Urteil des BGH vom 26.10.2009

BGH (antragsteller, gefährdung, berufliche tätigkeit, amtsenthebung, notar, höhe, antrag, verhandlung, zwangsvollstreckungsverfahren, begründung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 14/08
vom
26. Oktober 2009
in dem Verfahren
wegen Amtsenthebung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 26. Oktober 2009 durch den Vizepräsidenten Schlick, die Richter
Wendt und Dr. Herrmann, den Notar Eule und die Notarin Dr. Brose-Preuß
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
5. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
tragen.
Gegenstandswert: 50.000 €
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist seit 1974 als Rechtsanwalt zugelassen und wurde
1988 zum Notar bestellt.
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Der Antragsgegner eröffnete ihm mit Verfügung vom 5. Februar 2008,
dass seine Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8, Abs. 3 BNotO in
Aussicht genommen sei. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner
Wirtschaftsführung gefährdeten die Interessen der Rechsuchenden. Zudem sei
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er in Vermögensverfall geraten. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus,
seit August 2004 sei der Antragsteller wiederholt in Rückstand mit der Zahlung
fälliger Beiträge zu seiner Vermögensschadenshaftpflichtversicherung geraten.
Seit Oktober 2004 habe die Notarkammer dreimal Zwangsvollstreckungsaufträ-
ge zur Beitreibung der Kammerbeiträge erteilt. Die Beiträge für 2006 seien ver-
spätet gezahlt worden und stünden für 2007 noch offen. Ab Mitte 2006 hätten
verschiedene Gläubiger vier Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den An-
tragsteller angestrengt. Im Januar 2007 sei zudem ein Insolvenzantrag wegen
seit 2005 aufgelaufener rückständiger Sozialversicherungsbeiträge für die Be-
schäftigte des Antragstellers in Höhe von 19.702,20 € gestellt worden. Diese
Forderung habe er jedoch im Juli 2007 beglichen. Weiterhin seien zum 23. April
2007 Steuerrückstände, die bis zum Jahre 2003 zurückreichten, in Höhe von
mehr als 88.000 € aufgelaufen, weshalb das zuständige Finanzamt diverse
Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen habe. Bis zum 2. Oktober 2007 seien die-
se Rückstände allerdings auf 26.585,22 € zurückgeführt worden. Schließlich
habe auch der Vermieter der Geschäftsräume des Antragstellers wegen rück-
ständiger Mieten am 7. Januar 2008 Zahlungsklage über 6.815,85 € erhoben.
Gegen diese Verfügung des Antragsgegners hat der Antragsteller beim
Oberlandesgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, mit der er die
Feststellung begehrt hat, dass die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung
nicht vorliegen.
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Er hat geltend gemacht, Vollstreckungen seien nur vereinzelt aufgetreten
und letztlich ausnahmslos abgewendet worden. Die Rückstände bei Versiche-
rungen, der Notarkammer und der Sozialversicherung seien beglichen worden.
Seine Steuerschulden habe er fortlaufend reduziert.
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Das Oberlandesgericht hat den Antrag mit dem angefochtenen Be-
schluss zurückgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine
Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO vorliegen.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, die wirtschaftlichen Verhältnisse des
Antragstellers in Verbindung mit der Art seiner Wirtschaftsführung gefährdeten
die Interessen der Rechtsuchenden gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO. Dies er-
gebe sich daraus, dass der Antragsteller in der jüngeren Vergangenheit mit der
Erfüllung einer Mehrzahl von Zahlungsverpflichtungen in Rückstand geraten sei,
die Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hätten ergreifen müssen und
sich in einem Fall veranlasst gesehen hätten, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Der Antragsteller habe diese Umstände auch nicht entkräften können. Die Ge-
samtheit seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und seiner Wirtschaftsführung
bleibe im Dunkeln, auch wenn er in seinen Stellungnahmen einzelne Aspekte
angeführt habe, die ihm günstig erschienen. Unerheblich sei, dass, soweit für
das Gericht erkennbar, keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den
Antragsteller mehr vorlägen und dieser sich um die Rückführung seiner Ver-
bindlichkeiten zu bemühen scheine. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die wirt-
schaftlichen Verhältnisse und die Art der Wirtschaftsführung des Antragstellers
gebessert hätten, so dass für die Zukunft erwartet werden könne, dass er wil-
lens und in der Lage sei, seinen Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachzu-
kommen. Unmaßgeblich sei, ob es bereits konkrete Anhaltspunkte für eine Be-
einträchtigung der Interessen der Rechtsuchenden gebe. Vielmehr genüge eine
abstrakte Gefährdung.
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Überdies befinde sich der Antragsteller im Vermögensverfall im Sinne
des § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO, da er sich in ungeordneten, schlechten wirtschaft-
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lichen Verhältnissen befinde, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen könne, und
er außerstande sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts wendet sich der An-
tragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
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II.
Die gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässi-
ge Beschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat zu Recht den An-
trag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen und festgestellt, dass die
Voraussetzungen für die Amtsenthebung des Antragstellers (§ 50 Abs. 1 Nr. 8,
2. Var., Abs. 3 Satz 3 BNotO) vorliegen. Zwar ist das bisher in § 50 Abs. 3
Satz 3 BNotO geregelte sogenannte Vorschaltverfahren durch Art. 3 Nr. 8,
Art. 10 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und
notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechts-
anwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009
(BGBl. I S. 2449) mit Wirkung vom 1. September 2009 abgeschafft worden. Je-
doch ist vorliegend gemäß § 118 BNotO in der Fassung dieses Gesetzes § 50
Abs. 3 BNotO weiterhin in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung an-
zuwenden.
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1.
Die Art der Wirtschaftsführung des Antragstellers gefährdet die Interes-
sen der Rechtsuchenden (§ 50 Abs. 1 Nr. 8, 2. Var. BNotO).
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a) Neben der Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars,
die regelmäßig anzunehmen ist, wenn gegen ihn Zahlungsansprüche in erhebli-
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cher Größenordnung bestehen oder gerichtlich geltend gemacht werden, Pfän-
dungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfän-
dungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Ver-
sicherung gemäß § 807 ZPO eingeleitet oder Haftbefehle zur Erzwingung die-
ser Versicherung gegen ihn erlassen worden sind (z.B. Senatsbeschlüsse vom
17. November 2008 - NotZ 130/07 - NJW-RR 2009, 783, Rn. 9 und vom
20. März 2006 - NotZ 50/05 - ZNotP 2006, 269 Rn. 5 jew. m.w.N.), ist bereits
eine Wirtschaftsführung des Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berech-
tigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, als solche nicht hinnehm-
bar (Senat aaO und Beschluss vom 20. November 2000 - NotZ 17/00 -
NJW-RR 2001, 1212 jew. m.w.N.). Erst recht gilt dies, wenn sich Gläubiger
nach vergeblichen Versuchen einer Einzelzwangsvollstreckung veranlasst se-
hen, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen
des Notars zu stellen. Ohne Belang ist dabei, aus welchen Gründen diese
Zwangsmaßnahmen erforderlich werden. Dies gilt selbst dann, wenn sie nicht
auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse, Vermögenslosigkeit oder Überschul-
dung des Notars zurückzuführen sind (Senatsbeschlüsse vom 17. November
2008 aaO; 20. März 2006 aaO; 20. November 2000 aaO und vom 16. März
1998 - NotZ 14/97 - NJW-RR 1998, 1134, 1135).
Derartige Umstände belegen in aller Regel die von § 50 Abs. 1 Nr. 8
BNotO vorausgesetzte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Zah-
lungsschwierigkeiten des Notars und insbesondere gegen ihn geführte oder ihm
drohende Maßnahmen der Zwangsvollstreckung begründen die Gefahr, dass er
etwa Kostenvorschüsse nicht auftragsgemäß verwendet oder gar zur Tilgung
eigener Verbindlichkeiten auf ihm treuhänderisch anvertraute Gelder zurück-
greift. Hierbei genügt eine abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsu-
chenden. Es ist nicht erforderlich, dass sich bereits in einem konkreten Fall An-
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haltspunkte ergeben haben, der Notar könne aufgrund einer wirtschaftlichen
Zwangslage sachwidrigen Einflüssen auf seine Amtsführung nicht entgegentre-
ten oder er habe gar bereits Fremdgelder weisungswidrig für sich verbraucht.
Dies folgt daraus, dass die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden in
den beiden ersten Tatbestandsvarianten des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO nur all-
gemein aus den wirtschaftlichen Verhältnissen beziehungsweise der Art seiner
Wirtschaftsführung resultieren muss, während der dritte Tatbestand dieser Vor-
schrift demgegenüber gerade an konkrete Amtstätigkeiten des Notars anknüpft,
indem sie als Amtsenthebungsgrund die durch die Art der Durchführung von
Verwahrungsgeschäften bedingte Gefährdung der Rechtsuchenden normiert
(Senatsbeschlüsse vom 17. November 2008 aaO, Rn. 10 und vom 20. März
2006 aaO Rn. 6 m.w.N.).
b) Gemessen an diesen Maßstäben liegen nach dem im gerichtlichen
Vorabverfahren gemäß § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO maßgeblichen Kenntnisstand
zum Schluss der mündlichen Verhandlung (Senatsbeschluss vom 3. November
2003 - NotZ 15/03 - NJW-RR 2004, 710) die Voraussetzungen für eine Amts-
enthebung des Antragstellers gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO weiterhin vor,
obgleich der Senat, indem er das Verfahren fast ein Jahr hat ruhen lassen (vgl.
Protokoll der Senatssitzung vom 17. November 2008), dem Antragsteller die
Möglichkeit eröffnet hat, seine Wirtschaftsführung zu ordnen.
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Nach den Erkenntnissen des Oberlandesgerichts, die der Antragsteller
als solche auch nicht in Zweifel zieht, war er seit Spätsommer 2004 mehrere
Jahre lang einer Vielzahl von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und einem
Insolvenzantragsverfahren verschiedener Gläubiger ausgesetzt.
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Die vom Senat ergänzend angestellten Ermittlungen (§ 111 Abs. 4 Satz 2
BNotO i.V.m § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO und § 12 FGG) haben bestätigt, dass
sich die Gläubiger des Antragstellers nicht nur während einer mittlerweile über-
wundenen Phase der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers veranlasst gese-
hen haben, ihre Forderungen zwangsweise beizutreiben, so dass eine Gefähr-
dung der Interessen der Rechtssuchenden auch weiterhin besteht. Selbst nach
Erlass der angefochtenen Verfügung und bis in die jüngste Zeit sind gegen den
Antragsteller Zwangsvollstreckungsaufträge erteilt worden.
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Nach dem Bericht des Präsidenten des Landgerichts W. vom
1. Oktober 2008 haben Gläubiger titulierter Forderungen am 23. November
2007, 8. August 2008 und 22. September 2008 noch Zwangsvollstreckungs-
maßnahmen gegen den Antragsteller beantragt. Die Notarkammer F.
hat, wie sich aus der Akte des Verfahrens NotZ 15/09 ergibt, wegen
des gemäß § 73 Abs. 2 BNotO titulierten Kammerbeitrags für das Jahr 2008
über 2.300 € nebst Mahngebühr von 115 € im Februar 2009 einen Gerichtsvoll-
zieher mit der Zwangsvollstreckung beauftragt. Überdies hat die Kammer Bei-
träge von insgesamt 4.715 € (darin enthalten die für 2008 festgesetzten
2.415 €) zuletzt mit Schreiben vom 23. Juli 2009 vergeblich mit Fristsetzung
zum 7. August 2009 angemahnt und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ange-
kündigt. Weiterhin war gegen den Antragsteller seit dem 14. November 2007
ein Insolvenzantrag des Finanzamts W. anhängig, mit dem dieses
Steuerforderungen gegen den Antragsteller verfolgte. Zwar hat der Antragsteller
die diesem Verfahren zugrunde liegenden Ansprüche befriedigt, so dass das
Amtsgericht die Erledigung der Hauptsache festgestellt hat. Jedoch sind weiter-
hin Steuerforderungen in beträchtlicher Höhe aufgelaufen. Zum 10. September
2009 bestanden nach der Auskunft des Finanzamts vom selben Tag fällige und
vollstreckbare Rückstände in Höhe von 75.810,04 € (abzüglich per 23. Oktober
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2009 gezahlter 4.018 €). Seit der mündlichen Verhandlung des Senats am
17. November 2008 sind die Verbindlichkeiten des Antragstellers gegenüber
dem Fiskus (Stand 6. November 2008: 5.876,76 €) damit nicht nur nicht zu-
rückgeführt worden, sondern beträchtlich gestiegen.
Die vorstehenden Umstände zeigen, dass der Antragsteller, auch wenn
er nach seinen eigenen Einnahme- und Überschussberechnungen vom 1. Sep-
tember 2009 aus seiner beruflichen Tätigkeit im Jahr 2008 einen Gewinn vor
Steuern von 55.746,88 € und in den Monaten Januar bis Juni 2009 von
31.907,76 € erzielt hat, weiterhin nicht willens oder in der Lage ist, selbst titulier-
te Ansprüche zu befriedigen. Die Ursachen dafür, dass sich die Gläubiger des
Antragstellers gezwungen sehen, ihre Forderungen zwangsweise durchzuset-
zen, sind nicht beseitigt. Dies gilt auch als Prognose für die zumindest nähere
Zukunft. Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung - ohne dass es hierauf im
Ergebnis noch ankommt - dadurch bestärkt, dass der Antragsteller auch im Üb-
rigen eine nachlässige und unzuverlässige Haltung bei der Erfüllung seiner
Verpflichtungen im Zusammenhang mit seiner Wirtschaftsführung gezeigt hat.
So hat er trotz der Bedrohung seiner beruflichen Existenz durch das anhängige
Amtsenthebungsverfahren die vom Senat gesetzte Frist zur Einreichung einer
Vermögensaufstellung und der nach der mündlichen Verhandlung am 17. No-
vember 2008 ergangenen Steuerbescheide kommentarlos verstreichen lassen
und erst auf Erinnerung mit mehr als sechswöchiger Verzögerung eine Über-
sicht und die Bescheide vorgelegt. Die Aufstellung war zudem unvollständig.
Insbesondere hat der Antragsteller seine Steuerschulden verschwiegen.
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Der Senat hat bei seiner Würdigung der Wirtschaftsführung des An-
tragstellers zu dessen Gunsten noch außer acht gelassen, dass über die voll-
streckbaren Steuerforderungen hinaus weitere, gemäß § 361 AO von der Voll-
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ziehung ausgesetzte Ansprüche des Landes Hessen für Steuern in Höhe von
101.587,57 € nebst Zinsen in Höhe von 11.170 € bestehen.
c) Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers vermag die Feststel-
lung, dass die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden
gefährdet, nicht zu entkräften.
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aa) Zu Unrecht beanstandet er, das Oberlandesgericht habe Zahlungs-
ansprüche "in erheblicher Größenordnung" erwähnt, ohne diese zu konkretisie-
ren, und es habe nicht berücksichtigt, dass es sich um streitige Forderungen
gehandelt habe.
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Das Oberlandesgericht hat die Ansprüche, denen der Antragsteller nach
den Angaben des Antragsgegners ausgesetzt war, in den Gründen zu I. seiner
Entscheidung auch der Höhe nach aufgeführt und sich dessen Darstellung in
den Gründen zu II. zu eigen gemacht, indem es festgestellt hat, dass "der An-
tragsteller die in der Inaussichtstellung der Amtsenthebung angeführten tat-
sächlichen Umstände nicht bestritten" habe. Im Übrigen entlastet es den An-
tragsteller nicht, dass ein Teil der Vollstreckungsaufträge auf die Beitreibung
vergleichsweise geringer Ansprüche gerichtet war (z.B. Vollstreckungsantrag
vom 8. August 2008: 614,05 € und Vollstreckungsantrag vom 22. September
2008: 82,61 €). Gerade der Umstand, dass es ein Notar selbst bei geringfügi-
gen Forderungen auf eine zwangsweise Beitreibung ankommen lässt, begrün-
det Bedenken gegen die Art seiner Wirtschaftsführung (Senatsbeschluss vom
20. November 2000 aaO).
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Unerheblich ist, dass der Antragsteller die Forderungen, deren unterlas-
sene Begleichung ihm angelastet wird, - teilweise - bestritten hat. Zwar hat er
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die Berechtigung des - inzwischen getilgten - ihm für 2007 abverlangten Notar-
kammerbeitrags und des Beitrags für 2008 mit der Begründung bezweifelt, die
Kammer habe im Amtsenthebungsverfahren seinen Interessen zuwider gehan-
delt, und er sei zeitweise vorläufig des Amtes enthoben gewesen (vgl. auch
Verfahren NotZ 15/09). Der Antragsteller hatte diese Beiträge gleichwohl zu
entrichten, weil sie tituliert waren (§ 73 Abs. 2 BNotO). Soweit er seine rechtli-
chen Bedenken im Wege der Anfechtung der Beitragsanforderung für 2008
gemäß § 111 Abs. 1 BNotO geltend macht, fehlt es an der Aussetzung der Voll-
ziehung des Bescheides (§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 40 Abs. 4 BRAO und
§ 24 Abs. 3 FGG).
Ebenso ist es ohne Bedeutung, dass der Antragsteller die Berechtigung
der gegen ihn festgesetzten Steuerforderungen bestreitet und geltend macht,
diese beruhten auf überhöhten Schätzungen des Finanzamts gemäß § 162 AO,
welche regelmäßig auf Rechtsmittel hin korrigiert würden (Schriftsatz vom
15. Oktober 2009). Dies ändert nichts an der Vollziehbarkeit der Steuerbe-
scheide und damit an der Verpflichtung des Antragstellers, die festgesetzten
Beträge zu begleichen. Dass die Steuer aufgrund von Schätzungen festzuset-
zen war, beruht jedenfalls auch auf einem Umstand, der seinerseits mit einer
ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung nicht vereinbar ist. Der Antragsteller ist
nach der Mitteilung des Finanzamts W. vom 21. Oktober 2009 seiner
Pflicht zur Abgabe der Einkommen- und Umsatzsteuererklärung (§ 25 Abs. 3
Satz 1 EStG und § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) für die Jahre 2006 und 2007 - trotz
Festsetzung von Zwangsgeldern für 2007 - nicht nachgekommen, so dass eine
Schätzung notwendig wurde.
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bb) Soweit er geltend macht, er habe die Forderungen, deretwegen
Zwangsvollstreckungsaufträge gegen ihn erteilt worden seien, getilgt, bevor es
zu Zwangsmaßnahmen gekommen sei, ist dies insbesondere hinsichtlich der
mit Bericht des Präsidenten des Landgerichts W. vom 1. Oktober 2008
mitgeteilten jüngeren Zwangsvollstreckungsanträge nicht richtig. Nach der Auf-
stellung des Obergerichtsvollziehers F. vom 24. September 2008 ist es
unter anderem zu Zwangsvollstreckungsversuchen wegen der am 23. Novem-
ber 2007 und 8. August 2008 erteilten Vollstreckungsaufträge gekommen. Glei-
ches gilt für den Zwangsvollstreckungsauftrag vom 22. September 2008. Inso-
weit hat der Obergerichtsvollzieher T. unter dem 1. Oktober 2008 dem
Präsidenten des Landgerichts W. berichtet, der Antragsteller habe an
ihn, den Gerichtsvollzieher, die Restforderung beglichen. Hieraus ergibt sich,
dass Vollstreckungsmaßnahmen bereits eingeleitet waren. Auch dem Insol-
venzantrag des Finanzamts vom 8. November 2007 ging im September 2007
ein fruchtloser Pfändungsversuch seines Vollziehungsbeamten voraus. Über-
dies hatte das Finanzamt bereits zuvor diverse Pfändungen gegen den An-
tragsteller ausgebracht. Schließlich ist wegen des - noch nicht getilgten - Notar-
kammerbeitrags für 2008 ein Zwangsvollstreckungsversuch unternommen wor-
den.
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Dessen ungeachtet vermag es den Antragsteller ohnehin nicht von der
Feststellung zu entlasten, seine Art der Wirtschaftsführung gefährde die Inte-
ressen der Rechtsuchenden, wenn er nach Erteilung von Zwangsvollstre-
ckungsaufträgen die diesen zugrunde liegenden titulierten Forderungen tilgt, um
Zwangsmaßnahmen zu vermeiden. Die im Senatsbeschluss vom 20. März
2006 (aaO Rn. 5) enthaltene, nicht abschließende Aufzählung von Zwangsvoll-
streckungsmaßnahmen, die regelmäßig eine Gefährdung der Interessen der
Rechtssuchenden indizieren, bezieht sich auf das Tatbestandsmerkmal der
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"wirtschaftlichen Verhältnisse" in § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO, nicht aber auf das
der "Art der Wirtschaftsführung". Schon die Tatsache, dass ein Notar wiederholt
erst nach der Beantragung von Zwangsvollstreckungsverfahren sich bereit fin-
det oder in die Lage versetzt wird, gegen ihn gerichtete titulierte Forderungen
zu begleichen, begründet aus den oben unter a) genannten Gründen die Ge-
fährdung der Interessen der Rechtsuchenden infolge der Art der Wirtschaftsfüh-
rung.
cc) Ebenso unbehelflich ist der Hinweis des Antragstellers, er habe die
Beiträge für seine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zwar verspätet
gezahlt, jedoch jederzeit einen bestehenden Versicherungsschutz sichergestellt
und zudem seine berufliche Tätigkeit bislang schadensfrei ausgeübt. Ungeach-
tet dessen, dass es auf die verspätete Entrichtung der Versicherungsbeiträge
nicht mehr ankommt, weil bereits die über einen mehrjährigen Zeitraum wieder-
holt gegen den Antragsteller beantragten Zwangsvollstreckungen und Insol-
venzverfahren seine Amtsenthebung rechtfertigen, hat das Oberlandesgericht
zu Recht hervorgehoben, dass eine die Belange der Rechtssuchenden gefähr-
dende Art der Wirtschaftsführung auch schon besteht, wenn der Anwaltsnotar
es, wie hier, mehrfach zu qualifizierten Mahnungen (§ 39 VVG) für seine Be-
rufshaftpflichtversicherung (§ 51 BRAO, § 19a BNotO) kommen lässt und er
damit das Risiko eingeht, dass seine Anwaltszulassung widerrufen (§ 14 Abs. 2
Nr. 9 BRAO, vgl. zu den Folgen auch § 47 Nr. 3 BNotO) oder er gemäß § 50
Abs. 1 BNotO seines Notaramts enthoben wird. Ob in der Vergangenheit ein
Versicherungsfall nicht eingetreten ist, ist unmaßgeblich, weil die Haftpflichtver-
sicherung Vorsorge für künftige Berufspflichtverletzungen treffen soll, die auch
einem ansonsten sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt und Notar immer unter-
laufen können.
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dd) Unbeachtlich ist ferner, ob den Antragsteller ein Verschulden an dem
Entstehen der wirtschaftlichen Situation trifft, die ihn zu seiner Art der Wirt-
schaftsführung veranlasst. Ob der Notar schuldhaft in eine Situation geraten ist,
die Bedenken gegen seine Wirtschaftsführung im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 8
BNotO begründen, ist unmaßgeblich (Schippel/Bracker/Püls, BNotO, 8. Aufl.,
§ 50 Rn. 28). Nach dieser Bestimmung kommt es allein auf die objektive Ge-
fährdung der Interessen der Rechtsuchenden an. Ebenso können die Bemü-
hungen des Antragstellers, seine wirtschaftlichen Belastungen zu reduzieren,
letztlich das Vorliegen eines Amtsenthebungsgrundes nach dieser Bestimmung
nicht ausräumen, da sie, wie das Ansteigen seiner steuerlichen Verpflichtungen
zeigt, nicht erfolgreich waren und er damit die Ursachen für die die Interessen
der Rechtsuchenden gefährdende Art der Wirtschaftsführung nicht abzustellen
vermochte.
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ee) Dass der Antragsteller lediglich für eine Eigentumswohnung ein
Bankdarlehen in Anspruch nimmt, dessen Annuitäten durch die Mieteinkünfte
abgedeckt werden, vermag ihn ebenfalls nicht zu entlasten. Dies ändert nichts
daran, dass er bis in die jüngste Vergangenheit titulierte Forderungen, wenn
überhaupt, erst nach der Einleitung von Zwangsvollstreckungsverfahren begli-
chen hat. Das allein genügt für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 50
Abs. 1 Nr. 8 BNotO.
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ff) Ebenso ist unmaßgeblich, dass die Amtsführung des Antragstellers als
Notar bislang tadelsfrei war. § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO ist ein abstrakter Gefähr-
dungstatbestand. Zu konkreten Missständen bei der notariellen Tätigkeit muss
es deshalb auch unter Berücksichtigung des Grundrechts des Notars aus
Art. 12 Abs. 1 GG noch nicht gekommen sein (siehe oben unter a).
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gg) Schließlich ist es für die Wirtschaftsführung des Antragstellers nicht
von Bedeutung, dass seine Ehefrau über ein beträchtliches Depotvermögen
von mehr als 150.000 € verfügt, solange dies nicht für die Tilgung seiner Schul-
den eingesetzt wird.
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2.
Nach alledem kann der Senat offen lassen, ob zusätzlich die Amtsenthe-
bungsgründe der Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden aufgrund
der wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 50 Abs. 1 Nr. 8, 1. Var. BNotO) oder des
Vermögensverfalls (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO) vorliegen.
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Schlick Wendt
Herrmann
Eule
Brose-Preuß
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2008 - 2 Not 2/08 -