Urteil des BGH vom 15.05.2013
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 115/11
Verkündet am:
15. Mai 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB §§ 705, 706, 868, 986, § 987 Abs. 1, § 990 Abs. 1; ZVG § 148 Abs. 2, § 152
Durch die Beschlagnahme im Rahmen der Zwangsverwaltung endet die vom Grund-
stückseigentümer an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesellschafterbeitrag
gewährte Nutzungsüberlassung.
BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - XII ZR 115/11 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
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Der  XII. Zivilsenat  des  Bundesgerichtshofs  hat  auf  die  mündliche  Verhandlung
vom  6. März  2013  durch  den  Vorsitzenden  Richter  Dose  und  die  Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Auf  die  Revision  des  Klägers  wird  das  Urteil  des  15. Zivilsenats
des  Oberlandesgerichts  Karlsruhe  vom  30. September  2011  auf-
gehoben und teilweise wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer
des Landgerichts  Karlsruhe vom 31. August 2010 teilweise  abge-
ändert.
Die  auf  Räumung  des  im  Hausanwesen  Wiesenstraße 2  in
Karlsruhe gelegenen Ladengeschäfts gerichtete Klage wird abge-
wiesen.
Die  Berufung  wird  zurückgewiesen,  soweit  die  Beklagte  verurteilt
wurde,  das  im  Hausanwesen  Wiesenstraße 2  in  Karlsruhe  gele-
gene Ladengeschäft an den Kläger herauszugeben.
Wegen  des  Zahlungsantrags  wird  der  Rechtsstreit  zur  erneuten
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisi-
onsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Der Kläger macht als Zwangsverwalter die Zahlung rückständiger Mieten
für ein Ladenlokal sowie dessen Räumung und Herausgabe geltend.
Eigentümer  des  unter  Zwangsverwaltung  stehenden  Grundstücks  und
Schuldner  der  zugrundeliegenden  Forderung  sind  zu  je  einem  Drittel  der  Ehe-
mann  der  Beklagten  und  zwei  weitere  Familienangehörige.  Mit  einem  auf  den
1. Oktober  1987  datierten  Vertrag  gründeten  die  drei  Eigentümer  eine  Gesell-
schaft  bürgerlichen  Rechts  (GbR)  mit  dem  Zweck  der  "gewinnbringenden  Ver-
waltung und Vermietung" einer größeren Anzahl von Grundstücken, welche den
Gesellschaftern  jeweils  zu  einem  Drittel  Miteigentumsanteil  gehörten.  Hierzu
überließen  sie  der  GbR  die  Grundstücke  zur  Nutzung,  während  die  jeweiligen
Miteigentumsanteile bei den Gesellschaftern verblieben. Mit Vertrag vom 1. Juli
2007 vermietete die GbR das Ladenlokal an die Beklagte.
Am 21. September 2009 wurde der Kläger zum Zwangsverwalter bestellt.
Seine  Bestellung  zeigte  er  der  Beklagten  mit  Schreiben  vom  29. September
2009  an  und  forderte  diese  auf,  Zahlungen  nur  noch  an  ihn  zu  leisten.  Am
15. Dezember  2009  ordnete  das  Amtsgericht  ein  Zahlungsverbot  an,  mit  dem
es  der  Beklagten  als  Drittschuldnerin  untersagte,  etwaige  den  Vollstreckungs-
schuldnern  zustehende  Miet-  und  Pachtzahlungen  weiterhin  an  diese  zu  ent-
richten. Nachdem die Beklagte trotz zwischenzeitlicher Mahnung keine Zahlun-
gen an den Kläger erbrachte, kündigte er das Mietverhältnis mit Schreiben vom
24. März 2010 fristlos.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Räumung und Her-
ausgabe des Ladenlokals sowie Zahlung von 3.024
€ rückständiger Miete nebst
Zinsen an den Kläger verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Ober-
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landesgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen rich-
tet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist überwiegend begründet.
I.
Das Oberlandesgericht hat seine in Juris veröffentlichte Entscheidung im
Wesentlichen  wie  folgt  begründet:  Zwar  seien  von  der  Beschlagnahme  des
Grundstücks auch die Miet- und Pachtforderungen erfasst. Allerdings hafte nur
ein  dem  Eigentümer  und  Vollstreckungsschuldner  zustehender  Mietanspruch.
Im  vorliegenden  Fall  stehe  die  Mietforderung  hingegen  nicht  den  Vollstre-
ckungsschuldnern zu, sondern der von ihnen gegründeten GbR, die das Objekt
an die Beklagte vermietet habe. Die Vollstreckungsschuldner seien mit der GbR
- auch  wegen  deren  inzwischen  anerkannter  Teilrechtsfähigkeit -  nicht  perso-
nenidentisch. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Miet-
erträge  nur  formal  der  GbR  zugeordnet  seien,  während  sie  wirtschaftlich  den
Vollstreckungsschuldnern  zustünden.  Denn  der  Gesellschaftsvertrag  sehe  die
Verwendung  der  Mieteinnahmen  nach  einem  zu  beschließenden  Wirtschafts-
plan  vor  und  nicht  deren  Direktauszahlung  an  die  Gesellschafter.  Auch  stelle
sich  der  Gesellschaftsvertrag  nicht  als  Umgehung  von  Gläubigerrechten  und
damit als sittenwidrig dar. Daher erfasse die Beschlagnahme im Verfahren der
Zwangsvollstreckung nicht die Mietforderung gegen die Beklagte. Da der Kläger
als Zwangsverwalter nicht in die von der GbR geschlossenen Mietverträge ein-
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getreten  sei,  stünden  ihm  außerdem  weder  das  Kündigungsrecht  noch  der
Räumungs- und Herausgabeanspruch zu.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings entschie-
den, dass dem Kläger als Zwangsverwalter kein Anspruch auf Miete gegen die
Beklagte zusteht.
a)  Ob  die  Beschlagnahme  eines  Grundstücks  nach  §§ 148  Abs. 1,  21
Abs. 2  ZVG  eine  Mietforderung  erfasst,  richtet  sich  nach  ständiger  Recht-
sprechung  danach,  wem  die  Mietforderung  gebührt,  dem  Eigentümer  und
Schuldner  oder  einem  davon  zu  unterscheidenden  Dritten.  Nur  im  ersten  Fall,
also wenn der Eigentümer selbst vermietet hat oder wenn die Überlassung des
Grundstücks an den vermietenden Dritten unwirksam ist (vgl. Senatsurteil vom
12. August 2009 - XII ZR 76/08 - NJW-RR 2009, 1522 Rn. 21 ff.), ist es gerecht-
fertigt, dem Gläubiger den Zugriff auf die Mietforderung zu gewähren. War hin-
gegen ein Dritter zur entgeltlichen Überlassung der Mietsache berechtigt, kann
eine  Beschlagnahme  des  Grundstücks  dessen  Mietforderung  nicht  erfassen.
Denn die Gläubiger des Eigentümers haben keinen Anspruch darauf,  sich aus
schuldnerfremdem Vermögen zu befriedigen (BGH Urteil  vom 4. Februar 2005
- V ZR 294/03 - NZM 2005, 433, 434). Die Beschlagnahme kann sich in solchen
Fällen allein auf die Ansprüche des Eigentümers aus dem Rechtsverhältnis er-
strecken, durch das dem Dritten die Weitervermietung gestattet ist.
b) Im vorliegenden Fall ist der Mietvertrag, aufgrund dessen die Beklagte
das Ladenlokal nutzt, nicht mit den Eigentümern und Vollstreckungsschuldnern
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geschlossen,  sondern  mit  der  von  ihnen  gegründeten  GbR.  Diese  ist  im
Rechtsverkehr  gegenüber  Dritten  als  Gesellschaft  aufgetreten  und  damit  als
sogenannte  Außen-GbR  Träger  eigener  Rechte  und  Pflichten  geworden  (vgl.
BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056). Auch sind Tatsachen, aufgrund derer eine
Nichtigkeit  der  Gebrauchsüberlassung  an  die  GbR  wegen  Vollstreckungs-
vereitelung  anzunehmen  wäre  und  deshalb  die  mit  der  Beklagten  vereinbarte
Miete  unmittelbar  dem  Kläger  zustünde  (vgl.  BGH  Urteil  vom  4. Februar  2005
- V ZR 294/03 - NZM 2005, 433, 434), nicht festgestellt.
2.  Ebenso  steht  dem  Kläger  kein  Anspruch  auf  Nutzungsentgelt  gemäß
§ 546 a  BGB  wegen  Vorenthaltung  der  Mietsache  zu,  weil  im  Verhältnis  der
Parteien  kein  Mietanspruch  entfallen  ist,  der  durch  einen  Anspruch  nach
§ 546 a  BGB  zu  ersetzen  wäre  (vgl.  Wolf/Eckert/Ball  Handbuch  des  gewerbli-
chen  Miet-,  Pacht  und  Leasingrechts  10. Aufl.  Rn. 1337;  MünchKommBGB/
Bieber 6. Aufl. § 546 a Rn. 3).
3.  Ein  Zahlungsanspruch  des  Klägers  kann  sich  jedoch  dem  Grunde
nach  aus  den  Vorschriften  über  das  Eigentümer-Besitzer-Verhältnis  (§§ 990
Abs. 1  Satz 1,  2,  987  Abs. 1  BGB)  ergeben.  Nach  gefestigter  Rechtsprechung
finden  die  §§ 987 ff.  BGB  auf  den  unmittelbaren  Besitzer  Anwendung,  dessen
Besitzrecht entfallen ist, weil der berechtigte Besitz desjenigen entfallen ist, von
dem  er  sein  Besitzrecht  ableitet  (BGH  Urteile  vom  6. November  1968
- V ZR 85/65 -  MDR  1969,  128  und  vom  3. Juni  2005  - V ZR 106/04 -  NZM
2005,  830  mwN).  Nach  den  genannten  Vorschriften  hat  der  Besitzer  dem
Eigentümer  die  Nutzungen  herauszugeben,  die  er  nach  dem  Eintritt  der
Kenntnis,  dass  er  zum  Besitz  nicht  berechtigt  ist,  zieht.  Nutzt  der  Besitzer  die
Sache  selbst,  schuldet  er  den  objektiven  Mietwert  (BGH  Urteile  vom
6. November  1968  - V ZR 85/65 -  MDR  1969,  128  und  vom  22. Oktober  1997
- XII ZR 142/95 - NJW-RR 1998, 803, 805).
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a) Die Beklagte leitet ihren Besitz aus einem mit der GbR geschlossenen
Mietvertrag ab. Eigentümer des Grundstücks ist jedoch nicht die GbR, sondern
sind  die  Vollstreckungsschuldner.  Ihnen  gegenüber  begründete  das  Mietver-
hältnis nur dadurch ein Recht zu Besitz, dass zwischen ihnen und der GbR ein
weiteres  Besitzmittlungsverhältnis  bestand,  indem  die  Eigentümer die  Nutzung
des Grundstücks als Beitrag gemäß §§ 705, 706 BGB an die GbR geleistet hat-
ten.
b)  Das  zwischen  den  Eigentümern  und  der  GbR  begründete  Besitzmitt-
lungsverhältnis  endete  jedoch  mit  der  Beschlagnahme  des  Grundstücks  und
Besitzeinweisung  des  Verwalters  (§ 148  Abs. 2  ZVG).  Denn mit  der  Beschlag-
nahme verloren die Vollstreckungsschuldner die tatsächliche Verwaltungs- und
Benutzungsbefugnis über das Grundstück und konnten der GbR den berechtig-
ten Besitz nicht mehr gewähren.
c)  Etwas  anderes  folgt  nicht  aus  § 152  Abs. 2  ZVG.  Nach  dieser  Aus-
nahmevorschrift ist ein bestehender Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwal-
ter  gegenüber  wirksam,  wenn  das  Grundstück  vor  der  Beschlagnahme  einem
Mieter  oder  Pächter  überlassen  wurde.  Die Regelung  ergänzt  den  im  bürgerli-
chen  Recht  verankerten  Schutz  des  Mieters  und  Pächters  vor  Eigentümer-
wechsel (§§ 566 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB). Ebenso wie im Falle der Zwangsver-
steigerung  (vgl.  § 57  ZVG)  soll  der  Mieter  oder  Pächter  auch  im  Falle  einer
Zwangsverwaltung nicht schlechter gestellt sein als im Falle einer Veräußerung
des  Grundstücks.  Dieser  systematische  Zusammenhang  schließt  es  allerdings
aus, den Anwendungsbereich des § 152 Abs. 2 ZVG über seinen Wortlaut hin-
aus  auf  andere  Besitzmittlungsverhältnisse  zu  erstrecken,  welche  im  Falle  der
Veräußerung  des  Grundstücks  keinen  dem  § 566  BGB  vergleichbaren  Schutz
böten. Zu diesen, auch vor Veräußerung nicht geschützten Besitzmittlungsver-
hältnissen gehört die Beitragsleistung nach §§ 705, 706 BGB.
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Wie  der  Bundesgerichtshof  bereits  entschieden  hat,  begründet  nur  ein
Miet-  und  Pachtvertrag  und  nicht  eine  andere  schuldrechtliche  Vereinbarung
gegen den Erwerber eines Grundstücks ein Recht zum Besitz (BGH Urteil vom
29. Juni  2001  - V ZR 215/00 -  NJW  2001,  2885;  vgl.  auch  MünchKommBGB/
Baldus 5. Aufl. § 986 Rn. 5; MünchKommBGB/Emmerich 5. Aufl. § 566 Rn. 19).
Zwar  mag  die  als  Beitragsleistung  an  die  Gesellschaft  erfolgende  Gebrauchs-
überlassung  einen  "mietähnlichen"  Charakter  haben  (Staudinger/Habermeier
BGB [2003] § 706 Rn. 7). Jedoch kann der Erwerber oder Ersteher des Grund-
stücks in dieses Schuldverhältnis schon deshalb nicht eintreten, weil er mit der
Veräußerung  oder  Versteigerung  des  Grundstücks  nicht  Gesellschafter  wird
(vgl. Soergel/Hadding/Kießling BGB [2011] § 706 Rn. 23 ff.). Ebenso kann nicht
der  Zwangsverwalter  Gesellschafter  und  Schuldner  des  Anspruchs  auf  Bei-
tragsleistung werden.
Hinzu  kommt,  dass  § 152  Abs. 2  ZVG  dem  Zwangsverwalter  nicht  nur
die Pflichten aus dem Miet- oder Pachtverhältnis auferlegt, sondern ebenso die
Rechte  daraus  vermittelt,  insbesondere  in  Form  von  Miet-  und  Pachtansprü-
chen,  die  er  zur  Gläubigerbefriedigung  verwenden  kann.  Dies  fände  bei  einer
Einbeziehung  von  Beitragsleistungen  an  eine  GbR  in  den  Schutzbereich  des
§ 152 Abs. 2 ZVG keine Entsprechung. Denn der Beitragsleistung an eine GbR
steht keine synallagmatische Gegenleistung gegenüber, die der Zwangsverwal-
ter  für  den  Gläubiger fruchtbar machen  könnte.  Der  mögliche  Gewinn  der  Ge-
sellschaft ist nicht etwa die Gegenleistung der Gesellschaft für die Beiträge der
Gesellschafter,  sondern  Ausdruck  der  im  Gesellschaftsverhältnis  begründeten
Erfolgsbeteiligung  (MünchKommBGB/Ulmer 5. Aufl.  § 705  Rn. 162).  Auch  des-
halb kommt eine entsprechende Anwendung des § 152 Abs. 2 ZVG auf eine als
Beitragsleistung erfolgte Nutzungsüberlassung nicht in Betracht.
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d) Damit entfiel das Besitzrecht der GbR durch die Beschlagnahme. Jene
hielt  das  Grundstück  fortan  in  unberechtigtem  Fremdbesitz,  aus  dem  sie  der
Beklagten  kein  Besitzrecht  gegenüber  dem  Kläger  mehr  verschaffen  konnte.
Nachdem das aus der ursprünglichen Nutzungsüberlassung an die GbR abge-
leitete  Besitzrecht  der  Beklagten  mit  der  Beschlagnahme  und  Besitzergreifung
durch den Verwalter entfallen war, ist die Beklagte, sobald sie über ihre Berech-
tigung zum Besitz nicht mehr in gutem Glauben war, zur Herausgabe der Nut-
zungen verpflichtet.
Diesen  Anspruch  kann  der  Zwangsverwalter  während  bestehender
Zwangsverwaltung  geltend  machen,  denn  die  nach  § 152  Abs. 1  ZVG  beste-
hende Aufgabe des Verwalters, für eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwal-
tung  des  Grundstücks  zu  sorgen,  schließt  die  Befugnis  ein,  auch  solche  An-
sprüche  zu  verfolgen,  die  sich  aus  einer  rechtsgrundlosen  Benutzung  der  der
Zwangsverwaltung unterliegenden Sache sowie der Verletzung von Besitzrech-
ten  ergeben.  Die  Durchsetzung  dieser  Rechte  dient  dazu,  eine  Schmälerung
der nach § 155 ZVG zu verteilenden Nutzungen abzuwenden (BGH Urteil vom
29. Juni 2006 - IX ZR 119/04 - NJW-RR 2007, 265 Rn. 16).
4.  Weiterhin  zu  Unrecht  hat  das  Oberlandesgericht  den  Anspruch  des
Klägers  auf  Herausgabe  des  Ladenlokals  verneint.  Losgelöst  von  der  Frage
eines  Mietverzuges  kann  der  Kläger  die  Herausgabe  der  Geschäftsräume  be-
reits  deshalb  verlangen,  weil  die  Beklagte  die  Geschäftsräume  in  Besitz  hat,
ohne dem Kläger gegenüber dazu berechtigt zu sein (§§ 152 Abs. 1 ZVG, 985,
986 Abs. 1 BGB).
5.  Kein  Anspruch  des  Klägers  besteht  allerdings  auf  Räumung  des  La-
denlokals,  soweit  hierunter  die  Rückgabe  der  Mietsache  im  Sinne  des  § 546
BGB  zu  verstehen  ist.  Denn  der  schuldrechtliche  Rückgabeanspruch  setzt  ein
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mietrechtliches  Schuldverhältnis  voraus.  Ein  solches  besteht  nicht  zwischen
den Parteien. Auch § 546 Abs. 2 BGB kann den Anspruch nicht begründen, da
kein Untermietverhältnis bestand. Die frühere Nutzungsüberlassung an die GbR
beruhte  nämlich  nicht  auf  einem  auch  dem  Kläger  gegenüber  wirksamen
(Haupt-)Mietverhältnis,  sondern  auf  einer  gesellschaftsrechtlichen  Gebrauchs-
überlassung.  Schuldrechtliche  (Rückgabe-)Ansprüche  aus  diesem  Rechtsver-
hältnis  stünden  allein  den  Gesellschaftern  als  solchen  zu  und  sind  weder  von
der  Beschlagnahme  erfasst  noch  dem  Kläger  gegenüber  gemäß  § 152  Abs. 2
ZVG wirksam. Sie können dem Kläger daher nicht den Durchgriffsanspruch aus
gestuftem Besitzmittlungsverhältnis (§ 546 Abs. 2 BGB) vermitteln.
6.  Über  den  Herausgabe-  und  über  den  Räumungsanspruch  kann  der
Senat abschließend in der Sache entscheiden, da der Rechtsstreit insoweit zur
Entscheidung reif ist. Hinsichtlich der vom Kläger beanspruchten Nutzungsent-
schädigung  ist  der  Rechtsstreit  an  das  Oberlandesgericht  zurückzuverweisen,
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da  zu  der  Frage,  ob  und  gegebenenfalls  seit  wann  die  Beklagte Kenntnis  dar-
über hatte, nicht mehr zum Besitz berechtigt zu sein, sowie zur Höhe des objek-
tiven Mietwerts bisher keine Feststellungen getroffen sind.
Dose
Klinkhammer
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 31.08.2010 - 5 O 161/10 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.09.2011 - 15 U 119/10 -