Urteil des BGH vom 19.07.2007

BGH (bundespatentgericht, marke, begründung, kennzeichnungskraft, benutzung, verwechslungsgefahr, aussetzung, zpo, wein, form)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 56/06
vom
19. Juli 2007
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr. 397 12 539
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juli 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher,
Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den an Verkündungs Statt am
29. Juni 2006 zugestellten Beschluss des 26. Senats (Marken-
Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der
Markeninhaberin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 €
festgesetzt.
Gründe:
I. Gegen die am 20. März 1997 angemeldete und am 15. April 1997 ein-
getragene Wortmarke Nr. 397 12 539
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Revean
für "Weine, Schaumweine" hat die Widersprechende aus der für "Mineralwas-
ser" mit Priorität vom 11.
November 1985 eingetragenen Wortmarke
Nr. 1 185 308
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EVIAN
Widerspruch eingelegt.
Der Erstprüfer des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Wider-
spruch zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die
Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts die Eintra-
gung der Marke gelöscht. Die Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg
geblieben.
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Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit der (vom Bundespatent-
gericht nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung des
rechtlichen Gehörs und eine teilweise fehlende Begründung rügt.
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II. Das Bundespatentgericht ist davon ausgegangen, dass die Wider-
sprechende mit den von ihr verwendeten Flaschenetiketten eine rechtserhal-
tende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht habe. Die Abwei-
chungen der Etiketten von der Widerspruchsmarke durch Kleinschreibung, ab-
weichende Schrifttypen und Hinzufügung eines stilisierten Bergmotivs bewirkten
keine maßgebliche Veränderung des kennzeichnenden Charakters. In klangli-
cher Hinsicht sei die Ähnlichkeit der Kollisionsmarken groß. Die Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke sei durch jahrelange intensive Benutzung
erhöht. Da außerdem jedenfalls eine gewisse Warenähnlichkeit vorliege, beste-
he eine beachtliche unmittelbare Verwechslungsgefahr. Daher bliebe kein
Raum für die Anwendung der Grundsätze einer Verwechslungsgefahr im weite-
ren Sinne. Die Entscheidungspraxis des Gerichts erster Instanz der Europäi-
schen Gemeinschaften und des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt ge-
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be weder Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG noch zu einer Aussetzung
des Verfahrens nach § 82 MarkenG i.V. mit § 148 ZPO.
III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne
Zulassung statthaft, weil die Markeninhaberin im Gesetz aufgeführte, die zulas-
sungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel - die Versagung
des rechtlichen Gehörs und eine teilweise fehlende Begründung (§ 83 Abs. 3
Nr. 3 und 6 MarkenG) - mit konkreter Begründung gerügt hat (vgl. BGH, Beschl.
v. 28.8.2003 - I ZB 5/03, GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 103 - turkey & corn;
Beschl. v. 1.3.2007 - I ZB 33/06, GRUR 2007, 534, 535 = WRP 2007, 643
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2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet, weil der gerügte
Verfahrensmangel nicht vorliegt.
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a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten ei-
nes gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der ge-
richtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage
zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in
Erwägung zieht (BVerfGE 83, 133, 144; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1712).
Diese Verfahrensgrundrechte der Markeninhaberin hat das Bundespatentge-
richt nicht verletzt.
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b) Die Rechtsbeschwerde rügt als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG,
das Beschwerdegericht habe übergangen, dass die Widersprechende aus-
schließlich die nationale französische und die IR-Marke, nicht aber die Wider-
spruchsmarke benutzt habe. Das Bundespatentgericht hat jedoch im Einzelnen
begründet, warum die Verwendung auf dem Flaschenetikett der Widerspre-
chenden eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke darstellte.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Widersprechende über eine
den Flaschenetiketten vollständig entsprechende französische oder IR-Marke
verfügt. Ein Verstoß des Bundespatentgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist in
diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. Dasselbe gilt, soweit das Bundespa-
tentgericht aus der jahrelangen intensiven Benutzung der Widerspruchsmarke
in Form der Flaschenetiketten auf eine erhöhte Kennzeichnungskraft geschlos-
sen hat.
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c) Soweit die Markeninhaberin ihre Verfahrensrechte dadurch verletzt
sieht, dass das Bundespatentgericht weitere Feststellungen mit der Begrün-
dung für entbehrlich gehalten habe, die erhöhte Kennzeichnungskraft der Wi-
derspruchsmarke sei in den Markenverletzungsprozessen vor den Hamburger
Gerichten zwischen den Beteiligten bereits rechtskräftig festgestellt worden,
wird schon kein Gehörsverstoß gerügt.
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d) Die Rechtsbeschwerde meint weiter, das Bundespatentgericht habe
Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es zur Frage der erhöhten Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke Glaubhaftmachung habe ausreichen lassen. Da-
mit rügt die Rechtsbeschwerde ebenfalls keine Gehörsverletzung, sondern le-
diglich eine von ihrer Auffassung abweichende Rechtsansicht des Bundespa-
tentgerichts.
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e) Das rechtliche Gehör der Markeninhaberin ist auch weder durch die
vom Bundespatentgericht vorgenommene Verwertung eines Werbeprospekts
zur parallelen Bewerbung von Wein und Mineralwasser noch durch eine fehlen-
de Auseinandersetzung mit Ausführungen des Harmonisierungsamts zur Wa-
renähnlichkeit von Wein und Wasser verletzt worden. Der Werbeprospekt ist
entgegen der Behauptung der Rechtsbeschwerde nicht nur im Parallelverfah-
ren, sondern - als Anlage 1 zum Schriftsatz vom 29. August 2002 (GA I 48) -
auch in diesem Verfahren vorgelegt worden. Im übrigen rügt die Rechtsbe-
schwerde insoweit wiederum eine nach ihrer Auffassung fehlerhafte Würdigung
durch das Bundespatentgericht, womit sie im Verfahren der zulassungsfreien
Rechtsbeschwerde nicht gehört werden kann. Das Bundespatentgericht hat die
Beschwerdeentscheidung des Harmonisierungsamts zur Kenntnis genommen
und kritisch gewürdigt. Ebenso wenig liegt in der Rechtsansicht des Bundespa-
tentgerichts, zwischen den Kollisionszeichen bestehe bereits beachtliche unmit-
telbare Verwechslungsgefahr, eine Gehörsverletzung. Nichts anderes gilt, so-
weit die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe rechtsfehler-
haft eine Aussetzung des Verfahrens nach § 82 MarkenG, § 148 ZPO abge-
lehnt.
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f) Schließlich liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Markenin-
haberin auch nicht darin, dass das Bundespatentgericht die Ablehnung der Aus-
setzung mit fehlender Präjudizialität der Entscheidungen des Gerichts erster
Instanz der Europäischen Gemeinschaften und des Harmonisierungsamts für
das vorliegende Verfahren begründet hat. Diese Rechtsansicht entspricht dem
Wortlaut des § 148 ZPO und lässt eine fehlende Würdigung von Vortrag der
Markeninhaberin nicht erkennen.
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3. Nicht begründet ist auch die Rüge der Rechtsbeschwerde, dem ange-
fochtenen Beschluss fehle teilweise die Begründung (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 Mar-
kenG), da er sich überhaupt nicht mit der angemeldeten Marke "Revean" be-
fasse. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Das Bundespatentgericht vergleicht aus-
drücklich die für die deutsche Sprache ungewöhnliche und klangstarke Vokal-
folge E-I-A (in EVIAN) mit der sehr ähnlichen Vokalfolge der angegriffenen Mar-
ke E-E-A. Die Vokalfolge E-E-A enthält nur die Marke "Revean", nicht jedoch
die Marke "REVIAN".
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IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Markeninhaberin
(§ 90 Abs. 2 MarkenG) zurückzuweisen.
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Bornkamm
Büscher
Schaffert
Bergmann
Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.06.2006 - 26 W (pat) 23/02 -