Urteil des BGH vom 19.12.2002

Selbstauftrag Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 2/03
Verkündet am:
6. Mai 2004
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
Selbstauftrag
BGB § 683, UWG §§ 1, 3, 13 Abs. 6
Ein Rechtsanwalt kann die Gebühren aus einem sich selbst erteilten Mandat
zur Abmahnung aufgrund eigener wettbewerbsrechtlicher Ansprüche nicht nach
den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder als Schaden
ersetzt verlangen, wenn es sich um einen unschwer zu erkennenden Wettbe-
werbsverstoß handelt (hier: Verstoß gegen die Berufsordnung für Rechtsanwäl-
te).
BGH, Urt. v. 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - LG Magdeburg
AG Magdeburg
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
dem bis zum 10. März 2004 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg,
Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts
Magdeburg vom 19. Dezember 2002 wird auf Kosten der Kläger zu-
rückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger sind Rechtsanwälte. Die Beklagte zu 4 war Rechtsanwältin in
einer Anwaltssozietät, in der auch die Beklagten zu 1 bis 3 tätig waren. Da der
Briefkopf der Beklagten für die Beklagte zu 4 fünf Tätigkeitsschwerpunkte ent-
hielt, obwohl § 7 Abs. 1 Satz 1 BORA vorschreibt, daß ein Rechtsanwalt nur
drei Tätigkeitsschwerpunkte als Teilbereiche seiner Berufstätigkeit angeben
darf, mahnten die Kläger die Beklagten wegen dieses Verstoßes ab. Die Be-
klagte zu 4 gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
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Mit der Klage verlangen die in eigener Sache tätig gewordenen Kläger als
Abmahnkosten die Erstattung ihrer Anwaltsgebühren in Höhe von 640,14 €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, die dagegen gerichtete Beru-
fung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagten
beantragen, verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Erstattungsan-
spruch der Gebühren aus der Selbstbeauftragung der Kläger bestehe nicht, da
die Beauftragung eines Rechtsanwalts für die von den Klägern vorgenommene
Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei. Zwar werde bei einem Wettbe-
werbsverstoß die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts und damit
die Erstattungsfähigkeit der dadurch veranlaßten Kosten regelmäßig bejaht.
Dies gelte aber nicht, wenn der Abmahnende aufgrund eigener Erfahrung zu
einer derartigen Abmahnung selbst imstande sei. Eine solche hinreichende ei-
gene Kenntnis könne bei einem Rechtsanwalt bezüglich eines Wettbewerbs-
verstoßes durch werbende Angaben entgegen der eigenen Berufsordnung an-
genommen werden. Daran scheitere ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne
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Auftrag als auch aus Schadensminderungsgesichtspunkten ein möglicher
Schadensersatzanspruch.
II. Das Berufungsgericht hat den Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten
für die Abmahnung in eigener Sache wegen eines Verstoßes gegen die anwalt-
liche Berufsordnung zu Recht verneint.
1. a) Aufwendungen für eine Abmahnung sind unter dem Gesichtspunkt
einer Geschäftsführung ohne Auftrag von dem Verletzer nur zu erstatten, wenn
sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Das gilt auch
hinsichtlich der Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts (BGHZ 52,
393, 399 f. - Fotowettbewerb). Auszugehen ist dabei von dem mutmaßlichen
Willen (§ 683 BGB) des Abgemahnten, die Aufwendungen für eine Abmahnung
möglichst niedrig zu halten (BGHZ 52, 393, 400 - Fotowettbewerb; BGH, Urt. v.
12.4.1984 - I ZR 45/82, GRUR 1984, 691, 692 = WRP 1984, 405 - Anwaltsab-
mahnung).
b) Entsprechende Erwägungen sind für die Entscheidung der Frage maß-
geblich, ob die Gebühren des abmahnenden Rechtsanwalts als eigener Scha-
den (§§ 1, 3, 13 Abs. 6 UWG) zu erstatten sind. Die Feststellung, daß die Ein-
schaltung eines Rechtsanwalts zur Verfolgung des Rechtsverstoßes nicht als
notwendig anzusehen ist und deshalb auch nicht dem mutmaßlichen Willen des
Geschäftsherrn i.S. des § 683 BGB, hier des abgemahnten Verletzers, ent-
spricht, steht zwar nicht von vornherein der Beurteilung entgegen, ob die ent-
standenen Kosten ein aus der Verletzungshandlung herrührender adäquater
Schaden sind (OLG Karlsruhe WRP 1996, 591, 593; Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 552; a.A. Teplitzky, Wettbewerbs-
rechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 41 Rdn. 82 m.w.N.). Aber
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auch unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten ist danach zu fragen,
ob die eingesetzte Maßnahme - hier die Selbstbeauftragung - aus der Sicht des
Geschädigten zur Schadensbeseitigung erforderlich war (BGHZ 127, 348, 352).
Auch wenn es sich um ein - hier zu unterstellendes - die Kläger schädigendes
schuldhaftes wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten handelte, muß doch
die Einschaltung eines Rechtsanwalts von der Sache her erforderlich sein. Al-
lein die zeitliche Inanspruchnahme des Geschädigten durch die Schadensbear-
beitung kann nicht ausreichen, um die Erstattungsfähigkeit der Kosten aus der
Beauftragung des Rechtsanwalts zu begründen (BGHZ 127, 348, 352). Es ist
vielmehr jeweils zu prüfen, ob der Geschädigte im einzelnen Schadensfall die
Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte, was in einfach
gelagerten Fällen in der Regel zu verneinen sein wird (BGHZ 127, 348, 352).
2. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines Versto-
ßes gegen das Wettbewerbsrecht ist dann nicht notwendig, wenn der Abmah-
nende selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentspre-
chenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Wettbewerbsver-
stoßes verfügt.
Schon bei Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung oder bei Ver-
bänden zur Förderung gewerblicher Interessen, die in der Lage sind, typische
und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße ohne anwalt-
lichen Rat zu erkennen, sieht die Rechtsprechung die Beauftragung eines
Rechtsanwalts mit der Abmahnung eines solchen Verstoßes als nicht erforder-
lich an. Die Erstattung der für eine Abmahnung gegebenenfalls aufgewendeten
Anwaltsgebühren kann dann nicht verlangt werden (st. Rspr., BGH GRUR
1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung, m. Anm. Jacobs; Beschl. v. 18.12.2003
- I ZB 18/03, WRP 2004, 495, 496 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV, m.w.N.).
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Erst recht muß ein Rechtsanwalt im Fall der eigenen Betroffenheit seine
Sachkunde bei der Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes einsetzen. Die
Zuziehung eines weiteren Rechtsanwaltes ist bei typischen, unschwer zu ver-
folgenden Wettbewerbsverstößen nicht notwendig. Es besteht dann kein An-
spruch auf Erstattung dafür anfallender Kosten. Entsprechendes gilt für den Fall
der Selbstbeauftragung.
Daran gemessen hat das Berufungsgericht den Klägern zu Recht einen
Erstattungsanspruch versagt. Der Anwendungsbereich der Berufsordnung für
Rechtsanwälte gehört typischerweise zur Sachkunde des abmahnenden
Rechtsanwalts und wirft entgegen der Meinung der Revision keine schwierigen
Rechtsfragen auf, auch soweit in diesem Zusammenhang Verfassungsrecht
erwogen wird.
3. Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO, wonach ein Rechtsanwalt,
der sich selbst vor einem Prozeßgericht vertritt, einen Anspruch auf Kostener-
stattung wie ein bevollmächtigter Rechtsanwalt hat, kann als Sonderregelung
für das gerichtliche Verfahren auf die außergerichtliche Abmahnung keine An-
wendung finden (BGH, Beschl. v. 17.10.2002 - AnwZ (B) 37/00, JurBüro 2003,
207 für den Fall der Selbstvertretung im berufsrechtlichen Verfahren; ebenso:
BFHE 108, 574, 575 f. = NJW 1973, 1720 und BFHE 104, 306, 307 ff. für das
außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren).
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III. Danach ist die Revision der Kläger zurückzuweisen. Die Kostenent-
scheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann
v. Ungern-Sternberg
Bornkamm
Pokrant
Schaffert