Urteil des BGH vom 19.03.2013

BGH: stand der technik, patentanspruch, breite, kauf, erfindung, bergwerk, teilung, patentgericht, form, begriff

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 129/10
Verkündet am:
19. März 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 19. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher, Hoffmann und die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 10. Senats (Ju-
ristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats) des Bundes-
patentgerichts vom 10. Juni 2010 abgeändert und wie folgt neu ge-
fasst:
Das deutsche Patent 103 48 491 wird dadurch teilweise für nichtig
erklärt, dass Patentanspruch 1 die folgende Fassung erhält, sich
die Patentansprüche 7 und 8 in ihrer unmittelbaren Rückbeziehung
auf Patentanspruch 1 auf diese Fassung zurückbeziehen und Pa-
tentanspruch 9 in seiner unmittelbaren Rückbeziehung auf Pa-
tentanspruch 1 entfällt:
"Rundstahlgliederkette mit einzelnen, ineinander eingehängten Ket-
tengliedern (2, 3) mit gleichem Durchmesser in den mittleren Berei-
chen ihrer Rundungen, von denen zumindest jedes zweite Ketten-
glied als Flachkettenglied (3, 11) ausgebildet ist und bei vertikaler
Ausrichtung im Bereich seiner die Rundungen (4, 5; 15, 16) verbin-
denden Schenkel (6, 7; 12, 13) in vertikaler Richtung eine kleinere
Schenkelhöhe (H) als die sich in horizontaler Richtung erstreckende
Schenkelbreite (B) aufweist, wobei die Höhe der Schenkel (6, 7; 12,
13) kleiner ist als der Durchmesser (D) eines solchen Kettengliedes
(3, 11) im Bereich seiner Rundungen (4, 5; 15, 16), dadurch ge-
kennzeichnet, dass die Flachkettenglieder (3, 11) ein Querschnitts-
flächenverhältnis zwischen ihrer Querschnittsfläche im Bereich der
Schenkel (6, 7; 12, 13) und der Querschnittsfläche in den mittleren
Bereichen (8) der Rundungen (4, 5; 15, 16) aufweisen, das größer
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als 0,55 und kleiner als 0,85 ist, wobei sich eine durch die Schen-
kelbreite (B) der Schenkel (6, 7) gegenüber den Rundungen (4, 5)
definierte Ausbauchung (A) bis in einen sich an einen Bogenab-
schnitt (8) gleichbleibender Querschnittsform und Querschnittsflä-
che anschließenden Übergangsbogenabschnitt (9) hinein erstreckt."
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 103 48 491 (Streitpa-
tents), das am 18. Oktober 2003 angemeldet worden ist und eine Rundstahl-
gliederkette betrifft. Das Streitpatent umfasst insgesamt 12 Ansprüche, von de-
nen die Ansprüche 1, 7, 8 und 9 in der erteilten Fassung wie folgt lauten:
"1. Rundstahlgliederkette mit einzelnen, ineinander eingehängten
Kettengliedern (2, 3), von denen zumindest jedes zweite Ket-
tenglied als Flachkettenglied (3, 11) ausgebildet ist und bei
vertikaler Ausrichtung im Bereich seiner die Rundungen (4, 5;
15, 16) verbindenden Schenkel (6, 7; 12, 13) in vertikaler
Richtung eine kleinere Schenkelhöhe (H) als die sich in hori-
zontaler Richtung erstreckende Schenkelbreite (B) aufweist,
wobei die Schenkelhöhe (H) der Schenkel (6, 7; 12, 13) klei-
ner ist als der Durchmesser (D) eines solchen Kettengliedes
(3, 11) im Bereich seiner Rundungen (4, 5; 15, 16),
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d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Flachketten-
glieder (3, 11) ein Querschnittsflächenverhältnis zwischen ih-
rer Querschnittsfläche im Bereich der Schenkel (6, 7; 12, 13)
und der Querschnittsfläche in den mittleren Bereichen (8) der
Rundungen (4, 5; 15, 16) aufweisen, das größer als 0,55 und
kleiner als 0,85 ist.
7. Rundstahlgliederkette nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Schenkelbrei-
te (B) im Bereich der Schenkel (6, 7) außermittig bezogen auf
die Erstreckung der Schenkelhöhe (H) zur Außenseite des
Schenkels (6, 7) hin versetzt angeordnet ist.
8. Rundstahlgliederkette nach Anspruch 7, d a d u r c h g e -
k e n n z e i c h n e t , dass die Schenkel (6, 7) eine an einen
Halbkreis angenäherte Querschnittsform aufweisen.
9. Rundstahlgliederkette nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass sich die Schen-
kelbreite (B) der Schenkel (6, 7) gegenüber den Rundungen
(4, 5) definierte Ausbauchung (A) bis in den sich an den Bo-
genabschnitt (8) gleichbleibender Querschnittsform und Quer-
schnittsfläche anschließenden Übergangsbogenabschnitt (9)
hinein erstreckt."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Anspruchs 1 so-
wie der abhängigen Ansprüche 7, 8 und 9 sei nicht patentfähig. Dieser sei nicht
neu und beruhe jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, indem sie das Streitpatent
im Hauptantrag in einer beschränkten Fassung verteidigt hat. Außerdem hat sie
das Streitpatent mit zwei Hilfsanträgen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig
erklärt.
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, wobei sie ihre
erstinstanzlichen Anträge in der mündlichen Verhandlung weiter beschränkt hat.
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Im Auftrag des Senats hat Junior-Professor Dr.-Ing. A. K. ,
Leiter
des
,
ein
schriftliches
Gut-
achten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt
hat.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat im Umfang der zuletzt von der Beklagten im
Hauptantrag verteidigten Fassung der Patentansprüche Erfolg.
I. Das Streitpatent betrifft eine Rundstahlgliederkette. Nach den Erläute-
rungen in der Streitpatentschrift werden diese als Förderketten zum Betreiben
von Kratzerförderern im untertägigen Kohlebergbau eingesetzt. Kratzerförderer
können aus zwei umlaufenden, motorisch angetriebenen Förderketten beste-
hen, an denen sich zwischen den Ketten erstreckende und die Ketten verbin-
dende Kratzer befestigt sind. Im Betrieb werden die Kratzerförderketten über
eine Förderrinne gezogen, wodurch der durch die Kratzer geförderte Abraum,
etwa die Kohle, abgetragen und transportiert wird (Rn. 2).
Ursprünglich sind die Förderketten derartiger Kratzerförderer aus gleich-
artigen, ineinander eingehängten Rundstahlkettengliedern gebildet worden. Um
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den durch den Einsatz von leistungsfähigeren Antrieben erhöhten Anforderun-
gen an die Belastbarkeit zu genügen, sind Kettenglieder mit einem größeren
Drahtdurchmesser eingesetzt worden. Das hat bei den vertikal orientierten Ket-
tengliedern zu einer Erhöhung des Kratzerförderers geführt. Eine solche Erhö-
hung läuft jedoch dem allgemeinen Bestreben entgegen, die Höhe des Kratzer-
förderers im Hinblick auf die oftmals beengten Raumverhältnisse im untertägi-
gen Kohleabbau möglichst gering zu halten. Aus diesem Grund sind als "Flach-
ketten" bezeichnete Förderketten mit vertikal ausgerichteten Kettengliedern
entwickelt worden, bei denen die die Rundungen verbindenden Schenkel der
vertikal ausgerichteten Kettenglieder gegenüber deren Rundungen eine größe-
re Schenkelbreite, aber eine kleinere Schenkelhöhe als der Drahtdurchmesser
aufgewiesen haben. Mithin weisen die Schenkel der Kettenglieder gegenüber
der kreisrunden Querschnittsform der Rundungen eine gestauchte, abgeflachte
Querschnittsform auf. Demgegenüber sind die horizontal ausgerichteten Ket-
tenglieder üblicherweise nicht als Flachkettenglieder ausgebildet. Die Schen-
kelbreite der Horizontalkettenglieder ist daher geringer als die Schenkelbreite
der Vertikalkettenglieder (Rn. 3).
Nach den weiteren Erläuterungen der Streitpatentschrift sind Rundstahl-
kettenglieder beispielsweise aus der deutschen Patentschrift 32 34 137 (K3)
bekannt, aus der die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 stammt,
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bei der konzeptionell im Vordergrund steht, die Querschnittsfläche der Flachket-
tenglieder trotz Abflachung möglichst nicht zu reduzieren, wobei Abweichungen
von etwa 5 % bis 8 % infolge der Änderung der Querschnittsform der Schenkel
der Flachkettenglieder in Kauf genommen werden. Denn eine übermäßige Re-
duzierung der Querschnittsfläche der Schenkel läuft der mit der Vergrößerung
des Drahtdurchmessers einhergehenden Erhöhung der Belastbarkeit einer sol-
chen Kette erkennbar zuwider (Rn. 4).
Der Erfindung liegt nach den Angaben der Streitpatentschrift das Pro-
blem ("die Aufgabe") zugrunde, eine Rundstahlgliederkette insbesondere zur
Verwendung als Fördererkette im untertägigen Kohlebergbau dergestalt weiter-
zuentwickeln, dass die Höhe der vertikal ausgerichteten Kettenglieder weiter
reduziert werden kann, ohne die Zugbelastbarkeit erheblich zu verringern
(Rn. 7).
Zur Lösung dieses Problems wird in Patentanspruch 1 des Streitpatents
in der von der Beklagten zuletzt im Hauptantrag verteidigten Fassung eine
Rundstahlgliederkette mit folgenden Merkmalen vorgeschlagen (erstinstanzlich
erfolgte Ergänzungen einfach, zweitinstanzlich erfolgte Ergänzungen doppelt
unterstrichen):
1. Die Rundstahlgliederkette weist einzelne, ineinander einge-
hängte Kettenglieder (2, 3) mit gleichem Durchmesser in den
mittleren Bereichen ihrer Rundungen auf.
2. Von diesen Kettengliedern ist zumindest jedes zweite Ketten-
glied als Flachkettenglied (3, 11) ausgebildet.
3. Das Flachkettenglied (3, 11)
a) ist vertikal ausgerichtet und
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weist auf
b) im Bereich seiner die Rundungen (4, 5; 15, 16) verbinden-
den Schenkel (6, 7; 12, 13) in vertikaler Richtung eine Hö-
he (H), die kleiner ist als
(1) die sich in horizontaler Richtung erstreckende Breite
(B) der Schenkel und
(2) der Durchmesser (D) eines solchen Kettengliedes (3,
11) im Bereich seiner Rundungen (4, 5; 15, 16),
c) zwischen seiner Querschnittsfläche im Bereich der
Schenkel (6, 7; 12, 13) und seiner Querschnittsfläche in
den mittleren Bereichen (8) der Rundungen (4, 5; 15, 16)
ein Querschnittsverhältnis, das größer als 0,55 und kleiner
als 0,85 ist, und
d) eine Ausbauchung (A), die
(1) durch die Schenkelbreite (B) der Schenkel (6, 7) ge-
genüber den Rundungen (4, 5) definiert ist und
(2) sich bis an den sich an den Bogenabschnitt (8)
gleichbleibender Querschnittsform und Querschnitts-
fläche anschließenden Übergangsbogenabschnitt (9)
hinein erstreckt.
Nach den weiteren Ausführungen in der Streitpatentschrift hat sich uner-
wartet gezeigt, dass Rundstahlgliederketten, bei denen bei den vertikal ausge-
richteten Flachkettenglieder entsprechend den erfindungsgemäßen Vorgaben
die Querschnittsfläche im Bereich der Schenkel gegenüber derjenigen im Be-
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reich der Rundungen reduziert worden ist, eine höhere Bruchfestigkeit aufge-
wiesen haben als vorbekannte Flachketten (Rn. 9).
Die nachfolgenden Zeichnungen stammen aus der Streitpatentschrift und
zeigen beispielhaft ein vertikal ausgerichtetes Flachkettenglied, welches den
Vorgaben des verteidigten Patentanspruchs 1 entspricht.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung hinsichtlich des damaligen
Hauptantrags im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Fachbeiträge von Armonat (Betriebserfahrungen mit der Kompakt-
stützkette auf dem Bergwerk L. , Glückauf - Zeitschrift für Tech-
nik und Wirtschaft des Bergbaus (127) 1991, 189 ff. - K17) und Braun (Be-
triebserfahrungen mit der Kompaktstützkette, Glückauf (129) 1993, 462 ff.
- K19) beträfen den gleichen Kettentyp und zeigten eine Rundstahlgliederkette
mit den Merkmalen 1 bis 3 c.
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In der K17 werde über Betriebserfahrungen mit einer Kompaktstützkette
42/46 der H. GmbH & Co. im Bergwerk L. be-
richtet. In Bild 1, das nachfolgend wiedergegeben wird,
sei eine Rundstahlgliederkette gezeigt, die in Übereinstimmung mit der Lehre
des Streitpatents aus einzelnen, ineinander eingehängten Kettengliedern be-
stehe, von denen zumindest jedes zweite Kettenglied als Flachkettenglied (hier:
Kompaktglied mit einer Höhe von 113 mm im Vergleich zum Stützglied mit einer
Höhe von 138 mm) ausgebildet sei. Das Flachkettenglied weise bei vertikaler
Ausrichtung im Bereich seiner die Rundungen verbindenden Schenkel in verti-
kaler Richtung eine Schenkelhöhe (33,5 mm) auf, die kleiner sei als die sich in
horizontaler Richtung erstreckende Schenkelbreite (46 mm). Zudem sei die ge-
nannte Schenkelhöhe kleiner als der Durchmesser eines solchen Kettengliedes
im Bereich seiner Rundungen (46 mm). Aus dem Fließtext der Entgegenhaltung
gehe zudem hervor, dass das vertikal ausgerichtete Kettenglied im Bereich der
geraden Schenkel eine halbrunde Form aufweise (K17, 189, r. Sp. oben).
In der K19 werde allgemein von den Betriebserfahrungen bei dem Ein-
satz der Kompaktstützkette im Bergwerk L. berichtet. Dadurch
werde der Inhalt der K17 soweit in den Zusammenhang mit der Offenbarung
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der K19 gerückt, dass erkennbar sei, dass beide Fachartikel von ein- und der-
selben Kette bzw. demselben Kettentyp berichteten.
Der K19 sei zusätzlich zu entnehmen, dass die Kompaktstützkette 42/46
die Maße 42 mm x 151 mm / 46 mm x 123 mm aufweise, wobei mit 151 mm
und 121 mm die Teilung sowie mit 42 mm der Nenndurchmesser und mit
46 mm der innere Durchmesser des Flachglieds der unterschiedlichen Ketten-
glieder gemeint sei. Aus der K19 gehe weiterhin hervor, dass beim Flachket-
tenglied der Kette der Kettenbug, also der Rundungsbereich des Kettengliedes,
einen Durchmesser von 46 mm aufweise, während bei dem abgeflachten
Schenkel ein Materialquerschnitt vorgesehen sei, der dem eines 42-mm-
Runddrahtes entspreche. Diese Angaben seien als Querschnittsverhältnis zwi-
schen der Querschnittsfläche im Bereich der Schenkel (entsprechend der eines
42-mm-Runddrahtes) und in den mittleren Bereichen der Rundungen (mit ei-
nem Durchmesser von 46 mm) anzusehen. Daraus errechne sich ein Quer-
schnittsverhältnis von 0,83, was innerhalb des durch Merkmal 3 c vorgegebe-
nen Bereichs liege.
Die danach noch als Unterschied gegenüber diesem Stand der Technik
verbleibende Ausbauchung nach Maßgabe des Merkmals 3 d ergebe sich aus
der sowjetischen Patentschrift 607 755 (K22, deutsche Übersetzung: K22b und
A23b). Diese Entgegenhaltung betreffe eine Zugkette für einen Kettenkratzför-
derer. In den Figuren 1 und 2, die nachfolgend mit den Figuren 3 und 4 wieder-
gegeben werden,
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werde eine Rundstahlgliederkette mit den Merkmalen 1 bis 3 b offenbart. Insbe-
sondere sei bei vertikaler Ausrichtung das Flachkettenglied im Bereich seiner
die Rundungen verbindenden Schenkel (Bereich a) in vertikaler Richtung in der
Schenkelhöhe (h) kleiner als die Schenkelbreite (r) in horizontaler Richtung und
sei zudem die Höhe (h) der Schenkel des vertikal ausgerichteten Kettenglieds
kleiner als der Durchmesser im Bereich seiner Rundungen.
Wie bei der Kette nach K17/K19 werde auch mit der Ausgestaltung nach
K22 angestrebt, die Kettenhöhe klein zu halten und die Festigkeit der Kette
durch einen Sprung in die nächste Nenngrößenklasse zu erhöhen. In diesem
Sinne erhalte der Fachmann aus der K22 den Hinweis, dass eine Variation des
Querschnittsflächenverhältnisses zwischen Kettengliedbogen und Kettenglied-
schenkel vorteilhaft eingesetzt werden könne, und zwar so, dass ein Quer-
schnittsverhältnis von kleiner 1 erzeugt werde. Denn nach den Angaben der
K22 sei eine Querschnittsreduzierung im Bereich der Schenkel gegenüber den
Kettenbögen auch deshalb möglich, weil der beanspruchte Bereich eines Ket-
tenglieds in den Bögen und nicht in den Schenkeln liege.
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Die Figuren 3 und 4 gäben Anregungen auf geeignete Anordnungen von
großen Querschnittsbereichen an der Außenseite des Kettengliedschenkels,
wobei Figur 3 eine Ausbauchung des Schenkelbereichs darstelle. Entsprechend
ergebe sich aus der Zeichnung ein schmalerer Querschnitt im zentralen Bogen-
bereich. Ausbauchungen seien deshalb nicht nur bei Flachketten mit gleichblei-
bendem Querschnitt über den Umfang des gesamten Kettenglieds bereits be-
kannt gewesen (vgl. K3, Figuren 1 bis 5), sondern auch bei einer Rundstahl-
gliederkette nach K22.
Mit diesem Hinweis werde der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur
(FH) mit vertieften Kenntnissen und Erfahrungen in der Konstruktion von För-
derketten, das vertikale Kettenglied einer Rundstahlgliederkette nach K17/K19
optimieren und dabei für den höher belasteten Querschnitt im Bereich der Run-
dung einen großen Querschnitt vorsehen, den Querschnitt der Schenkel jedoch
bei höchst möglicher Festigkeit im Hinblick auf den zu erwartenden Verschleiß
reduzieren. Dabei stelle sich die Frage nach einer geeigneten Querschnittsform,
die bei reduzierter Masse eine maximale Wirkung gegenüber den zu erwarten-
den Belastungen (Zugkräfte, Biegung, Reibung) entfalten könne. Die K22 gebe
dabei durch die Figuren 3 und 4 die Anregungen für geeignete Lösungen mit
großen Querschnittsbereichen an der Außenseite des Kettenglieds, wobei die
Figur 3 eine Ausbauchung zeige.
Ausgehend von der angestrebten Optimierung des gesamten Kettenglie-
des führe den Fachmann die Anregung aus Figur 3 der K22 auch dazu, die
Ausbauchung bis in einen sich an den Bogenabschnitt gleichbleibender Quer-
schnittsform und Querschnittsfläche anschließenden Übergangsbogenabschnitt
hineinzuziehen. Der Fachmann werde dabei einerseits von dem prinzipiellen
Konstruktionsgedanken geleitet, unerwünschte Unstetigkeiten des Querschnitts
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über den Umfang eines Kettenglieds zu vermeiden, und andererseits auch aus
betriebspraktischen Gründen vorrangig einem solchen Bereich als geeignet für
eine Querschnittsformveränderung erkennen, wenn nicht schon in der Figur 3
der K22 ein erfindungsgemäßer Übergangsbogenbereich zwischen Schenkel
und Bogen gezeigt und damit zur Übernahme angeregt werde. Einen Über-
gangsbereich bereits im Bereich der Schenkel vorzusehen, würde demgegen-
über die Schenkelendbereiche mit absehbaren Folgen für die Zugfestigkeit und
den Verschleiß des Kettenglieds schwächen.
III. Das Urteil des Patentgerichts hält den Angriffen der Berufung nicht
stand, soweit das Streitpatent mit Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten
Fassung des Hauptantrags verteidigt wird.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der genannten Fassung
des Hauptantrags ist zulässig. Er geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in
der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 38 Satz 2 PatG).
Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung unterscheidet sich
von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung dadurch, dass die einzelnen,
ineinander eingehängten Kettenglieder der Rundstahlgliederkette einen glei-
chen Durchmesser in den mittleren Bereichen ihrer Rundungen aufweisen, so-
wie dadurch, dass Patentanspruch 1 mit Patentanspruch 9 der erteilten Fas-
sung kombiniert wurde, wobei das damit hinzugefügte Merkmal durch Einfü-
gung der Worte "eine durch" zwischen den Worten ", dadurch gekennzeichnet,
dass sich …" und den Worten "… die Schenkelbreite (B) der Schenkel (6, 7) …"
redaktionell angepasst wurde. Während die ursprüngliche Offenbarung des
letztgenannten Merkmals zwischen den Parteien zu Recht unstreitig ist, meint
die Klägerin, dass der Fachmann das erstgenannte Merkmal der Anmeldung
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nicht als zur Erfindung gehörend entnehmen konnte. Darin kann ihr jedoch nicht
gefolgt werden.
Aus dem einleitenden Teil der Beschreibung der Ursprungsanmeldung
ergab sich für den Fachmann, dass die Erfindung eine gattungsgemäße Glie-
derkette mit einzelnen, ineinander eingehängten Kettengliedern betrifft. Als ein
Beispiel für eine derartige gattungsgemäße Gliederkette (vgl. Ursprungsanmel-
dung, S. 3, Z. 6 ff., entspricht der Streitpatentschrift Rn. 7, wobei der Begriff der
"Gliederkette" durch den Begriff der "Rundstahlgliederkette" ersetzt worden ist)
wird ihm die aus der K3 bekannte Gliederkette genannt (Ursprungsanmeldung,
S. 2, Z. 21 ff.; vgl. auch Streitpatentschrift Rn. 5). Bei dieser sind die vertikalen
Kettenglieder zwar (bei im Wesentlichen gleichem Querschnitt) im Bereich ihrer
Längsschenkel im Bereich ihrer horizontalen Querachse (L) breiter und im Be-
reich ihrer vertikalen Querachse (H) schmaler als die horizontalen Kettenglieder
im mittleren Bereich ihrer Rundungen ausgestaltet (K3, Anspruch 1). Das gilt
jedoch nicht für die Rundungen der vertikalen Kettenglieder, die in ihrem mittle-
ren Bereich den gleichen Durchschnitt wie die horizontalen Kettenglieder in ih-
rem mittleren Bereich aufweisen, was nicht nur aus der zeichnerischen Darstel-
lung in Figur 1 der K3 folgt, sondern sich dem Fachmann vor allem auch
dadurch erschließt, dass ihm in der Beschreibung der K3 erläutert wird, dass
die vertikalen Kettenglieder durch Umformung aus den üblichen, mit kreisrun-
dem Querschnitt versehenen Kettengliedern von Rundgliederketten hergestellt
werden können, wie sie auch für die horizontalen Kettenglieder Verwendung
finden (K3, Sp. 3, Z. 41 ff.). Für den Fachmann ergibt sich daraus, dass sich die
in der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung offenbarte Erfindung
insbesondere auch auf eine Rundstahlgliederkette bezieht, deren Kettenglieder
einen gleichen Durchmesser in den mittleren Bereichen ihrer Rundungen auf-
weisen, unabhängig davon ob sie horizontal oder vertikal ausgerichtet sind.
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2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der zuletzt verteidigten
Fassung ist neu.
a) In den in der Fachzeitschrift für Technik und Wirtschaft des Bergbaus
"Glückauf" 1991 und 1993 veröffentlichten Aufsätzen K17 und K19 wird über
Betriebserfahrungen
mit
einer
Kompaktstützkette
im
Bergwerk
L.
berichtet, die dort erstmals 1988 eingesetzt worden ist (K19,
462, 463, l. Sp.; K17, 189, 190, r. Sp. und Bild 4). Das in Bild 1 der K17 (oben
wiedergegeben) gezeigte "Kompaktglied" entspricht den Vorgaben der Merkma-
le 3 a bis 3 b (2). Es ist in der Kompaktstützkette als jeweils zweites Kettenglied
zwischen benachbarten "Stützgliedern" angeordnet, als Flachkettenglied aus-
gebildet und vertikal ausgerichtet. Die Höhe seiner die Rundungen verbinden-
den Schenkel bemisst sich in vertikaler Richtung mit 33,5 mm und ist damit
kleiner als die sich in horizontaler Richtung erstreckende Breite der Schenkel,
die 46 mm beträgt (vgl. auch K17, 189, r. Sp.). Die Höhe der die Rundungen
verbindenden Schenkel von 33,5 mm ist zudem kleiner als der Durchmesser
des "Kompaktgliedes" im Bereich seiner Rundungen, der 46 mm beträgt (K17,
189, r. Sp.).
Das vertikale Kettenglied der Kompaktstützkette 42/46 weist auch ent-
sprechend Merkmal 3 c zwischen seiner Querschnittsfläche im Bereich der
Schenkel und seiner Querschnittsfläche in den mittleren Bereichen der Run-
dungen ein Verhältnis zwischen 0,55 und 0,85 auf. Das entnimmt der Fach-
mann, hinsichtlich dessen Definition auf die oben wiedergegebenen Ausführun-
gen des Patentgerichts verwiesen werden kann, der K19, in der beschrieben ist,
dass der Kettenbug des Vertikalkettenglieds einen Durchmesser von 46 mm
hat, während der außen geflachte Schenkel einen Materialquerschnitt aufweist,
der einem 42-mm-Runddraht entspricht (K19, 462, 463, l. Sp. oben). Daraus
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errechnet sich ein Querschnittsverhältnis von 0,83, wie das Patentgericht zutref-
fend ausgeführt hat.
Entgegen den Bedenken der Berufung beziehen sich diese Ausführun-
gen in der K19 auf die gleiche Ausführungsform der Kompaktstützkette 42/46,
die bereits in der K17 beschrieben und insbesondere auch in der Figur 1 ge-
zeigt ist. Zutreffend ist zwar, dass in der Figur 1 die Teilung des vertikalen
"Kompaktgliedes" mit 123 mm und die Teilung des horizontalen "Stützglieds"
mit 151 mm angegeben sind, während an einer Stelle in der K19 insoweit die
Maße 122 mm und 152 mm erwähnt werden (K19, 463, l. Sp., Abs. 2). Die Be-
klagte berücksichtigt aber nicht, dass die Maßangaben an der genannten Stelle
in K19 innerhalb der in Figur 1 der K17 angegebenen Toleranzen von "123 mm
+0,8/-1,0" und "151 +/- 1,2" liegen. Zudem wird die Kompaktstützkette, auf die
sich die K19 bezieht, allgemein als "Kompaktstützkette 42/46 (42 mm x 151 mm
/ 46 mm x 123 mm)" bezeichnet und in der K19 auf die K17 Bezug genommen
(K19, 463, r. Sp.). Von daher kann aus Sicht des Fachmanns kein Zweifel daran
bestehen, dass sich die Angaben in der K19 zu den Querschnitten des vertikal
ausgerichteten Kettenglieds der Kompaktstützkette 42/46 auf die Kompakt-
stützkette beziehen, über die unter derselben Typenbezeichnung, im Hinblick
auf denselben Zeitraum und denselben Einsatzort in der K17 berichtet wird
(ebenso das angefochtene Urteil, der gerichtliche Sachverständige und das
Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), Gebrauchsmusterabteilung I, Be-
schluss vom 10. Januar 2011, Umdruck, S. 8).
Bei der in der K17/K19 offenbarten Kompaktstützkette weisen die in-
einander eingehängten Kettenglieder jedoch nicht, wie in Merkmal 1 gefordert,
den gleichen Durchmesser in den mittleren Bereichen ihrer Rundungen auf.
Vielmehr haben die vertikalen "Kompaktglieder" in ihren Rundungen einen
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Durchmesser von 46 mm, während der Durchmesser bei den horizontalen
"Stützgliedern" 42 mm beträgt.
Außerdem ist K17/K19 nicht zu entnehmen, dass das vertikal ausgerich-
tete Flachkettenglied der Kompaktstützkette 42/46 eine Ausbauchung nach
Maßgabe des Merkmals 3 d (1) und (2) aufweist.
Dies gilt auch, wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass das
Vertikalglied der Kompaktstützkette 42/46 entsprechend der Zeichnung K9 aus-
gestaltet war und offenkundig vorbenutzt wurde. Denn entgegen dem Vorbrin-
gen der Klägerin geht aus den in den Schnittzeichnungen C-D und E-F der K9
für die Schenkelbreite B und den Rundungsquerschnitt jeweils enthaltenen
Maßangaben von "46 +/- 1" nicht hervor, dass die Vertikalkettenglieder eine
Ausbauchung entsprechend Merkmal 3 d (1) aufwiesen, und schon gar nicht,
dass diese entsprechend Merkmal 3 d (2) ausgestaltet war. Nichts anderes gilt
auch im Hinblick auf die Zeichnungen K13 und K16. Auch der als Anlage K23
eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Dr.-Ing. D. B. vom
3. März 2011 ist insoweit nichts Erhebliches zu entnehmen.
b) Die in der Streitpatentschrift erörterte K3, deren Figur 1 oben wieder-
gegeben ist, betrifft eine aus einer Gliederkette bestehende Zugkette insbeson-
dere für Kratzförderer. Wie bereits ausgeführt, verfügen die einzelnen, ineinan-
der eingehängten, vertikalen und horizontalen Kettenglieder über einen glei-
chen Durchmesser in den mittleren Bereichen ihrer Rundungen. Die Höhe der
beiden Schenkel des vertikalen Flachkettenglieds ist kleiner als deren Breite
und auch als der Durchmesser im Bereich der beiden Rundungen des Flachket-
tenglieds. Zudem weist das vertikale Flachkettenglied eine Ausbauchung auf,
die durch die Schenkelbreite der Schenkel gegenüber den Rundungen definiert
ist (K3, Sp. 1, Z. 20 ff.; Sp. 3, Z. 62 ff.; Sp. 4, Z. 63 ff. i.V.m. Figur 2). Es wird
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jedoch nicht beschrieben, die Querschnittsflächen der abgeflachten Schenkel
und der Rundungen des vertikalen Flachkettenglieds in einem Verhältnis aus-
zubilden, das in den in Merkmal 3 c vorgegebenen Bereich fällt. Vielmehr wird
erläutert, dass sich die vertikalen Flachkettenglieder aus den üblichen, mit
kreisrundem Querschnitt versehenen Kettengliedern von Rundgliederketten
herstellen ließen, wie sie auch für die horizontalen Kettenglieder Verwendung
fänden (K3, Sp. 3, Z. 41 ff.), woraus sich für den Fachmann mangels zusätzli-
cher Anhaltspunkte, die auf eine Querschnittsreduzierung hindeuten, ergibt,
dass die Querschnitte der abgeflachten Schenkel denen der Rundungen ent-
sprechen (vgl. auch Streitpatent Rn. 4).
c) Die K22 offenbart die Zugkette eines Kettenkratzförderers mit Vertikal-
und Horizontalgliedern, die im Bereich ihrer Rundungen einen "gleich festen"
Querschnitt aufweisen (deutsche Übersetzung, K22b, S. 3, Z. 1 ff.). Die Verti-
kalglieder weisen in den geraden Bereichen a einen Querschnitt auf, dessen
Höhe kleiner ist als seine Breite (K22b, S. 2, Z. 25 ff.; S. 3, Z. 20 ff.). Bei den
Vertikalgliedern ist zudem die Fläche des Querschnitts in den geraden Berei-
chen gleich oder kleiner der Querschnittsfläche im Bereich ihrer Rundungen
(K22b, S. 2, Z. 29 ff.). Genauere Angaben zum Verhältnis der Querschnittsflä-
che im Bereich der Schenkel und der Rundungen sind der Entgegenhaltung
nicht zu entnehmen. Die (oben wiedergegebenen) Figuren 3 und 4 der K22 zei-
gen zwei Ausführungsformen eines vertikalen Flachkettengliedes. Bei der in
Figur 3 gezeigten Variante hat der gerade Schenkelbereich im Querschnitt die
Form eines Rechtecks, wobei die Rechtecklängsseite gegenüber dem Durch-
messer der Rundung übersteht. Im Unterschied dazu weist der gerade Schen-
kelbereich bei dem in Figur 4 dargestellten Ausführungsbeispiel einen halb-
kreisförmigen Querschnitt, der nicht über den Durchmesser der Rundung hin-
ausgeht.
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3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des zuletzt ge-
stellten Hauptantrags der Beklagten beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit,
weil er sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der
Technik ergab.
a) Der Fachmann, der im Hinblick auf die beengten Raumverhältnisse im
untertägigen Bergbau darum bemüht war, die Höhe einer insbesondere als
Förderkette eingesetzten Rundstahlgliederkette mit Kettengliedern, die einen
gleichen Durchmesser in den mittleren Bereichen ihrer Rundungen aufweisen,
zu reduzieren, ohne dabei deren Bruchkraft zu verringern, konnte der K3 die
Anregung entnehmen, den Querschnitt der Längsschenkel der Vertikalglieder
im Vergleich mit dem gleichbleibend kreisrund bleibenden Querschnitt der Hori-
zontalglieder (K3, Sp. 1, Z. 20 ff.; Sp. 3, Z. 62 ff.; Sp. 4, Z. 63 ff.) abzuflachen
(K3, etwa Sp. 1, Z. 14 ff.; Figuren 1 und 2). Eine solche Kette für Kettenkratzer-
förderer soll ohne übermäßigen Fertigungsaufwand bei hoher Zugkraft und gu-
tem Lastverhalten flacher bauen als herkömmliche Rundgliederketten gleicher
Tragkraft, wobei die Abwinkelbarkeit der Kettenglieder für den Umlauf gewahrt
wird (K3, Sp. 2, Z. 66 ff.; Sp. 3, Z. 22 ff.). Dabei wird ein Längenverhältnis der
horizontalen zur vertikalen Querschnittachse des abgeflachten Vertikalgliedes
zwischen 1,5 : 1 und 2,5 : 1, vorzugsweise 1,7 bis 1,9 : 1 als besonders vorteil-
haft angesehen (K3, Patentanspruch 5, Sp. 4, Z. 12 ff.; Sp. 5, Z. 27 ff.).
Eine Veranlassung, bei den Vertikalgliedern neben der Stauchung der
die Rundungen verbindenden Schenkel auch deren Querschnittsfläche im Ver-
hältnis zu der des mittleren Bereichs der Rundungen zu reduzieren, so dass
das Querschnittsverhältnis in einem Bereich von größer als 0,55 und kleiner als
0,85 liegt, ist der K3 hingegen nicht zu entnehmen. Daran ändert sich auch
nichts, wenn entsprechend den Ausführungen in der Streitpatentschrift (Rn. 4)
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angenommen wird, dass nach dem Offenbarungsgehalt der K3 Abweichungen
der Querschnittsfläche zwischen dem Schenkel- und dem Rundungsbereich
infolge der Stauchung der Vertikalglieder von etwa 5 bis 8 % in Kauf genommen
werden. Denn durch diese Abweichungen wird der Fachmann nicht dazu ange-
regt, über eine Verringerung der Querschnittsfläche als neben der Stauchung
zusätzliche Maßnahme zur Reduzierung der Höhe der Vertikalglieder nachzu-
denken, weil diese Verringerung allein eine herstellungsbedingte Toleranz be-
trifft, die zwar in dem genannten Umfang in Kauf genommen wurde, aber "ei-
gentlich" nicht gewollt war. Erst recht ergab sich daraus für den Fachmann kein
Grund, eine Reduzierung der Querschnittsfläche der Längsschenkel der Verti-
kalglieder in dem in Merkmal 3 c vorgesehenen Verhältnis zur Querschnitts-
fläche der Rundungen der Vertikalglieder in Erwägung zu ziehen.
b) Eine solche Anregung ging auch nicht aus der K22 hervor. Wie die K3
betrifft zwar auch diese Vorveröffentlichung Rundstahlgliederketten, deren Ket-
tenglieder in den mittleren Bereichen ihrer Rundungen den gleichen Durchmes-
ser aufweisen und deren Vertikalglieder in den geraden Bereichen über einen
Querschnitt verfügen, dessen Höhe kleiner ist als dessen Breite ist, während
die übrigen Bereiche einen kreisförmigen Querschnitt aufweisen. Bei der bei-
spielhaft in Figur 3 gezeigten Variante des Querschnitts A-A des Vertikalglie-
des 1 aus Figur 1 überragt überdies der Durchmesser des rechteckig geformten
Längsbereiches den des Rundungsbereiches, während der Durchmesser der
alternativ in Figur 4 gezeigten Variante des Querschnitts A-A einen halbkreis-
förmig geformten Längsbereich aufweist, dessen Durchmesser mit dem des
Rundungsbereiches fluchtet. Der K22 konnte der Fachmann zudem entneh-
men, dass die Fläche des Querschnitts in den Längsbereichen gleich oder klei-
ner der Fläche des Querschnitts in den Bereichen ihrer Rundungen sein kann
(K22b, S. 2, Z. 27 ff.). Auch wird in der K22 im Hinblick auf die in Figur 1 ge-
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zeigte Ausführungsform erläutert, dass der beanspruchte Bereich des Verti-
kalgliedes 1 der gebogene Bereich sei, der einen gleichfesten Querschnitt wie
das Horizontalglied 2 aufweise (K22b, S. 3, Z. 1 ff.).
Weitere Hinweise zur Ausgestaltung des Querschnittsverhältnisses zwi-
schen den Längs- und den Rundungsbereichen enthält die Entgegenhaltung
aber nicht. Es bleibt daher aus fachlicher Sicht bereits unbestimmt, ob die alter-
nativ angesprochene kleinere Ausgestaltung des Querschnitts in den Längsbe-
reichen eine erwünschte Maßnahme zur Verringerung der Kettenhöhe ist oder
lediglich eine Fertigungstoleranz darstellt, die etwa im Hinblick auf Kostenredu-
zierungen in Kauf genommen wird. Selbst wenn der Fachmann eine Verringe-
rung des Querschnitts im Längsbereich über die bloße Stauchung des Verti-
kalgliedes hinaus unter dem Gesichtspunkt der Höhenreduzierung in Erwägung
gezogen hätte, hätte er sich Gedanken dazu machen müssen, in welchem Um-
fang eine solche Querschnittsreduzierung des Längsbereiches möglich ist, oh-
ne dass dies zu einer Schwächung der Bruchkraft der Kette führt. Insoweit hielt
die K22 keine weiterführenden Informationen oder Erkenntnisse bereit. Einen
Anlass, das Querschnittsverhältnis in den Bereichen der Längsschenkel und
der Rundungen der Vertikalglieder größer als 0,55 und kleiner als 0,86 zu be-
stimmen, enthielt die sowjetische Patentschrift damit ebenfalls nicht.
c) Entsprechende Überlegungen wurden schließlich auch nicht durch die
Vorveröffentlichungen K17/K19 veranlasst. Zwar haben die Vertikalglieder der
darin offenbarten Kompaktstützkette 42/46 im Kettenbug und damit im mittleren
Rundungsbereich einen Durchmesser von 46 mm, während die außen abge-
flachten Längsschenkel einen Materialquerschnitt aufweisen, der einem 42-mm-
Runddraht entspricht, so dass sich ein Querschnittsverhältnis von 0,83 errech-
net, was den Vorgaben des Merkmals 3 c entspricht. Jedoch führte dies den
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Fachmann nicht dazu, nach dem Vorbild der aus der K17/K19 bekannten
"Kompaktstützkette" auch die Längs- und Rundungsbereiche der Vertikalglieder
der ihm in der K3 oder der K22 offenbarten Rundstahlgliederketten mit entspre-
chenden Querschnitten bzw. einem Querschnittsverhältnis von 0,83 oder einem
anderen, dem Merkmal 3 c unterliegenden Verhältnis auszugestalten.
Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat und
etwa durch die K22 (K22b, S. 3, Z. 1 ff.) bestätigt wird, war dem Fachmann auf-
grund seines Fachwissens bekannt, dass die Glieder einer Rundstahlgliederket-
te am meisten in den Rundungsbereichen beansprucht werden. Vor diesem
Hintergrund erkannte er, dass die im Materialquerschnitt reduzierten Längs-
schenkel der 46-mm-Vertikalglieder der aus der K17/K19 bekannten Kompakt-
stützkette den Rundungsbereichen der 42-mm-Horizontalglieder entsprechen.
Aus fachlicher Sicht ergab sich also aus der K17/K19 die Lehre, dass die Quer-
schnittsfläche der Längsschenkel der Vertikalglieder zur Reduzierung der Ket-
tenhöhe bis zum Materialquerschnitt der Horizontalglieder verringert werden
kann. Für die in der K17/K19 konkret beschriebene "Kompaktstützkette" bedeu-
tet dies, dass durch die Reduzierung der Querschnittsfläche der 46-mm-
Vertikalglieder bis zu einem Materialquerschnitt, der dem der 42-mm-Hori-
zontalrundstahlglieder entspricht (K19, 463, l. Sp. oben), eine Kette geschaffen
wird, die mit einer Gesamthöhe von nicht mehr als 113 mm nahezu die Höhe
einer 34-mm-Rundstahlgliederkette mit kreisrundem Querschnitt der Kettenglie-
der aufweist, deren Bruchkraft aber 2300 kN beträgt und damit um 50 kN höher
als die einer 38-mm-Kette ist (K17, 189, r. Sp. oben).
Hingegen folgt daraus keine Anregung für den Fachmann, die Längs-
schenkel der Vertikalglieder auch dann auf den Materialquerschnitt eines 42-
mm-Runddrahtes zu reduzieren, wenn die Horizontalglieder die gleiche Quer-
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schnittsfläche wie die Rundungsbereiche des Vertikalgliedes aufweisen, näm-
lich 46 mm. Denn damit würde gerade die in K17/K19 hinsichtlich der Oberflä-
chenkontur, des Materialquerschnitts und der freien Wahl der Teilung als vor-
teilhaft erkannte, in der Herstellung günstige und im praktischen Einsatz be-
währte Konstruktion einer "Kompaktstützkette" (vgl. nur die Angaben zu den
Vorteilen der "Kompaktstützkette" in K19, 462, r. Sp.) wieder verlassen. Ent-
sprechend folgt daraus auch keine Veranlassung für den Fachmann, die Verti-
kalglieder der aus der K3 und der K22 bekannten Rundstahlgliederketten mit im
Durchmesser der Rundungen gleichen Kettengliedern in ihren Längsbereichen
im Querschnitt derart zu reduzieren, dass diese gegenüber dem Querschnitt der
Rundungsbereiche ein Verhältnis aufweisen, das in den in Merkmal 3 c genann-
ten Bereich fällt. Denn damit wäre die Querschnittsfläche der Längsbereiche
der Vertikalglieder kleiner als die Querschnittsfläche der Rundungen der Hori-
zontalglieder, wozu sich in der K17/K19 kein Hinweis findet.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung
mit §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Grabinski
Bacher
Hoffmann
Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 10.06.2010 - 10 Ni 7/09 -
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