Urteil des BGH vom 01.02.2007

Leitsatzentscheidung

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
§§ 370, 373, 374 AO
Art. 40 Zollkodex; §§ 19, 21 TabStG
1. Wird
einfuhrabgabenpflichtige
Ware („Schmuggelware“) mit
einem Fahrzeug unter Umgehung der Grenzzollstellen und
ohne Gestellung gemäß Art. 40 Zollkodex in das Zollgebiet
der Europäischen Gemeinschaft eingeführt, ist Verbringer
im Sinne der Art.
38, 40 Zollkodex und damit Täter einer
Steuerhinterziehung durch Unterlassen
(§ 370
Abs. 1
Nr. 2
AO) auch derjenige, der als Organisator des Transports
kraft seiner Weisungsbefugnis die Herrschaft über das
Fahrzeug hat.
2.
Werden aus einem Drittland stammende unverzollte und
unversteuerte Zigaretten aus dem freien Verkehr eines
anderen Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften
in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland
verbracht, ist der Verbringer gemäß §
19 Satz 3 TabStG
verpflichtet, über die Zigaretten unverzüglich eine
Steuererklärung abzugeben. Der Verstoß gegen diese
Pflicht ist als Steuerhinterziehung durch Unterlassen
strafbar. Die für Zölle geltenden Vorschriften (vgl. §
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TabStG) sind auch dann nicht anzuwenden, wenn sich die
Zigaretten zu keinem Zeitpunkt legal in dem anderen
Mitgliedstaat befunden haben.
BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 372/06
LG Bielefeld –
5 StR 372/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 1. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Februar 2007
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten H. und K.
wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom
16. März 2006 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass
aa) der Angeklagte H. und der Mitangeklagte
V. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in
vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur
Steuerhinterziehung, und
bb) die Angeklagte K. der Beihilfe zur Steuerheh-
lerei in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihil-
fe zur Steuerhinterziehung,
schuldig sind, sowie
b) auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 354
Abs. 1a Satz 2 StPO in den Gesamtstrafaussprüchen
– unter Teilabänderung der Einzelstrafen nach Maß-
gabe der Beschlussgründe – dahin geändert, dass
aa) der Angeklagte H. zu einer Gesamtfreiheits-
strafe von drei Jahren,
bb) der Mitangeklagte V. zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten
und
- 3 -
cc) die Angeklagte K. zu einer Gesamtfreiheits-
strafe von einem Jahr und drei Monaten unter
Strafaussetzung zur Bewährung
verurteilt
sind.
2. Die weitergehenden Revisionen werden gemäß § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Revisionen, je-
doch wird die Gebühr jeweils um ein Viertel ermäßigt.
Jeweils ein Viertel der im Revisionsverfahren entstande-
nen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen
der Angeklagten trägt die Staatskasse.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten H. und den nicht revidie-
renden Mitangeklagten V. jeweils wegen gewerbs- und bandenmäßigen
Schmuggels in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
sechs Monaten bzw. von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen
die Angeklagte K. hat es wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Schmug-
gel in vier Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Mona-
ten verhängt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Die Revisionen der Angeklagten führen zur Änderung der Schuldsprüche, die
eine Neufestsetzung eines Teils der Einzelstrafen und der Gesamtstrafen
bedingt. Der Senat setzt, den Anträgen des Generalbundesanwalts folgend,
die Einsatzstrafen (Fall II. 3 der Urteilsgründe) und die Gesamtfreiheitsstra-
fen, bei der Angeklagten K. auch die weiteren Einzelstrafen angemes-
sen herab. Gemäß § 357 StPO ist in gleicher Weise zugunsten des Mitange-
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klagten V. bezüglich der Einsatz- und der Gesamtstrafe zu verfahren. Im
Übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich der Ange-
klagte H. und der Mitangeklagte V. im Frühjahr 2004 mit unbekannt
gebliebenen Hinterleuten zusammen, um aus der Ukraine nach Ungarn ver-
brachte unversteuerte und unverzollte Zigaretten über Deutschland nach
England zu transportieren. Dabei bestand die Hauptaufgabe von H. und
V. darin, den gesondert verfolgten, in der Nähe von Osnabrück ansässi-
gen Spediteur Ku. in die einzelnen Zigarettentransporte einzuweisen,
ihn zu überwachen, für seine Entlohnung zu sorgen und dabei den Kontakt
zu den Hinterleuten zu halten. Dafür war den Angeklagten H. und V.
jeweils ein Anteil von fünf Prozent aus dem Gewinn des Zigarettenver-
kaufs auf dem englischen Schwarzmarkt zugesagt worden. Die Gespräche
mit Ku. wurden in allen Fällen von der Angeklagten K. übersetzt.
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1. Im Juni 2004 (Fall II. 1 der Urteilsgründe) ließen die Hinterleute in
Absprache mit den Angeklagten 900.000 Zigaretten von Ungarn in ein Lager
Ku. nach Melle bringen, wo sie vom Mitangeklagten V. abgeladen
und mehrere Wochen später von ihm und H. zusammen mit der Tarn-
ladung auf einen Lkw Ku. s aufgeladen wurden. Ku. lieferte an-
schließend im Juli 2004 die Zigarettenladung an einen Abnehmer in England.
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2. Ende Juli 2004 (Fall II. 2 der Urteilsgründe) fuhren der Mitangeklag-
te V. und Ku. in Absprache mit den anderen Angeklagten mit ei-
nem Lkw des Spediteurs nach Ungarn, wo Ku. gegen einen anderen
Fahrer ausgetauscht wurde. V. musste sich vor der Fahrt zum Zigaretten-
lager die Augen verbinden lassen. Anschließend half er beim Aufladen von
1.610.800 Zigaretten und von Tarnware. Am 28. Juli 2004 fuhr Ku.
seinen Lkw mit der Zigarettenladung von Ungarn über Deutschland nach
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Birmingham, wo das Fahrzeug nebst Zigaretten von den englischen Behör-
den sichergestellt wurde.
3. Im August 2004 (Fall II. 3 der Urteilsgründe) mieteten die drei An-
geklagten mit dem Geld der Hinterleute für einen weiteren Zigarettentrans-
port einen Lkw, der von Ku. nach Ungarn gefahren und dort mit
1.600.000 Zigaretten beladen wurde. Ku. lieferte diese Zigarettenla-
dung an einen Abnehmer in England aus.
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4. Im November 2004 (Fall II. 4 der Urteilsgründe) ließen die Hinterleu-
te in Absprache mit den drei Angeklagten 2.500.000 Zigaretten über Wien in
die Werkstatt Ku. s in Bünde bringen, wo V. bereits Servietten als
Tarnware auf einen Lkw Ku. s aufgeladen hatte. Die auf dieses Fahr-
zeug umgeladenen Zigaretten wurden auf der Fahrt nach England in den
Niederlanden beschlagnahmt.
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Insgesamt wurden nach den Berechnungen des Landgerichts Einfuhr-
abgaben und Verbrauchsteuern in Höhe von fast 1,1 Mio. Euro hinterzogen.
II.
Die – im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründete –
Revision des Angeklagten H. hat teilweise Erfolg.
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1. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen gewerbs-
und bandenmäßigen Schmuggels nicht. Da sie jedoch eine Verurteilung we-
gen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit
Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtfertigen, stellt der Senat den Schuld-
spruch entsprechend um. Er schließt aus, dass sich der geständige Ange-
klagte H. bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Ge-
sichtspunkts (§ 265 Abs. 1 StPO) anders als geschehen hätte verteidigen
können.
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a) Die Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels
(§ 373 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AO) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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aa) Aufgrund des festgestellten Transportwegs der Zigarettenladun-
gen von der Ukraine über Ungarn nach Deutschland steht fest, dass in allen
vier Fällen lediglich solche Einfuhrabgaben hinterzogen wurden, die nicht von
der Vorschrift des § 373 AO erfasst werden.
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Der Begriff der Einfuhrabgaben im Sinne der §§ 373, 370 Abs. 1 AO
setzt einen Einfuhrvorgang voraus. Nach den Vorgaben des Art. 4 Nr. 10
Zollkodex (ZK), Art. 7 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie Nr. 77/388/EWG zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatz-
steuern vom 17. Mai 1977 (ABl. EG Nr. L 145/1 – „Mehrwertsteuerrichtlinie“)
und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates vom 25. Febru-
ar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die
Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG Nr. L 76/1 – „System-
richtlinie“) sowie der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 3 ZollVG ist die Einfuhr
das unmittelbare Verbringen der Ware aus dem Drittlandsgebiet in das Ge-
biet der Europäischen Gemeinschaft, nicht jedoch das Verbringen der Ware
(außerhalb eines gemeinschaftlichen Zollverfahrens) von einem Mitgliedstaat
in den anderen.
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Vom Tatbestand des § 373 AO sind – im Gegensatz zu § 370 Abs. 6
Satz 1 und § 374 Abs. 2 AO – Einfuhrabgaben, die von einem anderen Mit-
gliedstaat der Europäischen Gemeinschaften verwaltet werden, nicht erfasst.
Daher sind Einfuhrabgaben im Sinne des § 373 AO lediglich die Zölle, die
von Deutschland für die Europäische Gemeinschaft (EG) verwaltet werden
(BGH wistra 1987, 293; Voß in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht,
6. Aufl. § 373 AO Rdn. 6a; Kohlmann, Steuerstrafrecht 31. Lfg. Juni 2003
§ 373 AO Rdn. 10.2; Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO 128. Lfg.
November 1989 § 373 Rdn. 22; Bender wistra 2001, 161, 166; a. A. OLG
Karlsruhe wistra 2001, 229, 231), sowie deutsche Einfuhrumsatz- und Ta-
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- 7 -
baksteuer, die über die Verweisungsvorschriften der § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 21
Abs. 2 UStG und § 21 Satz 1 TabStG anlässlich eines Einfuhrvorgangs er-
hoben werden, also bei unmittelbarer Einfuhr der Zigaretten von einem Dritt-
land in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entstehen (Voß aaO
Rdn. 6; Engelhardt aaO Rdn. 20; Kohlmann aaO Rdn. 10).
Solche Einfuhrabgaben wurden von dem Angeklagten nicht verkürzt,
denn die Zölle sind hier bereits bei dem vorschriftswidrigen Verbringen der
Zigaretten nach Ungarn gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2, Art. 40,
38 ZK i.V.m. Art. 215 Abs. 1 erster Spiegelstrich ZK entstanden und vom
Mitgliedstaat Ungarn für die Europäische Gemeinschaft zu verwalten (vgl.
Art. 215 Abs. 3 ZK). Die Zollschuld entsteht nur bei erstmaliger Einfuhr in das
Zollgebiet der Gemeinschaft und fällt damit bei dem Transport nach Deutsch-
land nicht erneut an (BGH wistra 2005, 461, 463 m.w.N.). Die Vorschriften
§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 21 Abs. 2 UStG finden hier keine Anwendung, weil die
Zigaretten nicht unmittelbar vom Drittland nach Deutschland verbracht wur-
den und sich auch nicht in einem Zollverfahren befanden (vgl. dazu BFH
DStRE 2007, 39, 40). Gleiches gilt für die Vorschrift § 21 Satz 1 TabStG, die
ebenfalls eine unmittelbare Einfuhr aus einem Drittland voraussetzt. Hinge-
gen betrifft die hier anzuwendende Vorschrift des § 19 TabStG nicht die Ein-
fuhr von Tabakwaren aus Drittländern (BFH ZfZ 2006, 288, 291 f.).
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bb) Der Angeklagte H. war auch nicht Mittäter des von Hinterleu-
ten organisierten „Einschmuggelns“ der Zigaretten nach Ungarn. Diese Vor-
taten waren bereits mit dem Abladen der aus der Ukraine angelieferten Ziga-
retten in Lagerhallen in Ungarn beendet.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Steu-
erhinterziehung bzw. der Schmuggel (als unselbständige Qualifikation der
Steuerhinterziehung) beendet, wenn das geschmuggelte Gut in Sicherheit
gebracht und „zur Ruhe gekommen“ ist (BGH wistra 2000, 425; BGHSt 3, 40,
44). Wann dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen des
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Einzelfalls ab. Maßgeblich für die Beendigung des Schmuggels ist, ob die
Schmuggelware die gefährliche Phase des Grenzübergangs passiert und der
Schmuggler sein Unternehmen erfolgreich abgeschlossen hat (BGHSt 3, 40,
44 f.). In der Regel wird der Schmuggel daher erst dann beendet sein, wenn
das Schmuggelgut seinen Bestimmungsort erreicht hat (vgl. BGH
wistra
2000, 425). Wird die Ware auf dem Weg dorthin in einem
Zwischenlager umgeladen, ist sie noch nicht „zur Ruhe gekommen”. Anders
sind jedoch die Fälle zu beurteilen, in denen das Schmuggelgut an einem Ort
geraume Zeit lagert und seine Weiterbeförderung von weiteren Entscheidun-
gen abhängt, so dass sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalls das
Zwischenlagern nicht mehr als ein bloßes Umladen darstellt.
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An diesen Kriterien gemessen war der „Schmuggel” der Zigaretten in
das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft bereits mit der Entladung des
Transportfahrzeugs in Ungarn beendet. Ein Zugriff der ungarischen
Zollbehörden im Zusammenhang mit dem Grenzübertritt drohte ersichtlich
nicht mehr. Zudem belegen die Feststellungen in den Fällen II. 2 und II. 3 der
Urteilsgründe, dass die Zigaretten nach dem Abladen in Ungarn dort
geraume Zeit bis zur Übernahme durch den Spediteur Ku. gelagert
wurden. Die Hinterleute entschieden erst von Fall zu Fall über die
Einzelheiten des Weitertransports nach England über Deutschland und
bedienten sich unterschiedlicher Transporteure.
b) Ungeachtet der fehlerhaften rechtlichen Einordnung sind indes die
Urteilsfeststellungen rechtsfehlerfrei getroffen. Sie belegen, dass sich der
Angeklagte H. zumindest hinsichtlich der in Ungarn entstandenen und
verkürzten Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld in vier Fällen der gewerbs-
mäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1, Abs. 2 AO) schuldig gemacht hat.
Zudem hat er im Zusammenhang mit dem Transport der Zigaretten in das
Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland jeweils tateinheitlich Beihilfe
zur Verkürzung der in Deutschland entstandenen Tabaksteuer geleistet.
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aa) Hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Zigaretten sind bei
der Einfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft durch das
deutsche Strafrecht geschützte Einfuhrabgaben hinterzogen worden.
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(1) Der von den Hinterleuten organisierte Transport der Zigaretten von
der Ukraine nach Ungarn erfüllt den Tatbestand der Steuerhinterziehung
(§ 370 Abs. 1 AO). Dem steht nicht entgegen, dass der genaue Ablauf des
Verbringens in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft vom Landge-
richt nicht festgestellt worden ist.
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(a) Haben die Transporteure bei der Wareneinfuhr von der Ukraine in
die Europäische Gemeinschaft an einer ungarischen Zollstelle auf die unter
der Ladung versteckten oder durch besondere Vorrichtungen verheimlichten
Zigaretten nicht hingewiesen und damit nur Tarnware gestellt, ist die Einfuhr-
zollschuld wegen vorschriftswidrigen Verbringens der Zigaretten in das Zoll-
gebiet der Europäischen Gemeinschaft gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a,
Art. 40, 4 Nr. 19 ZK entstanden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften bewirkt auch eine im Zusammenhang mit
der Gestellung abgegebene unrichtige oder unvollständige Zollanmeldung,
dass die nicht angemeldeten Schmuggelwaren von der Gestellung nicht er-
fasst und damit vorschriftswidrig verbracht sind (EuGH ZfZ 2005, 192, 194,
Ziffer 31). Haben die Transporteure vorsätzlich hinsichtlich der nicht ange-
meldeten Zigaretten gehandelt, haben sie als Täter die beim Verbringen
nach Ungarn insoweit entstandenen und von § 370 Abs. 6 Satz 1 AO erfass-
ten Einfuhrabgaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 AO da-
durch hinterzogen, dass diese Abgaben infolge ihrer unrichtigen Anmeldung
nicht festgesetzt worden sind (Art. 217 ff., 221 ZK). Dies ist den Hinterleuten
als Mittätern aufgrund des gemeinsamen Tatplans und der arbeitsteiligen
Tatdurchführung gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. War den Transpor-
teuren dagegen nicht bekannt, dass sich unter der Ladung auch Zigaretten
befanden, haben die Hinterleute die Tat in mittelbarer Täterschaft begangen
(§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 2. Var. StGB).
21
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(b) Sind die Zigaretten ohne Gestellung (Art. 4 Nr. 19 ZK) unter Um-
gehung der Grenzzollstellen, d. h. über die sogenannte grüne Grenze von
der Ukraine nach Ungarn gebracht worden, hat dies gemäß Art. 202 Abs. 1
Buchstabe a, Art. 38 Abs. 1, Art. 40 ZK zur Entstehung der Einfuhrzollschuld
und – hieran anknüpfend – auch der weiteren Einfuhrabgaben geführt. We-
gen Verletzung der Pflicht zur Gestellung (Art. 40 ZK) der eingeführten Ziga-
retten bei der sich aus Art. 38 ZK ergebenden Zollstelle sind die Einfuhrab-
gaben nicht festgesetzt und damit im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4
Satz 1, Abs. 7 AO verkürzt worden. Die Fahrer der Transportfahrzeuge wer-
den in einem solchen Fall bereits deswegen als bösgläubig anzusehen sein,
weil sie Waren aus dem Drittlandsgebiet unter Umgehung der Zollstellen in
das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft eingeführt haben. Mit der äu-
ßerst fern liegenden, bloß theoretischen Möglichkeit, diese Personen könn-
ten trotz bewusster Umgehung der Zollstelle, bei der das Transportgut zu
gestellen gewesen wäre, ohne – zumindest bedingten – Tatvorsatz gehan-
delt haben, brauchte sich das Landgericht nicht auseinanderzusetzen.
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Bei der Einfuhr über die „grüne Grenze“ haben sich auch diejenigen
(nicht im Fahrzeug befindlichen) Hinterleute, die Sachherrschaft über die Zi-
garettenladungen hatten, gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht,
indem sie die Zigaretten nicht unverzüglich bei der in Art. 38 ZK bezeichne-
ten Zollstelle gestellen ließen und dadurch die Nichtfestsetzung der Einfuhr-
abgaben bewirkten. Denn sie waren als Verbringer (Art. 38 Abs. 1 ZK)
gestellungs- und anmeldepflichtig.
Den Begriff des „Verbringers“ im Sinne von Art. 38 und Art. 40 ZK hat
der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil vom
4. März 2004 in den Rechtssachen C-238/02 [Viluckas] und C-246/02 [Jonu-
sas] für die nationalen Gerichte verbindlich ausgelegt. Danach „verbringen“
bei der Einfuhr mit einem Kraftfahrzeug „diejenigen“ Personen die Nichtge-
meinschaftsware in das Zollgebiet der Gemeinschaft, „die die Herrschaft über
das Fahrzeug im Zeitpunkt der Verbringung haben, nämlich u. a. die Fahrer,
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und zwar derjenige, der das Fahrzeug lenkt, und sein Beifahrer oder Ersatz-
mann, sofern er sich im Fahrzeug befindet“ (EuGH wistra 2004, 376, 378,
Ziffer 23). Ferner ist auch „eine andere sich im Fahrzeug befindende Person“
Verbringer, „wenn nachgewiesen ist, dass sie hinsichtlich der Verbringung
der Waren Verantwortung trägt“ (EuGH aaO).
Entscheidendes Kennzeichen des in Art. 38 ZK und 40 ZK bezeichne-
ten Verbringers und alleiniger Anknüpfungspunkt für die Gestellungspflicht in
Art. 40 ZK ist nach dem Wortlaut dieser Entscheidung die Herrschaft über
das Fahrzeug bei der Einfuhr. Herrschaft über das Transportfahrzeug haben
aber nicht nur der Fahrer, weil er das Fahrzeug steuert, und seine Begleiter
im Fahrzeug, wenn sie für die Verbringung der Waren Verantwortung über-
nommen haben, sondern kraft ihrer Weisungsbefugnis auch diejenigen Or-
ganisatoren des Transports, die beherrschenden Einfluss auf den Fahrzeug-
führer haben, indem sie die Entscheidung zur Durchführung des Transports
treffen und die Einzelheiten der Fahrt (z. B. Fahrtroute, Ort und Zeit der Ein-
fuhr) bestimmen.
25
Der demgegenüber in der Literatur (Bender wistra 2004, 368, 370 f.
und wistra 2006, 41, 42 f.; Fuchs ZfZ 2004, 160; Kohlmann aaO § 370
Rdn. 219 und 285) vereinzelt vertretenen Auffassung, als Verbringer kämen
ausschließlich solche Personen in Betracht, die sich bei der Einfuhr in dem
Transportfahrzeug befänden, stehen die Ausführungen des Gerichtshofs
entgegen (vgl. EuGH aaO, dort insbesondere Ziffer 23). Dasselbe gilt für ein
obiter dictum des Bundesfinanzhofs in dem Ausgangsverfahren nach der
genannten Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemein-
schaften (BFH ZfZ 2005, 13, 15). Der Gerichtshof knüpft die Bestimmung
desjenigen, den die Gestellungspflicht des Art. 40 ZK trifft, ausschließlich an
die „Herrschaft über das Fahrzeug“ (engl.: „the persons ... in charge thereof“;
franz.: „maîtrise“) und liefert anschließend eine nicht abschließende fallbezo-
gene Subsumtion („nämlich u. a.“, engl.: „and, in particular“, franz.: „et, no-
tamment“). Daraus ist zu entnehmen, dass die Erwähnung von Fahrer, Bei-
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fahrer und weiterer im Fahrzeug befindlicher Personen keine abschließende
Aufzählung darstellt. Zu einem ausdrücklichen Hinweis auf mögliche Hinter-
leute mit Herrschaft über das Transportfahrzeug hatte der Gerichtshof ange-
sichts der verfahrensgegenständlichen Fallkonstellation keine Veranlassung,
denn solche Personen waren an den Ausgangsverfahren nicht beteiligt. Zu-
dem stand im Vordergrund des vom Bundesfinanzhof (BFH, Beschlüsse vom
7. Mai 2002 – VII R 38/01, BFH/NV 2002, 1191 und VII R 39/01, ZfZ 2002,
309) initiierten Vorabentscheidungsverfahrens allein die für die Zollschuld-
nerschaft (Art. 202 Abs. 3 erster Spiegelstrich ZK) der Personen, die sich bei
der Einreise im Transportfahrzeug befunden haben, bedeutsame Frage, ob
auch der Fahrer (oder gleichberechtigte Beifahrer), der von den in seinem
Lastzug versteckten oder verheimlichten Waren weder Kenntnis hatte noch
hätte haben müssen, auf diese Waren hinzuweisen hätte. Diese Frage hat
der Gerichtshof bejaht. Soweit Fuchs (aaO) seine Auffassung, lediglich die-
ser Personenkreis sei zur Gestellung verpflichtet, auf Ziffer 21 der Vorabent-
scheidung des Gerichtshofs stützt, hat er nicht bedacht, dass dort lediglich
die Auffassung der Kommission wiedergegeben wird. Der Gerichtshof (aaO)
stellt demgegenüber allein auf die Herrschaft an dem Transportfahrzeug und
nicht auf die persönliche Anwesenheit bei der Einfuhr in das Zollgebiet der
Gemeinschaft ab. Damit steht fest, dass lediglich Personen, denen Sach-
herrschaft über die Ware beim Verbringen in das Zollgebiet fehlt, keine Ver-
bringer im Sinne von Art. 38, 40 ZK sind. Eines weiteren Vorabentschei-
dungsverfahrens bedarf es daher nicht.
Bei der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation braucht der Senat
nicht zu entscheiden, ob – namentlich für etwaige Ausnahmefälle möglicher-
weise gutgläubiger Transporteure – in Abweichung von herkömmlicher Dog-
matik auch für das echte Unterlassungsdelikt des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (vgl.
auch Bender wistra 2004, 368, 371) eine strafrechtliche Verantwortlichkeit
des Hintermannes, der das von den Transporteuren unmittelbar verwirklichte
Einfuhrgeschehen beherrscht, aus dem Rechtsgedanken der mittelbaren Tä-
terschaft oder auch der Ingerenz (vgl. BFH BStBl II 1997, 157, 159 f.; Joecks
27
- 13 -
in Franzen/Gast/Joecks aaO §
370 Rdn.
162a; Hellmann in Hübsch-
mann/Hepp/Spitaler aaO § 370 Rdn. 110; vgl. auch BGHSt 43, 381, 396 f.;
ablehnend Kohlmann aaO § 370 Rdn. 90 und 279 m.w.N.) zu begründen wä-
re.
(2) Nach § 374 Abs. 2 erster Halbsatz AO i.V.m. Abs. 2 zweiter Halb-
satz, § 370 Abs. 7 AO genügt es, wenn sich die im Ausland begangene Vor-
tat, wie hier, auf Einfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitglied-
staat der Europäischen Gemeinschaften verwaltet werden (vgl. Voß in Fran-
zen/Gast/Joecks aaO § 374 AO Rdn 7a f.; Joecks in Franzen/Gast/Joecks
aaO § 370 AO Rdn. 27 f.; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler aaO
171. Lfg. November 2001 § 370 Rdn. 89; Kohlmann aaO § 370 AO, Rdn.
425, a. A. Schmitz/Wulf wistra 2001, 361, 364 ff.). Dazu gehört auch die von
dem anderen Mitgliedstaat verwaltete Einfuhrumsatzsteuer (vgl. BGH wistra
2001, 62, 63; a. A. Schmitz/Wulf aaO 367 ff.), und zwar unabhängig davon,
ob sie ihm selbst zusteht oder an die Europäische Gemeinschaft abgeführt
werden muss. Dass sich das angefochtene Urteil nicht zur ungarischen Ta-
baksteuer verhält, beschwert die Angeklagten nicht.
28
(3) Da die Steuerhinterziehung zum Zeitpunkt der Beteiligung der An-
geklagten bereits abgeschlossen und der Angeklagte H. hieran auch
nicht als Täter beteiligt war, kann er lediglich Steuerhehler sein. Er wurde von
den unbekannt gebliebenen Hinterleuten nicht mit der Einfuhr der Ware in
das Zollgebiet der Gemeinschaft betraut; vielmehr hatte er sich nach den
Feststellungen lediglich dazu bereit erklärt, für den weiteren Transport der
Zigaretten nach England zu sorgen. Sollten die Zigaretten infolge vorschrifts-
widriger Gestellung und Anmeldung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) in das Zollgebiet
der Gemeinschaft gelangt sein, ist nach den Urteilsfeststellungen eine (mit-)
täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten daran auszuschließen.
Sachherrschaft an der Ware bei Einfuhr in die Europäische Gemeinschaft
hatte der Angeklagte ebenfalls nicht. Er war daher nicht Erklärungspflichtiger
29
- 14 -
pflichtiger im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO und konnte bereits deswegen
nicht Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen sein.
bb) Durch das Einbinden, Bezahlen und Überwachen des Spediteurs
Ku. hat der Angeklagte H. täterschaftliche Absatzhilfe zu den
Absatzbemühungen der Hinterleute geleistet. Er wollte sich dadurch selbst
bereichern und handelte darüber hinaus gewerbsmäßig. Dass die Zigaretten
in den Fällen II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe vor Übergabe an den Abnehmer
in England sichergestellt wurden, steht der Vollendung der Hehlereitaten
nicht entgegen. Denn die Tatvarianten des Absetzens und der Absatzhilfe
setzen einen Absatzerfolg nicht voraus (BGHSt 27, 45, 47 ff.; 26, 358,
359 ff.).
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31
c) Durch dieselben Tathandlungen hat der Angeklagte H. in den
Fällen II. 2 und II. 3 dem Spediteur und durch die jeweils vor Transportbeginn
abgegebene Zusage, an der Weiterbeförderung von Deutschland nach Eng-
land mitzuwirken, in allen Fällen auch den unbekannt gebliebenen Hinterleu-
ten bei der Hinterziehung der deutschen Tabaksteuer Hilfe geleistet.
aa) Gemäß § 19 TabStG entsteht die deutsche Tabaksteuer, wenn
Tabakwaren unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem frei-
en Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuer-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht werden. Die in das Gebiet
eines anderen Mitgliedstaats eingeschmuggelten Zigaretten befinden sich
dort im freien Verkehr. Das anschließende Überführen der auf dem
Schwarzmarkt zu veräußernden Zigaretten nach Deutschland ohne Inan-
spruchnahme des Steueraussetzungsverfahrens (§
16 Abs. 1 Satz 1
TabStG) ist ein gewerbliches unversteuertes Verbringen (vgl. BFH, Be-
schluss vom 6. September 2004 – VII B 62/04; BFH ZfZ 1997, 22 f.;
BFH/NV 1996, 934, 935; FG Düsseldorf ZfZ 1996, 152, 153 mit Anmerkung
Hampel ZfZ 1996, 358; FG Düsseldorf, Beschluss vom 1. August 2005
– 4 V 2072/05). Durch die unrechtmäßige Einfuhr aus der Ukraine nach Un-
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garn befanden sich die Zigaretten dort im steuerrechtlich freien Verkehr. Da
somit über die Tabakwaren unverzüglich nach deren Verbringen in das Steu-
ergebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Steuererklärung abzugeben
war (§ 19 Satz 3 TabStG), wurde die deutsche Tabaksteuer mit der Missach-
tung dieser Pflicht hinterzogen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 AO).
An der Auffassung, dass geschmuggelte Zigaretten auch dann im Sin-
ne von § 21 TabStG unmittelbar in das Steuergebiet der Bundesrepublik
Deutschland eingeführt worden sind, wenn sie schon vorher in einen anderen
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften verbracht worden, dort aber
zu keinem Zeitpunkt legal in den freien Verkehr gelangt sind (vgl. BGH
wistra 2004, 475, 476), hält der Senat nicht fest. Maßgeblich ist allein, ob die
verbrauchsteuerpflichtige Ware überhaupt – legal oder illegal – in einem Mit-
gliedstaat in den freien Verkehr gelangt ist, bevor sie von dort in das Steuer-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht wurde (vgl. BFH aaO; FG
Düsseldorf aaO). Hier waren die Zigaretten nach dem vorschriftswidrigen
Verbringen in die Europäische Gemeinschaft durch die Hinterleute bereits in
Ungarn in den freien Verkehr gelangt. Sie waren deshalb zwar nicht gemäß
§ 21 TabStG i.V.m. Art. 40 ZK beim Verbringen nach Deutschland zu gestel-
len. Über sie war jedoch gemäß § 19 Satz 3 TabStG unverzüglich eine Steu-
ererklärung abzugeben.
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bb) Der Angeklagte H. war nicht Steuerschuldner und damit nicht
Erklärungspflichtiger. Er hat aber den Erklärungspflichtigen Hilfe geleistet.
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Steuerschuldner ist gemäß § 19 Satz 2 TabStG, wer verbringt, ver-
sendet oder empfängt. Bei der Auslegung dieser Begriffe ist die eingangs
genannte Systemrichtlinie zu beachten, denn das deutsche Tabaksteuerge-
setz beruht auf dieser Richtlinie. Zwar verwendet diese – im Unterschied zum
Zollkodex – den Begriff des „Verbringens“ nicht. Ob der Begriff des „Verbrin-
gens“ in gleicher Weise auszulegen ist wie bei Art. 38, 40 ZK (ablehnend FG
Düsseldorf ZfZ 2006, 380, 381), bedarf jedoch keiner vertieften Erörterung.
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Denn jedenfalls erfordert auch das Verbringen im Sinne von §
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Satz 1 TabStG ein Minimum an Sachherrschaft an den Tabakwaren bei der
Einfuhr der Ware, das der Angeklagte H. – im Gegensatz zu Ku.
– nicht hatte. Weder nahm er selbst an den Transportfahrten teil, noch
hatte er – im Unterschied zu den unbekannt gebliebenen Hinterleuten – ei-
nen ausreichend gewichtigen Einfluss auf die Durchführung der Transporte.
Insbesondere konnte er den Ablauf der Fahrten nicht steuern. Er war auch
nicht Empfänger der Waren. Seine Beteiligung beschränkte sich im Wesent-
lichen darauf, den Spediteur Ku. an die Zigarettenladungen heranzu-
führen.
d) Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung und die gewerbsmäßige Steu-
erhehlerei stehen in allen vier Fällen zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB),
denn der Angeklagte H. hat seine Tatbeiträge jeweils bereits im Vorfeld
des Verbringens der Zigaretten nach Deutschland geleistet. Ob das Konkur-
renzverhältnis der Taten beim Fahrzeugführer Ku. in den Fällen II. 2
und II. 3 der Urteilsgründe anders zu beurteilen wäre (vgl. § 29 StGB),
braucht der Senat nicht zu entscheiden.
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2. Der Senat setzt auf Antrag des Generalbundesanwalts durch Be-
schluss gemäß der Vorschrift des § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO (vgl. BGHR
StPO § 354 Abs. 1a Verfahren 3), die bei einer Schuldspruchänderung ent-
sprechend anwendbar ist, die Einsatzstrafe (Fall II. 3 der Urteilsgründe) auf
zwei Jahre Freiheitsstrafe und die Gesamtstrafe auf drei Jahre Freiheitsstrafe
herab.
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a) Die Einzelstrafe im Fall II. 3 der Urteilsgründe (Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und sechs Monaten), kann keinen Bestand haben. Denn das
Landgericht hat sie dem Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO (Freiheitsstrafe
von sechs Monaten bis 10 Jahren) entnommen, der besonders schwere Fälle
der Steuerhinterziehung voraussetzt. Dieser Strafrahmen ist nach der
Schuldspruchänderung nicht mehr eröffnet, weil § 370 Abs. 3 AO nur auf die
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unselbständige Qualifikation des § 373 AO, nicht aber auf den selbständigen
Tatbestand der Steuerhehlerei anwendbar ist (vgl. BGHSt 32, 95, 98 f.). Der
Senat mindert deshalb diese Einzelfreiheitsstrafe auf die angemessene Stra-
fe von zwei Jahren Freiheitsstrafe (entsprechend der im Fall II. 1 der Urteils-
gründe vom Landgericht unter Zugrundelegung eines Strafrahmens von drei
Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe und eines deutlich geringeren Steu-
erschadens verhängten zweithöchsten Strafe) und ermäßigt die Gesamtfrei-
heitsstrafe auf drei Jahre.
b) Die übrigen Einzelstrafen haben Bestand. Der Senat schließt aus,
dass sie von der fehlerhaften rechtlichen Würdigung betroffen sind. Denn die
Verweisung in § 374 Abs. 1 AO eröffnet den vom Landgericht angewendeten
Strafrahmen des § 373 AO (drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe), den
das Landgericht sowohl hier als auch in dem Verfahren gegen Ku.
(rechtskräftig mit Senatsbeschluss vom 24. Mai 2006 – 5 StR 155/06) zutref-
fend zugrunde gelegt hat. Das gewerbsmäßige Handeln des Angeklagten
H. ist ausreichend durch die Feststellungen belegt.
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Auf die einzelnen Strafzumessungserwägungen wirkt sich die Schuld-
spruchänderung nicht aus, zumal da der Schuldumfang hiervon nicht berührt
wird. Die Zölle sind in Ungarn in gleicher Höhe angefallen wie dies bei unmit-
telbarer Einfuhr nach Deutschland der Fall gewesen wäre. Der Einfuhrum-
satzsteuersatz in Ungarn belief sich im Tatzeitraum sogar auf 25 Prozent.
Wegen der Gleichstellung der von Ungarn verwalteten Zölle und Einfuhrum-
satzsteuer mit den entsprechenden deutschen Steueransprüchen durch
§ 374 Abs. 2 AO bleibt auch die Wertigkeit des verletzten Rechtsguts unver-
ändert. Dass das Landgericht auch den dem deutschen Fiskus entstandenen
Tabaksteuerschaden straferhöhend berücksichtigt hat, ist nicht zu beanstan-
den. Denn diese Schadensposition ist auch nach der Schuldspruchumstel-
lung zu berücksichtigen. Der Senat schließt aus, dass sich die Zurechnung
dieser Schadensbeträge nur über Gehilfenschaft (anstelle über Täterschaft)
im Ergebnis hätte auswirken können.
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III.
Die Änderung des Schuldspruchs ist gemäß § 357 StPO auf den
Nichtrevidenten V. zu erstrecken. Auf Antrag des Generalbundesanwalts
setzt der Senat auch bei ihm die Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren im Fall
II. 3 der Urteilsgründe auf eine angemessene Freiheitsstrafe von einem Jahr
und sechs Monaten und die Gesamtfreiheitsstrafe auf zwei Jahre und drei
Monate herab.
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IV.
Auch die Revision der Angeklagten K. ist teilweise erfolgreich, im
Übrigen aber unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Angeklagte K. hat mit ihren jeweils bereits im Vorfeld der
Fahrten von Ungarn nach Deutschland geleisteten Dolmetscherdiensten so-
wohl den Spediteur Ku. als auch die Angeklagten H. und V.
bei deren Absatzhilfe als Gehilfin unterstützt. Zugleich hat sie Ku. und
mittelbar den Hinterleuten bei der Hinterziehung der deutschen Tabaksteuer
Hilfe geleistet. Der Schuldspruch ist daher auf Beihilfe zur Steuerhehlerei in
vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung abzuän-
dern.
2. Infolge der Schuldspruchänderung verschiebt sich der Strafrahmen.
Da die Angeklagte selbst nicht gewerbsmäßig gehandelt hat, sind die Einzel-
strafen dem gemäß §§ 27, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen der
§ 374 Abs. 1, § 370 Abs. 1 AO, nicht dem des § 373 AO zu entnehmen. Der
Senat setzt daher die gegen die Angeklagte K. verhängten Strafen ent-
sprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts wie folgt herab:
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Im Fall II. 1 der Urteilsgründe:
sieben statt zehn Monate Freiheitsstrafe,
im Fall II. 2 der Urteilsgründe:
sechs statt sieben Monate Freiheitsstrafe,
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im Fall II. 3 der Urteilsgründe:
ein Jahr statt ein Jahr und drei Monate
Freiheitsstrafe und
im Fall II. 4 der Urteilsgründe:
sechs statt acht Monate Freiheitsstrafe.
Die Gesamtfreiheitsstrafe ermäßigt der Senat – ebenfalls antragsgemäß –
auf ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe.
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