Urteil des BGH vom 05.02.2013
BGH: freispruch, anstiftung, versuch, untersuchungshaft, überprüfung, mord, erkenntnis, besuch, anschluss, kauf
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 405/12
vom
5. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5. Februar 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Traunstein vom 13. März 2012 mit den zu-
grundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der
Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangener
Waffendelikte in Tatmehrheit mit Brandstiftung unter Einbeziehung der Einzel-
strafen aus dem Urteil des Landgerichts Traunstein vom 22. März 2011 zu ei-
ner Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zu-
dem hat es die im genannten Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen aufrecht-
erhalten. Von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord hat es ihn aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer Revision erstrebt die Staats-
anwaltschaft die Aufhebung des Freispruchs. Das auf die Sachrüge gestützte
Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
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I.
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, aus der
Untersuchungshaft heraus einen Auftrag zur Ermordung des D. erteilt zu
haben. Hintergrund soll gewesen sein, dass der Angeklagte den in einem um-
fangreichen Betrugsverfahren Mitbeschuldigten D. töten lassen wollte,
um ihn daran zu hindern, auszusagen. Er habe beabsichtigt, diese Tat für
10.000 € von dem ihm als Scharfschützen bekannten K. ausführen zu las-
sen. Rechtsanwalt B. , dem damaligen Verteidiger des Angeklagten soll
am 20. April 2010 mitgeteilt worden sein, dass D. aus der Haft entlassen
worden sei. Daraufhin habe Rechtsanwalt B. den Angeklagten am
20. oder 21. April 2010 in der Untersuchungshaft besucht. Hierbei soll der Plan
des Angeklagten zur Tötung des D. besprochen worden sein. Rechts-
anwalt B. soll sich bereit erklärt haben, den Auftrag zur Ermordung des
D. weiterzuleiten und am 21. April 2010 einen Aktenvermerk gefertigt
haben, indem er festhielt: „K. soll für 10.000 den D. verramma, er
erled
igt die Geschichte“. Entsprechend dem Tatplan des Angeklagten soll
Rechtsanwalt B. den Vermerk sodann an die Ehefrau des Angeklagten
weitergeleitet haben. Diese soll den Tötungsauftrag jedoch nicht wie geplant
weitergegeben haben, da ihr der Plan zu weit gegangen sei.
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, es
habe nicht feststellen können, dass die Planung und Vorstellung des Angeklag-
ten von der Tat schon so weit gediehen war, wie es zur Strafbarkeit gemäß
§ 30 StGB erf
orderlich sei. Zwar bedeute „verramma“ im bayrischen Sprachge-
brauch jemanden zu töten, es sei aber völlig offen, ob der als Täter vom Ange-
klagten in Aussicht genommene K. zu dieser Tat überhaupt bereit gewe-
sen wäre, auch die näheren Umstände der Tatausführung seien ungeklärt ge-
wesen.
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II.
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deswegen der Auf-
hebung, weil sie nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil genügt.
Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen
nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen
festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält (BGH, Urteil vom 4. Juli
1991 - 4 StR 233/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7; BGH, Urteil vom
27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdi-
gung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderli-
chen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Nur hierdurch
wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der
Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom
26. September 1989 - 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2;
BGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Frei-
spruch 4). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Denn es wird
schon nicht zusammenhängend mitgeteilt, welche Feststellungen getroffen
werden konnten. Heißt es zunächst noch, bekannt sei nur der Aktenvermerk
von Rechtsanwalt B. , über Gespräche stehe nichts fest, finden sich bei
den würdigenden Ausführungen doch noch ansatzweise weitere Feststellun-
gen. So wird in der Beweiswürdigung zugrunde gelegt, dass die Weiterleitung
des Aktenvermerks an die Ehefrau des Angeklagten auf dessen Aufforderung
gegenüber Rechtsanwalt B. zurückgeht. An späterer Stelle ist sogar aus-
geführt, dass der Aktenvermerk auf Anweisung des Angeklagten von Rechts-
anwalt B. geschrieben wurde. Dies steht jedoch in einem unaufgelösten
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Spannungsverhältnis zu der vorangestellten Erkenntnis, über eventuelle Ge-
spräche stehe nichts fest. Damit bleibt für das Revisionsgericht offen, von wel-
chen Kontakten zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt B. hin-
sichtlich des geplanten „verramma“ das Landgericht letztlich für seine Würdi-
gung ausgegangen ist. Die Beurteilung, ob der Versuch der Anstiftung bereits
konkretisiert genug war, hängt aber maßgeblich hiervon ab. Einer Überprüfung
der tatrichterlichen Wertung ist schon damit der Boden entzogen. Hier tritt noch
hinzu, dass die Angaben des gesondert Verfolgten B. , auf die sich die
Feststellungen zu dem Herrühren des Vermerksinhalts offensichtlich gründen,
nicht mitgeteilt werden.
2. Auch im Übrigen erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehler-
haft. Denn die Auseinandersetzung mit den festgestellten objektiven Umstän-
den bleibt lückenhaft. So werden im Rahmen der Beweiswürdigung zwei weite-
re, seinem Besuch in der Untersuchungshaft nachfolgende Schreiben des
Rechtsanwalts B. erwähnt, in denen er dem Angeklagten mitteilt, an den
K. sei noch nicht herangetreten worden, dies sei im Moment auch nicht
erforderlich und dass dem D.
„etwas mehr als nur die Fresse poliert wer-
de bei passender Gelegenheit“. Inwieweit diese Schreiben Rückschlüsse auf
frühere Gespräche betreffend den D. erlauben, bleibt unerörtert.
3. Zudem begegnen die Ausführungen der Strafkammer zur Frage der
hinreichenden Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat durchgreifen-
den rechtlichen Bedenken. Ausgehend von der zutreffenden Annahme, dass
die Bestimmungshandlung und der Vorsatz sich auf eine hinreichend konkreti-
sierte Tat richten müsse, wird dies maßgeblich deswegen verneint, da
„völlig
offen“ sei, ob der Anzustiftende K. „überhaupt bereit gewesen wäre“, die
Tat auszuführen. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht von einem unzu-
treffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Der Tatbestand der versuch-
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ten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB knüpft allein an die abstrakte Gefährlich-
keit des Tatverhaltens an, die darin liegt, dass derjenige, der einen anderen zur
Begehung eines Verbrechens auffordert, Kräfte in Richtung auf das angegriffe-
ne Rechtsgut in Bewegung setzt, über die er nicht mehr die volle Herrschaft
behält (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 1951 - 1 StR 3/51, BGHSt 1, 305, 309 zu
§ 49a StGB aF; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, BGHR StGB
§ 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 3). Deswegen genügt es bereits, dass der Täter
es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass der Aufge-
forderte die Aufforderung ernst nehmen und durch sie zur Tat bestimmt werden
könnte (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99; BGH,
Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Dass der Angeklagte davon ausge-
gangen sein müsste, dass K. zur Tötun
g eines Menschen für 10.000 €
„ohne weiteres bedingungslos bereit gewesen wäre“ - wie es die Strafkammer
im Anschluss an die Erwägungen zur mangelnden tatsächlichen Bereitschaft
des K. noch prüft und verneint - ist hierfür nicht erforderlich.
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III.
Da die wenigen getroffenen Feststellungen keine tragfähigen Anhalts-
punkte dafür ergeben, dass der Angeklagte von dem Versuch der Anstiftung
rechtswirksam zurückgetreten ist, war der Freispruch aufzuheben. Die Sache
bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Nack Rothfuß Graf
Cirener Radtke
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