Urteil des BGH vom 13.01.2010
BGH (treu und glauben, abweisung der klage, obliegenheit, polizei, zpo, versicherungsnehmer, auswechslung, erstattung, verhalten, versicherer)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 28/09
vom
13. Januar 2010
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert, Wendt, Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt und den Richter
Dr. Karczewski
am 13. Januar 2010
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des
8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Ja-
nuar 2009 auf Kosten des Klägers
- zu verwerfen, soweit die Revision sich gegen die Ab-
weisung der Klage auf Erstattung von Kosten in Höhe
von 3.898,95 € für die Reparatur von Gebäudeschäden
und die Auswechslung von Schlössern wendet,
- im Übrigen nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Streitwert: bis 80.000 €
Gründe:
Der Kläger begehrt nach einem behaupteten Einbruch in sein Haus
Versicherungsleistungen aus einer bei der Beklagten gehaltenen Haus-
ratversicherung, der die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen
1
- 3 -
(VHB 92) zugrunde liegen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewie-
sen.
1. Soweit sich die Revision des Klägers gegen die Versagung des
mit der Klage erhobenen Anspruchs auf Erstattung von Reparaturkosten
in Höhe von 3.898,95 € für einbruchbedingte Gebäudeschäden und die
Auswechslung von Schlössern wendet, ist sie unzulässig.
2
Das Berufungsgericht hat die Revision nur beschränkt - auf die
Frage, ob sich der beklagte Versicherer auf die verspätete Vorlage einer
Stehlgutliste bei der Polizei berufen darf - zugelassen. Das ergibt sich
zwar nicht aus dem Tenor des Berufungsurteils, wohl aber, was nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreicht (
360 f. m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08 -
ZIP 2009, 2158 Tz. 11), aus den Urteilsgründen. Sie machen deutlich,
dass das Berufungsgericht mit der Revisionszulassung lediglich die Prü-
fung ermöglichen wollte, ob die Grundsätze der Senatsentscheidung vom
17. September 2008 (IV ZR 317/05 - VersR 2008, 1491) seiner Entschei-
dung entgegenstehen. Das betrifft allein die Frage der Berufung des
Versicherers auf die Verletzung der Obliegenheit aus § 21 Nr. 1
Buchst. c VHB 92 (Obliegenheit zur unverzüglichen Vorlage eines Ver-
zeichnisses der abhanden gekommenen Sachen bei der zuständigen Po-
lizeidienststelle), nicht aber die Erstattung "notwendiger Kosten" i.S. von
§ 2 Nr. 1 Buchst. e und f VHB 92 für die Reparatur von Gebäudeschä-
den, die durch den Einbruchdiebstahl verursacht worden sind, und die
Auswechslung von Schlössern. Denn für diese Kostenerstattung ist ein
Normzweckzusammenhang zur Obliegenheit aus § 21 Nr. 1 Buchst. c
VHB 92 nicht erkennbar. Es handelt sich insoweit auch um einen selb-
3
- 4 -
ständigen Teil des Streitstoffes, über den durch Teilurteil hätte entschie-
den werden können.
Soweit der Kläger dennoch auch den Kostenerstattungsanspruch
weiterverfolgen möchte, scheidet eine (teilweise) Umdeutung seiner Re-
vision in eine Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. allgemein zur Umdeu-
tung von Rechtsmittelerklärungen Zöller/Heßler, ZPO 28. Aufl. vor § 511
Rdn. 37) deshalb aus, weil auch dieses Rechtsmittel keinen Erfolg ver-
spricht. Denn der Kläger hat innerhalb der Frist des § 544 Abs. 2 ZPO
Gründe für die Zulassung der Revision nicht in einer den Anforderungen
der Rechtsprechung genügenden Art und Weise dargelegt (vgl. dazu
BGHZ 154, 288, 291 ff.).
4
2. Die nur im Übrigen vom Berufungsgericht zugelassene Revision
ist gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen, weil Gründe für ihre Zulassung
nicht vorliegen und sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
5
a) Mit seinem Urteil vom 17. September 2008 (aaO Tz. 8-11) hat
der Senat grundsätzlich geklärt, dass es dem Hausratversicherer nach
Treu und Glauben verwehrt sein kann, sich auf Leistungsfreiheit wegen
Verletzung der Obliegenheit zur Vorlage eines Verzeichnisses der ab-
handen gekommenen Sachen bei der zuständigen Polizeidienststelle
(§ 21 Nr. 1 Buchst. c VHB 92) zu berufen, wenn einerseits sein Verhalten
nach der Schadenmeldung geeignet ist, den Versicherungsnehmer hin-
sichtlich dieser Obliegenheit und ihrer Rechtsfolgen irrezuführen und er
es andererseits unterlässt, den Versicherungsnehmer darauf hinzuwei-
sen, dass er auf der Erfüllung der Obliegenheit bestehe und er anderen-
falls leistungsfrei werden könne.
6
- 5 -
7
Erst im Rahmen der dann nach § 242 BGB eröffneten Abwägung
der beiderseitigen Interessen ist es von Bedeutung, dass einerseits die
Unkenntnis von Versicherungsnehmern über die Obliegenheit zur Stehl-
gutlistenvorlage weit verbreitet ist, der Versicherer demgegenüber einen
Wissensvorsprung hat und ihm ein Hinweis auf die Obliegenheit und ihre
Rechtsfolgen im Schadenmeldungsformular ohne Weiteres möglich ist.
Anders als die Revision meint, reichen diese Umstände für sich genom-
men aber noch nicht aus, um eine generelle Hinweis- oder Belehrungs-
pflicht des Versicherers in jedem Falle zu begründen.
Ob
die
vorgenannten
Voraussetzungen im konkreten Einzelfall er-
füllt sind, ob insbesondere der Versicherungsnehmer durch das Verhal-
ten des Versicherers irritiert worden ist, ist einer weiteren grundsätzli-
chen Klärung nicht zugänglich, sondern muss vom Tatrichter anhand der
konkreten Fallumstände beantwortet werden.
8
b) Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
9
Das Berufungsgericht hat hier eine Irreführung des Klägers durch
die Beklagte über die Obliegenheit, der Polizei unverzüglich eine Stehl-
gutliste vorzulegen, verneint. Diese Bewertung der festgestellten Tatsa-
chen ist revisionsrechtlich hinzunehmen. Rechtsfehler deckt die Revision
insoweit nicht auf. Ungeachtet der dem Senatsurteil vom 17. September
2008 (aaO) zugrunde liegenden Besonderheiten hat sich - solange der
Versicherer bei ihm keinen Irrtum über die Bedingungslage erweckt oder
sich anderweitig widersprüchlich verhält - grundsätzlich der Versiche-
rungsnehmer selbst im Schadenfalle anhand der Versicherungsbedin-
gungen darüber zu informieren, was er unternehmen muss, um Versiche-
rungsschutz zu erlangen.
10
- 6 -
11
Eine dem Sachverhalt der Senatsentscheidung vom 17. September
2008 ähnliche Irreführung des Klägers durch die Beklagte hat das Beru-
fungsgericht nicht festgestellt. Die Beklagte hat sich im Anschluss an die
Schadenmeldung zunächst darauf beschränkt, dem Kläger - bereits am
10. August 2006 - ein Schadenmeldungsformular zu übersenden, in wel-
chem auch danach gefragt wurde, ob und wann eine "komplette Liste der
entwendeten Teile bei der Polizei eingereicht" wurde. Dem konnte der
Kläger nicht entnehmen, dass es auf eine solche Schadenaufstellung
fortan nicht mehr ankäme.
Unerheblich ist es danach, ob auch die Polizei dem Kläger ausrei-
chende Kenntnis von der versicherungsrechtlichen Obliegenheit zur
Stehlgutlistenvorlage und den Konsequenzen einer Obliegenheitsverlet-
zung für die Versicherungsleistung verschafft hat. Entscheidend ist al-
lein, dass das Verhalten der Polizei nach den Feststellungen des Beru-
fungsgerichts vom Kläger nicht dahin gedeutet werden konnte, man sei
an der unverzüglichen Vorlage einer Schadenaufstellung nicht mehr inte-
ressiert.
12
- 7 -
13
3. Beide Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen
4 Wochen
Seiffert Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Hinweis:
sungsbeschluss mit ergänzender Begründung erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 05.09.2008 - 13 O 216/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.01.2009 - 8 U 187/08 -