Urteil des BGH vom 17.01.2013

BGH: einstellung des verfahrens, missbrauch, gesamtstrafe, schmerzensgeld, versicherer, einfluss, reiter, unterlassen, überprüfung, anhörung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 459/12
vom
17. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts
– zu 1 a) und b) auf dessen Antrag –
am 17. Januar 2013 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlos-
sen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Halle vom 23. Mai 2012 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den
Fällen II. 39
– II. 49 der Urteilsgründe wegen sexuellen
Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist;
im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfah-
rens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der
Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert,
dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Miss-
brauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Miss-
brauch von Schutzbefohlenen in 26 Fällen und wegen
sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 12 Fäl-
len verurteilt ist;
c) im Ausspruch über den Feststellungsantrag wie folgt ge-
ändert und neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist,
der Nebenklägerin sämtliche materiellen und immateriel-
len Schäden zu ersetzen, die dieser aus den in den Fäl-
len II. 1
– II. 38 der Urteilsgründe festgestellten Miss-
brauchshandlungen künftig noch entstehen, soweit die
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Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder
sonstige Versicherer übergegangen sind.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines
Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstande-
nen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Miss-
brauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefoh-
lenen in 26 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in
23 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin ein
Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und festge-
stellt, „dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin über das zuer-
kannte Schmerzensgeld hinaus sämtliche materiellen und immateriellen Schä-
den zu ersetzen, die der Nebenklägerin durch die streitgegenständlichen Ereig-
nisse erwachsen sind
“. Im Übrigen hat das Landgericht von einer Entscheidung
über die Adhäsionsanträge abgesehen.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und ma-
teriellen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Einstellung des Ver-
fahrens in den Fällen II. 39
– II. 49 der Urteilsgründe und zu den aus der Be-
schlussformel ersichtlichen Ergänzungen der Adhäsionsentscheidung. Im Übri-
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gen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung kei-
nen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts
gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fäl-
len II. 39
– II. 49 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbe-
fohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB) verurteilt worden ist. Die Einstellung erfolgt
aus verfahrensökonomischen Gründen, weil die Feststellungen der Strafkam-
mer bislang nicht hinreichend belegen, dass der Angeklagte diese Taten unter
Missbrauch einer mit dem Erziehungsverhältnis verbundenen Abhängigkeit be-
gangen hat. Dies hat die Änderung des Schuldspruchs sowie den Wegfall der
für die Taten II. 39
– II. 46 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen
von jeweils zehn Monaten zur Folge. Für die Taten II. 47
– II. 49 hat das Land-
gericht die Festsetzung von Einzelstrafen versehentlich unterlassen, so dass
sich insoweit die Einstellung nicht auswirkt.
Die Teileinstellung des Verfahrens lässt den Ausspruch über die Ge-
samtstrafe unberührt. Der Senat kann im Hinblick auf die Einsatzstrafe von drei
Jahren Freiheitsstrafe (Tat II. 1) und die weiteren verbleibenden Einzelstrafen
von fünfundzwanzigmal zwei Jahren und drei Monaten (Taten II. 2
– II. 26) so-
wie zwölfmal einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe (Taten II. 27
– II. 38)
ausschließen, dass das Landgericht ohne die in den eingestellten Fällen ver-
hängten Strafen eine mildere Gesamtstrafe gebildet hätte.
2. Der Senat hat auf die Sachrüge den Adhäsionsausspruch wie aus der
Beschlussformel ersichtlich aus folgenden Gründen geändert und ergänzt:
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a) Soweit die Adhäsionsklägerin die Feststellung der Ersatzpflicht des
Angeklagten hinsichtlich der künftigen immateriellen und materiellen Schäden
beantragt hat, hat das Landgericht dies in der Urteilsformel nur unzureichend
zum Ausdruck gebracht. Zudem ist die Adhäsionsentscheidung im Hinblick auf
§ 116 SGB X bzw. § 86 VVG unter den Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatz-
pflicht nur insoweit besteht, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträ-
ger oder andere Versicherer übergegangen sind.
b) Die Teileinstellung des Verfahrens durch den Senat hat zur Folge,
dass der Adhäsionsausspruch zum Feststellungsantrag entsprechend ange-
passt werden muss. Auf die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes hat
dies keinen Einfluss.
c) Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht
unbillig, den Beschwerdeführer mit den nach der Teileinstellung verbleibenden
Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4
StPO).
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak
Bender
Reiter
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