Urteil des BGH vom 22.11.2012

BGH: befangenheit, präsidium, selbstanzeige, fehlerhaftigkeit, unparteilichkeit, aktiven, beeinflussung, krankheit, unterrichtung, erpressung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 28/12
vom
22. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Entscheidung über die Richterablehnung wegen Besorgnis der
Befangenheit
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2012 be-
schlossen:
Es wird festgestellt, dass der Antrag auf Ablehnung des Vor-
sitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann gegen-
standslos ist.
Der Antrag auf Ablehnung der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl, Dr. Berger und Dr. Ott wird als unbegründet zurückge-
wiesen.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer hat die Besetzung des Senats mit dem Vorsit-
zenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann im Hinblick auf den Se-
natsbeschluss vom 11. Januar 2012 - 2 StR 346/11 - beanstandet und nach
Mitteilung der Besetzung des Senats diesen Vorsitzenden sowie die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Berger, Dr. Eschelbach und Dr. Ott wegen Be-
sorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil der Senat in der Sache 2 StR 346/11
zur Sache entschieden hat, nachdem seine Annahme einer fehlerhaften Beset-
zung nicht zu einer Änderung der Geschäftsverteilung durch das Präsidium des
Bundesgerichtshofs geführt hat und einzelne Richter des Senats vom Präsidi-
um dazu angehört worden waren. Er hat die Besorgnis geäußert, dass die ab-
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gelehnten Richter dadurch in ihrer Auffassung zur Besetzungsfrage beeinflusst
worden seien. Nach Mitteilung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Rich-
ter hat der Beschwerdeführer die Ablehnung des Richters am Bundesgerichts-
hof Dr. Eschelbach zurückgenommen.
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl hat am 31. Mai, 26. Juni
2012 und 16. Oktober 2012 gemäß § 30 StPO jeweils Umstände angezeigt, die
nach seiner Ansicht eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit recht-
fertigen könnten. Dabei geht es im Kern um die Erledigung von anderen Revi-
sionsverfahren, in denen er Erklärungen nach § 30 StPO abgegeben hatte, in
seiner durch Krankheit bedingten Abwesenheit, ferner um darauf bezogene
Äußerungen des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Appl, sowie um die Unter-
richtung des Präsidenten des Bundesgerichtshofs vom Inhalt der dienstlichen
Erklärungen. Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl hat auf die Möglich-
keit hingewiesen, es könne der Eindruck entstehen, dass seitens des Präsiden-
ten des Bundesgerichtshofs oder durch das Präsidium auf Zwischenentschei-
dungen in Revisionsverfahren Einfluss genommen werde.
Der Beschwerdeführer hat diese Erklärungen zum Anlass genommen,
seine Ablehnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Appl auch auf die ihm
zugeschriebenen Äußerungen und dessen Aktenvorlage an den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs wegen von ihm als unzutreffend bezeichneter anwaltli-
cher Behauptungen über fehlerhafte Äußerungen und Diensthandlungen zur
Prüfung im Wege der Selbstanzeige zu erstrecken.
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II.
Die Erklärungen des Richters am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl nach
§ 30 StPO sind gegenstandlos, weil er wegen Urlaubsabwesenheit an dieser
Entscheidung nicht mitwirkt. Der Spruchgruppe, die zur Sachentscheidung über
die Revision des Beschwerdeführers berufen ist, gehört er nicht an.
III.
1. Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann ist gegenstandslos, weil er nach Ausscheiden aus dem aktiven
Dienst nicht mehr am Verfahren mitwirkt.
2. Die Ablehnung der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Berger
und Dr. Ott ist unbegründet. Es liegt aus der Sicht eines vernünftigen Revisi-
onsführers kein Grund zur Besorgnis ihrer Befangenheit vor.
Welche Ansicht sie zur Frage der ordnungsgemäßen Besetzung des Se-
nats zurzeit des Ablehnungsgesuchs vertreten haben, ist ohne Belang. Selbst
aus der Fehlerhaftigkeit einer Rechtsmeinung zu dieser Frage ergäbe sich nicht
die Besorgnis der Befangenheit.
Eine unsachliche Beeinflussung der genannten Richter bei ihrer Ent-
scheidung über die Besetzungsfrage durch das Präsidium liegt nicht vor (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610, 625/12, NJW 2334, 2337;
BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2012 - 2 StR 620/11 und 2 StR 25/12, vom
20. Juni 2012 - 2 StR 61/12 sowie 2 StR 166/12).
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Die Bitte des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Appl an den Präsiden-
ten des Bundesgerichtshofs im Wege einer Selbstanzeige, die aus seiner Sicht
gegen ihn gerichteten Vorwürfe zu überprüfen, rechtfertigt kein Misstrauen ge-
gen seine Unparteilichkeit bei der Entscheidung über das Rechtsmittel des Be-
schwerdeführers.
IV.
Für die Mitteilung weiterer, von ihm erbetener Informationen an den Ver-
teidiger zu den Hintergründen der gerichtsinternen Vorgänge ist kein Raum.
Becker
Franke
Schmitt
Mutzbauer
Eschelbach
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