Urteil des BGH vom 15.03.2017

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 262/00
Verkündet am:
10. Mai 2001
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
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ZPO §§ 282 Abs. 3, 1032 Abs. 1
Der Beklagte braucht die Einrede der Schiedsvereinbarung nicht inner-
halb der Klageerwiderungsfrist vorzubringen; er kann sie vielmehr noch
bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache geltend
machen.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - III ZR 262/00 - OLG Köln
LG Aachen
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Oktober 2000 wird als un-
zulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Wi-
derklage richtet.
Im übrigen wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Berufungsge-
richt, auch zur Entscheidung über die Kosten des Revisions-
rechtszuges, zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand
Der Beklagte und S. K. S. sind die Gesellschafter und Geschäftsführer
der klagenden GmbH. In einem besonders beurkundeten Schiedsvertrag vom
26. September 1995 bestimmten die Parteien und S. die Zuständigkeit eines
Schiedsgerichts für alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag (Vorbe-
merkungen zum Schiedsvertrag Abs. 2 Satz 1). Für Anfechtungs- und Nichtig-
keitsklagen eines Gesellschafters sollte aber das Landgericht des Sitzes der
Gesellschaft ausschließlich zuständig sein (§ 3 Abs. 6 des Schiedsvertrages).
Am 1. Oktober 1998 beschloß die Gesellschafterversammlung der Klä-
gerin mit Zustimmung des Beklagten, daß dieser künftig nur noch in Gesamt-
vertretung mit S. zur Vertretung der Klägerin befugt sein solle. Diesen Be-
schluß focht der Beklagte mit Schreiben vom 3. Dezember 1998 an wegen arg-
listiger Täuschung. Mit der Klage begehrt die Klägerin festzustellen, daß der
Beklagte seit dem 1. Oktober 1998 nur in Gemeinschaft mit S. zur Vertretung
der Gesellschaft befugt sei. Der Beklagte hat am 1. August 1999 - nach Ablauf
der im schriftlichen Vorverfahren gesetzten Frist zur schriftlichen Klageerwide-
rung (§ 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO) - die Einrede des Schiedsvertrages erhoben.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben; das
Berufungsgericht hat die im Berufungsverfahren erhobene Widerklage des Be-
klagten auf Feststellung der Nichtigkeit des am 1. Oktober 1998 gefaßten Be-
schlusses über die Umwandlung seiner Einzelvertretungs- in Gesamtvertre-
tungsbefugnis abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klage-
abweisungsbegehren und seine Widerklage weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Umfang ihrer Zulässigkeit teilweise begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Einrede der Schiedsvereinbarung greife nicht durch. Die von der
Klägerin erhobene positive Beschlußfeststellungsklage falle gemäß § 3 Abs. 6
des Schiedsvertrages nicht in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Jeden-
falls sei die Schiedseinrede verspätet erhoben. Denn der Beklagte habe sie
nicht innerhalb der Klageerwiderungsfrist geltend gemacht. Die somit zulässige
Feststellungsklage, daß der Beklagte seit dem 1. Oktober 1998 nur Gesamt-
vertretungsbefugnis habe, sei begründet. Der entsprechende Gesellschafter-
beschluß vom 1. Oktober 1998 sei wirksam und für den Beklagten nicht mehr
anfechtbar, weil er die in § 6 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages vorgeschriebe-
ne Anfechtungsfrist nicht eingehalten habe. Daran scheitere auch die auf Nich-
tigkeitsfeststellung gerichtete Widerklage.
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II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten
stand. Die von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht
aus, um abschließend zu entscheiden, ob die Klage zulässig, insbesondere ob
der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet ist.
1.
Die Frage, ob die Klage als unzulässig abzuweisen ist, weil der Beklagte
sich auf den Abschluß einer Schiedsvereinbarung beruft, richtet
sich nach § 1032 Abs. 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Neurege-
lung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz
- SchiedsVfG) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224). Denn dieses gericht-
liche Verfahren ist am 10. März 1999, nach Inkrafttreten des Schiedsverfah-
rens-Neuregelungsgesetzes am 1. Januar 1998, anhängig geworden (vgl.
Art. 4 § 1 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG). Die Wirksamkeit des von den
Parteien und S. am 26. September 1995 geschlossenen Schiedsvertrages be-
urteilt sich aber noch nach altem Recht (vgl. Art. 4 § 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 5
Abs. 1 SchiedsVfG).
§ 1032 Abs. 1 ZPO (n.F.) bestimmt - soweit hier maßgeblich -, daß das
Gericht die Klage, die in einer Angelegenheit erhoben wird, die Gegenstand
einer Schiedsvereinbarung ist, als unzulässig abzuweisen hat, sofern der Be-
klagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt. Im
Streitfall sind die Voraussetzungen einer solchen Klageabweisung in tatsächli-
cher Hinsicht nicht vollständig geklärt.
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a) Der Beklagte hat die Schiedseinrede allerdings rechtzeitig erhoben.
Er hat sie am 1. August 1999 schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhand-
lung vom 10. August 1999 vorgebracht; die mündliche Verhandlung zur Haupt-
sache hat erst mit der Stellung der Sachanträge am 28. September 1999 be-
gonnen (vgl. § 137 Abs. 1 ZPO; BGHZ 100, 383, 390).
Der Beklagte ist nicht, wie das Berufungsgericht meint, deshalb mit der
Rüge der Schiedsvereinbarung ausgeschlossen, weil er sie nicht innerhalb der
Klageerwiderungsfrist geltend gemacht hat (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 2 i.V.m.
§§ 282 Abs. 3 Satz 2, 296 Abs. 3 ZPO). Die Anwendung der allgemeinen Prä-
klusionsvorschriften scheidet aus, weil § 1032 Abs. 1 ZPO als Sonderregelung
für die Schiedseinrede zu verstehen ist (Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. 2001
§ 296 Rn. 8 a; Musielak/Voit, ZPO 2. Aufl. 2000 § 1032 Rn. 7; wohl auch Tho-
mas in Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. 1999 § 1032 Rn. 2; a.A. Schwab/Walter,
Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kapitel 7 Rn. 1; Schütze, Schiedsgericht
und Schiedsverfahren 3. Aufl. 1999 Rn. 123; Albers in Baumbach/Lauterbach/
Albers/Hartmann, ZPO 59. Aufl. 2001 § 1032 Rn. 4; vgl. auch Zöller/Geimer
aaO § 1032 Rn. 1). Hierfür streitet der Wortlaut des § 1032 Abs. 1 ZPO, der
- anders als § 1027a ZPO alter Fassung - auf die Erhebung der Rüge "vor Be-
ginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache" abstellt. Diese Bestimmung
sieht im Gegensatz zu § 282 Abs. 3 Satz 2 ZPO gerade nicht vor, daß die Rü-
ge im Fall, daß eine Klageerwiderungsfrist gesetzt ist, innerhalb dieser Frist
geltend zu machen ist. Es kommt hinzu, daß der Gesetzgeber eine dem § 39
ZPO entsprechende Regelung schaffen wollte (vgl. Begründung der Bundesre-
gierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfah-
rensrechts BT-Drucks. 13/5274 S. 38). § 39 ZPO legt es aber nahe, daß der
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Beklagte bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache mit der
Geltendmachung der Unzuständigkeit warten darf (BGHZ 134, 127, 134 f).
b) Auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht getroffenen Fest-
stellungen ist jedoch offen, ob die Klage in einer Angelegenheit erhoben wor-
den ist, die Gegenstand der von den Parteien geschlossenen Schiedsvereinba-
rung ist.
aa) Von der Zuständigkeit des Schiedsgerichts für alle Streitigkeiten aus
dem Gesellschaftsvertrag, sei es der Gesellschaft mit den Gesellschaftern, sei
es von den Gesellschaftern untereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft
(Vorbemerkungen zum Schiedsvertrag Abs. 2 Satz 1), sind die Anfechtungs-
und Nichtigkeitsklagen eines Gesellschafters ausgenommen; hierfür bleiben
gemäß § 3 Abs. 6 des Schiedsvertrages die staatlichen Gerichte zuständig.
Das Berufungsgericht hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß sie auch für
die positive Beschlußfeststellungsklage gilt. Dagegen ist von Rechts wegen
nichts zu erinnern. Der Vorbehalt zugunsten der staatlichen Gerichtsbarkeit
hatte seinen Grund ersichtlich darin, daß der Bundesgerichtshof die Schieds-
fähigkeit von sog. Beschlußmängelstreitigkeiten - jedenfalls nach altem Recht,
das hier in bezug auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung maßgeblich
bleibt (vgl. Art. 4 § 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG) - verneinte (vgl.
die Nachweise in dem später ergangenen Urteil BGHZ 132, 278, 280, 285 ff).
Zu den Beschlußmängelstreitigkeiten zählen aber außer den Anfechtungs- und
Nichtigkeitsfeststellungs- die positiven Feststellungsklagen entsprechend
§§ 241 ff AktG mit Ausnahme "einfacher" Feststellungsklagen unter den Ge-
sellschaftern nach § 256 ZPO (vgl. BGH aaO S. 280). Es liegt nahe, daß die
vertragsschließenden Parteien die verschiedenen Formen der Beschlußmän-
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gelstreitigkeiten einheitlich als nicht schiedsfähig angesehen haben und des-
wegen nicht nur die in § 3 Abs. 6 des Schiedsvertrages ausdrücklich genann-
ten Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen, sondern auch die positive Beschluß-
feststellungsklage von der Zuständigkeit des Schiedsgerichts ausnehmen
wollten.
bb) Dieses Verständnis des § 3 Abs. 6 des Schiedsvertrages führt aber
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts noch nicht dazu, daß für die
vorliegende Klage der Rechtsweg zum staatlichen Gericht eröffnet ist. Eine
Beschlußmängelstreitigkeit liegt nämlich nicht vor; die Klägerin hat eine, von
der positiven Beschlußfeststellungsklage analog § 248 AktG zu unterscheiden-
de, allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) erhoben.
Die kassatorische Anfechtungsklage des Gesellschafters gegen die Ge-
sellschaft (§§ 243 Abs. 1, 246 Abs. 2 Satz 1 AktG analog) kann mit einer positi-
ven Beschlußfeststellungsklage mit dem gesonderten Ziel verbunden werden,
den wirklich und rechtmäßig beschlossenen Inhalt des Gesellschafterent-
scheids feststellen zu lassen. Wie das "Anfechtungsurteil" hat auch das "Be-
schlußfeststellungsurteil" rechtsgestaltende Urteilswirkung inter omnes (§ 248
Abs. 1 Satz 1 AktG analog; vgl. BGHZ 97, 28, 31; Lutter/Hommelhoff, GmbHG
15. Aufl. 2000 Anhang § 47 Rn. 43; Hachenburg/Raiser, GmbHG 8. Aufl. 1997
Anhang § 47 Rn. 244 ff, 246; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 17. Aufl.
2000 Anhang § 47 Rn. 91 ff; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG 8. Aufl. 1993/95
§ 45 Rn. 180 f). Bei der GmbH ist allerdings nur der Gesellschafter berechtigt,
die Anfechtungsklage zu erheben; die Gesellschaft ist passivbefugt (BGHZ 76,
154, 159; vgl. auch BGHZ 97, 28, 31; 132, 278, 284). Ob entsprechendes für
die positive Beschlußfeststellungsklage analog § 248 AktG gilt, kann hier da-
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hinstehen. Denn die Klägerin hat nach der Fassung ihres Antrags eine solche
Klage nicht erhoben. Ihre Klage ist vielmehr als gewöhnliche Feststellungskla-
ge mit Wirkung inter partes (§ 256 ZPO) aufzufassen (vgl. BGH, Urteil vom
1. März 1999 - II ZR 205/98 - ZIP 1999, 656).
cc) Ein solches Streitverhältnis fällt nach dem Wortlaut der Schiedsver-
einbarung in die vereinbarte Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Es kommt al-
lerdings, etwa unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs, in Betracht,
daß die in § 3 Abs. 6 des Schiedsvertrages bestimmte Ausnahme von der Zu-
ständigkeit des Schiedsgerichts auch für eine nach allgemeinen Regeln erho-
bene Klage der Gesellschaft auf Feststellung eines bestimmten Beschlußer-
gebnisses, hier der Anordnung der Gesamtvertretungsbefugnis für den beklag-
ten Geschäftsführer, gelten sollte. Da sich § 3 Abs. 6 des Schiedsvertrages
dem Wortlaut des § 246 Abs. 3 Satz 1 AktG anzulehnen scheint, könnten die
vertragsschließenden Parteien ferner den Gesichtspunkt der einheitlichen Sa-
chentscheidung (vgl. BGHZ 132, 278, 285 f) im Blick gehabt haben. Das Beru-
fungsgericht hat insoweit, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, Feststellun-
gen nicht getroffen. Das zwingt zur Zurückverweisung der Sache. Der Senat
kann den Schiedsvertrag nicht selbst auslegen, weil die Parteien Gelegenheit
erhalten müssen, zu dem neuen Gesichtspunkt vorzutragen.
2.
Das Berufungsgericht hat die Widerklage des Beklagten abgewiesen.
Soweit sich die Revision dagegen richtet, ist sie mangels Zulassung unzuläs-
sig. Das Berufungsgericht hat die Rechtsmittelzulassung auf die Frage der Zu-
lässigkeit der Klage beschränkt.
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Die Eingrenzung der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Zulassung
der Revision ergibt sich aus dem Tenor und den dort in Bezug genommenen
Entscheidungsgründen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Revision sei
wegen der Frage der Rechtzeitigkeit der Schiedseinrede des Beklagten zuzu-
lassen; die Rechtsfrage, "ob die Zeitbestimmung des § 1032 ZPO neuer Fas-
sung entgegen der vom Senat vertretenen Ansicht die speziellere Norm des
§ 282 Abs. 3 Satz 2 ZPO außer Kraft setzt", werde in der Literatur kontrovers
diskutiert und sei höchstrichterlich nicht entschieden. Diese Erwägungen las-
sen deutlich erkennen, daß das Berufungsgericht eine die Anrufung des Revi-
sionsgerichts rechtfertigende Rechtsfrage allein in der nach der Zulässigkeit
der Klage vor dem staatlichen Gericht (§ 1032 Abs. 1 ZPO) gesehen hat. Die
materiellrechtliche Beurteilung hat das Berufungsgericht hingegen - zu Recht
oder zu Unrecht - für nicht zweifelhaft gehalten. In einem solchen Fall ist die
Revision auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkt (vgl. Senatsur-
teile vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92 - NJW 1993, 1799, insoweit in BGHZ
121, 367 nicht abgedruckt, und vom 5. Februar 1998 - III ZR 103/97 - NJW
1998, 1138, 1139 f, insoweit in BGHZ 136, 67 nicht abgedruckt).
Rinne
Wurm
Kapsa
Dörr
Galke