Urteil des BGH vom 28.06.2004

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, antragsteller, zustellung, beschwerde, entgegennahme, akte, wiedereinsetzung, zeitpunkt, stand, antrag)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 3/04
vom
28. Juni 2004
in dem Verfahren
- 2 -
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Richter Dr. Ganter, die Richterin
Dr. Otten, den Richter Dr. Ernemann sowie den Rechtsanwalt Dr. Wüllrich, die
Rechtsanwältin Dr. Hauger und den Rechtsanwalt Dr. Frey nach mündlicher
Verhandlung
am 28. Juni 2004
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß
des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 12. No-
vember 2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und
der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstande-
nen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 3 -
Der Antragsteller ist seit dem Jahr 1975 zur Rechtsanwaltschaft sowie
bei wechselnden Gerichten zugelassen. Mit Bescheid vom 26. August 2003
widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers wegen Vermö-
gensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Ausweislich der Postzustellungsurkun-
de wurde der Bescheid dem Antragsteller am 27. August 2003 durch Einlegen
in den zur Kanzlei gehörenden Briefkasten zugestellt. Mit Schriftsatz vom 8.
Oktober 2003, eingegangen tags darauf, beantragte der Antragsteller gerichtli-
che Entscheidung und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen
Versäumung der Antragsfrist. Der Anwaltsgerichtshof hat vorab über das Wie-
dereinsetzungsgesuch entschieden und dieses durch Beschluß vom 12. No-
vember 2003 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde
des Antragstellers.
II.
Dem Antragsteller steht gegen die Versagung der Wiedereinsetzung das
Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (§ 22 Abs. 2 Satz 3 FGG), weil ge-
gen eine Entscheidung in der Hauptsache der Beschwerdeweg gemäß § 42
Abs. 1 Nr. 3 BRAO eröffnet wäre (vgl. BGHZ 107, 281, 284; BGH, Beschl. v.
9. Juli 1984 - AnwZ (B) 14/84, BRAK-Mitt. 1985, 51). Die fristgerecht eingelegte
(§ 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO) sofortige Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg. Der
Anwaltsgerichtshof hat den Wiedereinsetzungsantrag mit Recht zurückgewie-
sen, weil der Antragsteller nicht ohne sein Verschulden verhindert war, die Mo-
natsfrist für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 16 Abs. 5 Satz 1, § 35
Abs. 2 Satz 5 BRAO) einzuhalten.
- 4 -
1. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der An-
tragsteller auf den eidesstattlich versicherten Vortrag gestützt, die Zustellung
des Widerrufsbescheids sei in einem Zeitpunkt erfolgt, als er - Antragsteller -
gerade ein Mandantengespräch geführt habe. Der ungeöffnete Umschlag mit
dem zugestellten Bescheid sei in eine Akte geraten, die auf dem Schreibtisch
gelegen habe und alsbald weggelegt worden sei. Später habe er sich an die
Zustellung nicht mehr erinnert, weil er seinerzeit unter starkem Medikamenten-
einfluß gestanden habe.
Dieser Vortrag rechtfertigt nicht die Annahme fehlenden Verschuldens.
Ob es schuldhaft war, sich später nicht mehr an die Zustellung erinnert zu ha-
ben, kann dahinstehen. Denn es war bereits schuldhaft, bei der Entgegennah-
me der Zustellung nicht verhindert zu haben, daß das zugestellte Schriftstück
in eine fremde Akte geriet und mit dieser weggelegt wurde. Entweder hätte der
Antragsteller dafür sorgen müssen, daß das Mandantengespräch die Entge-
gennahme der Zustellung nicht beeinträchtigte, oder er hätte die Entgegen-
nahme zu diesem Zeitpunkt ablehnen müssen.
2. In der Beschwerdebegründung hat der Antragsteller den Vorgang an-
ders dargestellt. Er behauptet nunmehr, das zuzustellende Schriftstück sei ihm
von dem Postbediensteten direkt ausgehändigt worden. Er - Antragsteller - ha-
be den ungeöffneten Umschlag so schnell wie möglich aus dem Gesichtsfeld
des gerade anwesenden Mandanten verschwinden lassen wollen und die An-
gelegenheit später wegen einer Dekompensation infolge unterlassener Medi-
kamenteneinnahme verdrängt.
- 5 -
Wenn dieser neue Vortrag - der dem bisherigen teilweise widerspricht,
sich auch nicht mit dem Inhalt der Postzustellungsurkunde vereinbaren läßt -
erheblich wäre, könnte er nicht berücksichtigt werden, weil er nicht innerhalb
der zweiwöchigen Frist nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG, § 234 Abs. 1, § 236
Abs. 2 Satz 1 ZPO erfolgt ist. Er ist jedoch nicht erheblich, weil der Vorwurf, bei
der Entgegennahme der Zustellung nicht verhindert zu haben, daß das zuge-
stellte Schriftstück in eine fremde Akte geriet und mit dieser weggelegt wurde,
nicht ausgeräumt wird.
Hirsch Ganter Otten Ernemann
Wüllrich Hauger Frey