Urteil des BGH vom 14.01.2009

BGH (zpo, richtigkeit, rechtsmittel, begründung, fonds, aussetzung, gegenstand, partei, begehren, begriff)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZB 4/09
vom
8. September 2009
in dem Rechtsstreit
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Wiechers und die Richter Dr. Müller, Dr. Ellenberger, Maihold und Dr. Matthias
am 8. September 2009
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Klägers und der Beklagten zu 2)
werden der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts München vom 14. Januar 2009 und der Beschluss
des Landgerichts München I vom 3. Dezember 2008, so-
weit er das auf Verletzung eines Beratungsvertrages ge-
stützte Klagebegehren gegen die Beklagte zu 2) betrifft,
aufgehoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens
beträgt 5.750 €.
Gründe:
I.
Die klagende Partei macht u.a. Schadensersatzansprüche gegen die Be-
klagte zu 2) (nachfolgend: Beklagte) wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zu-
sammenhang mit ihrer Beteiligung an der F. Medien-
fonds GmbH & Co. KG (nachfolgend: Fonds) geltend, weil die Beklagte in
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mehrfacher Weise ihre Pflicht zu anleger- und anlagegerechter Beratung
schlecht erfüllt habe.
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Unter dem Aktenzeichen KAP 2/07 ist beim Oberlandesgericht München
ein Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) an-
hängig, das einzelne Fragen zur Richtigkeit und Vollständigkeit des für den
Fonds herausgegebenen Prospektes zum Gegenstand hat. Nach Bekanntma-
chung des Musterverfahrens im Klageregister hat das Landgericht München I
das Verfahren hinsichtlich des vorliegenden Streitverhältnisses nach § 7 Abs. 1
KapMuG ausgesetzt, weil das im Musterverfahren zu klärende Feststellungsziel
der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Prospektes vorgreiflich sei.
Die sofortigen Beschwerden des Klägers und der Beklagten gegen die-
sen Beschluss hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen. Zur Be-
gründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Aussetzungsbeschluss des
Landgerichts unterliege gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG keinem Rechtsmit-
tel. Die Beschwerden seien auch nicht nach § 252, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit
der Begründung zulässig, im vorliegenden Streitverhältnis sei der Anwen-
dungsbereich des § 7 KapMuG nicht eröffnet. Auch wenn die Beklagte nicht
Musterbeklagte in dem Musterverfahren sein könne, weil gegen sie kein Scha-
densersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentli-
cher Kapitalmarktinformation geltend gemacht werde, nehme sie doch den Sta-
tus einer Beigeladenen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 KapMuG ein. Der Begriff der Be-
teiligtenfähigkeit sei weit auszulegen und beziehe alle Parteien in das Muster-
verfahren ein, für deren Rechtsverhältnisse das Feststellungsziel des Muster-
verfahrens von entscheidungserheblicher Relevanz sei.
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Mit den - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerden
begehren die am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligten Parteien die Aufhe-
bung des Aussetzungsbeschlusses.
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II.
1. Die Rechtsbeschwerden sind gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO
statthaft, da das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. Der Statthaftigkeit der
Rechtsbeschwerden steht - wie der erkennende Senat bereits mit Beschluss
vom 16. Juni 2009 entschieden hat (XI ZB 33/08, WM 2009, 1359, Tz. 7 ff.) -
§ 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG nicht entgegen, da Rechtsstreitigkeiten aus einem
Beratungsvertrag, in denen kein Musterfeststellungsantrag nach § 1 KapMuG
gestellt werden kann, von § 7 Abs. 1 KapMuG von vornherein nicht erfasst wer-
den. Die Entscheidung des Landgerichts ist daher entgegen der Ansicht des
Beschwerdegerichts rechtsmittelfähig (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2009
aaO, Tz. 16).
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2. Die Rechtsbeschwerden sind auch begründet. Soweit das Landgericht
die Aussetzung auf § 7 Abs. 1 KapMuG gestützt hat, ist die Aussetzung rechts-
fehlerhaft, weil das Streitverhältnis der Parteien nicht Gegenstand eines Mus-
terklageverfahrens sein kann (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2009 aaO,
Tz. 17).
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3. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Die Kosten des Beschwerde-
verfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom
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Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unter-
liegende Partei zu tragen hat (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2005
- II ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289, 1290 und vom 16. Juni 2009 aaO, Tz. 19).
Wiechers Müller Ellenberger
Maihold Matthias
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 03.12.2008 - 27 O 17624/06 -
OLG München, Entscheidung vom 14.01.2009 - 5 W 658/09 -