Urteil des BGH vom 06.02.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 53/13
vom
6. Februar 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 675 Abs. 1; InsO § 15a Abs. 1
Tritt der Steuerberater bei einem rein steuerrechtlichen Mandat in konkrete Erörterun-
gen über eine etwaige Insolvenzreife der von ihm beratenen Gesellschaft ein, ohne die
Frage nach dem Insolvenzgrund zu beantworten, hat er das Vertretungsorgan darauf
hinzuweisen, dass eine verbindliche Klärung nur erreicht werden kann, indem ihm oder
einem fachlich geeigneten Dritten ein entsprechender Prüfauftrag erteilt wird.
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - IX ZR 53/13 - OLG Schleswig
LG Kiel
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann
und den Richter Dr. Fischer
am 6. Februar 2014
beschlossen:
Die Beschwerden der Klägerin und des Beklagten gegen die
Nichtzulassung der Revision im Urteil des 17. Zivilsenats des
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom
18. Januar 2013 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin
65 v.H. und der Beklagte 35 v.H..
Der Streitwert wird auf 448.500,24 € festgesetzt.
Gründe:
Beide Beschwerden decken keinen Zulassungsgrund auf.
1. Soweit das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten wegen der
Verletzung einer Nebenpflicht dem Grunde nach bejaht hat, ist die angefochte-
ne Entscheidung nicht zu beanstanden.
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a) Der Steuerberater unterliegt bei einem ausdrücklichen Auftrag zur Prü-
fung der Insolvenzreife eines Unternehmens einer vertraglichen Haftung für et-
waige Fehlleistungen (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013,
802 Rn. 15; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 12). Dies gilt
auch dann, wenn der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz
betraute Steuerberater weitergehend erklärt, dass eine insolvenzrechtliche
Überschuldung nicht vorliege (BGH, Urteil vom 6. Juni 2013, aaO Rn. 13). Der
lediglich mit der allgemeinen steuerlichen Beratung einer GmbH beauftragte
Berater ist hingegen nicht verpflichtet, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung
in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers ungefragt hinzuwei-
sen, eine Überprüfung, ob Insolvenzreife bestehe, in Auftrag zu geben oder
selbst vorzunehmen (BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO). Dieser Grundsatz
gilt uneingeschränkt, wenn der Berater ausschließlich mit den steuerlichen An-
gelegenheiten der Gesellschaft befasst ist.
b) Den Steuerberater treffen jedoch weitergehende vertragliche Hinweis-
pflichten, wenn er - wie hier - bei einem rein steuerrechtlichen Mandat mit dem
Vertretungsorgan in konkrete Erörterungen über eine etwaige Insolvenzreife der
von ihm beratenen Gesellschaft eintritt. Insoweit gilt nichts anderes als in sons-
tigen Fällen, in denen der Berater außerhalb des bestehenden Mandatsverhält-
nisses für die Entschließung des Mandanten erkennbar erhebliche Erklärungen
abgibt, die sich als unzutreffend erweisen.
aa) In einer solchen Gestaltung wird dem Berater nicht angesonnen,
schon bei einem "äußeren Anlass" oder "äußeren Verdacht" einer Insolvenz
den Mandanten auf die Notwendigkeit einer Prüfung hinzuweisen (vgl. BGH,
Urteil vom 7. März 2013, aaO Rn. 17, 19). Vielmehr wird der steuerliche Berater
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in einem Beratungsgespräch von dem Mandanten unmittelbar mit der konkreten
Frage einer Insolvenzreife des Unternehmens konfrontiert. In einem solchen
Fall muss der Berater schon mit Rücksicht auf die vielfältigen damit verbunde-
nen rechtlichen Folgen dem Mandanten einen Weg aufzeigen, der ihm die
Feststellung ermöglicht, ob eine Insolvenz vorliegt oder nicht. Dies kann ge-
schehen, indem der steuerliche Berater auf der Grundlage eines ihm dann er-
teilten besonderen Auftrags selbst eine verbindliche gutachtliche Stellungnah-
me abgibt. Sieht sich der steuerliche Berater hierzu - sei es wegen fehlender
Fachkunde oder mit Rücksicht auf eine komplexe Tatsachengrundlage - nicht in
der Lage, muss er den Mandanten darauf hinweisen, zum Zwecke der erbete-
nen Klärung einem geeigneten Dritten einen Prüfauftrag zu erteilen (vgl. BGH,
Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn. 10 f).
bb) Diesen Pflichten hat der Beklagte nach den Feststellungen des Beru-
fungsgerichts nicht genügt. Danach war die Frage einer Insolvenz der Gesell-
schaft Gegenstand der zwischen der Klägerin und dem Beklagten geführten
Unterredung. Im Rahmen des rein steuerlichen Mandats war der Beklagte nicht
verpflichtet, ungefragt eine verbindliche Stellungnahme zur Frage der Insol-
venzreife der Gesellschaft abzugeben. Jedoch war er gehalten, der Klägerin
eine Klärung dieser Frage - sei es durch den Rat einer gesonderten eigenen
Beauftragung oder der eines Dritten - zu ermöglichen. Dieser Verpflichtung hat
der Beklagte nicht entsprochen, indem er es trotz festgestellter Nachfrage nach
der Überschuldung der Gesellschaft bei unverbindlichen Diskussionen über ihre
wirtschaftliche Lage beließ.
2. Die übrigen von dem Beklagten und der Klägerin erhobenen Zulas-
sungsgründe greifen nicht durch. Die behauptete Verletzung von Verfahrens-
grundrechten hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet. Von
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einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2
ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzun-
gen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Kayser
Gehrlein
Vill
Lohmann
Fischer
Vorinstanzen:
LG Kiel, Entscheidung vom 02.03.2011 - 17 O 104/10 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 18.01.2013 - 17 U 14/11 -