Urteil des BGH vom 11.01.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 302/05
Verkündet
am:
11. Januar 2007
K i e f e r
Justizangestellter
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 839 Fi, 852 a.F.; GG Art. 14 Cc
a) Der Staat hat seine Gerichte so auszustatten, dass sie die anstehenden
Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können (hier: über-
mäßige Dauer der Bearbeitung von Anträgen durch das Grundbuchamt we-
gen Überlastung). Die Erfüllung dieser Verpflichtung kann den Justizbehör-
den insgesamt als drittgerichtete Amtspflicht obliegen (teilweise Abwei-
chung von BGHZ 111, 272).
b) Zum Beginn der Verjährung von Amtshaftungsansprüchen wegen pflicht-
widriger Unterlassung.
c) Wird durch eine rechtswidrige Verzögerung der Eintragung von Auflas-
sungsvormerkungen im Grundbuch die beabsichtigte Veräußerung von Ei-
gentumswohnungen zeitweilig verhindert, so kann dies einen Entschädi-
gungsanspruch des betroffenen Grundstückseigentümers aus enteignungs-
gleichem Eingriff begründen (Fortführung von BGHZ 134, 316 und 136,
182).
BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 302/05 - OLG Schleswig
LG Lübeck
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Streck, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des 11. Zi-
vilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in
Schleswig vom 10. November 2005 im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechts-
zugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Sparkasse nimmt aus abgetretenem und eigenem Recht im
Wege der Teilklage das Land S. auf Schadensersatz wegen
verzögerter Bearbeitung von Eintragungsanträgen durch das Grundbuchamt in
Anspruch.
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Die zwischenzeitlich insolvent gewordene Zedentin, die U.
GmbH, später U.
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gesellschaft mbH (im Folgenden: U. oder Zedentin), war Eigentümerin
eines im Grundbuch des Amtsgerichts O. in H. für W.
eingetragenen Grundstücks. Sie errichtete dort insgesamt 45 Eigentumswoh-
nungen als Ferienwohnungen und verkaufte diese ab 1992 an Interessenten.
Die Finanzierung des Objekts erfolgte durch die Klägerin. Voraussetzung für die
Fälligkeit der Kaufpreise, mit denen der Kontokorrentkredit der Klägerin in Höhe
von 13.912.000 DM schrittweise zurückgeführt werden sollte, war nach den mit
den Erwerbern geschlossenen Kaufverträgen unter anderem die Eintragung
einer Auflassungsvormerkung. Nach dem Vorbringen der Klägerin lagen sämtli-
che übrigen Fälligkeitsbedingungen seit dem Juli 1997 vor.
Am 6. September 1996 stellte der Urkundsnotar mit Ausnahme eines
Kaufvertrags, der am 28. November 1996 übersandt wurde, Anträge auf Eintra-
gung von Auflassungsvormerkungen im Grundbuch. Änderungen der Teilungs-
erklärung vom 6. August 1992 wurden unter anderem am 30. August 1996 und
am 9. Oktober 1997 beurkundet. Der beim Grundbuchamt des Amtsgerichts
O. tätige Rechtspfleger wie auch andere Dezernate des Amtsgerichts
waren seinerzeit überlastet. Eintragungsanträge wurden vom Grundbuchamt in
der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet. Der Rechtspfleger legte im vorlie-
genden Fall die Wohnungseigentumsgrundbücher erst am 30. Juli 1998 an und
trug am selben Tage die beantragten Vormerkungen ein. Mit Schreiben vom
13. Oktober 1997 hatte der Notar zuvor die ungewöhnlich lange Bearbeitungs-
zeit beanstandet und um Mitteilung gebeten, wann mit dem Grundbuchvollzug
gerechnet werden könne; gleichzeitig hatte er auf erhebliche finanzielle Nach-
teile für den Bauträger hingewiesen. Weitere mündliche Erinnerungen, insbe-
sondere durch die U. , sind streitig.
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Mit der Klage macht die Klägerin auf der Grundlage einer dem Grund-
buchamt eingeräumten Bearbeitungszeit von ca. acht Monaten ab Antragstel-
lung am 28. November 1996 Zinsschäden der Zedentin sowie eigene Ausfälle
mit Zinsforderungen infolge der Konkurseröffnung für den Zeitraum von Ende
Juli 1997 bis Ende Juli 1998 in Höhe von 457.019,25 € nebst Zinsen geltend.
Das beklagte Land hat sich unter anderem auf Verjährung berufen. Das Land-
gericht hat die Klage wegen Eintritts der Verjährung abgewiesen, das Oberlan-
desgericht hat ihr unter einer Korrektur des Zinszeitpunkts stattgegeben. Hier-
gegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.
4
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-
teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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A.
Das Berufungsgericht bejaht Amtshaftungsansprüche der Klägerin aus
abgetretenem Recht und führt dazu, soweit noch von Interesse, aus:
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Bei Anträgen im behördlichen Verfahren bestehe die Amtspflicht, das
Gesuch gewissenhaft, förderlich, sachdienlich und in angemessener Frist zu
bearbeiten und bei Entscheidungsreife zu erledigen. Sei eine Behörde über län-
gere Zeit stark belastet, so erfordere eine ordnungsgemäße öffentliche Verwal-
tung, diese Behörde mit ausreichenden sachlichen und personellen Mitteln aus-
zustatten, damit sie die Angelegenheiten der Bürger bearbeiten könne. Zwar
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bestehe eine solche Verpflichtung lediglich gegenüber der Allgemeinheit. Wirke
sich die unzureichende Ausstattung einer Behörde aber so aus, dass diese die
ihr dem Bürger gegenüber obliegenden Aufgaben nur mit unvertretbaren Ver-
zögerungen erfüllen könne, liege darin eine Amtspflichtverletzung gegenüber
dem Betroffenen. Im hier zu entscheidenden Fall sei der Rechtspfleger jeden-
falls nach dem Eingang der geänderten Teilungserklärung vom 22. November
1996 gehalten gewesen, diese innerhalb angemessener Zeit darauf zu untersu-
chen, ob die Bildung von Wohnungseigentumsgrundbüchern möglich gewesen
sei. Außerdem müssten Anträge auf Eintragung von Auflassungsvormerkungen
im Regelfall zügig bearbeitet werden. Die Berichtigung der Teilungserklärung
vom 6. März 1997 habe lediglich ein Schreibversehen betroffen. Allein die un-
richtige und mit der Änderung vom 9. Oktober 1997 berichtigte Bezeichnung der
Tiefgarage hätte ein Vollzugshindernis darstellen können. Dann hätte aber der
Rechtspfleger gemäß § 18 Abs. 1 GBO die U. hiervon unterrichten müssen;
in diesem Fall hätte der Notar die Beanstandung zeitnah erledigen können.
Nach dem vorgerichtlichen Schreiben des beklagten Landes vom
22. November 2001 sei allerdings der Grundbuchrechtspfleger in der maßge-
benden Zeit außerordentlich stark überlastet gewesen, so dass es generell zu
Verzögerungen gekommen sei. Eine Umverteilung der Geschäfte sei aufgrund
der ungünstigen Personalsituation im Amtsgericht O. nicht möglich ge-
wesen. Damit sei jedoch die sachliche und personelle Ausstattung des Amtsge-
richts insgesamt unzureichend gewesen, ohne dass es sich um einen nur vor-
übergehenden Engpass gehandelt habe. Eine Bearbeitungszeit von einem Jahr
und acht Monaten stelle zumindest in den alten Bundesländern keine ange-
messene Bearbeitungsfrist dar. Ob und welche organisatorischen Maßnahmen
der Beklagte zur Verkürzung der Bearbeitungsfrist hätte treffen müssen, bedür-
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fe keiner Entscheidung, weil eine Verkürzung nicht objektiv unmöglich gewesen
sei.
Soweit die Klägerin aus der verzögerlichen Bearbeitung eigene Scha-
densersatzansprüche herleite, sei sie als Grundschuldgläubigerin ebenfalls ge-
schützte Dritte im Sinne des § 839 BGB. Eine ordnungsgemäße Bearbeitung
der Grundbucheinträge hätte die geltend gemachten Zinsschäden vermieden.
Die Schadensersatzforderung sei auch nicht gemäß § 839 Abs. 3 BGB wegen
eines unterbliebenen Rechtsbehelfs ausgeschlossen. Wenn das Mahnschrei-
ben des Notars vom 13. Oktober 1997 unbeantwortet geblieben sei und zu kei-
ner Beschleunigung geführt habe, hätten auch die streitigen mündlichen Erinne-
rungen die Bearbeitung nicht beschleunigt. Aufgrund der unzureichenden per-
sonellen Ausstattung des Grundbuchamts, der darauf beruhenden Überlastung
des Rechtspflegers und des Grundsatzes, die Anträge entsprechend
ihrem zeitlichen Eingang zu bearbeiten, sei ein Vorziehen des Vorgangs wegen
Benachteiligung anderer Ferienwohnungsprojekte nicht zu erwarten gewesen.
Die finanziellen Nachteile wären dann bei den zurückgestellten Vorgängen ent-
standen. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde oder eine Untätigkeitsklage wäre der
U. nicht zumutbar gewesen und hätte darüber hinaus keine Beschleunigung
bewirkt. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit scheide gleichfalls aus.
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Ebenso wenig sei der abgetretene Amtshaftungsanspruch verjährt. Bei
der Nichtbearbeitung eines Vorgangs handele es sich um ein dauerhaftes Un-
terlassen. Nach Eingang des Notarschreibens vom 13. Oktober 1997 habe der
Rechtspfleger keinen neuen Entschluss gefasst, sondern seine ursprüngliche
Absicht beibehalten, die Vorgänge entsprechend ihrem zeitlichen Eingang zu
bearbeiten. Die Verjährung habe damit frühestens mit der Kenntnis von der Ein-
tragung aufgrund der an den Notar gerichteten Vollzugsmitteilung vom
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13. August 1998 begonnen und sei ab dem 1. Februar 2001 durch Verhandlun-
gen gehemmt gewesen. Verjährt seien demgegenüber Ansprüche der Klägerin
aus eigenem Recht, die sie erstmals mit Schriftsatz vom 18. Mai 2004 erhoben
habe.
Die Klage sei schließlich, soweit sie auf abgetretenes Recht gestützt
werde, auch aus dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs gerecht-
fertigt. Hiermit erledige sich zugleich die Verjährungsfrage, weil die 30-jährige
Verjährungsfrist eingreife. Eine Entschädigungspflicht wegen enteignungsglei-
chen Eingriffs werde im Regelfall angenommen, wenn die Behörde in einem
förmlichen Verfahren das begehrte Verwaltungshandeln entweder ablehne oder
unterlasse, obwohl der Bürger einen Anspruch darauf habe. Wenn durch das
behördliche Handeln oder Unterlassen in Eigentumsrechte des Bürgers einge-
griffen werde, könne in der unterbliebenen Entscheidung über einen Antrag
auch ein enteignungsgleicher Eingriff liegen. Die langfristige Verweigerung der
Bearbeitung von Grundbucheintragungen sei als enteignungsgleicher Eingriff
und nicht als bloßes Unterlassen zu werten. Dies gelte zumindest für die U. .
Ob auch der Klägerin als finanzierender Bank insoweit ein eigener Entschädi-
gungsanspruch zustehe, sei dagegen zweifelhaft und bleibe offen.
11
B.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand.
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I.
Der Senat versteht das Vorbringen der Klägerin so, dass sie an erster
Stelle ihr abgetretene Ansprüche der U. und lediglich hilfsweise eigene Er-
satzforderungen gegen den Beklagten geltend macht. Nur auf übertragene An-
sprüche hat im Ergebnis auch das Berufungsgericht seine der Klage stattge-
bende Entscheidung gestützt.
13
II.
Abgetretene Ansprüche
14
1. Amtshaftung
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a) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich nicht ab-
schließend beurteilen, ob Bediensteten des beklagten Landes eine Amtspflicht-
verletzung zur Last fällt.
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aa) Allerdings hat im Rechtsstaat jede Behörde die Amtspflicht, Anträge
mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und, sobald ihre Prüfung ab-
geschlossen ist, ungesäumt zu bescheiden (Senatsurteil BGHZ 30, 19, 26; zum
Bauantrag Senatsurteile vom 24. Januar 1972 - III ZR 9/70 - WM 1972, 743;
vom 24. Februar 1994 - III ZR 6/93 - NJW 1994, 2091, 2092; vom 12. Juli 2001
- III ZR 282/00 - VersR 2002, 714; MünchKomm/Papier, BGB, 4. Aufl., § 839
Rn. 217; so auch für das Verwaltungsverfahren § 10 Satz 2 VwVfG; s. ferner
§ 839 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dem entspricht für gerichtliche Verfahren der An-
spruch auf Justizgewährung und eine Entscheidung innerhalb angemessener
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Frist (vgl. Art: 6 Abs. 1 MRK). Diese Verpflichtung trifft in erster Linie die unmit-
telbar mit der Sache befassten Beamten, hier den Rechtspfleger des Grund-
buchamts. Dass im Streitfall die Amtspflicht zu zügiger Bearbeitung, die sich in
Grundbuchsachen auch aus § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO ergibt (Bauer/v. Oefele/
Wilke, GBO, 2. Aufl., § 18 Rn. 1), bei einer Erledigungszeit von einem Jahr und
acht Monaten seit dem Eingang des letzten Antrags objektiv verletzt ist, wird
auch von dem Beklagten nicht in Frage gestellt.
bb) Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzungen setzen je-
doch nach der gesetzlichen Regelung ein individuelles Fehlverhalten des ein-
zelnen Beamten voraus; lediglich die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit hier-
für wird durch Art. 34 GG auf den Staat oder die öffentliche Körperschaft, in de-
ren Dienst er steht, verlagert. Danach kann auch eine erhebliche Arbeitsüber-
lastung ein Verschulden des Beamten ausschließen, wenn die Überlastung den
vorgesetzten Stellen bekannt war oder zumindest bei ordnungsgemäßer Auf-
sicht bekannt sein musste (Senatsurteil vom 24. Juni 1963 - III ZR 195/61 -
VersR 1963, 1080, 1082; anders wohl MünchKomm/Papier, aaO). Diese Vor-
aussetzungen sieht das Berufungsgericht hier als gegeben an; es hat auch dem
Rechtspfleger selbst ersichtlich keinen Schuldvorwurf machen wollen. Vergeb-
lich beruft sich demgegenüber die Revisionserwiderung auf die wirtschaftliche
Bedeutung des Objekts für die Zedentin und die Dringlichkeit der Angelegen-
heit. Es trifft zu, dass, soweit § 17 GBO nicht entgegensteht, auch beim Grund-
buchamt besondere Umstände die vordringliche Behandlung eines Eintra-
gungsantrags gebieten können (Demharter, GBO, 25. Aufl., § 18 Rn. 1); das gilt
insbesondere, wenn der Antragsteller auf die Dringlichkeit hingewiesen hat oder
diese offenkundig ist. Ein Vorziehen des Vorgangs U. hätte indes nach den
von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts nur bedeutet, dass die ebenso überfällige Bearbeitung ande-
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rer, im Bereich des Grundbuchamts O. häufiger vorkommender Ferien-
wohnungsprojekte hätte zurückgestellt werden müssen und die finanziellen
Nachteile dann bei diesen eingetreten wären. Für einen Ermessensfehler des
Rechtspflegers bei der Erledigung der Eintragungsanträge bietet der Streitstoff
daher keine Grundlage.
cc) Eine Verletzung drittgerichteter Amtspflichten im Bereich der Justiz
des beklagten Landes kommt aber unter dem Gesichtspunkt eines Organisati-
onsmangels in Betracht.
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(1) Der Staat hat kraft seiner aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden
Verpflichtung zur Justizgewährung und zur Gewährleistung eines wirkungsvol-
len Rechtsschutzes seine Gerichte so auszustatten, dass sie die anstehenden
Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können. Es ist seine
Aufgabe, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet
und nötig sind, einer Überlastung der Gerichte vorzubeugen und ihr dort, wo sie
eintritt, rechtzeitig abzuhelfen. Er hat, insbesondere soweit es um das Gebot
der Beschleunigung von Haftsachen geht, die dafür erforderlichen - personellen
wie sächlichen - Mittel aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen (BVerfG
NJW 2000, 797; 2006, 668, 671; ähnlich BGH, Urteil vom 3. November 2004
- RiZ [R] 2/03 - NJW 2005, 905, 906).
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(2) Der Senat hat allerdings in seiner bisherigen Rechtsprechung in ver-
gleichbaren Fällen danach differenziert, ob es bei der Zuweisung von Dienst-
kräften und Sachmitteln an die für die Bearbeitung von Anträgen zuständigen
Eingangsbehörden oder Fachstellen um den Aufgabenbereich der Zentralbe-
hörden oder den der unteren Behörden ging. Nur im letzteren Falle hat er den
Schutzzweck solcher Amtspflichten in der Befriedigung auch der Interessen von
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Einzelpersonen gesehen, während er hinsichtlich der Tätigkeit von Zentralstel-
len prinzipiell nur ein öffentliches Interesse ohne Drittschutz dem Einzelnen ge-
genüber angenommen hat (BGHZ 111, 272, 273 ff.; Urteil vom 10. November
1958 - III ZR 135/57 - NJW 1959, 574 f.; Urteil vom 24. Juni 1963 - III ZR
195/61 - VersR 1963, 1080, 1082). An dieser Rechtsprechung hält der Senat
mit Blick auf den verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz und
die eingangs angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht
mehr uneingeschränkt fest. Freilich bleibt es dabei, dass bei der Entscheidung
über die Besetzung der einzelnen Dienststellen auch andere Umstände als die
Einzelinteressen der Antragsteller wie insbesondere die finanzielle Leistungs-
fähigkeit der betreffenden Körperschaft und die Möglichkeit zur Aufbringung der
notwendigen Mittel berücksichtigt werden müssen, wie der Senat in den ge-
nannten früheren Entscheidungen hervorgehoben hat (BGHZ 111 aaO S. 274;
Urteil vom 10. November 1958 aaO S. 273). Solche - weiterhin maßgebenden -
Aspekte betreffen insbesondere die Prärogative des Haushaltsgesetzgebers bei
der Zuweisung von Stellen und der Bewilligung von Mitteln. In dieser Beziehung
hält es der Senat auch nach nochmaliger Überprüfung für zutreffend, dass den
gesetzgebenden Organen - abgesehen von sogenannten Maßnahmen- oder
Einzelfallgesetzen - Amtspflichten nur gegenüber der Allgemeinheit und nicht in
Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise obliegen (Senatsurteile
BGHZ 56, 40, 46; 84, 292, 300; 87, 321, 335; 140, 30, 32; Urteil vom 7. Juli
1988 - III ZR 198/87 - NJW 1989, 101). Das hindert aber nicht, die dem nach-
geordnete Verpflichtung der Judikative oder Exekutive zur sachgerechten Ver-
teilung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel dann als drittschützend zu wer-
ten, wenn es an einzelnen Verwaltungsstellen wegen Überlastung der zuständi-
gen Bediensteten zu unzumutbaren Verzögerungen kommt und es allein in der
Hand der übergeordneten (Zentral-)Behörde liegt, hier für Abhilfe zu sorgen
(noch weitergehend Soergel/Vinke, BGB, 13. Aufl., § 839 Rn. 119: mangelnde
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Personal- oder Sachmittelausstattung könne eine Verzögerung nicht rechtferti-
gen).
(3) Nach diesen Maßstäben kommt es für den Streitfall darauf an, ob der
Direktor des Amtsgerichts O. , die Präsidenten des übergeordneten
Landgerichts und des Oberlandesgerichts oder das Justizministerium des Lan-
des die ihnen - nach Maßgabe der beamtenrechtlichen oder tarifvertraglichen
Bestimmungen, wobei die berechtigten Belange der betroffenen Beamten oder
Angestellten nicht unberücksichtigt bleiben dürfen - jeweils möglichen und zu-
mutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um eine Erledigung der von der Zeden-
tin gestellten Eintragungsanträge in angemessener Zeit sicherzustellen. Darle-
gungs- und beweisbelastet hierfür ist der Beklagte, da dem geschädigten Drit-
ten solche internen Abläufe im Behördenbetrieb in aller Regel nicht bekannt
sind und auch nicht bekannt sein müssen (vgl. zum Organisationsverschulden
Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb., § 839 Rn. 229).
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Tragfähige Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getrof-
fen. Es hat einerseits ohne erkennbare Vorbehalte oder Einschränkungen auf
das vorgerichtliche Schreiben des beklagten Landes vom 22. November 2001
Bezug genommen, wonach es beim Grundbuchamt des Amtsgerichts O.
wegen der Vielzahl von großen Wohnungseigentumsanlagen (Ferienwoh-
nungen) generell zu Verzögerungen gekommen und eine Umverteilung der Ge-
schäfte aufgrund der Personalsituation des Amtsgerichts nicht möglich gewe-
sen sei, und zugleich andererseits mangels einer näheren Begründung letztlich
nur unterstellt, dass eine Verkürzung der Bearbeitungsfrist nicht objektiv un-
möglich gewesen sei. Welche Maßnahmen im Einzelnen amtspflichtwidrig un-
terlassen worden sein sollen, lässt das Berufungsgericht offen. Infolgedessen
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kann das angefochtene Urteil mit der gegebenen Begründung nicht bestehen
bleiben.
b) Nicht frei von Rechtsfehlern sind ferner die Ausführungen des Beru-
fungsgerichts zur Verjährung mit der Folgerung, die Verjährung habe vorliegend
frühestens mit der Kenntnis des Geschäftsführers der Zedentin von den am
30. Juli 1998 erfolgten Eintragungen beginnen können.
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aa) Nach dem im Streitfall noch anwendbaren § 852 Abs. 1 BGB a.F.
beginnt bei Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung die Verjäh-
rung in der Regel mit dem Zeitpunkt, in welchem der Verletzte von dem Scha-
den und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Das setzt das Ent-
stehen eines Anspruchs einschließlich des Schadenseintritts voraus. Objektiv
wäre dies hier, ginge es nur um eine mit dem ersten pflichtwidrigen Unterlassen
abgeschlossene unerlaubte Handlung, nach dem Klagevorbringen mit dem Ab-
lauf der von der Klägerin dem Grundbuchamt eingeräumten, nicht unangemes-
senen Bearbeitungsfrist bis zum Ende des Monats Juli 1997 gegeben. Zu die-
sem Zeitpunkt wäre der Schadensersatzanspruch der U. dann nach dem
Grundsatz der Schadenseinheit auch für die erst in Zukunft fällig werdenden
Zinsbeträge als unselbständige Teilposten des Gesamtschadens entstanden
(vgl. hierzu BGHZ 119, 69, 71; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - IX ZR
115/01 - NJW-RR 2006, 694, 696 Rn. 23; Senatsbeschluss vom 12. Oktober
2006 - III ZR 144/05 - Umdruck S. 26 Rn. 34, zur Veröffentlichung bestimmt).
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bb) Das Berufungsgericht will indes abweichend ein dauerhaftes Unter-
lassen und einen Verjährungsbeginn grundsätzlich erst mit dem Ende der Ver-
letzungshandlung und Vornahme der pflichtwidrig unterlassenen Maßnahme
annehmen, eine Ausnahme allerdings dann gelten lassen, wenn während des
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Unterlassens neue Umstände zu überprüfen seien und auch diese Überprüfung
aufgrund eines Willensentschlusses des Schädigers unterbleibe.
cc) Dem folgt der Senat nicht. Auf das vom Berufungsurteil für seine Auf-
fassung genannte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Februar 1978 - X ZR
19/76 - NJW 1978, 1377, 1378 lässt sich diese Rechtsansicht nicht stützen. Der
Senat hat vielmehr in dem bereits erwähnten, nach dem Berufungsurteil ergan-
genen Beschluss vom 12. Oktober 2006 (aaO Rn. 34 ff.) mit Rücksicht auf die
Abgrenzungsschwierigkeiten sowie auf den Gedanken des Schuldnerschutzes
und des Rechtsfriedens eine den Verjährungsbeginn hinausschiebende "Dau-
erhandlung" in derartigen Fällen ebenso abgelehnt wie einen einheitlichen Be-
ginn der Verjährung schon mit dem ersten Rechtsverstoß des Schädigers und
ist dem entgegen von mehrfachen neuen Eingriffen ähnlich wie bei der Wieder-
holung einer schädigenden Handlung in Fällen positiven Tuns ausgegangen (so
auch BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 aaO). Das bedeutet im Streitfall, dass
für jeden durch die Verzögerung der Antragsbearbeitung eingetretenen Teil des
Zinsschadens im Grundsatz ein unterschiedlicher Beginn der Verjährungsfrist
und auch vor dem vom Berufungsgericht angenommenen Stichtag anzusetzen
ist.
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dd) Bei einem Anspruch aus § 839 BGB kann aber die Verjährung dar-
über hinaus erst dann beginnen, wenn der Geschädigte weiß, dass die Amts-
handlung widerrechtlich und schuldhaft war und deshalb eine Amtspflichtverlet-
zung darstellt. Dafür genügt im Allgemeinen, dass der Verletzte die tatsächli-
chen Umstände kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als nahe lie-
gend und eine Amtshaftungsklage - sei es auch nur als Feststellungsklage -
mithin als so aussichtsreich erscheinen lassen, dass ihm die Klageerhebung
zugemutet werden kann (Senatsurteile BGHZ 150, 172, 186; 160, 216, 231;
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Beschluss vom 12. Oktober 2006 aaO S. 21 Rn. 27). Hingegen setzt § 852
Abs. 1 BGB a.F. aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich
nicht voraus, dass der Geschädigte aus den ihm bekannten Tatsachen auch die
zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (Senatsentscheidungen aaO). Geht es
um ein Unterlassen, wie hier, wird man im Allgemeinen von einem Wissen um
die Pflichtwidrigkeit der Amtsausübung ausgehen können, wenn sich auch ei-
nem außen stehenden Dritten aufdrängen muss, dass die angemessene Bear-
beitungszeit ganz erheblich überschritten ist. Dabei ist vorliegend nicht auszu-
schließen, dass der Geschäftsführer der U. bereits vor Erhalt der Eintra-
gungsnachricht im August 1998 über die für einen Verjährungsbeginn notwen-
digen Kenntnisse verfügte, zumal er bereits am 29. Dezember 1997 Schadens-
ersatzansprüche gegen das Land S. "aus Amtshaftung bzw.
Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Anlegung der Wohnungs-
bzw. Teileigentumsgrundbuchblätter …" an sich abgetreten hatte. Auch deswe-
gen lässt sich ein durchsetzbarer Amtshaftungsanspruch in voller Höhe nach
dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht feststellen.
2. Enteignungsgleicher
Eingriff
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Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zum enteignungsglei-
chen Eingriff tragen die Verurteilung des beklagten Landes in dem zuerkannten
Umfang gleichfalls nicht.
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a) In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass zwischen dem
Amtshaftungsanspruch und einem auf demselben Tatsachenkomplex beruhen-
den Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff Anspruchskon-
kurrenz besteht. Unerheblich ist, ob der Kläger die Klage ausdrücklich auch auf
enteignungsgleichen Eingriff stützt. Entscheidend ist vielmehr, ob sich auf der
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Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts die begehrte Rechtsfolge zugleich
aus enteignungsgleichem Eingriff herleiten lässt; ist dies der Fall, so sind die
Gerichte berechtigt und verpflichtet, den Prozessstoff auch unter diesem recht-
lichen Gesichtspunkt zu würdigen (Senatsurteile BGHZ 136, 182, 184; 146,
365, 371). Infolgedessen bestehen keine Bedenken, dass das Berufungsgericht
von sich aus Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in
seine Prüfung einbezogen hat.
b) In der Sache hat das Berufungsgericht einen solchen Anspruch der
U. allerdings dem Grunde nach zu Recht bejaht.
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aa) Ein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff setzt
voraus, dass rechtswidrig in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition
von hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird, die hoheitliche Maßnahme also
unmittelbar eine Beeinträchtigung des Eigentums herbeiführt, und dem Berech-
tigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allge-
meinheit auferlegt wird (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile BGHZ 117, 240, 252; 125,
258, 264; Urteil vom 12. Juli 2001 - III ZR 282/00 - VersR 2002, 714, 715). Das
hat der Senat auch in einem Fall bejaht, in dem es um die rechtswidrige Versa-
gung einer Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz und eine da-
durch bedingte Verzögerung in der Veräußerung des Grundstücks ging (BGHZ
136, 182, 184 f.; s. ferner Senatsurteil BGHZ 146 aaO). Der Senat hat dabei im
Anschluss an das die Ablehnung einer Teilungsgenehmigung betreffende Se-
natsurteil BGHZ 134, 316 als entscheidend gewertet, dass der Eigentümer
durch die Versagung der Genehmigung in seiner durch Art. 14 GG geschützten
Freiheit, sein Grundstück im Rahmen der Rechtsordnung nach seinen eigenen
Vorstellungen zu nutzen, in einer Weise beeinträchtigt werde, die er bei Rechts-
widrigkeit der Versagung nicht entschädigungslos hinzunehmen brauche. Die
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Veräußerungsbefugnis gehöre zu dem geschützten Kernbereich des Eigen-
tums. Auch ein "fühlbarer Nachteil" im Sinne der Grundsätze des Senatsurteils
BGHZ 134, 316 lasse sich bei der Vereitelung eines konkret in Aussicht ge-
nommenen Kaufvertrags nicht leugnen.
bb) Diese Grundsätze sind entgegen der Revision, die allein die spätere
Fälligkeit der Kaufpreisforderungen herausstellt und daher nur das Vermögen
als solches beeinträchtigt sieht, auf die hier vorliegende Fallgestaltung zu über-
tragen. Ähnlich wie dort ist der Zedentin im Streitfall das mit dem Verkauf der
Eigentumswohnungen bereits unmittelbar in Anspruch genommene Recht zur
Veräußerung ihres Grundstücks zeitweilig entzogen worden. Solange die Woh-
nungseigentumsgrundbücher nicht angelegt waren, war ihr eine Übertragung
des Eigentums objektiv unmöglich. Es handelte sich dabei zwar nicht um ein
Verbot als förmlichen Rechtsakt, sondern um eine rein faktische "Veräuße-
rungssperre". In der Rechtsprechung des Senats ist aber seit langem aner-
kannt, dass insbesondere eine Verzögerung bei Erteilung einer Bauerlaubnis
(faktische Bausperre) oder die verzögerte Bearbeitung einer nach geltendem
Recht positiv zu bescheidenden Bauvoranfrage ebenso einen enteignungsglei-
chen Eingriff darstellen kann wie eine förmliche, dem geltenden Recht wider-
sprechende Ablehnung der Baugenehmigung (BGHZ 65, 182, 188 f.; Senatsur-
teil vom 11. Juni 1992 - III ZR 210/90 - NVwZ 1992, 1119, 1121 = VersR 1993,
185, 186; Urteil vom 12. Juli 2001 aaO). Nicht entscheidend anders liegen die
Dinge hier, soweit die Eintragungen im Grundbuch über eine ordnungsgemäße
Bearbeitungszeit hinaus - und trotz der Erinnerung des Notars vom 13. Oktober
1997 - rechtswidrig verzögert worden sind. Für Rechtswidrigkeit in diesem Sin-
ne genügt im Gegensatz zum Amtshaftungsanspruch ein Verstoß gegen die
objektive Rechtslage (vgl. Senatsurteile BGHZ 99, 249, 253; 123, 191, 197;
166, 22, 25 Rn. 11). Insofern steht auch der Grundsatz, dass es keine Enteig-
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nung durch Unterlassen gibt, der Gewährung eines Entschädigungsanspruchs
nicht entgegen. Mit Rücksicht auf die grundrechtlich geschützte Veräußerungs-
freiheit geht es hier vielmehr um einen Fall des "qualifizierten Unterlassens",
das als Eingriff in den Rechtskreis des Betroffenen zu werten ist (vgl. dazu etwa
Senatsurteile BGHZ 102, 350, 364; 118, 253, 255; 120, 124, 132; Urteil vom
15. Mai 1997 - III ZR 46/96 - VersR 1997, 1363, 1365). Auch ein Sonderopfer
lässt sich nicht verneinen, wenn es sich, wie hier, bei der erheblichen Über-
schreitung der angemessenen Bearbeitungszeit nicht um ein landesweit auftre-
tendes Phänomen handelt, sondern diese Überschreitung nur bei einzelnen
Behörden oder Gerichten auftritt.
cc) Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff gewähren jedoch - was
das Berufungsgericht verkennt - keinen vollen Schadensausgleich, sondern le-
diglich eine "angemessene Entschädigung". Die Zedentin, und an ihrer Stelle
jetzt die Klägerin, kann auf dieser Grundlage also nur eine Entschädigung für
den "Substanzverlust" verlangen, den jene dadurch erlitten hat, dass sie in der
Möglichkeit der Veräußerung ihres Grundstücks zeitweise behindert war (BGHZ
136, 182, 185 f.). Bei der Verhinderung oder Verzögerung der Veräußerung
eines Grundstücks zu Bauzwecken hat der Senat den Umfang des Entschädi-
gungsanspruchs inhaltlich an der "Bodenrente" orientiert, d.h. an dem Betrag,
den ein potentieller Nutzer für die Erlaubnis zeitweiliger Nutzung bezahlt haben
würde (Miet-, Pacht- oder Erbbauzins), und hat hieran auch für die rechtswidri-
ge Versagung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung festgehalten (BGHZ
136 aaO S. 186 f.).
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Diese Erwägungen gelten sinngemäß auch für die vorliegende Fallge-
staltung. Mit der rechtswidrigen Verzögerung der beantragten Eintragungen im
Grundbuch wird der Eigentümer des Grundstücks vorübergehend an dessen
Veräußerung gehindert und ihm damit dessen wirtschaftlicher Gegenwert in
Gestalt des Veräußerungserlöses zeitweise vorenthalten. Dieser Erlös tritt
- eigentumsrechtlich gesehen - an die Stelle des Grundstücks, jedoch der Höhe
nach nur bis zu dessen objektiven Wert. "Genommen" wird dem Eigentümer
damit die Möglichkeit der Nutzung des an die Stelle des Grundstücks tretenden
Kapitals, also dessen angemessene Verzinsung. Der so ermittelte Kapitalnut-
zungswert wird der Höhe nach regelmäßig der Bodenrente entsprechen. Hin-
gegen hat der Eigentümer auf dieser Grundlage keinen Anspruch auf vollen
Ersatz des ihm durch die Belastung mit Kreditzinsen entstandenen Zinsscha-
dens (vgl. BGHZ 125, 258, 265; 136 aaO; ferner Urteil vom 18. Juni 1998
- III ZR 100/97 - NVwZ 1998, 1329, 1330). Der Anspruch aus enteignungsglei-
chem Eingriff kann daher die uneingeschränkte Verurteilung des Beklagten der
Höhe nach nicht rechtfertigen.
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dd) Derartige Ansprüche sind, wie das Berufungsgericht insoweit zutref-
fend entschieden hat, nicht verjährt. Bis zum 31. Dezember 2001 galt hierfür die
30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F. (vgl. nur BGHZ 117, 287,
294). Nach der gesetzlichen Neuregelung der Verjährung durch das Schuld-
rechtsmodernisierungsgesetz ist - obwohl der Gesetzgeber von einer entspre-
chenden Vorschrift abgesehen hat - jetzt § 195 BGB n.F. mit seiner dreijährigen
Regelverjährung entsprechend anzuwenden (Senatsbeschluss vom 12. Okto-
ber 2006 aaO S. 16 f. Rn. 19; s. ferner BVerwG NJW 2006, 3225, 3226 zum
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch; a.A. Mansell, NJW 2002, 89, 91;
Heselhaus, DVBl. 2004, 411 ff.). Besonderheiten des öffentlichen Rechts ste-
hen nicht entgegen. Diese neue, gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4
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Satz 1 EGBGB ab 1. Januar 2002 laufende Verjährung ist aber rechtzeitig ge-
hemmt worden.
III.
Eigene Ansprüche
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Über Ansprüche der Klägerin aus eigenem Recht ist gegenwärtig nicht
zu entscheiden. Vorsorglich weist der Senat jedoch darauf hin, dass es, soweit
dabei Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Rede stehen, an der Be-
einträchtigung eines eigenen eigentumsrechtlich geschützten Rechts der Kläge-
rin fehlt.
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IV.
Hiernach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit zum Nachteil des beklagten Lan-
des erkannt worden ist. In der neuen Berufungsverhandlung hat das Beru-
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fungsgericht auch Gelegenheit, sich mit den weiteren Verfahrensrügen der Re-
vision im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des § 839 Abs. 3 BGB aus-
einanderzusetzen.
Schlick
Streck
Kapsa
Dörr
Galke
Vorinstanzen:
LG Lübeck, Entscheidung vom 27.08.2004 - 9 O 159/02 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 10.11.2005 - 11 U 145/04 -