Urteil des BGH vom 28.11.2005, IX ZB 280/05
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 280/05
vom
1. März 2007
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
InsVV § 2 Abs. 1, § 3
Zur Bemessung der Vergütung des Insolvenzverwalters, wenn nach Einreichung des
Schlussberichts bekannt wird, dass der Schuldner, in dessen Insolvenzverfahren die
Teilungsmasse bislang 0 € betrug, kurz vor Einreichung eine Erbschaft gemacht hat,
die die Summe der Insolvenzforderungen um ein Vielfaches übersteigt.
BGH, Beschluss vom 1. März 2007 - IX ZB 280/05 - LG Bielefeld
AG Bielefeld
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer, die Richter Vill und Cierniak, die Richterin Lohmann und den
Richter Dr. Detlev Fischer
am 1. März 2007
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 23. Zivilkammer
des Landgerichts Bielefeld vom 28. November 2005 wird auf Kosten des Insolvenzverwalters als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
35.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 5. Juni 2003 wurde der (weitere)
Beteiligte zum Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Schuldners bestellt. Am 21. Januar 2004 reichte er den Schlussbericht ein und
teilte dem Insolvenzgericht mit, dass das Verfahren abschlussreif sei. Die
Summe der anerkannten angemeldeten Forderungen betrug 84.185,23 €, die
Masse 0 €. Der Beteiligte beantragte die Mindestvergütung von 500 € zuzüglich
Auslagen von 75 € und Umsatzsteuer von 92 €, zusammen 667 €.
2Nachträglich erfuhr der Beteiligte, dass der Vater des Schuldners am
28. Dezember 2003 verstorben war und vom Schuldner zur Hälfte beerbt wurde. Der Wert des Erbteils betrug 758.000 €.
3Auf der Grundlage dieses Wertes beantragte er am 13. Mai 2004 eine
Vergütung von 42.910 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer, insgesamt
53.545,60 €.
4Mit Beschluss vom 24. Januar 2005 hat das Amtsgericht die Vergütung
auf 12.873 € festgesetzt, zuzüglich 2.574,30 € Auslagen und 2.471,57 € Umsatzsteuer, insgesamt 17.918,87 €. Die Abweisung des weitergehenden Antrags wurde nicht rechtskräftig.
5Auf Antrag des Beteiligten hat das Amtsgericht mit Beschluss vom
22. August 2005 weitere Auslagen in Höhe von 3.675,50 € nebst 588,11 € Umsatzsteuer festgesetzt. Den Antrag, eine über den Beschluss vom 24. Januar
2005 hinausgehende Vergütung festzusetzen, hat es zurückgewiesen.
6Die gegen den Beschluss vom 22. August 2005 gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten ist ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht hat als
Berechnungsgrundlage für die Vergütungsfestsetzung eine Masse von
758.000 € zugrunde gelegt und hieraus gemäß § 2 Abs. 1 InsVV eine Regelvergütung von 42.910 € berechnet. Diese hat es, wie das Amtsgericht, gemäß
§ 3 Abs. 2 InsVV um 70 Prozentpunkte gekürzt.
7Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte seinen erhöhten
Vergütungsantrag in vollem Umfang weiter.
II.
8Die Rechtsbeschwerde ist nach § 64 Abs. 3, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache
hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts
noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
91. Die Rechtsbeschwerde meint, der angegriffene Beschluss werfe die
entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Frage auf, ob und in welcher
Höhe ein Erbanfall im Insolvenzverfahren, für das bereits ein Schlussbericht
erstellt und eingereicht sei, vergütungsmindernd wirke, wenn festgestellt sei,
dass das Insolvenzverfahren im Hinblick auf den Erbanfall einen größeren Arbeitsaufwand verursacht habe als ohne diesen. Dieser erhöhte Arbeitsaufwand
rechtfertige die Regelvergütung und verbiete einen Abschlag gemäß § 3 Abs. 2
InsVV.
10Diese Frage ist weder entscheidungserheblich noch klärungsbedürftig.
Das vom Insolvenzschuldner während des Insolvenzverfahrens erworbene
Vermögen gehört gemäß § 35 InsO zur Insolvenzmasse, also auch der Nachlass, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Erbe geworden ist
(vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 2006 - IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258; zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ 167, 352). Abweichend von den früher geltenden Regelungen in § 1 Abs. 2, § 8 Abs. 3 der Verordnung über die Vergütung des
Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirates (VergVO) ist die für die Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 InsVV maßgebliche Teilungsmasse nicht durch den
Gesamtbetrag der Insolvenzforderungen nach oben begrenzt (vgl. Kübler/
Prütting/Lüke, InsO § 63 Rn. 3; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. § 1
Rn. 2; MünchKomm-InsO/Nowak, § 63 Rn. 17).
11Demgemäß hat das Landgericht das Erbe zutreffend in die Bemessungsgrundlage gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 InsVV einbezogen. Ohne
den Erbfall wäre im Hinblick auf diesen Arbeit nicht angefallen. Es wäre aber
auch bei einer Masse von 0 € geblieben. Das Landgericht hat den Erbanfall
damit nicht als vergütungsmindernd angesehen, sondern die Vergütung, die
ohne den Erbanfall festzusetzen gewesen wäre (500 €), um 2.474,6 %
(12.373 €) erhöht (zuzüglich Umsatzsteuer). Außerdem hat es statt 75 € Auslagen insgesamt 6.249,80 € Auslagen zuzüglich Umsatzsteuer festgesetzt.
12Die allenfalls denkbare Frage, ob es vergütungsmindernd berücksichtigt
werden kann, wenn sich in einem Verfahren die Insolvenzmasse nach Einreichung des Schlussberichts infolge einer Erbschaft des Schuldners von 0 € auf
758.000 € erhöht, und der Arbeitsaufwand des Verwalters in Folge der Erbschaft höher war als bei einem üblichen Verfahren mit einem von vorneherein
vorhandenen Massewert von 758.000 €, stellt sich nicht. Denn derartiges ist
weder festgestellt noch geltend gemacht. Im Übrigen kann es nicht darauf ankommen, zu welchem Zeitpunkt die im Rahmen des Insolvenzverfahrens angefallene Arbeit zu erledigen war.
132. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Entscheidung des Beschwerdegerichts offenbare ein grundlegendes Missverständnis des rechtlichen
Ansatzpunktes der Senatsrechtsprechung zum Erfordernis einer im Endergebnis angemessenen Gesamtwürdigung bei der Festsetzung der Vergütung, ist
dies unzutreffend.
14Nach der Rechtsprechung des Senats sind in Betracht kommende Zuund Abschlagstatbestände gemäß § 3 InsVV im Einzelnen zu beurteilen. Der
Tatrichter ist aber nicht gezwungen, einzelne mögliche Zu- und Abschlagstatbestände gesondert zu bewerten. Er muss vielmehr in einer Gesamtschau unter
Berücksichtigung von Überschneidungen der einzelnen Tatbestände und einer
aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag
oder den Gesamtabschlag festlegen. Welchen Begründungsaufwand der Tatrichter für erforderlich halten darf und muss, hängt vom Einzelfall ab (BGH,
Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, ZIP 2003, 1757; v. 22. April 2004 - IX
ZB 136/03, NZI 2004, 448; v. 16. Juni 2005 - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371; v.
23. März 2006 - IX ZB 20/05, ZIP 2006, 858; v. 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04,
ZIP 2006, 1204, 1205).
15Diese Anforderungen hat das Beschwerdegericht nicht verkannt. Es hat
den vorgenommenen Abschlag von insgesamt 70 % nachvollziehbar und
rechtsfehlerfrei begründet. Die Beurteilung der Angemessenheit der Höhe des
Abschlags ist Aufgabe des Tatrichters.
163. Der Rechtsbeschwerdeführer rügt, das Beschwerdegericht habe wesentlichen Sachvortrag unberücksichtigt gelassen; damit macht er den Zulässigkeitsgrund der Einheitlichkeitssicherung geltend.
17Wesentlicher Sachvortrag ist jedoch nicht übergangen worden. Dies hat
der Senat im Einzelnen überprüft. Von einer Begründung zu jeder Einzelfrage
wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen. Hingewiesen wird nur auf
folgendes:
18Die Betrachtungen des Beschwerdeführers leiden daran, dass sie auch
hier als zugrunde zu legendes Vergleichsverfahren für eine Vergütungsbemessung ohne Abschläge ein masseloses Insolvenzverfahren über das Vermögen
einer natürlichen Person und die dort durchschnittlich üblichen Anforderungen
zugrunde legt. Um ein solches Verfahren handelt es sich jedoch nicht. Gegen
die vom Beschwerdegericht vorgenommene Abschläge bestehen nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 InsVV keine Bedenken (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006,
aaO S. 1207).
19Der weitere Beteiligte macht in diesem Zusammenhang geltend, das Beschwerdegericht habe seinen Vortrag übergangen, dass der Insolvenzschuldner
über Teile des Erbes erst in neun Jahren verfügen dürfe; im Falle der Verwertung des Erbes hätte das Insolvenzverfahren diesen Zeitraum fortgedauert,
weshalb er dann allein bis zu 40.000 € an Auslagenpauschale gemäß § 8
Abs. 3 InsVV hätte verlangen können. Dadurch wäre der Schuldner erheblich
schlechter gestellt worden.
20Zutreffend ist, dass für das vorliegende Verfahren, das vor dem 1. Januar
2004 eröffnet wurde, noch die alte Fassung von § 8 Abs. 3 InsVV anwendbar
wäre (§ 19 InsVV i.d.F. der Ersten Änderungsverordnung vom 4. Oktober 2004,
BGBl. I S. 2569). Dieser Teil des Erbes musste aber gerade nicht verwertet
werden, um die Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Die mit der Fortführung des
Verfahrens verbundenen Auslagen sind deshalb gerade nicht angefallen. Der
Fall zeigt nur, dass die beschränkende Änderung des § 8 Abs. 3 InsVV durch
den Verordnungsgeber zweckmäßig war.
214. Der Beschwerdeführer macht schließlich geltend, die Entscheidung
des Beschwerdegerichts beruhe auf sachfremden Erwägungen, soweit sie be-
rücksichtige, dass der Massezufluss nicht auf einer Tätigkeit des Insolvenzverwalters beruhe und rein zufällig erfolgt sei.
22Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Ausführungen lediglich unstreitige Tatsachen wiedergeben. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, der Schuldner hätte bei einem Erbanfall in der Wohlverhaltensperiode gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Hälfte des Erbes herausgeben
müssen, wovon der Treuhänder sodann gemäß § 14 InsVV 13.000 € erhalten
hätte, übersieht er, dass der Treuhänder in diesem Fall auch die Aufgaben eines Treuhänders hätte wahrnehmen müssen, die dem Beschwerdeführer gerade nicht oblagen. Ob in einem solchen außerordentlichen Fall die Treuhän-
dervergütung entsprechend § 3 Abs. 2 InsVV zu kürzen wäre, bedarf hier keiner
Erörterung.
Dr. Gero Fischer Vill Cierniak
Lohmann Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
AG Bielefeld, Entscheidung vom 22.08.2005 - 43 IN 819/03 -
LG Bielefeld, Entscheidung vom 28.11.2005 - 23 T 644/05 -
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