG der
materielle Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers durch "Anrufung des Ar-
beitsgerichts" geltend gemacht werden muss und insoweit eine Ausnahme für
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Geschäftsführer, welche das Arbeitsgericht nicht anrufen können, aber dennoch
als "Arbeitnehmer" Kündigungsschutz genießen sollen, im Gesetz nicht vorge-
sehen ist.
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Die Frage, über die die ordentlichen Gerichte autonom zu befinden ha-
ben und für deren Beantwortung es wesentlich auf den organschaftlichen Cha-
rakter eines Geschäftsführeranstellungsvertrages ankommt, ist hier nicht ent-
scheidungserheblich, weil der Kläger schon aus anderen Gründen keinen Kün-
digungsschutz gemäß dem ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes in
Anspruch nehmen kann.
b) Im vorliegenden Fall besteht nämlich die Besonderheit, dass die Be-
klagte zur Zeit des Abschlusses des Geschäftsführeranstellungsvertrages zwi-
schen ihr und dem Kläger im Dezember 1998 noch in der Rechtsform einer
GmbH existierte. Gemäß der negativen Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt
der allgemeine Kündigungsschutz nach dem ersten Abschnitt des Kündigungs-
schutzgesetzes nicht für die Organvertreter einer juristischen Person, und zwar
nach einhelliger Auffassung auch dann nicht, wenn ihr Anstellungsverhältnis
ausnahmsweise nicht als freies Dienst-, sondern als Arbeitsverhältnis ausges-
taltet ist (vgl. BAGE 39, 16, 25 = ZIP 1983, 607, 609 f.; Sen.Urt. v. 10. Januar
2000 - II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 510), wie der Kläger unter Hinweis auf ver-
schiedene Bestimmungen seines Anstellungsvertrages geltend macht. Die von
den Gesellschaftern der Beklagten im Dezember 2000 beschlossene und im
April 2001 in das Handelsregister eingetragene formwechselnde Umwandlung
der Beklagten in eine GmbH & Co. KG führte zwar zu einer Beendigung der
ursprünglichen Organstellung des Klägers; sein Anstellungsvertrag blieb aber
davon unberührt und setzte sich mit der Beklagten in ihrer neuen Rechtsform
fort, ohne dass sich die Rechtsnatur des Vertrages dadurch änderte (vgl. Senat
aaO; BAG, Beschl. v. 21. Februar 1994 - 2 AZB 28/93, ZIP 1994, 1044, 1046;
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Urt. v. 13. Februar 2003 - 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552, 555; Lutter/Decher,
UmwG 3. Aufl. § 202 Rdn. 30, 39). Der Kläger erlangte deshalb durch die Um-
wandlung der Beklagten nicht einen Kündigungsschutz, den er vorher nicht hat-
te. Daran ändert auch die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der
Komplementär-GmbH der Beklagten nichts; dieser Bestellung lag der mit der
Beklagten als GmbH geschlossene Anstellungsvertrag zugrunde. Anders als im
Fall des BAG-Urteils vom 15. April 1982 (2 AZR 1101/79, BAGE 39, 16 = ZIP
1983, 607) wurde hier nicht ein bisheriger Arbeitnehmer einer KG zum Ge-
schäftsführer ihrer Komplementär-GmbH bestellt (vgl. dazu Baums, Der Ge-
schäftsleitervertrag, S. 398 f.), dessen Arbeitsverhältnis in diesem Fall als ru-
hendes fortbestünde (vgl. dazu BAGE 49, 81; 55, 137). Ebenso wenig ist durch
die - am Widerstand des Klägers gescheiterten - Verhandlungen der Parteien
über den Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der Kom-
plementär-GmbH der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen (vgl.
BAG, Beschl. v. 21. Februar 1994 aaO S. 1047). Arbeitnehmer der beklagten
GmbH & Co. KG war der Kläger zu keinem Zeitpunkt. Auch als Geschäftsführer
der Komplementär-GmbH der Beklagten unterlag er lediglich dem gesell-
schaftsrechtlich fundierten Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafter (§ 46 Nr. 6
GmbHG; vgl. BGHZ 75, 321, 326; Fleck, ZHR 149, 387, 403 ff.) oder einer von
ihnen beauftragten Person, nicht aber einem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht
der Beklagten, für die er vielmehr diese und andere Arbeitgeberfunktionen ge-
genüber Arbeitnehmern der KG selbst wahrzunehmen hatte.
2. Entgegen der Ansicht der Revision hatten über die Kündigung gegen-
über dem Kläger nicht sämtliche Gesellschafter der beklagten KG zu entschei-
den. Es handelte sich vielmehr um eine Geschäftsführungsmaßnahme, die al-
lein der Komplementär-GmbH oblag (vgl. § 164 HGB; Sen.Urt. v. 1. Dezember
1969 - II ZR 224/67, WM 1970, 249, 251; Baums, Der Geschäftsleitervertrag,
S. 93, 391), wobei für diese - wie auch sonst bei der Abberufung und Kündi-
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gung gegenüber einem GmbH-Geschäftsführer - deren Gesellschafterver-
sammlung aufgrund ihrer Annexkompetenz gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG zu ent-
scheiden hatte (vgl. BGHZ 89, 48, 54 f.; Sen.Urt. v. 25. März 1991 - II ZR
169/90, ZIP 1991, 580, 582; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB § 177 a
Anh. A Rdn. 72, 76). Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH Dr. W., der
die Kündigung gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober 2001
namens der Beklagten erklärt hat, war unstreitig zugleich Vertreter der Alleinge-
sellschafterin der Komplementär-GmbH der Beklagten und konnte daher so-
wohl über die Kündigung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG entscheiden als auch die
Kündigung namens der Beklagten gegenüber dem Kläger erklären (vgl.
Sen.Urt. v. 27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 645).
Goette Kurzwelly
Kraemer
RiBGH Prof. Dr. Gehrlein kann
Caliebe
urlaubsbedingt nicht unterschreiben.
Goette
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 07.10.2004 - 2/5 O 472/03 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 06.06.2005 - 18 U 140/04 -