Urteil des BGH vom 05.04.2006

BGH (waffe, erpressung, versuch, halle, rücktritt, beihilfe, stgb, freiheitsstrafe, stv, unterzeichnung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 347/06
vom
26. September 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu Ziff. 1. und 2.: wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
zu Ziff. 3.: wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführer am 26. September 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Essen vom 5. April 2006 mit den Feststel-
lungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
1
- den Angeklagten H. wegen versuchter schwerer räuberischer Er-
pressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem
Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren;
2
- den Angeklagten N. wegen versuchter schwerer räuberischer Er-
pressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Körperver-
letzung und mit Beihilfe zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu
einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und
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- den Angeklagten M. wegen Beihilfe zur versuchten schweren
räuberischen Erpressung und zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe
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zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung
es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Ferner hat es die Einziehung eines Kraftfahrzeugs des Angeklagten H.
angeordnet.
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Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
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Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts der Angeklagten H.
und N. von dem mittäterschaftlich begangenen Versuch der schweren
räuberischen Erpressung und des Angeklagten M. von der hierzu geleis-
teten Beihilfe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte H. - notfalls mit Ge-
walt - die Herausgabe eines Spielautomaten erzwingen, obwohl er entgegen
den getroffenen Vereinbarungen den Kaufpreis nicht bezahlt hatte. Die Ange-
klagten N. und M. fuhren mit dem Angeklagten H. zu der Halle der
Spielautomatenfirma, um den Angeklagten H. bei seinem Vorhaben zu
unterstützen. Die zuvor vom Angeklagten H. beschaffte funktionsfähige
Pumpgun, die mit mindestens sechs Plastikschrotpatronen geladen und gesi-
chert war, sollte lediglich als Drohmittel eingesetzt werden. Während der Ange-
klagte M. zunächst in dem Pkw des Angeklagten H. , in dem die
Pumpgun verblieb, wartete, gingen die Angeklagten H. und N. in die
Halle. Gemeinsam versuchten sie den Verkäufer Serkan A. zur Heraus-
gabe des Spielautomaten zu veranlassen. Der Angeklagte H. bedrohte
Serkan A. und Sinan Ö. , der beschwichtigen wollte, mit einem
Klappmesser. Nachdem der Angeklagte H. das Messer beiseite geworfen
hatte, veranlasste er den Angeklagten N. , die Pumpgun zu holen. Als dieser
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mit der Waffe in die Halle zurückkehrte und sie dem Angeklagten H. aus-
händigte, kam der Angeklagte M. in die Halle, um durch seine Anwe-
senheit dazu beizutragen, dass der Angeklagte H. sein Vorhaben durchset-
zen konnte. Der Angeklagte H. richtete die Waffe auf Serkan A. und
Sinan Ö. . Er repetierte dreimal, so dass jeweils eine Schrotpatrone aus der
Waffe ausgeworfen wurde, und schlug auf Sinan Ö. , der ihm die Waffe aus
der Hand reißen wollte, mit dem Griffstück der Pumpgun ein. Um sich weiterer
Angriffe zu erwehren, ergriff Sinan Ö. einen Monitor und warf ihn in Richtung
des Angeklagten H. . Danach verließen die Angeklagten unter Mitnahme
der noch mit mindestens drei Patronen geladenen Pumpgun die Halle.
2. Die Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das Landgericht im
Rahmen der rechtlichen Würdigung nur hinsichtlich des Angeklagten H. nä-
her erörtert und einen Rücktritt "entsprechend § 24 StGB" verneint, weil
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"alleiniger Grund für die Aufgabe der weiteren Tatausführung
war, dass der Angeklagte H. erkennen musste und auch er-
kannt hat, dass er allein durch Drohungen den Automaten
nicht erhalten würde. Der Zeuge Sinan Ö. , der dem Ver-
käufer A. zu Hilfe geeilt war, ließ sich weder durch das
Messer noch die Pumpgun nachhaltig beeindrucken. Ein mög-
licher scharfer Schusswaffengebrauch, um doch noch das
Geldspielgerät zu bekommen, war vom Angeklagten H.
aber nicht beabsichtigt und gewollt. Der Versuch der Erpres-
sung war damit mit den zur Verfügung stehenden Tatmitteln
gescheitert und fehlgeschlagen".
Diese Begründung lässt besorgen, dass die Strafkammer dem Tatplan
für die Beurteilung der Rücktrittsfrage eine Bedeutung zugemessen hat, die ihr
nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr zu-
kommt (vgl. BGHSt 31, 170, 175; 35, 90, 93; 39, 221, 227). Entscheidend ist
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danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirkli-
chen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation
oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles nicht
mehr möglich erschien. War der Angeklagte aber noch Herr seiner Entschlüsse,
hielt er die Ausführung der Tat - wenn auch mit anderen Mitteln - noch für mög-
lich, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom
unbeendeten Versuch zu bewerten, wobei es nicht darauf ankommt, ob der
Angeklagte aus sittlich billigenswerten Motiven oder aus anderen Gründen von
weiteren Angriffen absah (vgl. BGH StV 1993, 189; StV 2003, 217, jew.
m.w.N.).
Die Frage, ob nach den vorgenannten Grundsätzen ein fehlgeschlagener
Versuch, oder was nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt, ein unbeen-
deter Versuch vorliegt, hätte gemäß § 28 Abs. 2 StGB für jeden Angeklagten
gesonderter Prüfung bedurft. Zwar haben die Angeklagten H. und N.
als Mittäter und der Angeklagte M. als Gehilfe gehandelt, so dass die
Vorschrift des § 24 Abs. 2 StGB zu erörtern war. Auch wenn danach der Rück-
tritt eines Tatbeteiligten nicht ohne Weiteres zu Gunsten anderer Tatbeteiligter
wirkt, kann es hierfür jedoch ausreichen, wenn die Tatbeteiligten nach unbeen-
detem Versuch einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies hät-
ten tun können (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208; BGH StraFo 2003,
207), wobei es ausreicht, dass ein Tatbeteiligter mit dem die Tatvollendung ver-
hindernden Rücktritt eines anderen Tatbeteiligten einverstanden ist (vgl. BGHSt
44, 204, 208 m.w.N.). Da nach den bisherigen Feststellungen, auch soweit es
die Angeklagten N. und M. betrifft, die Annahme eines strafbefreien-
den Rücktritts in Betracht kommt, bedarf die Sache insgesamt neuer Verhand-
lung und Entscheidung.
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VRi'inBGH Dr. Tepperwien RiBGH Maatz ist Athing
ist krankheitsbedingt an der urlaubsbedingt an der
Unterzeichnung gehindert. Unterzeichnung gehindert.
Athing Athing
Solin-Stojanović Ernemann