Urteil des BGH vom 25.02.2010
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 373/10
vom
24. September 2010
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Nachschlagewerk: ja
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IRG § 83h Abs. 1 Nr. 1
Zum Spezialitätsgrundsatz bei Serienstraftaten.
BGH, Beschluss vom 24. September 2010 - 1 StR 373/10 - LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2010 be-
schlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 25. Februar 2010 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtferti-
gung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-
gen.
Ergänzend zu der von der Revision geltend gemachten Verletzung des
Grundsatzes der Spezialität (Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates
vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfah-
ren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) - RB-EUHb; vgl. auch § 83h
Abs. 1 Nr. 1, § 82 IRG) bemerkt der Senat:
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift bereits zutreffend
ausgeführt hat, ist der Grundsatz der Spezialität nicht verletzt; ein Verfahrens-
hindernis hinsichtlich der in den Urteilsgründen unter B1. dargestellten Tat (An-
klageschrift der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 21. Oktober 2009) besteht
insoweit nicht. Auch diese Tat war von der portugiesischen Auslieferungsbewil-
ligung erfasst. Sie liegt innerhalb des Tatzeitraums (Januar 2000 bis Okto-
ber/November 2008), der in dem Europäischen Haftbefehl genannt ist, welcher
der Auslieferung zugrunde liegt. Ihre Begehungsweise ist mit den weiteren in
diesem Haftbefehl im Einzelnen aufgeführten Taten identisch (jeweils Handel-
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treiben mit mehreren Kilogramm Amphetamin, jeweils gleicher Wirkstoffgehalt
und Kilogrammpreis, Übergabe erfolgte überwiegend - bis auf den letzten im
Haftbefehl aufgeführten Fall - durch den Angeklagten in dessen Gartengrund-
stück) und sie beruht - wie auch die übrigen Taten - auf derselben, vor der
Durchführung der ersten Tat zwischen dem Angeklagten und seinem Abnehmer
geschlossenen Vereinbarung zur fortgesetzten Begehung von Betäubungsmit-
telstraftaten. Dem Europäischen Haftbefehl lässt sich zudem entnehmen, dass
der Angeklagte über die dort namentlich benannten Taten hinaus auch bei wei-
teren Gelegenheiten gleichartige Betäubungsmittelgeschäfte durchgeführt hat
(vgl. die Sachverhaltsschilderung im Haftbefehl hinsichtlich der Taten Ziffern 10
- 14: "bei mehreren Gelegenheiten, mithin mindestens in fünf Fällen"). Mehr als
fünf Fälle hat das Landgericht vorliegend nicht ausgeurteilt. Die im Urteil unter
B1. dargestellte Tat ist somit ebenfalls von dem historischen Lebenssachverhalt
umfasst, wie er dem Europäischen Haftbefehl (vgl. allgemein zur Darstellung
von Serienstraftaten im Europäischen Haftbefehl
BeckOK-Inhofer, Stand 1. August 2010, RB-EUHb, Anhang Rn. 6) und der por-
tugiesischen Auslieferungsbewilligung zugrunde gelegen hat. Durch ihre Einbe-
ziehung im vorliegenden Verfahren hat sich weder die Art noch die rechtliche
Würdigung der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten - jeweils Handel-
treiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen gemäß § 29a Abs. 1
Nr. 2 BtMG - geändert. Bei der unter B1. dargestellten Tat handelt es sich daher
nicht um eine "andere Tat" im Sinne des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG bzw. um eine
"andere Handlung" im Sinne des Art. 27 Abs. 2 RB-EUHb (vgl. hierzu auch
EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - C - 338/08 PPU, NJW 2009, 1057,
1059). Ihrer Einbeziehung steht der Grundsatz der Spezialität nicht entgegen,
zumal bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Beeinträchtigung der Interessen
des ersuchten Staates - hier Portugal - nicht zu besorgen ist (vgl. BGH, Be-
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schluss vom 25. April 1995 - 1 StR 18/95, nur teilweise abgedruckt in NStZ
1995, 608; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 22/03, NStZ 2003, 684).
Nack Wahl Elf
Graf Sander