Urteil des BGH vom 12.07.2004

BGH (verhandlung, sache, klagerücknahme, report, entgegennahme, vorstellung, eintritt, leistung, meinungsaustausch, bestandteil)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 19/03
vom
12. Juli 2004
in der Rechtsbeschwerdesache
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juli 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein
beschlossen:
1. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 17. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 6. August 2003 wird auf
Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde beträgt 686,00 €.
Gründe:
I. Der Kläger hat mit seiner Klage mehrere von der Gesellschafterver-
sammlung der beklagten KG am 22. April 2002 gefaßte Beschlüsse beanstan-
det. In der mündlichen Verhandlung hat das Landgericht den Kläger auf ein feh-
lendes Feststellungsinteresse hingewiesen und eine Klagerücknahme angeregt.
Ohne weitere Erklärung hat der Kläger sodann die Klage zurückgenommen.
Den Antrag der Beklagten auf Festsetzung (auch) einer Erörterungsge-
bühr hat die Rechtspflegerin beim Landgericht abgelehnt. Die dagegen einge-
legte sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit
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ihrer - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die
Beklagte ihr Begehren weiter.
II. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO zulässige Rechtsbe-
schwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg. Eine Erörterungsgebühr nach
§ 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO ist, weil der Kläger ohne weitere Erwiderung die von
dem Gericht empfohlene Prozeßhandlung vorgenommen hat, in vorliegender
Sache nicht angefallen.
1. Eine Erörterungsgebühr entsteht nach dem Willen des Gesetzgebers
nur, wenn das Sach- und Streitverhältnis vor Beginn der mündlichen Verhand-
lung (ausgiebig) erörtert wird. Erteilt das Gericht lediglich einen auf eine soforti-
ge Verfahrensbeendigung gerichteten, nicht erwiderungsbedürftigen Hinweis,
so findet eine (geschweige ausgiebige) Erörterung des Sach- und Streitverhält-
nisses mit den Parteien nicht statt. Der Bevollmächtigte entfaltet, sofern er dem
Rat zur Klagerücknahme widerspruchslos folgt, keine einer mündlichen
Verhandlung entsprechende Mühewaltung (OLG Köln OLG-Report 2003, 141;
OLG München RPfleger 1992, 221 f.), sondern befindet sich in einer vergleich-
baren Lage wie ein Anwalt, der durch eine schriftliche Verfügung auf die
Aussichtslosigkeit seines Rechtsschutzbegehrens hingewiesen wird (OLG Köln
aaO; OLG Braunschweig OLG-Report 1995, 106).
2. Die Erörterungsgebühr war als Äquivalent für eine Verhandlungsge-
bühr gedacht, weil der Bevollmächtigte nach der Vorstellung des Gesetzgebers
bei der Erörterung einer Sache vor förmlicher Antragstellung eine vergleichbare
tatsächliche Leistung wie bei einer Verhandlung erbringt (BT-Drucks. 7/3243,
S. 8). Dies bedeutet aber nicht, daß eine Erörterungsgebühr immer anfällt,
wenn eine Verhandlungsgebühr nicht erwächst. In der Vergangenheit hatte sich
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der Gesetzgeber - im Gegensatz zu dem am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - stets gegen eine allgemeine Terminsgebühr
ausgesprochen. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung würde durch eine
Gesetzesauslegung unterlaufen, nach der bereits die Entgegennahme eines
gerichtlichen Hinweises die Erörterungsgebühr auslöst.
3. Zu kurz greift schließlich die Argumentation, wegen der Ausgestaltung
der Verhandlungsgebühr als eine auf die bloße Antragsstellung abstellende
Pauschalgebühr entstehe die Erörterungsgebühr bereits mit dem durch einen
richterlichen Hinweis vollzogenen Eintritt in die Erörterung des Streitstoffs (vgl.
OLG Schleswig MDR 1989, 555). Zwar hängt es nicht von der Intensität der
Erörterung ab, ob die Gebühr entsteht. Unabdingbare tatbestandliche Voraus-
setzung ist aber ein Meinungsaustausch in Rede und Gegenrede, der bei einem
einseitigen gerichtlichen Hinweis nicht festgestellt werden kann (vgl. OLG Köln
JurBüro 1978, 711, 713). Ein Hinweis des Gerichts ist regelmäßig geeignet,
eine Erwiderung der Bevollmächtigten und damit eine Erörterung auszulösen.
Kommt es aber nicht zu einer verbalen Äußerung der Parteivertreter, scheidet
eine Erörterung aus (OLG Köln aaO). Die durch einen richterlichen Hinweis
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veranlaßte Rücknahme eines Antrags ist nicht Bestandteil der Erörterung (OLG
Zweibrücken JurBüro 1985, 85 f.).
Röhricht
Goette
Kurzwelly
Münke
Gehrlein