Urteil des BGH vom 06.02.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 230/12
Verkündet am:
6. Februar 2013
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 271 Abs. 1; § 506 Abs. 1, § 494 Abs. 2 Satz 2, § 499 Abs. 1 in der Fassung
vom 2. Januar 2002; VerbrKG § 1 Abs. 2, § 6 Abs. 2 Satz 2; VVG §§ 9, 35 a.F.
1. Die vertraglich vereinbarte unterjährige Zahlungsweise von Versicherungsprämien
ist keine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs.
2. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Versicherungsnehmer nach den Allgemeinen
Versicherungsbedingungen zunächst eine Jahresprämie angeboten und ihm dann
davon abweichend die Möglichkeit eingeräumt wird, eine unterjährige Zahlungs-
weise zu wählen oder ob von vornherein eine unterjährige Zahlungsperiode vor-
gesehen ist.
BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - IV ZR 230/12 - LG Karlsruhe
AG Maulbronn
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzen-
de Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richt e-
rin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2013
für Recht erkannt:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 1 . Zivil-
kammer des Landgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2012
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger begehren im Wege der Stufenklage in erster Stufe
Neuberechnung von Teilprämien für ihre Lebensversicherungsverträge.
Zwischen den Parteien wurden insgesamt vier Lebensversich e-
rungsverträge geschlossen. Der Kläger zu 1 und die Beklagte schlossen
am 24. März 1997 einen Lebensversicherungsvertrag mit einer verei n-
barten monatlichen Beitragszahlung von 60 DM sowie einen weiteren
Versicherungsvertrag am 6. September 2002 mit vereinbarter monatli-
cher Beitragszahlung von 60
€. Letzterer Vertrag wurde vom Kläger zu 1
mit Schreiben vom 25. Dezember 2010 gekündigt und von der Beklagten
abgerechnet.
Zwischen der Klägerin zu 2 und der Beklagten bestand ein Versi-
cherungsvertrag vom 28. August 2003 mit vereinbarter monatlicher Bei-
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tragszahlung von 56,08
€. Der Vertrag wurde von der Klägerin zu 2 mit
Schreiben vom 25. Dezember 2010 gekündigt und von der Beklagten a b-
gerechnet. Außerdem wurde noch ein weiterer Versicherungsvertrag
zwischen der Klägerin zu 2 und der Beklagten am 3. Mai 2007 mit einer
vereinbarten monatlichen Beitragszahlung von 61,53
€ geschlossen. Den
Versicherungsverträgen liegen jeweils die Allgemeinen Bedingungen der
Beklagten für die kapitalbildende Lebensversicherung ohne Gesun d-
heitsprüfung (AVB) zu Grunde.
In dem maßgeblichen § 4 der AVB heißt es:
Was haben Sie bei der Beitragszahlung zu beachten?
(1) Die Beiträge zu Ihrer Lebensversicherung sind durch
jährliche Beitragszahlungen (Jahresbeiträge) zu entrichten.
Die Jahresbeiträge werden zu Beginn eines jeden Versi-
cherungsjahres fällig.
(2) Nach Vereinbarung können Sie Jahresbeiträge auch in
halbjährlichen, vierteljährlichen oder monatlichen Raten
zahlen; hierfür werden Ratenzuschläge erhoben. Die ei n-
zelnen Raten sind jeweils zum Ersten eines Ratenza h-
lungsabschnitts fällig.
(3)
(4) Der Einlösungsbeitrag wird sofort nach Abschluss des
Versicherungsvertrages
fällig.
Alle
weiteren
Beiträge
(Folgebeiträge) sind jeweils zum vereinbarten Fälligkeitstag
an uns zu zahlen.
Die Kläger sind der Auffassung, dass es sich bei der Vereinbarung
unterjähriger Zahlungsweise der Versicherungsbeiträge mit Erhebung
von Ratenzahlungszuschlägen um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub
handele. Da der effektive Jahreszins in den unterzeichneten Vertragse r-
klärungen nicht angegeben worden ist, dürfe die Beklagte nur den ge-
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setzlichen Zinssatz berechnen und der der Berechnung der Teilzahlung
zu Grunde gelegte Zinssatz ermäßige sich auf diesen .
Das Amtsgericht hat die Klage ab- und das Landgericht die Beru-
fung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klageb e-
gehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Kläger keinen A n-
spruch auf Berechnung der monatlichen Beiträge unter Berücksi chtigung
eines effektiven Jahreszinssatzes von nicht mehr als 4% haben, weil es
sich bei der Vereinbarung der monatlichen Zahlung der Prämien nicht um
eine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs
i.S. von § 499 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 2. Januar 2002 (im Fol-
genden a.F.) handele. Entscheidendes Kriterium für das Vorliegen eines
solchen entgeltlichen Zahlungsaufschubs sei die vertragliche Abwe i-
chung von der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Leistung s-
zeit zu Gunsten des Verbrauchers. Daran fehle es hier.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei einen Anspruch der
Kläger auf Berechnung der monatlichen Beiträge unter Berücksichtigung
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eines effektiven Jahreszinssatzes von nicht mehr als 4% abgelehnt. Ein
solcher Anspruch bestünde nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG, § 494
Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. nur, wenn es sich bei der vereinbarten unterjä h-
rigen Zahlungsweise um eine Kreditgewährung in Form eines - allein hier
in Betracht kommenden - entgeltlichen Zahlungsaufschubs nach § 1
Abs. 2 VerbrKrG, § 499 Abs. 1 BGB a.F. (nunmehr § 506 Abs. 1 BGB)
handelte. Das ist nicht der Fall.
2. Ein entgeltlicher Zahlungsaufschub im Sinne der genannten
Vorschriften liegt nur vor, wenn die Fälligkeit der von den Klägern ge-
schuldeten Zahlung abweichend vom dispositiven Recht gegen Entge lt
hinausgeschoben würde, um ihnen die Zahlung der vereinbarten Versi-
cherungsprämie zu erleichtern (BGH, Urteile vom 16. November 1995 - I
ZR 177/93, NJW 1996, 457, 458; vom 22. Dezember 2005 - VIII ZR
183/04, BGHZ 165, 325, 331).
a) In der Literatur und Rechtsprechung der Landgerichte wird tei l-
weise die Ansicht vertreten, dass eine unterjährige Zahlungsweise von
Versicherungsprämien als entgeltlicher Zahlungsaufschub i.S. von § 1
Abs. 2 VerbrKrG zu behandeln sei. Bei Versicherungen würden die Pr ä-
mien grundsätzlich zu Beginn einer Versicherungsperiode fällig. Diese
umfasse nach § 9 VVG a.F. (§ 12 VVG) den Zeitraum eines Jahres, so
dass sich nach § 271 Abs. 1 BGB die sofortige Fälligkeit der Jahresprä-
mie ergäbe. Eine Vereinbarung, die ein späteres Zahlungsziel vorsehe,
enthalte daher einen Zahlungsaufschub. Da die Zahlung der vollen Pr ä-
mie zu Beginn der Versicherungsperiode der "Normalfall" se i, bestehe
eine Vermutung für einen Preisaufschlag, die vom Versicherer im Einze l-
fall durch Offenlegung seiner Berechnungsgrundlagen widerlegt werden
könne. Es sei davon auszugehen, dass die zu zahlende Versicherung s-
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prämie auf der Basis vorschüssiger Jahresbeiträge kalkuliert werde mit
der Folge, dass bei unterjähriger Zahlungsweise mit Beitragszuschlägen
gearbeitet werde (LG Bamberg, Urteil vom 8. Februar 2006 - 2 O 764/04;
LG Hamburg, Urteil vom 18. Januar 2011 - 312 O 389/10, juris Rn. 63-
74; LG Düsseldorf, Urteil vom 7. Dezember 2011 - 12 O 193/10, juris
Rn. 37-47; LG Hamburg, Urteil vom 3. Mai 2011 - 212 O 334/10, VuR
2011, 269, 270; MünchKomm-BGB/Ulmer, 3. Aufl. § 1 VerbrKrG Rn. 70;
v. Westphalen in v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, Verbraucher-
kreditgesetz 2. Aufl. § 1 Rn. 168; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB [2004]
§ 499 Rn. 9 und [2012] § 506 Rn. 8; Bülow in Bülow/Artz, Verbraucher-
kreditrecht 7. Aufl. § 506 Rn. 41; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. Vor § 506
Rn. 3). Fehle eine Parteivereinbarung zur Fälli gkeit der Folgeprämien
ergebe sich aus der Zusammenschau von § 35 Satz 1 VVG a.F. (§ 33
Abs. 1 VVG) und § 9 VVG a.F. einerseits sowie des § 271 Abs. 1 BGB
andererseits, dass die Erstprämie gemäß § 35 Satz 1VVG a.F. sofort
nach Vertragsschluss zu Beginn des Versicherungsverhältnisses fällig
sei und die weiteren Prämien nach der Wertung des § 271 Abs. 1 BGB
zu Beginn der jeweils nächsten Versicherungsperiode, die gemäß § 9
VVG a.F. im Zweifel ein Jahr betrage (MünchKomm -BGB/Schürnbrand,
5. Aufl. § 499 Rn. 10; Schürnbrand, WM 2011, 481, 482 f. m.w.N.).
b) Nach ganz überwiegender Ansicht der Rechtsprechung und Te i-
len insbesondere der neueren Literatur beruht diese Auffassung auf dem
versicherungsrechtlich unzutreffenden Ausgangspunkt, dass der Begriff
"Versicherungsperiode" von im Zweifel dem "Zeitraum eines Jahres" (§ 9
VVG a.F.) die Fälligkeit der Prämienleistung bestimme, und zwar im Si n-
ne einer im Voraus für jeweils ein Jahr zu entrichtenden Zahlung. Das
sei unrichtig, weil die Versicherungsperiode als spezifisch versicherungs-
rechtlicher Begriff nach § 9 VVG von dem Zeitabschnitt abhänge, nach
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dem die Prämie bemessen werde. Sie sei nur die Bemessungsgrundlage
der Prämien (Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 12 Rn. 1) und habe
als solche nichts mit der Zahlungsweise der Prämien zu tun, bestimme
insbesondere auch nicht deren Fälligkeit (vgl. etwa OLG Oldenburg
VersR 2012, 1245; OLG Celle, Urteil vom 9. Februar 2012 - 8 U 191/11,
juris Rn. 52-58; OLG München, Urteil vom 10. Juli 2012 - 25 U 1169/12,
juris Rn. 14-28; OLG Hamburg VersR 2012, 41, 43-47; OLG Hamm
r+s 2011, 216 ff.; OLG Bamberg VersR 2007, 529; Hahn in Beckmann/
Matusche-Beckmann,
Versicherungsrechts-Handbuch
2. Aufl.
§ 12
Rn. 26 m.w.N.; Hadding, VersR 2010, 697, 700 f.; Looschelders, VersR
2010, 977, 979 f.; MünchKomm-VVG/Fausten, 12. Aufl. § 12 Rn. 10, 18;
Johannsen in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 12 Rn. 3). Vereinbarten die
Beteiligten für das Versicherungsverhältnis "Jah resprämien" und werde
demgemäß für die Folgeprämien auf das Versicherungsjahr abgestellt,
so werde damit eine Versicherungsperiode von einem Jahr festgelegt.
Die Versicherungsperiode von im Zweifel einem Jahr (§ 9 VVG a.F.) er-
gebe aber nicht umgekehrt die grundsätzliche Vereinbarung einer Jah-
resprämie (Fischer, MDR 1994, 1063 f. für Direktunterrichtsverträge;
MünchKomm-VVG/Fausten aaO § 12 Rn. 18, 20; Hadding aaO 700, 704;
HK-VVG/Muschner, 2. Aufl. § 12 Rn. 2 f., 6; Prölss in Prölss/Martin, VVG
28. Aufl. § 12 Rn. 1; Erman/Saenger, BGB 13. Aufl. § 506 Rn. 28;
Schneider in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 12 Rn. 5; differen-
zierend: Johannsen in Bruck/Möller aaO). Die Prämienfälligkeit könne
vielmehr in den Grenzen des § 307 BGB frei vereinbart werden (Prölss in
Prölss/Martin aaO § 12 Rn. 3).
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c) Letztere Auffassung trifft zu. Die vertragliche Regelung einer
Zahlung der Versicherungsprämie in Zeitabschnitten weicht nicht vom
dispositiven Recht ab, denn es gibt im Versicherungsvertragsgesetz ke i-
ne gesetzliche Regelung zur Fälligkeit der Folgeprämien.
aa) Geregelt ist dort nur die Fälligkeit der Erst - oder Einmalprämie
(§ 35 Satz 1 VVG a.F.). Bei dieser handelt es sich ausschließlich um die
zuerst zu zahlende Prämie, deren Zahlung regelmäßig den Beginn des
Versicherungsschutzes auslöst (BGH, Urteil vom 17. April 1967 - II ZR
228/64, BGHZ 47, 352, 361). Da Versicherungsverträge, insbesondere
Lebens- und Rentenversicherungsverträge, in der Regel auf eine vieljäh-
rige Laufzeit konzipiert sind, kommt dieser Fälligkeitsregelung eine wir t-
schaftlich untergeordnete Bedeutung zu. Sie wirkt sich nicht auf die Fä l-
ligkeit der Folgeprämien aus (OLG Hamburg VersR 2012, 41, 47).
bb) Es liegt daher kein Zahlungsaufschub vor, wenn der Versich e-
rer dem Versicherungsnehmer nach Zeitabschnitten gestaffelte Prämien
anbietet, auch wenn diese je nach gewähltem Zeitabschnitt unterschie d-
lich hoch sind. Aus der Versicherungsperiode von einem Jahr i.S. des
§ 9 VVG a.F. ergibt sich nicht, dass als Zahlungsweise kraft Gesetzes
eine jährliche Zahlungsweise vorgesehen ist.
(1) Eine vertraglich festgelegte unterjährige Zahlung von Folg e-
prämien entspricht dem maßgeblichen dispositiven Recht in § 271 Abs. 1
BGB über die frei zu vereinbarende Leistungszeit und damit die Fälligkeit
der Versicherungsprämien. Diese Norm bestimmt die sofortige Fälligkeit
nur subsidiär für den Fall, dass die Parteien eine vertragliche Regelung
über die Fälligkeit nicht getroffen haben. Mit Vereinbarung unterjähriger
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Zahlungsweise haben sie indes eine Regelung erzielt und es handelt
sich dann nicht um einen Zahlungsaufschub zugunsten des Versich e-
rungsnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1995 - I ZR 177/93,
NJW 1996, 457, 458; im Anschluss daran BGH, Urteil vom 11. Juli 1996
- III ZR 242/95, NJW-RR 1996, 1266). Zu Recht wird in der Literatur in
Übereinstimmung damit betont, die "Bemessung des Beitrags nach e i-
nem Zeitabschnitt" erfolge allein im Hinblick auf die Risikotragung. Dam it
habe sie nichts mit dem Prämienzufluss beim Versicherer zu tun; von ihr
umfasst werde also nicht, dass der für die Versicherungsperiode benöti g-
te Beitrag schon zum Beginn der Versicherungsperiode gezahlt werden
müsse. Da innerhalb der Versicherungsperiode Versicherungsschutz
kontinuierlich gewährt werde, sei jede gleichmäßige vorschüssige Za h-
lung von Beiträgen als im Voraus anzusehen und damit nicht darlehen s-
ähnlich (OLG Bamberg VersR 2007, 529 f.; OLG Köln VersR 2011, 248,
249; OLG Hamm VersR 2012, 215, 217; Hanseatisches Oberlandesge-
richt VersR 2012, 41, 46 f.; OLG Stuttgart VersR 2011, 786, 787; OLG
Celle, Urteil vom 9. Februar 2012 - 8 U 191/11, juris Rn. 56 f.; OLG
Oldenburg VersR 2012, 1245; OLG München, Urteil vom 10. Juli 2012
- 25 U 1169/12, juris Rn. 17; Engeländer, VersR 2011, 1358, 1364; Fi-
scher, MDR 1994, 1063 f.; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbrau-
cherkredite § 1 Rn. 8; Hadding, VersR 2010, 697, 700 f.; Looschelders,
VersR 2010, 977, 980; Münscher in Peters/Münscher, Verbraucherdarle-
hensrecht 3. Aufl. Rn. 42).
(2) Aber auch wenn - wie hier - in den AVB zunächst eine Jahres-
prämie vorgesehen ist und selbst wenn - wie die Revision geltend
macht - die Parteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben,
können sie abweichend davon eine unterjährige Zahlungspflicht mit ent-
sprechender Fälligkeit bestimmen, wie es hier geschehen ist.
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Aufgrund des § 9 VVG a.F. wird zwischen sogenannter echter und
unechter unterjähriger Beitragszahlung unterschieden. Von "echter unte r-
jähriger Beitragszahlung" spricht man, wenn nach den Formulierungen in
den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Bemessungs -, Versiche-
rungs- und Beitragszahlungsperiode identisch und kürzer als ein Jahr
sind. Bei "unechter unterjähriger Beitragszahlung" ist - wie im Streitfall -
trotz monatlicher, viertel- oder halbjährlicher Zahlungsweise die Versi-
cherungsperiode das Jahr (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 - IV ZR
249/90, BGHZ 115, 347, 353 unter III; Engeländer VersR 2011, 1358,
1364 f.). Der Jahreszeitraum ist indes nur für die Festlegung der Versi-
cherungsperiode wichtig. Es macht inhaltlich keinen Unterschied, ob dem
Versicherungsnehmer nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen
zunächst eine Jahresprämie angeboten und ihm dann davon abweichend
die Möglichkeit eingeräumt wird, eine unterjährige Zahlungsweise zu
wählen, oder ob von vornherein eine unterjährige Zahlungsperiode vo r-
gesehen ist. Dies ist für den Versicherungsnehmer erkennbar lediglich
eine Frage der Formulierung ohne materiell-rechtliche Auswirkungen auf
die eröffnete Ausgestaltung des Versicherungsvertrages durch die Ve r-
tragsparteien in Bezug auf die festzulegende Zahlungsweise. Es ändert
nichts daran, dass die Berechnung in beiden Fällen dazu führt, dass der
Betrag der jährlichen Einmalzahlung - sei es aufgrund Rabatts bei "ech-
ter" oder aufgrund direkter Berechnung bei "unechter" unterjähriger Zah-
lung - unter der Summe der unterjährig gezahlten Prämien liegt. Die in
den verschiedenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Vers i-
cherer verwandte unterschiedliche Terminologie ist rechtlich nicht en t-
scheidend für die Frage, ob ein entgeltlicher Zahlungsaufschub oder ein
Rabatt vorliegt. Entscheidend ist, was zwischen den Parteien zur Fälli g-
keit vereinbart wird und dass dies nicht vom dispositiven Recht zuguns-
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ten des Versicherungsnehmers abweicht. Gerade bei älteren Versiche-
rungsverträgen erklärt sich die Rede von "Jahresbeiträgen" und zur Fä l-
ligkeit "zu Beginn eines jeden Versicherungsjahres" mit der besonderen
Bedeutung, die früher der Unteilbarkeit der Jahresprämie zukam (Had-
ding, VersR 2010, 697, 703 f.). Die Kläger haben hier eine monatliche
Beitragszahlung gewählt. Die Versicherungsprämien sind danach verei n-
barungsgemäß zu Beginn eines jeden Monats fällig.
d) Dieses Verständnis entspricht auch der entstehungsgeschichtli-
chen und europarechtlichen Auslegung des § 1 Abs. 2 VerbrKG und sei-
ner im Wesentlichen gleichlautenden Nachfolgeregelungen , § 499 Abs. 1
BGB a.F., § 506 Abs. 1 BGB.
aa) Mit dem Verbraucherkreditgesetz wurde die Richtlinie 87/1 02
EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbrauche r-
kredit (ABl. L 42 vom 12. Februar 1987 S. 48-53) umgesetzt. In deren
Art. 1 Abs. 2 Buchst. c) Unterabsatz 2 ist festgehalten, dass Verträge
über die kontinuierliche Erbringung von Dienstleistungen oder Leistu n-
gen von Versorgungsbetrieben, bei denen der Verbraucher berechtigt ist,
für die Dauer der Erbringung Teilzahlungen zu leisten, nicht als Kredi t-
verträge im Sinne der Richtlinie anzusehen sind. Versicherungsverträge
können als derartige Verträge über kontinuierliche Dienstleistungen im
Sinne der Richtlinie gelten, so dass sie von ihr nicht erfasst werden. Dies
steht in Übereinstimmung mit Kap. I Art. 3 Buchst. c) der Richtlinie
2008/48/EG (ABl. L 133 vom 22. Mai 2008 S. 66-92), welche die Richtli-
nie 87/102/EWG ersetzt hat. Danach sind vom Anwendungsbereich der
Richtlinie ausgenommen "Verträge über die wiederkehrende Erbringung
von Dienstleistungen […], bei denen der Verbraucher für die Dauer der
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Erbringung […] Teilzahlungen für diese Dienstleistungen […] leistet". In
Erwägungsgrund 12 dieser Richtlinie heißt es erläuternd:
"Verträge über die wiederkehrende Erbringung von Diens t-
leistungen […], bei denen der Verbraucher für die Dauer
der Erbringung […] Teilzahlungen leistet, können sich hin-
sichtlich der Interessenlage der Vertragspartner und hi n-
sichtlich der Art und Weise und der Durchführung der G e-
schäfte erheblich von den unter diese Richtlinie fallenden
Kreditverträgen unterscheiden. Deshalb sollte klargestellt
werden, dass derartige Verträge nicht als Kreditverträge im
Sinne der Richtlinie gelten. Zu derartigen Verträgen würde
zum Beispiel ein Versicherungsvertrag gehören, bei dem
für die Versicherung monatliche Teilzahlungen erbracht
werden."
In dem Erwägungsgrund 12 der Richtlinie 2008/48/EG werden d a-
mit beispielhaft ausdrücklich derartige Versicherungsverträge nicht als
Kreditverträge angesehen (vgl. auch Hanseatisches Oberlandesgericht
VersR 2012, 41, 44; OLG Hamm VersR 2012, 215, 218). Die Auffassung,
es könne sich bei diesen Versicherungsverträgen lediglich um Verträge
handeln, bei denen der für die jeweilige Versicherungsperiode gezahlte
Beitrag die Gegenleistung nur für den für diesen Zeitabschnitt geleist e-
ten Versicherungsschutz darstelle, verkennt, dass es sich dann nicht um
Teilzahlungen handelt; es liegt vielmehr eine sogenannte echte unterjä h-
rige Beitragszahlung vor, die vom Wortsinn ohnedies nicht erfasst wird
(Looschelders, VersR 2010, 977, 981). Etwas and eres ergibt sich auch
nicht daraus, dass Versicherungsverträge beispielhaft nur im Erw ä-
gungsgrund 12 der Richtlinie, nicht hingegen im Katalog der Bereich s-
ausnahmen des Art. 2 oder bei der Begriffsbestimmung in Art. 3
Buchst. c) Halbsatz 2 der Richtlinie 2008/48/EG gesondert erwähnt wer-
den. Mit dem Erwägungsgrund 12 ist vielmehr klargestellt, dass zu den
Geschäften, die sich "erheblich von den unter diese Richtlinie fallenden
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Kreditverträgen unterscheiden" und deshalb "nicht als Kreditverträge im
Sinne der Richtlinie gelten", jedenfalls Versicherungsverträge gehören.
bb) Selbst wenn angenommen wird, dass der nationale Gesetzg e-
ber trotz dieser europarechtlichen Vorgaben frei sei, die unterjährige
Zahlungsweise gleichwohl als Kreditgewährung zu behandeln , wollte der
deutsche Gesetzgeber die Zahlung der Prämien bei Versicherungsve r-
trägen dem Verbraucherkreditgesetz erkennbar nicht unterstellen. In der
amtlichen Begründung des Entwurfs zum Verbraucherkreditgesetz wird
ausgeführt, dass Dauerschuldverhältnisse mit laufenden Zahlungen - wie
etwa Versicherungsverträge - nicht schon deshalb in den Anwendungs-
bereich des Gesetzes fallen, weil die Tarife nach der Zahlungsweise g e-
staffelt würden. Insoweit stünden Rabatt- und nicht Kreditgesichtspunkte
im Vordergrund (BT-Drucks. 11/5462 S. 17). Der Gesetzgeber ist davon
ausgegangen, dass solche Schuldverhältnisse ohnehin nicht vom Begriff
des entgeltlichen Zahlungsaufschubs erfasst werden (Looschelders,
VersR 2010, 977, 981). Der Begriff "Rabatt" ist in dem Zusammenhan g
ersichtlich untechnisch gemeint. Durch das Schuldrechtsmodernisi e-
rungsgesetz wurde das Verbraucherkreditgesetz in das Bürgerliche G e-
setzbuch integriert. In der amtlichen Begründung des Entwurfs wird zu
§ 499 BGB a.F. ausgeführt, dass eine Änderung des vo rherigen Rechts-
zustands nicht beabsichtigt sei (BT-Drucks. 14/6040 S. 256).
e) Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber
bei der Reform des Versicherungsvertragsrechts im Jahr 2008, mit we l-
cher der Verbraucherschutz von Versicherungsnehmern umfassend in
die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes und der VVG -InfoV
aufgenommen wurde, eine kumulative Anwendung des Bürgerlichen G e-
setzbuchs und des Versicherungsvertragsgesetzes beabsichtigte.
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Mit §§ 8, 9 VVG ist vielmehr eine das Widerrufsrecht der Versich e-
rungsnehmer abschließende Regelung geschaffen worden, die für eine
ergänzende Anwendung der Vorschriften des BGB bzw. des VerbrKrG
keinen Raum lässt (Hadding, VersR 2010, 697, 70 5 f.; Looschelders,
VersR 2010, 977, 980 f.; a.A. Schürnbrand, WM 2011, 481, 485).
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Maulbronn, Entscheidung vom 15.07.2011 - 3 C 3/11 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.05.2012 - 1 S 133/11 -
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