Urteil des BGH vom 13.11.2012

BGH: unterbrechung der verjährung, vergewaltigung, strafantrag, anklageschrift, strafanzeige, verjährungsfrist, polizei, gesamtstrafe, strafbefehl, geldstrafe

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 393/12
vom
13. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerde-
führer und des Generalbundesanwalts - zu I.1.a) und II. auf dessen Antrag - am
13. November 2012 gemäß § 206a, § 349 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO
einstimmig beschlossen:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Oldenburg vom 23. April 2012
a) aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der An-
geklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe (Tat 2 der Ankla-
geschrift) wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt
worden ist; im Umfang der Einstellung werden die Kosten
des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Ange-
klagten der Staatskasse auferlegt;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
der Vergewaltigung in zwei Fällen schuldig ist sowie
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
II.
Die weitergehende Revision des Angeklagten und die Revi-
sion der Nebenklägerin werden verworfen.
III.
Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tra-
gen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen -
wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung
zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wenden sich die Nebenklägerin mit ihrer
Revision, die das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts
rügt, sowie der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen
Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel der Nebenklägerin ist unzulässig.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel er-
sichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
StPO.
I. Revision der Nebenklägerin
Die Verfahrensrüge, die die Ablehnung eines Beweisantrags auf erneute
Vernehmung der Nebenklägerin beanstandet, genügt aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwaltes nicht den gesetzlichen Begrün-
dungsanforderungen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Aber auch im Übrigen erweist
sich das Rechtsmittel der Nebenklägerin als unzulässig: Nach der Regelung
des § 400 Abs. 1 StPO ist die Möglichkeit der Urteilsanfechtung durch den Ne-
benkläger beschränkt; deshalb bedarf seine Revision in der Regel eines Revi-
sionsantrags oder einer Revisionsbegründung, die deutlich macht, dass mit
dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Be-
schluss vom 27. Januar 2009 - 3 StR 592/08, NStZ-RR 2009, 253 mwN;
Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 400 Rn. 6). Ein solches ergibt sich hier weder
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aus dem Revisionsantrag noch aus der erhobenen allgemeinen Sachrüge oder
der (allein) gegen die Strafzumessung gerichteten Einzelbeanstandung.
II. Revision des Angeklagten
1. Das Urteil ist aufzuheben und das Verfahren gemäß § 206a StPO ein-
zustellen, soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe (Tat 2 der An-
klageschrift) wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Der Ge-
neralbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt:
"Im Fall 2 der Urteilsgründe ist das Verfahren ... nach Maßgabe des
§ 206 a StPO (vgl. BGHSt 32, 275, 292 [richtig: 290] a.A. Meyer-
Goßner, StPO, 55. Aufl. § 206 a Rdnr. 6) einzustellen, weil der zum
Fesseln benutzte Büstenhalter kein gefährliches Werkzeug im Sinne
des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist (vgl. BGH NStZ 2002, 594), deshalb
kein Vergehen der gefährlichen Körperverletzung vorliegt und in Anse-
hung der verbleibenden vorsätzlichen Körperverletzung Verfolgungsver-
jährung eingetreten ist. Die Tat wurde am 8. Juli 2004 begangen; der
Angeklagte wurde am 9. Juli 2004 als Beschuldigter vernommen (vgl.
Sonderheft 'Duplikatakte'). Weitere zur Unterbrechung der Verjährung
geeignete Handlungen sind den Akten nicht zu entnehmen, so dass die
fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3, § 223 Abs. 1 StGB) vor Erhe-
bung der Anklage abgelaufen war.
Ferner ergibt sich aus den Akten nicht, dass ein wirksamer Strafantrag
(§ 230 Abs. 1 StGB) vorliegt. Die mündliche Strafanzeige bei der Polizei
(vgl. Sonderheft 'Duplikatakte') ersetzt den schriftlich anzubringenden
Strafantrag nicht (vgl. § 158 Abs. 2 StPO)."
Dem stimmt der Senat zu.
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2. Die Teileinstellung des Verfahrens zieht vorliegend mit Blick auf die im
eingestellten Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten die Aufhe-
bung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Der neue Tatrichter wird zusätzlich
zu prüfen und zu entscheiden haben, ob mit der Geldstrafe aus dem Strafbe-
fehl vom 5. Mai 2007 - nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeit-
punkt der ersten Hauptverhandlung (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 55 Rn. 37
mwN) - nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, diese Vorstrafe ggf. in sons-
tiger Weise zu berücksichtigen oder mit ihr gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz
1 StGB zu verfahren ist (vgl. Fischer, aaO, Rn. 21; § 53 Rn. 5 ff.).
Becker Pfister Hubert
Gericke Spaniol
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