Urteil des BGH vom 05.07.2007

BGH (gegen die guten sitten, bundesrepublik deutschland, einkünfte, ausland, verhalten, zpo, beschwerde, schaden, aufklärung, doppelbesteuerungsabkommen)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 230/04
vom
5. Juli 2007
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Cierniak
am 5. Juli 2007
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. De-
zember 2004 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 88.170,61 €
festgesetzt.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zuläs-
sig (§ 544 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Weder hat die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisi-
onsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
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1. Entgegen der Auffassung der Beschwerde beruht das Berufungsurteil
nicht auf Willkür.
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a) Das Berufungsgericht hat die Kausalität zwischen Pflichtverletzung
und behauptetem Schaden in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise
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verneint. Die Darlegungslast des Mandanten kann durch die Grundsätze des
Anscheinsbeweises erleichtert sein, nach denen die Vermutung gilt, der Man-
dant hätte beratungsgemäß gehandelt, wenn nach der Lebenserfahrung bei
vertragsgemäßer Leistung des steuerlichen Beraters lediglich ein bestimmtes
Verhalten nahe gelegen hätte (vgl. BGHZ 123, 311, 315; BGH, Urt. v. 23. Okto-
ber 2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444 f). Vorliegend ist jedoch die Annahme
nicht gerechtfertigt, der Kläger zu 1) hätte sich bei sachgerechter Aufklärung
durch die Beklagte zwingend für die Besteuerung seiner eigenen Auslandsein-
künfte nach dem Recht der Betriebsstättenländer entschieden. Grundsätzlich
hängt zwar das Besteuerungsrecht des Quellenstaates nach Art. 15 OECD-MA
sowie den hier einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen nicht von einer
Wahlentscheidung des Steuerpflichtigen ab. Der Kläger zu 1) war jedoch kein
gewöhnlicher Arbeitnehmer, der von seinem Unternehmen zu Auslandseinsät-
zen entsandt wurde. Vielmehr konnte er als Geschäftsführer und Alleingesell-
schafter der B. GmbH entscheidenden Einfluss auf die Besteuerung der
Gewinne der Gesellschaft und seiner Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit
nehmen. Die Aufteilung der Gewinne und Einkünfte sowie die Meldung des
steuerlichen Sachverhalts an die zuständigen Finanzbehörden hätte grundsätz-
lich die Steuerbarkeit im Ausland, andererseits eine teilweise Freistellung der
Einkünfte im Inland zur Folge gehabt. Durch das Unterbleiben dieser Maßnah-
men konnte der Kläger zu 1) dagegen faktisch eine reine Inlandsbesteuerung
erreichen. Den möglichen Vorteilen einer teilweisen Besteuerung der Einkünfte
im Ausland hätte ein nicht unerheblicher Mehraufwand für die gesonderte Er-
mittlung der Gewinne und Einkünfte sowie für die Fertigung ausländischer
Steuererklärungen und Anmeldungen gegenübergestanden.
Revisionsrechtlich einwandfrei ist auch die Auffassung des Berufungsge-
richts, das den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechende Verhalten des
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Klägers bei der Nichtanmeldung der Betriebsstätten im Ausland sei bei der Fra-
ge, wie er sich bei pflichtgemäßer Aufklärung durch die Beklagte verhalten hät-
te, nicht zu berücksichtigen.
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend den inländischen Steueraufwand
nach der Differenzhypothese nur als Einzelposten der Schadensberechnung
angesehen, dem die bei einer pflichtgemäßen Anmeldung der Einkünfte im
Ausland anfallenden dortigen Steuern und Kosten gegenüberzustellen sind. Ein
Vermögensschaden ist nach der Differenzmethode durch einen rechnerischen
Vergleich der durch das schädigende Ereignis eingetretenen Vermögenslage
mit derjenigen zu ermitteln, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte (vgl.
BGHZ 98, 212, 217). Ein entgangener Steuervorteil kann grundsätzlich nur als
Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und
nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten
hätte erlangt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983 - III ZR 40/83,
WM 1984, 95, 96; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 3. Aufl. Rn.
569). Es unterliegt deshalb keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das
Berufungsgericht bei der Schadensberechnung auf ein rechtmäßiges Verhalten
auch bei der Erfüllung etwaiger ausländischer Steuerpflichten abgestellt hat.
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c) Ebenso wenig willkürlich ist die Auffassung des Berufungsgerichts,
den Klägern stehe kein Schadensersatz für die Kosten ihrer jetzigen steuerli-
chen Berater zu. Dabei kann offen bleiben, ob die im Berufungsurteil aufgeführ-
ten Gründe für sich genommen die Aberkennung dieser Schadensposition tra-
gen. Bei einer Durchsicht der in Rechnung gestellten Tätigkeiten der neuen
Steuerberater der Kläger erschließt sich teilweise schon nicht, in welchem kon-
kreten Zusammenhang diese mit Versäumnissen der Beklagten stehen. Die
geltend gemachten Kosten können auch überwiegend nicht den im Verfahren
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über die Nichtzulassungsbeschwerde noch streitgegenständlichen Steuerjahren
zugeordnet werden. Die Schätzung eines Schadens nach § 287 ZPO ist unzu-
lässig, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte
völlig in der Luft hängen würde (vgl. BGHZ 91, 243, 257). So liegt der Fall hier.
2. Das Berufungsurteil beruht zu den Fragen der Kausalität und des
Schadens auf durch die Senatsrechtsprechung geklärten Rechtsgrundsätzen.
Das gilt auch für die Frage, ob zur Darlegung eines Schadens bei einer nach
den Doppelbesteuerungsabkommen vermeidbaren Besteuerung von Auslands-
einkünften in der Bundesrepublik Deutschland auch die Darlegung der mögli-
chen, allerdings tatsächlich nicht erfolgten Versteuerung dieser Einkünfte im
Ausland gehört. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist damit nicht die
Frage der Vorteilsausgleichung angesprochen. Die Ersparnis etwaiger im Aus-
land zu zahlender Steuern und der zur dortigen Versteuerung aufzuwendenden
Kosten ist kein Vermögensvorteil als Folge einer Pflichtverletzung der Beklag-
ten, sondern beruht auf einer selbständigen Unterlassung des Klägers.
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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 544
Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
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Fischer Ganter Raebel
Kayser
Cierniak
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 14.05.2004 - 13 O 359/02 -
OLG Celle, Entscheidung vom 08.12.2004 - 3 U 163/04 -