Urteil des BGH vom 03.11.2009

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZB 43/09
vom
17. März 2010
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-
zenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 17. März 2010
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivil-
senats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg
vom 3. November 2009 wird auf Kosten des Beklagten als
unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 200 €
Gründe:
I. Im Rahmen der von den pflichtteilsberechtigten Klägerinnen er-
hobenen Auskunftsklage betreffend dem Nachlass ihrer Mutter/Groß-
mutter wurde der Beklagte, Sohn der Erblasserin, vom Landgericht unter
anderem verurteilt, Auskunft "durch Vorlage von Kopien aller Unterlagen,
die zur Ermittlung des Wertes des Nachlasses erforderlich sind" zu ertei-
len.
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Seine gegen diese sogenannte Belegpflicht eingelegte Berufung
hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf einen vorangegangenen
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entsprechenden Hinweis vom 9. Juli 2009 nach einem Berufungswert von
200 € als unzulässig verworfen.
II. Die dagegen eingelegte gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574
Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Beschwerde ist unzulässig, weil die Voraus-
setzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Ansicht
des Beklagten hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung
noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Beschwerdegerichts.
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1. Grundsatzbedeutung kommt einer Sache zu, wenn sie eine um-
strittene und damit entscheidungserhebliche, über den konkreten Rechts-
streit hinaus klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft,
die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und des-
halb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen
Handhabung des Rechts berührt (BGHZ 154, 288, 291; 152, 182, 191).
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Diese
Voraussetzungen
sind
bei der von der Beschwerde aufge-
worfenen Rechtsfrage, wie der Streitwert eines Belegvorlageanspruchs
zu ermitteln ist, wenn dieser so allgemein wie ausgeurteilt formuliert ist,
nicht erfüllt. Auch der Senat konnte nicht feststellen, dass zu der ange-
fochtenen Entscheidung und den sie tragenden Gründen andere
Rechtsauffassungen vertreten werden. Die Ermittlung des Streitwerts
dieses Anspruchs richtet sich nach dem für seine Erfüllung erforderlichen
Zeit- und Kostenaufwand. Daran hat sich - wie auch die Beschwerde ein-
räumt - das Berufungsgericht gehalten.
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Ein
darüber
hinausgehender abstrakt genereller Klärungsbedarf ist
nicht ersichtlich. Er wird insbesondere nicht mit den Hinweisen des Be-
klagten auf die Pflicht, ein notariell aufgenommenes Bestandsverzeichnis
vorzulegen, auf einen - hier nicht einmal geltend gemachten - Anspruch
von Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung, auf die weite Fassung der
Belegvorlagepflicht in der Beschlussformel und auf den von ihm gesehe-
nen Aufwand dargelegt. Es handelt sich dabei erkennbar allenfalls um
einzelfallbezogene Bewertungsfaktoren, die aber keine "rechtlich schwie-
rige und bislang ungeklärte Frage" - wie die Beschwerde meint - betref-
fen.
2. Die Streitwertfestsetzung ist weder objektiv willkürlich (Artt. 20
Abs. 3, 3 Abs. 1 GG) noch verletzt sie den Beklagten in seinem Anspruch
auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
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a) Das Berufungsgericht hat seiner gemäß § 3 ZPO zu treffenden
freien Ermessensentscheidung zugrunde gelegt, dass der für den Ge-
genstandswert maßgebliche Aufwand sich für die lediglich noch im Streit
befindliche Belegvorlage darin erschöpft, die den Beklagten vorliegenden
Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die er ohnehin schon zur Erfüllung
des unstreitigen Auskunftsanspruchs zu sichten und aufzuarbeiten hat.
Die Herabsetzung des Streitwerts nimmt damit ausdrücklich allein den
geringen Aufwand in den Blick, der zusätzlich zu den vorher zu leisten-
den Auskunftsbemühungen anfällt. Einer weiteren Klarstellung - wie sie
die Beschwerde geltend macht - bedarf es nicht. Für die Rügen, dies
schneide dem Beklagten willkürlich die Möglichkeit eines Rechtsmittels
in einer komplizierten Sache ab, um sich auf diese Weise einer Ent-
scheidung darüber zu entziehen, gibt es keine Grundlage.
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b) Gleiches gilt auch für die Gehörsrüge. Das Berufungsgericht hat
sich mit den Einwänden im Schriftsatz des Beklagten vom 8. September
2009 ausdrücklich befasst. Zu weitergehenden Ausführungen war es
nicht verpflichtet. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet den Gerichten lediglich,
das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung
zu ziehen, was hier geschehen ist. Hingegen ist es nicht erforderlich, auf
den Parteivortrag in allen Einzelheiten einzugehen (vgl. BVerfGE 96,
205, 216 f.; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - VI ZR 89/04 - WuM
2005, 475).
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Damit entfällt zugleich der von der Rechtsbeschwerde erhobene
Vorwurf einer zulassungswürdigen rechtsfehlerhaften Wertfestsetzung.
Die Verwerfung der Berufung ist zwangsläufige Folge der insgesamt
nicht zu beanstandenden Festsetzung des Rechtsmittelstreitwertes.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 18.03.2009 - 307 O 284/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 03.11.2009 - 2 U 13/09 -