Urteil des BGH vom 19.01.2005, VIII ZR 173/03
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 173/03 Verkündet am: 19. Januar 2005 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 812 Abs. 1
Zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bei einer Zahlung des Schuldners auf eine in Wahrheit nicht bestehende, aufgrund eines Factoringvertrages
abgetretene Forderung (im Anschluß an BGHZ 105, 365 und BGHZ 122, 46).
BGH, Urteil vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 173/03 - OLG Düsseldorf LG Düsseldorf
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Januar 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert sowie die
Richter Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die ein Versandhandelsunternehmen betreibt, stand aufgrund eines im Jahr 1993 geschlossenen Rahmenvertrages in jahrelanger Geschäftsbeziehung mit der F. GmbH (im folgenden: F. -GmbH), von
der sie Gartenzubehör bezog. Die F. -GmbH erstellte unter dem 25. Januar
2000 und dem 7. Februar 2000 "gemäß Vereinbarung" zwei an die Klägerin
gerichtete Rechnungen über die Lieferung von Gartenzubehör. Sie übergab
diese Rechnungen der Beklagten, an die sie ihre Forderungen gegen die Klägerin aufgrund eines Factoring-Vertrages abgetreten hatte. Die Beklagte legte der
Klägerin die Rechnungen vor und bat um deren Begleichung mit dem Hinweis,
daß die Zahlung der Klägerin an sie mit schuldbefreiender Wirkung erfolge. Die
Klägerin zahlte auf beide Rechnungen unter Abzug von Skonti und Boni am
9. März 2000 insgesamt 1.982.428,57 DM an die Beklagte.
In einem vor dem Landgericht Nürnberg/Fürth geführten Rechtsstreit
nahm die Klägerin zunächst die F. -GmbH - unter Berücksichtigung einer Gegenforderung der F. -GmbH - auf Rückerstattung der auf die Rechnungen gezahlten Beträge mit der Begründung in Anspruch, die Forderung habe nicht bestanden, weil den Rechnungen keine Leistungen der F. -GmbH gegenüber gestanden hätten. Die Klage hatte Erfolg. Am 27. Oktober 2000 erging ein rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil gegen die F. -GmbH.
Am 1. Dezember 2000 wurde über das Vermögen der F. -GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin nimmt die Klägerin nunmehr die Beklagte
auf Rückzahlung des gezahlten Betrages von 1.982.428,57 DM
(= 1.013.599,63 €) nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren
Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
Ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch der Klägerin bestehe gegenüber der Beklagten auch dann nicht, wenn zugunsten der Klägerin
unterstellt werde, daß die an die Beklagte abgetretenen Forderungen der F. -
GmbH gegen die Klägerin nicht existierten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rückforderung ungerechtfertigt gezahlter Versicherungsleistungen in Zessionsfällen (BGHZ 105, 365; 122, 46) richte sich der bereiche-
rungsrechtliche Rückzahlungsanspruch des Schuldners, der auf eine abgetretene, in Wahrheit nicht bestehende Forderung leiste, in der Regel - sofern nicht
im Einzelfall besondere Umstände vorlägen - gegen den Zedenten. Diese
Grundsätze seien auch im Streitfall heranzuziehen. Danach könne sich die Klägerin auch auf der bereicherungsrechtlichen Ebene nur an die F. -GmbH als
ihre Vertragspartnerin und nicht an die Beklagte halten. Denn bei der im Bereicherungsrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise liege hier eine
- vermeintlich geschuldete - Leistung der Klägerin an ihre Vertragspartnerin, die
F. -GmbH, vor. Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte
scheide deshalb aus.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung
stand, so daß die Revision zurückzuweisen ist.
Das Berufungsgericht unterstellt zugunsten der Klägerin, daß die von der
F. -GmbH an die Beklagte aufgrund eines Factoring-Vertrages abgetretenen
und von der Klägerin an die Beklagte bezahlten Forderungen aus den Rechnungen vom 25. Januar und 7. Februar 2000 nicht bestanden. Von dieser der
Klägerin günstigen Unterstellung ist auch im Revisionsverfahren auszugehen.
Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht einen Bereicherungsanspruch
der Klägerin gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion) zu Recht verneint.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung ungerechtfertigt gezahlter Versicherungsleistungen
muß der Versicherer, der auf eine in Wahrheit nicht bestehende Forderung aus
dem Versicherungsverhältnis an einen Abtretungsempfänger (Zessionar) zahlt,
wegen der Rückforderung grundsätzlich den Versicherungsnehmer (Zedent) als
seinen Vertragspartner in Anspruch nehmen, sofern nicht besondere Gründe
vorliegen, die es rechtfertigen, daß er sich ausnahmsweise - im Wege einer
sogenannten Durchgriffskondiktion - unmittelbar an den Zessionar halten kann
(BGHZ 105, 365, 368 ff. m.w.Nachw.; BGHZ 122, 46, 50). Der sachliche Grund
für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Verhältnis zwischen dem
(vermeintlichen) Schuldner und dem Zedenten liegt darin, daß in dem Vertrag
zwischen dem Schuldner und dem Zedenten der angenommene Rechtsgrund
für die vermeintlich geschuldete Zahlung zu sehen ist; dies legt nach den hierfür
maßgeblichen Gesichtspunkten der Risikoverteilung und des Vertrauensschutzes (BGHZ 105, 365, 370; 122, 46, 51) eine Leistungskondiktion in diesem Vertragsverhältnis nahe, sofern nicht besondere Umstände eine andere Risikoverteilung gebieten. Insbesondere spricht das für den Schuldner bei der Rückforderung bestehende Risiko der Insolvenz auf der Gläubigerseite - im Regelfall -
für eine Inanspruchnahme des Zedenten. Zahlt der Schuldner an den Zessionar
im Vertrauen darauf, daß die Angaben seines Vertragspartners (des Zedenten)
über die geltend gemachte Forderung zutreffend sind, so ist es gerechtfertigt,
ihm auch das Risiko der Insolvenz seines Vertragspartners aufzubürden, wenn
sich später herausstellt, daß das Vertrauen nicht gerechtfertigt war (BGHZ 122,
46, 51). An der Risikozuordnung kann und darf sich durch die Abtretung der
behaupteten Forderung nichts ändern; es besteht kein Grund, die Rechtsstellung des Schuldners hinsichtlich der Rückforderung aufgrund der Abtretung, auf
die der Schuldner keinen Einfluß hat, zu verbessern oder auch - arg. § 404
BGB - zu verschlechtern (vgl. BGHZ 105, 365, 371).
Diese Rechtsprechung, die mit der damals bereits herrschenden Auffassung im rechtswissenschaftlichen Schrifttum zum Bereicherungsausgleich in
Zessionsfällen (Nachweise in BGH, Urteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 51/87,
NJW 1989, 161 unter 2 a) übereinstimmte, hat überwiegend Zustimmung gefunden (Nachweise in BGHZ 122, 46, 50; MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl., § 812
Rdnr. 141 ff. m.w.Nachw.; Staudinger/Lorenz, BGB (1999), § 812 Rdnr. 41
m.w.Nachw.; kritisch demgegenüber Flume, AcP 199 (1999), 1, 18 ff.). Ihre
Grundgedanken sind über die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zu Unrecht gezahlter Versicherungsleistungen hinaus auch auf andere Zessionsfälle
übertragbar (vgl. MünchKomm, aaO; Staudinger/Lorenz aaO); dies gilt jedenfalls dann, wenn der abgetretene Scheinanspruch - wie bei einem bestehenden
Versicherungsverhältnis - aus einem grundsätzlich intakten Rechtsverhältnis
zwischen dem Scheinschuldner und dem Zedenten stammen soll (vgl. dazu
BGH, Urteil vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230 unter B II 2 d
bb).
2. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, von den dargelegten
Grundsätzen zum Bereicherungsausgleich in Zessionsfällen abzuweichen. Sie
führen auch hier zu einer sachgerechten Risikoverteilung. Ein intaktes Rechtsverhältnis als Grundlage der (vermeintlichen) Abtretungsforderung bestand zwischen der Klägerin und der F. -GmbH aufgrund des die kaufvertragliche Geschäftsbeziehung regelnden, seit 1993 bestehenden Rahmenvertrages. Das
Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Klägerin die in
Rechnung gestellten Beträge im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rechnungslegung ihres langjährigen Vertragspartners gezahlt hat. Die Gesichtspunkte des
Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung lassen es deshalb als interessengerecht erscheinen, der Klägerin auch das Risiko der Insolvenz ihres Vertragspartners aufzubürden, wenn sich später herausstellte, daß das Vertrauen auf
die Richtigkeit der von ihrem Vertragspartner gestellten Rechnungen nicht gerechtfertigt war. Die Notwendigkeit der Kondiktion gegenüber der F. -GmbH
beläßt damit die Risiken dort, wo sie von Anfang an lagen, nämlich in der
Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und ihrer Lieferantin, in welcher der
Fehler aufgetreten ist (vgl. BGHZ 122, 46, 51). So hat es auch die Klägerin
selbst gesehen und - zunächst - einen rechtskräftigen Titel gegen die F. -GmbH
erwirkt.
Darüber hinaus spricht bei abgetretenen Zahlungsansprüchen, die – wie
im vorliegenden Fall - aus einer vertraglichen Lieferbeziehung stammen sollen
und sich als nicht bestehend erweisen, ein weiterer Gesichtspunkt für den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch des Schuldners gegen seinen
Vertragspartner und nicht gegen den Zessionar, an den der Schuldner gezahlt
hat. Es ist in einem solchen Fall sachgerecht, eine etwaige vertragliche und eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung der Zahlung in ein und demselben
Rechtsverhältnis vorzunehmen und nicht die vertragliche Rückabwicklung innerhalb der fortbestehenden Vertragsbeziehung zum Zedenten anzusiedeln, die
bereicherungsrechtliche Rückabwicklung dagegen im Rechtsverhältnis zum
Zessionar (vgl. Staudinger/Lorenz, aaO m.w.Nachw.).
Schließlich ist der vorliegende Fall nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auch nicht vergleichbar mit den
Sachverhaltsgestaltungen, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Juni
1988 (IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161) und dem Senatsurteil vom 25. September
1996 (VIII ZR 76/95, NJW 1997, 461) zugrunde lagen, in denen - vom Senat als
Ausnahmefall bezeichnet (aaO unter III 2) - ein Bereicherungsanspruch gegen
den Zessionar in Betracht kam.
3. Das Factoring-Verhältnis zwischen der F. -GmbH und der Beklagten
rechtfertigt, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, keine andere
Beurteilung. Die Revision vermag keine Gesichtspunkte aufzuzeigen, die eine
Abweichung von den dargelegten Grundsätzen zum Bereicherungsausgleich in
Zessionsfällen deshalb rechtfertigen, weil die F. -GmbH ihre vermeintliche For-
derung gegen die Klägerin aufgrund eines Factoring-Vertrages an die Beklagte
abgetreten hatte.
Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Beklagte durch den Factoringvertrag, der ein Finanzierungsmittel ist, nicht in die
laufende Geschäftsbeziehung und das fortbestehende Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der F. -GmbH eingetreten ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht deshalb im Anschluß an die in BGHZ 105, 365 (372 f.) und BGHZ
122, 46 (52) veröffentlichten Entscheidungen die wirtschaftliche Nähe auch des
Factoring zu den Fällen betont, in denen der Gläubiger den Schuldner anweist,
die Zahlung auf ein Konto bei der kreditgewährenden Bank zu leisten. Auch bei
einer Anweisung ist der Bereicherungsausgleich bei Fehlern im Deckungsverhältnis zwischen Anweisendem und Angewiesenem in diesem Verhältnis vorzunehmen (BGHZ 122, 46, 52), sofern - wie im vorliegenden Fall - ein grundsätzlich intaktes Deckungsverhältnis besteht, aus dem Ansprüche abgetreten
werden können (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2004, aaO). Diese Grundsätze
sind auch für den hier zu beurteilenden Bereicherungsausgleich bei einer Zahlung des Schuldners an den Zessionar aufgrund einer Abtretung im Rahmen
eines Factoringvertrages weiterhin interessengerecht.
Dr. Deppert Dr. Beyer Wiechers
Dr. Wolst Dr. Frellesen
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