Urteil des BGH vom 05.12.2002

BGH (unwirksamkeit der kündigung, satzung, unwirksamkeit, stellvertreter, aufsichtsrat, anhörung, abgabe, ergebnis, aktienrecht, durchführung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 16/03
vom
21. März 2005
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. März 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Kraemer, Dr. Strohn und Caliebe gemäß § 552 a ZPO einstimmig
beschlossen:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Dezember 2002 wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Gründe:
Auf den Hinweisbeschluß des Senats vom 17. Januar 2005 wird Bezug
genommen. Die Stellungnahme der Beklagten hierzu gibt zu einer veränderten
Beurteilung keinen Anlaß. Entgegen der Ansicht der Beklagten folgert der Senat
die Unwirksamkeit der Kündigung gegenüber dem Kläger nicht aus einem Ver-
stoß gegen aktienrechtliche Grundsätze, sondern aus einem Verstoß gegen die
ihnen entsprechende Regelung der Kündigungskompetenz in der Satzung der
beklagten GmbH. Nach § 11 Abs. 2 lit. k, Abs. 4 der Satzung hatte der (fakulta-
tive) Aufsichtsrat der Beklagten durch Beschluß mit
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/
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-Mehrheit über die (frist-
lose) Kündigung gegenüber dem Kläger zu entscheiden. Er hat aber nach der
rechtsfehlerfreien
tatrichterlichen
Auslegung
seines
Beschlusses
vom
26. Januar 2001 hierüber nicht abschließend entschieden, sondern dem Auf-
sichtsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter den Versuch einer gütlichen
Einigung mit dem Kläger durch Abschluß eines Aufhebungsvertrages (vgl. dazu
Sen.Urt. v. 5. Juni 1975 - II ZR 231/73, WM 1975, 793 f. zu 1 a a.E.) und die
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endgültige Entscheidung über eine Kündigung je nach dem Ergebnis der Anhö-
rung des Klägers überlassen. Eine derartige Entscheidungsdelegation ist in der
Satzung der Beklagten nicht vorgesehen und scheidet deshalb gemäß § 52
Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 5 AktG aus (zur Unwirksamkeit satzungswid-
riger Aufsichtsratsbeschlüsse vgl. auch BGHZ 122, 342, 351). § 10 Nr. 8 der
Satzung ermächtigt den Aufsichtsratsvorsitzenden oder dessen Stellvertreter
nur zur Abgabe der zur Durchführung von Aufsichtsratsbeschlüssen erforderli-
chen Willenserklärungen, was - entsprechend der seit langem nicht nur im Akti-
enrecht geläufigen Unterscheidung zwischen Willens- und Erklärungsvertretung
(vgl. BGHZ 12, 327, 334 ff.; Hüffer, AktG 6. Aufl. § 112 Rdn. 5) - eine auf eige-
ner Urteilsbildung fußende Entscheidung des Gesamtorgans jedenfalls über
das "Ob" der durchzuführenden Maßnahme voraussetzt (vgl. BGHZ 41, 282,
285). Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Notzuständigkeit des Auf-
sichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters gemäß § 11 Abs. 3 der Sat-
zung ist nach den von der Revision unbeanstandeten Feststellungen des Beru-
fungsgerichts nicht dargetan. Für die Zulässigkeit einer Willensvertretung in den
verbleibenden Fällen ist aus § 11 Abs. 3 - entgegen der Ansicht der Beklagten -
nichts zu entnehmen, wobei dahinstehen kann, ob das qualifizierte Beschlußer-
fordernis des § 11 Abs. 4 für die dort geregelten Sonderfälle (unter Einschluß
der Kündigung) nicht ohnehin eine Spezialregelung gegenüber Abs. 3 darstellt.
Da nach allem der Aufsichtsrat der Beklagten als Gesamtorgan über die
fristlose Kündigung weder selbst abschließend entschieden hat noch einzelne
Mitglieder hierzu wirksam ermächtigen konnte, fehlt es an einer gemäß § 11
Abs. 2 lit. k der Satzung erforderlichen Entscheidung des zuständigen Organs
über die Kündigung, was zu deren Unwirksamkeit führt (vgl. Sen.Urt. v.
21. September 1970 - II ZR 13/69, WM 1970, 1394 f. zu I 3; v. 4. November
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1968 - II ZR 63/67, WM 1968, 1350; v. 1. Februar 1968 - II ZR 212/65, WM
1968, 570).
Röhricht
Goette
Kraemer
Strohn
Caliebe