Urteil des BGH vom 29.10.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 54/09
vom
29. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 196
Ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung einer wegen Verstoßes gegen das
Koppelungsverbot (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB) unzulässigen Zahlung unterliegt auch
dann nicht der Verjährung nach § 196 BGB, wenn diese Zahlung als Aufwendungs-
ersatz im Rahmen einer Vereinbarung zur Rückabwicklung eines beiderseits nicht
vollzogenen Kaufvertrags über ein im Planungsgebiet liegendes Grundstück dekla-
riert wird.
BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2009 - V ZR 54/09 - OLG München
LG München I
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-
Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion in dem Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
München vom 19. Januar 2009 wird auf ihre Kosten zurückgewie-
sen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt
648.004,98 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin kaufte am 15. Oktober 1996 ein großes Grundstück, das
nicht als Bauland ausgewiesen war, sich dafür aber nach ihrer Einschätzung
eignete. Eine Teilfläche von 2.275 m
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verkaufte sie mit notariellem Vertrag vom
16. Oktober 1996 für 361.250 DM an die beklagte Gemeinde. Beide Parteien
waren zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, wenn bis 31. Oktober 1998 kein
bestandskräftiger Bebauungsplan zustande gekommen war, der das Grund-
stück als Bauland auswies. Der Bebauungsplan kam zustande und wurde am
31. August 1998 durch den Landkreis genehmigt. Am 9. September 1998
schlossen die Parteien einen notariellen Vertrag, in welchem sie den - bis dahin
nicht durchgeführten - Kaufvertrag vom 16. Oktober 1996 einvernehmlich auf-
hoben und vereinbarten, dass die Klägerin der Beklagten "zur Abgeltung aller
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Ansprüche aus dem ... Kaufvertrag eine Abstandszahlung ... von
1.267.387,50 DM" (= 648.004,98 €) zahlte. Die geleistete Zahlung verlangt die
Klägerin mit ihrer im Dezember 2007 erhobenen Klage zurück, weil der Vertrag
gegen das Koppelungsverbot (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB) verstoßen habe. Die
Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin
hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelas-
sen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Diese
beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
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II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Klägerin zeigt nicht
auf, dass die Rechtssache entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher
Bedeutung aufwerfe oder dass eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts
oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 543
Abs. 2 ZPO; zur Darlegungslast siehe nur Senat, BGHZ 154, 288).
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1. Das Berufungsgericht hält die Einrede der Verjährung für unbegründet.
Der Anspruch verjähre nach § 196 BGB in zehn Jahren; diese Frist sei nicht
verstrichen. Der geltend gemachte Bereicherungsanspruch sei zwar an sich
gegeben, weil der Aufhebungsvertrag in der Sache auf eine Bezahlung für Pla-
nung hinauslaufe und wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot des § 11
Abs. 2 Satz 2 BauGB nach § 134 BGB nichtig sei. Er sei indessen nach § 817
Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der gleiche Verstoß auch der Klägerin zur
Last falle.
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2. Diese Begründung wirft - wie die Nichtzulassungsbeschwerde im An-
satz zu Recht geltend macht - die grundsätzlich bedeutsame Frage auf, ob
§ 817 Satz 2 BGB auf Verträge angewendet werden kann, die wegen Versto-
ßes gegen § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB nichtig sind. Die Anwendung der Vor-
schrift auf solche Verträge würde nämlich im Ergebnis den verbotswidrigen Zu-
stand perpetuieren und könnte damit den Zweck der Verbotsnorm konterkarie-
ren. In Fallgestaltungen, die der vorliegenden in diesem Punkt ähnlich sind, hat
der Bundesgerichtshof die Anwendung von § 817 Satz 2 BGB verneint (BGH,
Urt. v. 10. November 2005, III ZR 72/05, NJW 2006, 45; Urt. v. 13. März 2008,
III ZR 282/07, NJW 2008, 1942: Schneeballsysteme; BGHZ 111, 308: für
Schwarzarbeit; BGHZ 75, 299 Leiharbeit). Die danach zu erwägende Nichtan-
wendung von § 817 Satz 2 BGB würde auch der Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts zur Nichtanwendung von § 817 Satz 2 BGB auf öffentlich-
rechtliche Verträge entsprechen (DVBl. 2003, 1215).
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3. Die Frage ist hier aber - was die Nichtzulassungsbeschwerde über-
sieht - weder entscheidungserheblich noch ergebnisrelevant, weil die von der
Beklagten erhobene Einrede der Verjährung begründet ist. Der Anspruch unter-
liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts der - hier abgelaufenen - re-
gelmäßigen Verjährungsfrist und nicht der einer Verjährungsfrist von zehn Jah-
ren nach § 196 BGB.
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 25. Januar 2008, V ZR
118/07, NJW-RR 2008, 824) unterliegen der Verjährungsfrist des § 196 BGB
auch Bereicherungsansprüche aus einem nichtigen Vertrag über die Verschaf-
fung von Rechten an einem Grundstück. Das gilt danach auch dann, wenn der
nichtige Vertrag nur einseitig erfüllt ist und nur die Gegenleistung zurückgefor-
dert wird. Nichts anderes gilt für Ansprüche aus einer nichtigen Vereinbarung
über die Rückabwicklung eines solchen Rechtsgeschäfts.
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b) Zu diesen Ansprüchen gehört der Bereicherungsanspruch der Kläge-
rin aber gerade nicht. Die Rückabwicklungsvereinbarung ist nichtig, weil die
vorgesehene und erfolgte Zahlung der Klägerin nicht der Rückabwicklung des
Kaufvertrags dient, sondern eine unzulässige Bezahlung für die Bauleitplanung
der Beklagten darstellt. Sie ist keine Gegenleistung für die Übertragung oder
Rückübertragung eines Rechts an einem Grundstück, sondern die unzulässige
Gegenleistung für die Bebauungsplanung der Beklagten. Die Deklarierung die-
ser unzulässigen Leistung als Aufwendungsersatz im Rahmen einer Vereinba-
rung zur Rückabwicklung eines beiderseits nicht vollzogenen Kaufvertrags än-
dert daran nichts. Ob unter diesem Gesichtspunkt eine Zulassung der Revision
wegen Grundsatzbedeutung in Betracht gekommen wäre, kann dahinstehen,
weil die Nichtzulassungsbeschwerde dies nicht geltend macht.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Krüger
Lemke
Schmidt-Räntsch
Stresemann
Czub
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.08.2008 - 3 O 24307/07 -
OLG München, Entscheidung vom 19.01.2009 - 17 U 4711/08 -