Urteil des BGH vom 12.11.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 218/08
Verkündet
am:
12. November 2009
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
StBerG § 68 a.F.; AO § 233a
Hat ein Kommanditist Steuernachzahlungen infolge verringerter Verlustzuweisungen
zu verzinsen, beginnt die Verjährung eines Ersatzanspruchs gegen den steuerlichen
Berater wegen verspäteten Hinweises auf dieses Risiko mit dem ersten Bescheid,
welcher die Verluste der KG in dementsprechend vermindertem Umfang feststellt,
selbst wenn es gelingt, durch Vorziehung von Sonderabschreibungen die Gewinner-
höhung in spätere Veranlagungszeiträume zu verschieben und dadurch den Zins-
schaden zu mindern.
BGH, Urteil vom 12. November 2009 - IX ZR 218/08 - OLG Köln
LG Köln
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die
Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des
8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. November
2008 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom
8. April 2008 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist seit 1997 Kommanditist der C.
KG (im Folgenden: KG), die von der beklagten Steuerbera-
tungsgesellschaft vertreten wird. Die KG erwarb aufgrund notarieller Urkunde
vom 21. Dezember 1996 ein Anwesen mit Büro- und Geschäftsgebäude. Die
Verkäuferin behielt sich vor, zur Umsatzsteuer zu optieren und übte diese Opti-
on am 20. Januar 1997 für den ganz überwiegenden Teil des Kaufpreises aus.
Die Finanzverwaltung vertrat in der Folge die Auffassung, bereits der 1996 als
umsatzsteuerliches Netto gezahlte Kaufpreis enthalte einen verhältnismäßigen
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Vorsteueranteil, und änderte am 10. September 1997 durch Bescheid an die
KG die gesondert und einheitlich festgestellten Verluste der Gesellschafter ent-
sprechend. In der 1998 eingereichten, von der Beklagten vorbereiteten Steuer-
erklärung für die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung des Veranla-
gungszeitraums 1997 machte die KG als Werbungskosten bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung auch die für 1996 bereits anerkannten Vor-
steueranteile geltend. Das Finanzamt stellte die Verluste des Veranlagungszeit-
raums 1997 mit Bescheid vom 10. November 1998 zunächst erklärungsgemäß
fest.
Nach einer Betriebsprüfung bei der KG änderte das Finanzamt am
7. August 2002 den Bescheid vom 10. November 1998 und berücksichtigte
nunmehr die bereits für 1996 anerkannten Vorsteuern im Veranlagungszeitraum
1997 nicht mehr. Um die wegfallenden Verluste steuerlich auszugleichen, zog
die KG Sonderabschreibungen vor, die ursprünglich für die Jahre 1999 bis 2002
geltend gemacht worden waren. Das Finanzamt hob daraufhin nach Ausset-
zung der Vollziehung den geänderten Feststellungsbescheid vom 7. August
2002 wieder auf und änderte stattdessen am 6. April 2006 die zuvor für die
Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002 ergangenen Feststellungsbescheide.
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Über diese Vorgänge wurden die Kommanditisten, darunter der Kläger,
von der Beklagten durch Schreiben vom 22. November 2002, 24. August 2005
und 7. Oktober 2005 unterrichtet. In dem erstgenannten Schreiben wies die Be-
klagte auch darauf hin, dass bei Erfolglosigkeit des eingelegten Einspruchs
Steuernachzahlungen fällig werden könnten, die mit jährlich 6 v.H. zu verzinsen
seien.
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Die gegenüber dem Kläger zuletzt ergangenen Einkommensteuerbe-
scheide vom 25. April 2006 belasteten ihn mit Nachzahlungszinsen für die Ver-
anlagungszeiträume 1999 bis 2002 von zusammen 14.838 €. Von diesem Be-
trag hat der Kläger als Schadensersatz für unzureichende Beratung von der
Beklagten drei Viertel verlangt nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten von
837,52 €. Die Beklagte hat die Schadensberechnung beanstandet und die Ein-
rede der Verjährung erhoben.
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Das Landgericht hat dem Kläger einen Schadensersatz von 6.361,13 €
zuzüglich Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von
603,93 € zugesprochen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf
die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte verurteilt, an
den Kläger einen Schadensersatz von insgesamt 10.256,06 € zuzüglich Zinsen
sowie 837,52 € für die in Anspruch genommene anwaltliche Beratung zu zah-
len.
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Gegen diese Verurteilung wendet sich die vom Berufungsgericht zuge-
lassene Revision der Beklagten.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Nach dem festgestellten Sachverhältnis
(§ 563 Abs. 3 ZPO) führt die Berufung der Beklagten zur Abweisung der Klage
wegen Anspruchsverjährung.
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I.
Das Berufungsgericht hat in seinem mehrfach veröffentlichten Urteil (vgl.
DB 2009, 278; DStR 2009, 555 m. Anm. Meixner; Stbg 2009, 379 m. Anm.
Pestke) angenommen, dass sich die Verjährung des streitigen Schadenser-
satzanspruchs noch gemäß § 68 StBerG a.F. beurteile. Im Widerspruch dazu
steht seine Schlussfolgerung, der Anspruch des Klägers sei erst mit Zugang der
letztgültigen Feststellungsbescheide vom 6. April 2006 für die Jahre 1999 bis
2002 entstanden, welche Grundlage der letztgültigen Einkommensteuerbe-
scheide des Klägers vom 25. April 2006 mit den darin festgesetzten Nachzah-
lungszinsen gewesen seien.
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II.
Für den Beginn und die Dauer der Verjährung gemäß Art. 229 § 12
Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EGBGB ist die mit Wir-
kung vom 15. Dezember 2004 durch Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung
von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuld-
rechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) aufgehobene Vorschrift des
§ 68 StBerG hier weiterhin anwendbar. Denn die Revision rügt zutreffend, dass
die Verjährung des klägerischen Schadensersatzanspruchs bereits mit der Be-
kanntgabe des geänderten Bescheids vom 7. August 2002 über die gesonderte
und einheitliche Gewinnfeststellung für das Jahr 1997 begonnen habe, nicht
erst - wie vom Berufungsgericht angenommen - mit Bekanntgabe der Feststel-
lungsbescheide vom 6. April 2006.
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ge-
klärt, dass ein Schaden aus einer Steuerberatung erst dann entstanden ist,
wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtwidrigkeit des
Beraters gegenüber seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert
hat. Dafür genügt, dass der Schaden dem Grunde nach erwachsen ist, mag
auch die Höhe noch nicht beziffert werden können. Es muss nicht feststehen,
dass eine Vermögenseinbuße bestehen bleibt und damit endgültig wird
(BGHZ 114, 150, 152 f.; 119, 69, 70 ff; BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 - IX ZR
246/02, WM 2004, 2034, 2037; v. 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06, WM 2008, 1416
Rn. 14). Ist dagegen - objektiv betrachtet - noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit
einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzan-
spruch noch nicht entstanden, so dass die Verjährungsfrist noch nicht in Lauf
gesetzt wird (BGHZ 119, 69, 71; BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 aaO; v. 29. Mai
2008 aaO). In der Regel beginnt danach die Verjährung des Ersatzanspruchs
gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile oder von der Besteuerung
abhängige sonstige Vermögensnachteile seines Mandanten verschuldet hat,
mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheides gemäß § 122 Abs. 1,
§ 155 Abs. 1 Satz 2, § 183 Abs. 1 AO (BGHZ 119, 69, 73; 129, 386, 388; BGH,
Urt. v. 26. Mai 1994 - IX ZR 57/93, WM 1994, 1848 f; v. 3. November 2005
- IX ZR 208/04, WM 2006, 590, 591; v. 10. Januar 2008 - IX ZR 53/06,
WM 2008, 613, 614 Rn. 7). Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Steuerbe-
scheid noch keine Steuerfestsetzung enthält, sondern Besteuerungsgrundlagen
selbständig feststellt, welche für die nachfolgende Steuerfestsetzung gemäß
§ 182 Abs. 1 AO bindend sind (BGHZ 119, 69, 73; BGH, Urt. v. 3. Juni 1993
- IX ZR 173/92, WM 1993, 1677, 1680 unter III. 2. a; v. 13. Dezember 2007
- IX ZR 130/06, WM 2008, 611, 612 Rn. 11, 12; v. 7. Februar 2008 - IX ZR
198/06, WM 2008, 1612, 1613 Rn. 14, 16). Maßgebend ist, wann das Feststel-
lungs- und Beurteilungsrisiko des Steuerpflichtigen, dessen Einschätzung sein
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weiteres Verhalten bestimmt, sich durch einen Verwaltungsakt der Finanzbe-
hörde erstmals zu einem Schaden verdichtet hat (BGHZ 129, 386, 389 f; BGH,
Urt. v. 13. Dezember 2007 aaO Rn. 12; v. 7. Februar 2008 aaO Rn. 18). Dies
setzt bei einem Grundlagenbescheid nicht voraus, dass gleichzeitig bereits ein
Leistungsbescheid der Finanzverwaltung ergangen und eine zusätzliche Steu-
erschuld nebst Zinspflicht begründet worden ist, für die im Wege der Leistungs-
klage Ersatz gefordert werden könnte, soweit diese Belastung vermeidbar war.
Schon der Grundlagenbescheid vom 7. August 2002 verdichtete das hier seit
1998 bestehende Nachversteuerungs- und Verzinsungsrisiko zu einem mit ho-
her Wahrscheinlichkeit bevorstehenden Schaden. Die Erhebung einer Klage,
welche die Ersatzpflicht der Beklagten für die drohenden Nachversteuerungs-
zinsen feststellen sollte, war dem Kläger von diesem Zeitpunkt an möglich und
zuzumuten. Das genügt für den Beginn der Anspruchsverjährung gemäß § 68
StBerG a.F. Diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht keine
ausreichende Beachtung geschenkt.
Bereits mit Bekanntgabe des Änderungsbescheids vom 7. August 2002
stand fest, dass die Finanzverwaltung den doppelten Werbungskostenansatz in
den Veranlagungszeiträumen 1996 und 1997 erkannt hatte und die für das Jahr
1997 bisher anerkannten Verluste um die auf das Jahr 1996 entfallenden Be-
träge herabsetzte. Eine entsprechende Nachversteuerung war unvermeidbar.
Denn aus dem Grundlagenbescheid ergab sich mit bindender Wirkung für den
folgenden Steuerbescheid gemäß § 182 Abs. 1 AO eine entsprechende Steuer-
schuld des Klägers, zu der kraft Gesetzes die hier als Schaden geltend ge-
machten Nachzahlungszinsen gemäß § 233a Abs. 1 und 3 AO hinzutraten.
Auch für die Zinsfestsetzung hat der Grundlagenbescheid entgegen der von der
Revisionserwiderung vertretenen Ansicht gemäß § 233a Abs. 3 und 5 AO mit-
telbare Bindungswirkung. Denn mit dem gebundenen Folgebescheid ist nach
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diesen Vorschriften auch die bisherige Zinsfestsetzung nach Maßgabe der er-
höhten Steuerfestsetzung zu ändern.
2. Die weiteren Maßnahmen der Beklagten und der KG dienten vorzugs-
weise der Schadensminderung. Infolge der verringerten Verlustzuweisungen im
Veranlagungszeitraum 1997 musste der Kläger zusätzliche Gewinne versteu-
ern. Diese Steuerlast konnte auf spätere Zeiträume verschoben werden, indem
die KG Sonderabschreibungen in das Jahr 1997 vorzog. Dieses Vorziehen
musste jedoch zu entsprechenden Gewinnerhöhungen der Folgejahre führen.
Die schließlich in die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002 fallenden Steuer-
nachzahlungen bewirkten gemäß § 233a Abs. 2 AO einen späteren Beginn der
Nachzahlungszinsen als die drohende Steuernachzahlung für 1997. In diesem
Schaden konkretisierte sich jedoch weiter das mit dem Festsetzungsände-
rungsbescheid vom 7. August 2002 bereits verwirklichte Schadensrisiko, wel-
ches durch die Steuererklärung der KG für den Veranlagungszeitraum 1997
und den hierauf beruhenden Feststellungsbescheid vom 10. November 1998
begründet worden war.
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3. Ohne Erfolg verweist die Revisionserwiderung demgegenüber auf das
Senatsurteil vom 20. Juni 1991 (IX ZR 226/90, NJW 1991, 2833, 2834 f), in
dem es um den Ersatz von Darlehenszinsen zur Finanzierung erhöhter Steuer-
und Steuervorauszahlungen ging. Der Senat hat in dieser Entscheidung den
verjährungsrechtlichen Grundsatz der Schadenseinheit für Folgeschäden von
Steuerfestsetzungen gerade nicht auf die einzelnen steuerrechtlichen Veranla-
gungszeiträume beschränkt, sondern die in diese Richtung gehende ältere
Rechtsprechung des IVa-Zivilsenats aufgegeben (aaO S. 2835 unter II. 3. a,
bb).
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Die im Jahre 2007 erhobene Klage konnte den Ablauf der bereits 2005
eingetretenen Verjährung infolgedessen nicht mehr rechtzeitig hemmen.
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Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 08.04.2008 - 2 O 181/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 13.11.2008 - 8 U 26/08 -