Urteil des BGH vom 12.06.2007

BGH (zpo, hauptforderung, teil, gegenstand, zoll, wert, beurteilung, höhe, hauptsache, forderung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 200/06 Verkündet
am:
12. Juni 2007
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landge-
richts Duisburg vom 12. September 2006 wird auf Kosten des Be-
klagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Schadensersatz mit der Begründung, der Beklagte
sei in der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 2004 auf ihren PKW
gefallen und habe diesen dabei beschädigt. Sie beziffert den Sachschaden mit
562,10 €. Daneben verlangt sie Freistellung von dem auf die Verfahrensgebühr
nicht anrechenbaren Teil der vorprozessualen Geschäftgebühr ihrer Prozess-
bevollmächtigten in Höhe von 47,50 €. Das Amtsgericht hat der Klage stattge-
geben und den Streitwert auf 609,60 € festgesetzt. Das Landgericht hat die Be-
rufung des Beklagten verworfen und die Revision zugelassen. Mit dieser ver-
folgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
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Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Berufung sei unzulässig,
weil die Berufungssumme von 600 € nicht erreicht werde (§ 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO). Es meint, der Wert des Beschwerdegegenstandes betrage im Streitfall
nur 562,10 €. Die daneben verlangten Rechtsanwaltskosten müssten bei der
Berechnung des Wertes unberücksichtigt bleiben, da sie als Nebenforderung
geltend gemacht würden.
II.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand.
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1. Der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 511 Abs. 2
Nr. 1 ZPO ist gemäß § 2 ZPO nach den §§ 3 bis 9 ZPO zu bestimmen. Ohne
Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts,
dass sich die Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten außer-
gerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach § 4 Abs. 1 ZPO richte.
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Anders als in § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO ist in der Bemerkung zu Nr.
2303 des Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 des am 1. Juli 2004
in Kraft getretenen Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vom 5. Mai 2004
(BGBl I 2004, 718, 788) geregelt, dass eine wegen desselben Gegenstandes
entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 (bis zum 30. Juni 2006 Nr. 2400)
nur zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Ver-
fahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Ob der nicht auf
die Verfahrensgebühr anrechenbare Teil einer Geschäftgebühr streitwerterhö-
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hend wirkt, wenn er neben der Hauptsache zum Gegenstand der Klage ge-
macht wird, ist von den Instanzgerichten unterschiedlich beurteilt worden (ver-
neinend: OLG Bamberg, Beschluss vom 20. Oktober 2006 - 5 W 60/06; OLG
Celle, Beschluss vom 6. Februar 2007 - 14 W 76/06 -, juris; LG Berlin,
MDR 2005, 1318; LG Duisburg, Beschluss vom 23. Februar 2006 - 12 S 4/06;
bejahend: LG Hof, Beschluss vom 22. Mai 2006 - 34 O 286/06; AG München,
Beschluss vom 12. Januar 2006 - 331 C 32140/05). In der Literatur ist überwie-
gend die Auffassung vertreten worden, dass dieser Teil der Gebühr als Neben-
forderung im Sinne von § 4 ZPO bei der Wertberechnung unberücksichtigt
bleibt, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. Enders,
JurBüro 2004, 57 f.; Ruess, MDR 2005, 313; Steenbruck, MDR 2006, 423, 424;
Tomsen, NJW 2007 267, 269).
Dieser Beurteilung hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen (BGH,
Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - ZfS 2007, 284 = FamRZ 2007,
808). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (Senatsbeschluss vom 15. Mai
2007 - VI ZB 18/06 - z.V.b.). Wird der materiellrechtliche Kostenerstattungsan-
spruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht,
ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig und stellt deshalb eine
Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO dar. Dieses - eine Werterhöhung
ausschließende - Abhängigkeitsverhältnis besteht, solange die Hauptforderung
Gegenstand des Rechtsstreits ist (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 4 Rn. 12;
Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., § 4 Rd. 16). Dies ist vorliegend der Fall und
wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.
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Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin die
Hauptforderung und den nicht anrechenbaren Teil der vorprozessualen Ge-
schäftgebühr ihrer Prozessbevollmächtigten zunächst zusammengefasst und im
Mahnantrag als einheitliche Forderung in Höhe von 609,60 € geltend gemacht
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hat. Für die Frage, ob eine Forderung eine Nebenforderung im Sinne von § 4
Abs. 1 ZPO darstellt, kommt es allein auf die materielle Rechtslage an. Uner-
heblich ist, ob der geltend gemachte Betrag der Hauptforderung hinzugerechnet
oder neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand
eines eigenen Antrags ist (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 -
aaO, m.w.N.). Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht den Beschwerde-
wert zutreffend auf nur 562,10 € festgesetzt und die Berufung im Hinblick darauf
mit Recht als unzulässig verworfen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 28.04.2005 - 33 C 573/05 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 12.09.2006 - 13 S 168/05 -