Urteil des BGH vom 20.02.2002
BGH (mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, stgb, freiheitsstrafe, therapie, einziehung, unterbringung, freiheit, menge, stpo, strafe)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 14/02
vom
20. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbun-
desanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Februar 2002
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Lüneburg vom 9. Oktober 2001
a) dahin geändert, daß die Anordnung des Vorwegvollzugs
eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt entfällt,
b) in den Aussprüchen über die Einziehung eines Fahrtenmes-
sers und eines Handys Nokia, blau silber mit schwarzer Ta-
sche aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei
Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entzie-
hungsanstalt und außerdem angeordnet, daß ein Jahr der Strafe vor der Un-
terbringung zu vollstrecken ist. Ferner hat es die Einziehung von näher be-
zeichneten Gegenständen angeordnet. Der Angeklagte rügt die Verletzung
materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg zum Vorwegvollzug eines Tei-
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les der Strafe vor der Maßregel und zur Einziehung der in der Beschlußformel
genannten Gegenstände; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat zur Begründung der Abänderung der gesetzli-
chen Reihenfolge der Vollstreckung der Maßregel (§ 67 Abs. 2 StGB) im we-
sentlichen ausgeführt, daß bei dem Angeklagten aufgrund des Wechsels von
Kasachstan nach Deutschland von Tendenzen einer sozialen Entwurzelung
auszugehen sei; deshalb sei eine gut vorbereitete und umfassende gründliche
Eingliederung in die Gesellschaft nach der Haftentlassung erforderlich. Dieses
Ziel sei nur zu erreichen, wenn der Angeklagte "Schritt für Schritt" aus der The-
rapie direkt in die Freiheit entlassen werde. Wie der Generalbundesanwalt
dargelegt hat, hat das Landgericht übersehen, daß - wie das Urteil an anderer
Stelle (UA S. 21) näher ausführt - dem Angeklagten mit an Sicherheit grenzen-
der Wahrscheinlichkeit die Strafaussetzung zur Bewährung von zwei Jahren
Freiheitsstrafe widerrufen wird, so daß ihm in Wirklichkeit freiheitsentziehende
Maßnahmen für die Dauer von fünf Jahren und neun Monaten und nicht nur die
verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten drohen. Dadurch
wird die vom Landgericht als wesentlicher Umstand für den Teilvorwegvollzug
von einem Jahr Freiheitsstrafe genannte direkte Entlassung in die Freiheit
nach der Therapie in Frage gestellt. Soweit die Strafkammer meint, daß eine
Erfolgsaussicht der Therapie nur dann bestehe, wenn sie zum Ende der Haft-
strafe durchgeführt wird, fehlt es zudem an konkreten Anhaltspunkten dafür,
weshalb eine Gefährdung des Erfolgs des Maßregelvollzugs durch einen an-
schließenden Strafvollzug begründet werden kann und wie sich diese bei dem
Angeklagten auswirken könnte (vgl. BGHR StGB § 67 II Vorwegvollzug, teil-
weiser 7, 9, 11, 12; BGH NStZ 1986, 427, 428).
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2. Die Einziehungsanordnung bezüglich des Fahrtenmessers und des
Handys nebst Tasche hat ebenfalls keinen Bestand.
Zu dem Fahrtenmesser hat das Landgericht lediglich ausgeführt, daß es
sich in der Ablage der Fahrertüre des von dem Angeklagten geliehenen Pkws
befand, in dem er während der gesamten Fahrt auf der Beifahrerseite saß, und
daß es für ihn deswegen nur schwer zu erreichen war. Es lägen keine Anhalts-
punkte dafür vor, daß er das Messer während des Erwerbs des Rauschgifts bei
sich geführt habe. Diese Feststellungen belegen weder, daß das Messer dem
Angeklagten gehörte (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB), noch daß er es zur Begehung
der abgeurteilten Straftat gebrauchte oder daß es zu ihrer Begehung bestimmt
war (§ 74 Abs. 1 StGB; vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 74 Rdn. 7, 8
m. w. N.).
Die Erwägung des Landgerichts, "Handys würden von Drogenabhängi-
gen typischerweise auch dazu benutzt, um Kontakt mit den Dealern herzustel-
len oder von diesen jederzeit erreicht zu werden" (UA S. 23), trägt in dieser
Allgemeinheit die Einziehungsanordnung nicht. Der Angeklagte hat im Verlauf
der Beschaffungsfahrt nur ein Telefonat aus einer Telefonzelle heraus geführt.
Es ist nicht festgestellt, daß er während der Zeit des abgeurteilten Besitzes des
Betäubungsmittels überhaupt ein Handy bei sich hatte (vgl. BGHR StGB § 74 I
Tatmittel 5, 6).
Rissing-van Saan Miebach Winkler
Pfister von Lienen