Urteil des BGH vom 21.02.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Versäumnis-Urteil
IX ZR 202/06
Verkündet
am:
21. Februar 2008
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO § 36 Abs. 4, § 308; ZPO §§ 256, 850c, 850g
Sieht ein gerichtlich festgestellter Schuldenbereinigungsplan die Abtretung der pfänd-
baren Dienstbezüge des Schuldners an einen Gläubiger vor, so ist das Insolvenzge-
richt zur Entscheidung über Anträge der Beteiligten zuständig, in welchem Umfang
Arbeitseinkommen Pfändungsschutz genießt.
BGH, Versäumnis-Urteil vom 21. Februar 2008 - IX ZR 202/06 - LG Frankfurt/Main
AG
Frankfurt/Main
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die
Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Prof. Dr. Gehrlein
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2006 aufge-
hoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts
Frankfurt am Main vom 10. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelzüge hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die der Beklagten aufgrund einer titulierten Forderung min-
destens 118.579,98 € schuldete, beantragte am 23. August 2002 die Eröffnung
eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen nebst Erteilung der
Restschuldbefreiung. Den mit dem Eröffnungsantrag vorgelegten Schuldenbe-
reinigungsplan hat die Beklagte, die einzige Gläubigerin der Klägerin, ange-
nommen. Er sieht für die Dauer von 60 Monaten die Abtretung der "pfändbaren
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Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis" an die Beklagte vor. Das
Amtsgericht - Insolvenzgericht - hat durch Beschluss vom 24. Oktober 2002
festgestellt, dass der Schuldenbereinigungsplan angenommen wurde und damit
die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie auf Erteilung von
Restschuldbefreiung als zurückgenommen gelten.
Mit Rücksicht auf Unterhaltsansprüche ihres arbeitslos gewordenen
Ehemannes meint die Klägerin, abweichend von der bislang geübten Zahlungs-
praxis nur noch entsprechend geminderte Arbeitseinkünfte an die Beklagte, die
aus dem Schuldenbereinigungsplan keinen Pfändungs- und Überweisungsbe-
schluss erwirkt hat, abführen zu müssen. Auf Antrag der Beklagten hat das
Amtsgericht - Insolvenzgericht - durch Beschluss vom 16. April 2004 angeord-
net, dass der Ehemann der Klägerin bei der Bemessung ihres pfändbaren Ein-
kommens vollständig unberücksichtigt bleibt. Die von der Klägerin gegen diesen
Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht wegen Frist-
versäumung als unzulässig verworfen.
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Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin - soweit für das Revisions-
verfahren noch von Bedeutung - die Feststellung, dass ihr Ehemann bei der
Bemessung des pfändbaren Teils ihres Arbeitseinkommens für das Jahr 2004
in vollem Umfang als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt wird. Das
Amtsgericht hat die Klage wegen der einfacheren prozessualen Möglichkeit ei-
ner Anrufung des Vollstreckungsgerichts mangels eines Feststellungsinteresses
als unzulässig abgewiesen. Für einen solchen nach Zustellung des klageabwei-
senden Urteils von der Klägerin erhobenen, auf § 850g ZPO gestützten Antrag
hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - in einer Zwischenverfügung seine
Zuständigkeit verneint. Das Landgericht hat der von dem Amtsgericht abgewie-
senen Klage auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Mit ihrer von dem
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Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung
des Urteils des Amtsgerichts.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Da die Klägerin in der Revisions-
verhandlung nicht vertreten war, ist über die Revision der Beklagten antrags-
gemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entschei-
dung allerdings nicht auf der Säumnis, sondern auf der Berücksichtigung des
gesamten Sach- und Streitstands, soweit er in der Revisionsinstanz angefallen
ist (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f).
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I.
Das Landgericht hat ausgeführt: Das notwendige Feststellungsinteresse
sei gegeben, weil die Klägerin ihr Rechtsschutzziel nicht auf einfacherem Wege
verwirklichen könne. Da es an einem Pfändungsbeschluss fehle und mithin eine
Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nicht gegeben sei, könne die Klägerin
ihr Begehren nicht mit Hilfe eines Antrags nach § 850g ZPO verfolgen. Ebenso
scheide eine Entscheidung des Insolvenzgerichts auf der Grundlage des § 36
InsO aus, weil nach Annahme des Schuldenbereinigungsplans der Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung der Restschuldbefreiung
als zurückgenommen gelte und folglich das Insolvenzverfahren beendet sei.
Dürfe das Insolvenzgericht nach dem Willen des Gesetzes nur während eines
laufenden Insolvenzverfahrens tätig werden, sei mangels einer planwidrigen
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Regelungslücke auch für eine analoge Anwendung des § 36 InsO kein Raum.
Aus der früheren Befassung des (unzuständigen) Insolvenzgerichts könne sei-
ne Zuständigkeit für das vorliegende Verfahren nicht hergeleitet werden, weil es
andernfalls zu einer "Perpetuierung der Unzuständigkeit" komme. Der rechts-
kräftige Beschluss des Insolvenzgerichts stehe der Feststellungsklage nicht
entgegen. Der grundsätzlich auf Dauerwirkung angelegte Beschluss gelte nur
so lange, bis aufgrund einer - im Streitfall anzunehmenden - Änderung der Le-
bensverhältnisse eine Modifizierung vorzunehmen sei. Der Feststellungsantrag
sei gemäß §§ 850g, 850c Abs. 4 ZPO in der Sache begründet, weil die Klägerin
substantiiert dargelegt habe, dass sich die Lebensverhältnisse der
Ehegatten während des Jahres 2004 wegen einer Erkrankung des Ehemannes
und des Verlustes seines Arbeitsplatzes wesentlich geändert hätten.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht Stand. Die Klage ist
mangels eines Feststellungsinteresses (§ 256 Abs. 1 ZPO) als unzulässig ab-
zuweisen.
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1. Die durch den Einzelrichter wegen Grundsätzlichkeit zugelassene Re-
vision führt - im Unterschied zu einer Zulassung der Rechtsbeschwerde - nicht
schon wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung (BGHZ 158, 74, 75 f; BGH, Urt. v. 10. November
2005 - III ZR 104/05, NJW 2006, 150 f m.w.N.).
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2. Allerdings kann der Auffassung der Revision nicht gefolgt werden, es
fehle an einem Feststellungsinteresse, weil die Klägerin ihr Rechtsschutz-
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begehren mit Hilfe einer Abänderungsklage (§ 323 Abs. 4, § 794 Abs. 1 Nr. 1
ZPO, § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO) durchsetzen könne.
a) Der Schuldenbereinigungsplan hat gemäß § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO
die Wirkung eines Prozessvergleichs im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Es
wird kontrovers beurteilt, ob eine nachträglich eingetretene wesentliche Ände-
rung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners eine Anpassung des
Schuldenbereinigungsplans rechtfertigt. Die Einführung einer gesetzlichen Be-
stimmung, die in derartigen Fällen eine Modifizierung gestattet, ist im Gesetz-
gebungsverfahren erwogen, aber wegen der Befürchtung einer übermäßigen
Belastung der Gerichte nicht verwirklicht worden (BT-Drucks. 12/7302 S. 193).
Diese gesetzgeberische Entscheidung wird nur vereinzelt dahin gedeutet, dass
eine nachträgliche Änderung des Schuldenbereinigungsplans generell ausge-
schlossen ist (OLG Karlsruhe ZInsO 2001, 913 f; Römermann in Nerlich/Rö-
mermann, InsO § 308 Rn. 18 ff, 21; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl. § 308
Rn. 5). Überwiegend wird eine solche Anpassung für zulässig erachtet, wobei
teils eine Anwendung des § 323 Abs. 4 ZPO (HK-InsO/Landfermann, 4. Aufl.
§ 308 Rn. 9; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 308 Rn. 6 b; Braun/Buck, InsO
3. Aufl. § 308 Rn. 11; Vallender DGVZ 1997, 97, 101), teils ein Rückgriff auf die
Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB; FK-InsO/
Kothe, 4. Aufl. § 308 Rn. 23) befürwortet wird.
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b) In vorliegender Sache kann mangels einer Änderung der Einkom-
mensverhältnisse der Schuldnerin und eines darauf beruhenden nachträglichen
Anpassungsbedarfs dahinstehen, welcher dieser Auffassungen zu folgen ist. Da
die Abtretung nach dem Inhalt des Schuldenbereinigungsplans die "pfändbaren
Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis" erfasst, liegt ein flexibler
Zahlungsplan vor, der die Verteilung des unter Berücksichtigung etwaiger Un-
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terhaltspflichten jeweils gemäß §
850c ZPO pfändbaren
Arbeitseinkommens an die Gläubiger gestattet (FK-InsO/Grote, aaO § 305
Rn. 28a; Gottwald/Schmidt-Räntsch, Insolvenzrechtshandbuch 3. Aufl. § 83
Rn. 18). Diese Klausel setzt den Schuldner während der gesamten Dauer der
Abtretung seiner Dienstbezüge in den Stand, seine Unterhaltsgläubiger, denen
der Gesetzgeber Vorrang beimißt (BT-Drucks. 12/7302 S. 191), aus dem un-
pfändbaren Teil seiner Bezüge zu befriedigen (HK-InsO/Landfermann, aaO
§ 305 Rn. 44). Mithin ist eine Anpassung des Schuldenbereinigungsplans nicht
veranlasst.
3. Die Klage auf Feststellung, dass der Ehemann der Klägerin als Unter-
haltsgläubiger zu berücksichtigen ist, entbehrt des notwendigen rechtlichen In-
teresses (§ 256 Abs. 1 ZPO), weil die Klägerin diesen Streitpunkt gemäß § 36
Abs. 4 Satz 1 und 3 InsO ausschließlich einer Entscheidung des Insolvenzge-
richts zuführen kann.
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a) Ein Feststellungsinteresse ist nicht gegeben, wenn dem Kläger ein im
Vergleich zu einer Feststellungsklage einfacherer, schnellerer und kostengüns-
tigerer Weg mit einem im Wesentlichen gleichwertigen Verfahrensergebnis zur
Verfolgung seines prozessualen Ziels offen steht (BGHZ 109, 275, 280;
MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. § 256 Rn. 57). Vollstreckungs-
rechtlichen Rechtsbehelfen gebührt darum der Vorrang, wenn der Streit der
Parteien nur für die Art und Weise und die Reichweite der Vollstreckung von
Bedeutung ist (BGHZ 36, 11, 17). Ein Feststellungsinteresse scheidet insbe-
sondere aus, wenn die Rechtskraft einer Entscheidung nicht über die konkrete
Vollstreckungsmaßnahme hinauswirken würde (vgl. BGHZ 109, 275, 281). In
diesem Fall verdient das auf raschen Zugriff, nicht auf Verhandlung angelegte
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Vollstreckungsverfahren (BGHZ 152, 166, 171) gegenüber dem Erkenntnisver-
fahren den Vorzug.
b) Der pfändbare Anteil des Arbeitseinkommens, in das mittels eines
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vollstreckt werden kann, ist nach
Maßgabe des § 850c ZPO zu berechnen. Ändern sich die Unpfändbarkeitsvor-
aussetzungen, weil etwa ein Unterhaltsberechtigter hinzu kommt oder wegfällt,
hat das Vollstreckungsgericht gemäß § 850g ZPO den Pfändungsbeschluss auf
Antrag des Schuldners oder des Gläubigers entsprechend abzuändern. Handelt
es sich um einen Blankettbeschluss, der dem Drittschuldner die Ermittlung des
konkreten pfändbaren Arbeitseinkommens auferlegt, kann das Vollstreckungs-
gericht auf Antrag eines Beteiligten eine Feststellung über die unterhaltsberech-
tigten Angehörigen analog § 850c Abs. 4 ZPO mit Hilfe eines klarstellenden Be-
schlusses treffen (BGH, Beschl. v. 24. Januar 2006 - VII ZB 93/05, NJW 2006,
777; Musielak/Becker, ZPO 5. Aufl. § 850c Rn. 9; Zöller/Stöber, ZPO 26. Aufl.
§ 850c Rn. 9). In beiden Fällen nimmt das Vollstreckungsgericht originär voll-
streckungsrechtliche Aufgaben wahr (vgl. BGHZ 36, 11, 17) und hat im Unter-
schied zu einer Interpretation des der Vollstreckung zugrunde liegenden Titels
in keine materielle Prüfung (vgl. BGHZ 152, 166, 170 f) einzutreten. Die von
dem Vollstreckungsgericht zu treffende Entscheidung ist einem Feststellungsur-
teil, das ebenfalls in Anwendung der im Erkenntnisverfahren einen Fremdkörper
bildenden §§ 850g, 850c ZPO erginge, gleichwertig. Insbesondere wäre das
Feststellungsurteil nicht geeignet, für die Berücksichtigungsfähigkeit von Unter-
haltsgläubigern, die sich nach dem jeweiligen Zeitpunkt der Vollstreckungs-
maßnahme bestimmt, eine dauerhafte Klärung herbeizuführen (vgl. BGHZ 109,
275, 281). Vielmehr müßte - folgte man der Auffassung des Berufungsgerichts -
bei jeder Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ein aufwendiger neuer
Rechtsstreit eingeleitet werden.
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c) Da der die Grundlage der Vollstreckung bildende Schuldenbereini-
gungsplan im Insolvenzverfahren geschaffen wurde, hat das Insolvenzgericht in
mindestens entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 4 Satz 1 und 3 InsO
gemäß § 850g ZPO über die Berücksichtigung von Unterhaltsgläubigern zu ent-
scheiden.
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aa) Die Zuständigkeit für die nach § 850g ZPO zu treffenden Entschei-
dungen obliegt während eines Insolvenzverfahrens anstelle des Vollstre-
ckungsgerichts gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 und 3 InsO dem Insolvenzgericht als
besonderem Vollstreckungsgericht (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 - IX ZB
97/03, WM 2004, 834 f). Mit dieser Zuständigkeitszuweisung trägt der Gesetz-
geber der besonderen Sachnähe des Insolvenzgerichts Rechnung (BGH,
Beschl. v. 27. September 2007 - IX ZB 16/06, ZIP 2007, 2330).
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bb) Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ist entgegen der Auffassung
des Landgerichts und der Parteien vorliegend nicht deshalb entfallen, weil der
Insolvenzantrag mit der Annahme des Schuldenbereinigungsplans gemäß
§ 308 Abs. 2 InsO als zurückgenommen gilt. Die gesetzlich fingierte Rücknah-
me berührt nicht die Wirksamkeit der zuvor durch die Antragstellung ausgelös-
ten Rechtsfolgen. Die mit der Antragstellung verbundene Vorlage des Schul-
denbereinigungsplans (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO) schafft in Verbindung mit der
Zustimmung der Gläubiger und der Feststellung des Plans durch gerichtlichen
Beschluss (§ 308 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO) einen die betreffenden Forderun-
gen materiell-rechtlich umgestaltenden (HK-InsO/Landfermann, aaO § 308
Rn. 7) vollstreckbaren Prozessvergleich im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Den vollstreckbaren Titel bildet der gerichtliche Feststellungsbeschluss in Ver-
bindung mit einem Auszug aus dem Schuldenbereinigungsplan (BT-Drucks.
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12/7302 S. 192; HK-InsO/Landfermann aaO § 308 Rn. 8; Braun/Buck aaO
§ 308 Rn. 6).
cc) Dieser durch den Eröffnungsantrag im Insolvenzverfahren geschaffe-
ne Titel bleibt auch nach der Antragsrücknahme bestimmungsgemäß bestehen.
Da der Vergleich auf einer Entscheidung des Insolvenzgerichts beruht, er-
scheint es allein angemessen, an der durch § 36 Abs. 4 Satz 1 und 3 InsO für
Vollstreckungsentscheidungen begründeten Zuständigkeit des Insolvenzge-
richts festzuhalten, zumal die Zuständigkeitszuweisung keinen abschließenden
Charakter hat (BGH, Beschl. v. 21. September 2006 - IX ZB 11/04, WM 2006,
2090 f Tz. 8). Denn die Antragsrücknahme ändert nichts daran, dass der Pro-
zessvergleich seine Grundlage in dem Insolvenzeröffnungsverfahren findet und
bereits in diesem Stadium nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers
(BT-Drucks. 14/6468 S. 17) die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts eingreift
(§ 36 Abs. 1 Satz 3 InsO). Da der Gesetzgeber zudem einer mit eigenständigen
zusätzlichen Rechtsbehelfen verbundenen Belastung der Gerichte entgegen-
zuwirken suchte (BT-Drucks. 12/7302 S. 193), erscheint es vorzugswürdig, die
dem Insolvenzgericht durch § 36 Abs. 4 InsO in Streitigkeiten über die Reich-
weite von Pfändungsschutzvorschriften zugewiesene Entscheidungskompetenz
zur Vermeidung streitiger Erkenntnisverfahren nutzbar zu machen.
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dd) Davon abgesehen bildet ein eröffnetes und noch nicht beendetes
Insolvenzverfahren keine Voraussetzung für die Zuständigkeit des Insolvenzge-
richts. Seine Zuständigkeit ist vielmehr gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO auch
nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegeben. Die Abtretung der pfändba-
ren Dienstbezüge des Schuldners kann auch Voraussetzung für die Erteilung
der Restschuldbefreiung sein (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Hat das Insolvenzge-
richt nach Abhaltung des Schlusstermins das Insolvenzverfahren aufgehoben
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und somit in die Wohlverhaltensperiode übergeleitet, so bleibt es, wenn sich
nachfolgend etwas ändert, für die Neufestsetzung der pfändbaren Bezüge zu-
ständig.
ee) Da Arbeitseinkommen ohne weiteres vom Insolvenzbeschlag erfasst
wird, hängt die durch § 36 Abs. 4 Satz 1 und 3 InsO begründete Zuständigkeit
des Insolvenzgerichts nicht vom Erlass einer Vollstreckungsmaßnahme ab.
Damit trägt die Zuständigkeitsregelung insbesondere auch Konstellationen
Rechnung, in denen - wie im Streitfall - ein Pfändungs- und Überweisungsbe-
schluss aus dem Schuldenbereinigungsplan nicht erwirkt wurde und darum eine
Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nicht gegeben wäre. Da ein Insol-
venzverwalter nicht bestellt wurde, wird in Gestaltungen der vorliegenden Art
das Antragsrecht des Gläubigers nicht durch § 36 Abs. 4 Satz 2 InsO ausge-
schlossen. Bei dieser Sachlage entbehrt die Feststellungsklage der Klägerin
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eines Feststellungsinteresses; über ihr Begehren hat vielmehr das funktionell
zuständige Insolvenzgericht zu entscheiden.
Fischer Ganter Raebel
Kayser
Gehrlein
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 10.01.2006 - 30 C 1841/04-71 -
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 16.10.2006 - 2/24 S 31/06 -