Urteil des BGH vom 12.07.2007

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 32/07
vom
12. Juli 2007
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Dr. Detlev
Fischer
am 12. Juli 2007
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 26
des Landgerichts Hamburg vom 2. Februar 2007 wird auf Kosten
des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird
auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Schuldner wendet sich gegen die am 11. Januar 2005 beschlossene
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Das Landgericht hat
die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewie-
sen und sich hierbei den Ausführungen des Insolvenzgerichts in der Nichtabhil-
feentscheidung, der nichts hinzuzufügen sei, angeschlossen. Auf die hiergegen
gerichtete Rechtsbeschwerde hat der Senat die landgerichtliche Entscheidung
aufgehoben. Das Landgericht hat die Eröffnungsentscheidung erneut bestätigt.
Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Rechtssache hat keine grund-
sätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbe-
schwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
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1. Nach der Rechtsprechung des Senats, auf die sich das Landgericht
ausdrücklich bezogen hat, ist geklärt, dass die Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens einen Insolvenzgrund im Zeitpunkt der Eröffnung (Eröffnungsstunde) vor-
aussetzt und dessen nachträglicher Wegfall nur im Verfahren des § 212 InsO
geltend gemacht werden kann (BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04,
ZIP 2006, 1957, 1958 f, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ 169, 17). Dies
hat der Senat neben anderen Erwägungen auch daraus hergeleitet, dass in der
Eröffnungsentscheidung nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Stunde der Eröffnung
anzugeben ist und hierdurch jeglicher Zweifel ausgeschlossen werden soll,
wann die Wirkungen der mit der Eröffnung verbundenen Eingriffe in die Rechte
des Schuldners und in die Rechte Dritter eintreten. Bezogen auf diesen Zeit-
punkt ist daher gemäß § 17 InsO auch die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
festzustellen (BGH, aaO S. 1959).
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Am 11. Januar 2005, 10.50 Uhr (Eröffnungsstunde) war die durch Urteil
des Oberlandesgerichts Hamburg vom 11. Oktober 2002 titulierte Forderung
der beteiligten Gläubigerin unstreitig noch nicht erfüllt. Dies rechtfertigt den In-
solvenzantrag der Gläubigerin (§ 14 Abs. 1 InsO). Die von der Rechtsbe-
schwerde erwähnte Erklärung der Dresdner Bank, wonach demnächst mit dem
Eingang des Guthabenbetrages zu rechnen gewesen sei, ändert hieran nichts.
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Diese Erklärung stand, worauf der angefochtene Beschluss mit Recht hinweist,
unter dem Vorbehalt der der Bank "vorliegenden Informationen" und erfolgte
überdies nur "unter banküblichem Vorbehalt".
2. Verfahrensgrundrechte des Schuldners, insbesondere dessen rechtli-
ches Gehör, wurden nicht verletzt.
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a) Aus den in der Rechtsbeschwerdebegründung in Bezug genommenen
Ausführungen im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Mai 2005
in dem Verfahren IX ZB 88/05 ergibt sich kein Gehörsverstoß, der entschei-
dungserheblich geworden sein könnte. Der Schuldner hat durch Verfügung des
Insolvenzgerichts vom 4. Januar 2005 Gelegenheit erhalten, zu dem Insolvenz-
antrag der beteiligten Gläubigerin Stellung zu nehmen, und hat mit Schriftsatz
seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 10. Januar 2005 auch Stel-
lung genommen, insbesondere zu seiner Liquiditätslage. In diesem Schriftsatz
räumt der Schuldner einen kurzfristigen Liquiditätsbedarf von ca. 285.000 € ein,
den er aber durch angekündigte Zahlungen über das Konto seiner Ehefrau so-
wie "über das Konto einer nahen Angehörigen" decken wolle. Diese Ausführun-
gen hat das Landgericht berücksichtigt, sie aber nicht als erheblich angesehen.
Hierin liegt kein Gehörsverstoß. Angesichts dieses Schuldnervorbringens in
Verbindung mit den von dem Insolvenzgericht festgestellten weiteren fälligen
Verbindlichkeiten von 2,7 Mio. Euro erübrigten sich aus der von der Vorinstanz
gebilligten Sicht des Insolvenzgerichts weitere Ermittlungen zur Zahlungsunfä-
higkeit. Einer nochmaligen Anhörung des anwaltlich beratenen Schuldners be-
durfte es nicht. Die Rechtsbeschwerde zeigt auch nicht auf, was der Schuldner
zu den anderen von der Vorinstanz zugrunde gelegten fälligen Forderungen
vorgetragen hätte.
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b) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, der Schuldner sei nicht zu den Er-
mittlungen des Insolvenzgerichts zu der Frage der Verfahrenskostendeckung
(§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO) gehört worden, stellt die Eröffnungsentscheidung
nicht in Frage. Die festgestellte Verfahrenskostendeckung wird von dem
Schuldner im Verfahren der sofortigen Beschwerde nicht aufgegriffen. Auch die
Rechtsbeschwerde trägt nicht vor, was sie im Falle einer Anhörung zu den dies-
bezüglichen telefonischen Ermittlungen geltend gemacht hätte.
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Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Insolvenzgericht habe Informati-
onen zur Zahlungsunfähigkeit verwertet, die es ebenfalls telefonisch von dem
Sachverständigen erfragt habe, hat das Landgericht seine Entscheidung hierauf
nicht gestützt. Die vom Landgericht zugrunde gelegte Deckungslücke ergibt
sich schon aus dem Vortrag des Schuldners selbst.
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Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO
abgesehen.
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Dr. Gero Fischer
Dr. Ganter
Raebel
Dr. Kayser
Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 11.01.2005 - 67c IN 6/05 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 02.02.2007 - 326 T 76/06 -