Urteil des BGH vom 07.04.2009

BGH (kürzung, höhe, ermittlung, umsatz, anteil, deckung, raum, wert, nachweis, sachsen)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
EnVR 27/08 Verkündet
am:
7. April 2009
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
7. April 2009 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf und
die Richter Dr. Raum, Prof. Dr. Meier-Beck, Dr. Strohn und Dr. Grüneberg
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss
des 3.
Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
27. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfah-
rens einschließlich der zur zweckentsprechenden Erledigung der
Angelegenheit notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur zu
tragen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 290.000 €
festgesetzt.
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Gründe:
I. Die Antragstellerin betreibt ein Gasversorgungsnetz im südlichen Branden-
burg und Teilen von Sachsen und Sachsen-Anhalt. Am 30. Januar 2006 beantragte
sie bei der Bundesnetzagentur die Genehmigung der Entgelte für den Netzzugang
gemäß § 23a EnWG. Mit Beschluss vom 12. April 2007 genehmigte die Bundesnetz-
agentur - unter Ablehnung des weitergehenden Antrags - für den Zeitraum vom
13. April 2007 bis 31. März 2008 niedrigere als die beantragten Höchstpreise. Sie
begründete dies unter anderem mit einer Kürzung des Umlaufvermögens im Rahmen
der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung.
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Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwer-
degericht zurückgewiesen. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechts-
beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
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II. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
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1. Das Beschwerdegericht hat die von der Bundesnetzagentur bei der Ermitt-
lung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung vorgenommene Kürzung des Um-
laufvermögens in Bezug auf die liquiden Mittel auf einen Monatsumsatz gebilligt. Es
hat dies damit begründet, dass bei der Ermittlung des betriebsnotwendigen Eigenka-
pitals gemäß § 7 GasNEV (in der bis zum 5. November 2007 geltenden Fassung; im
Folgenden: a.F.) zwar grundsätzlich die Bilanzwerte des Umlaufvermögens zu be-
rücksichtigen seien. Dies schließe aber eine Kürzung des Umlaufvermögens wegen
mangelnder Wettbewerbskonformität gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG nicht aus. Die
Bundesnetzagentur habe das Umlaufvermögen zulässigerweise unter Zuhilfenahme
der Kennzahlen der Deutschen Bundesbank über die Ertrags- und Finanzierungs-
verhältnisse im Wettbewerb stehender deutscher Unternehmen auf ein wettbewerbs-
analoges Maß zurückgeführt. Danach habe der ermittelte Durchschnittswert für den
Anteil der liquiden Mittel am Umsatz 5,38% und für den Anteil der Forderungen
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19,82% betragen, so dass die von der Bundesnetzagentur unter Hinzurechnung ei-
nes Sicherheitszuschlags anerkannten Anteile der liquiden Mittel am Umsatz von
einem Monatsumsatz (= 8,33%) und der Forderungen von 25% nicht zu beanstanden
seien. Dies werde auch durch einen Vergleich mit dem nationalen Netzbetreiber in
Großbritannien gestützt, für den diese Anteile 7,6% bzw. 15,1% ausmachten. Dem-
gegenüber habe die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt, dass diese Anteile
bei ihr aufgrund unternehmensindividueller Besonderheiten höher lägen. Vielmehr
beschränke sich ihr Vorbringen lediglich auf allgemeine Aussagen zur Notwendigkeit
von Finanzmitteln, die sie zur Durchführung von Reinvestitionen und zur Deckung
von kurz- bis mittelfristigen Verbindlichkeiten benötige.
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2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
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a) Wie der Senat mit Beschluss vom 3. März 2009 (EnVR 79/07) entschie-
den und im Einzelnen begründet hat, ist eine Korrektur der Bilanzwerte des Umlauf-
vermögens nach dem Maßstab der Betriebsnotwendigkeit vorzunehmen. Die Um-
stände, aus denen sich die Betriebsnotwendigkeit ergibt, hat der Netzbetreiber im
Rahmen seiner Mitwirkungspflichten nach § 23a EnWG darzulegen und zu bewei-
sen. Soweit ihm dieser Nachweis nicht gelingt und die Regulierungsbehörde - wie
hier - aufgrund allgemeiner Kennzahlen pauschale Ansätze zugrunde legt, wird der
Netzbetreiber nicht beschwert.
b) Die Antragstellerin hat den Nachweis für die Betriebsnotwendigkeit der
von ihr angesetzten liquiden Mittel nicht erbracht.
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Soweit sie die Betriebsnotwendigkeit mit dem Erfordernis der Deckung kurz-
fristiger Verbindlichkeiten begründet, hat sie diese in dem Schreiben vom 21. Juli
2006 nur pauschal aufgeführt, ohne sie im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen.
Vor allem ist nicht nachvollziehbar, weshalb hierunter auch die Position Eigenkapital-
verzinsung fallen soll, deren Höhe nahezu den gesamten Kürzungsbetrag ausmacht.
Die Einstellung dieser Kostenposition in das Umlaufvermögen würde zu einer noch-
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maligen Verzinsung der Eigenkapitalverzinsung und damit einer Überbezahlung der
Investition durch den Netznutzer führen. Wirtschaftlich würde hiermit ein Inflations-
ausgleich für bereits abgeschriebene, aber weiter genutzte Anlagen angesetzt wer-
den, was jedoch - wie der Senat mit Beschluss vom 14. August 2008 (KVR 42/07,
WuW/E 2395 Tz. 61 ff. - Rheinhessische Energie) zur Stromnetzentgeltverordnung
im Einzelnen begründet hat - nicht zulässig ist.
Die Antragstellerin hat die Betriebsnotwendigkeit der liquiden Mittel auch
nicht mit dem erforderlichen Ausgleich von Liquiditätsschwankungen nachvollziehbar
begründet. Sie beschränkt sich insoweit auf einen pauschalen Hinweis auf eine
"zwingende Mindestausstattung" mit liquiden Mitteln, ohne - wie das Beschwerdege-
richt zutreffend ausgeführt hat - die konkreten Mittelzu- und -abflüsse auch nur an-
satzweise substantiiert darzulegen.
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Schließlich kann sich die Antragstellerin auch nicht darauf berufen, dass die
Bundesnetzagentur eine Gesamtbetrachtung ihres Umlaufvermögens hätte vorneh-
men müssen, weil einem hohen Kassenbestand ein auffällig niedriger Forderungsbe-
stand gegenüber gestanden habe. Zwar kann zwischen beiden ein Zusammenhang
bestehen, so etwa wenn ein Großteil der ausstehenden Forderungen kurz vor dem
für den Entgeltgenehmigungsantrag maßgeblichen Stichtag bezahlt worden ist. Dass
dies bei der Antragstellerin der Fall war, hat sie aber nicht nachvollziehbar vorgetra-
gen.
c) Da die Antragstellerin bereits die Betriebsnotwendigkeit der von ihr ange-
setzten liquiden Mittel nicht nachgewiesen hat, geht ihr Einwand, bei einer pauscha-
len Deckelung des Umlaufvermögens müsste auch das Abzugskapital entsprechend
gekürzt werden, von vornherein ins Leere. Die Höhe des Abzugskapitals bemisst
sich vielmehr nach den Maßgaben des § 7 Abs. 2 GasNEV.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.
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IV. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird in Übereinstimmung mit der
Schätzung des Beschwerdegerichts auf 290.000 € festgesetzt (§ 50 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 GKG i.V. mit § 3 ZPO).
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Tolksdorf Raum Meier-Beck
Strohn Grüneberg
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.02.2008 - VI-3 Kart 70/07 (V) -