Urteil des BGH vom 14.03.2017

BGH (antrag, schuldner, sperrfrist, zpo, verfahrenskosten, stundung, ige, ablehnung, rechtskraft, analogie)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZA 7/10
vom
9. März 2010
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, den Richter Raebel, den Richter Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 9. März 2010
beschlossen:
Der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhil-
fe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens gegen
den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom
14. Januar 2010 wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Auf einen Eröffnungsantrag der Schuldnerin vom August 2007 lehnte das
Insolvenzgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2008 die Stundung der Verfah-
renskosten ab, weil ein zweifelsfreier Grund für die Versagung der Restschuld-
befreiung vorlag. Der Antrag auf Verfahrenseröffnung wurde mangels Masse
abgewiesen. Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO lag vor, weil
die Schuldnerin nach Stellung des Insolvenzantrags im Eröffnungsverfahren
nicht weiter mitgewirkt und keine Auskünfte über ihre Einkommens- und Ver-
mögenslage gegeben hatte.
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Am 17. April 2009 hat die Schuldnerin erneut Stundung der Verfahrens-
kosten, Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und Erteilung der
Restschuldbefreiung beantragt. Diese Anträge hat das Insolvenzgericht mit Be-
schluss vom 23. Juni 2009 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwer-
de ist erfolglos geblieben. Die Schuldnerin beabsichtigt, sich gegen den Be-
schluss des Beschwerdegerichts vom 14. Januar 2010 mit der Rechtsbe-
schwerde zu wenden, für die sie um Prozesskostenhilfe nachsucht.
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II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen; die
Rechtsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 4 InsO, § 114 ZPO).
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Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde (§§ 6, 7 Abs. 1, § 4d Abs. 1, § 34
Abs. 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) wäre unzulässig (§ 574 Abs. 2
ZPO).
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1. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass einem Antrag des
Schuldners auf Restschuldbefreiung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn er
innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Versagung der Restschuldbe-
freiung in einem früheren Verfahren wegen einer vorsätzlichen oder grob fahr-
lässigen Verletzung seiner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten einen erneuten
Antrag auf Restschuldbefreiung stellt (BGH, Beschl. v. 16. Juli 2009 - IX ZB
219/08, ZInsO 2009, 1777, 1778 Rn. 8 z.V.b. in BGHZ). Nach einer weiteren
Entscheidung vom 21. Januar 2010 (IX ZB 174/09, ZInsO 2010, 344, 345 Rn. 8)
gilt die dreijährige Sperrfrist, die ab Erlass der Entscheidung über den Eröff-
nungsantrag zu laufen beginnt, auch dann, wenn der Schuldner es im Eröff-
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nungsverfahren versäumt hat, auf einen Hinweis des Gerichts rechtzeitig einen
eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung
zu stellen. Eine dreijährige Sperre für die Erteilung der Restschuldbefreiung
greift nach zwei weiteren Entscheidungen vom 4. Februar 2010 (IX ZA 40/09)
und vom 18. Februar 2010 (IX ZA 39/09) auch dann ein, wenn der Schuldner in
einem vorausgehenden Insolvenzantragsverfahren zweifelsfrei einen Versa-
gungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 InsO verwirklicht hat, so dass ihm
keine Verfahrenskostenstundung gewährt werden konnte.
2. Nach diesen Grundsätzen ist der erneut gestellte Eigenantrag nebst
Antrag auf Verfahrenskostenstundung und Restschuldbefreiung unzulässig.
Steht schon im Eröffnungsverfahren oder im eröffneten Verfahren zweifelsfrei
fest, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen ist, so kann
nach ständiger Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB
72/03, ZInsO 2005, 207, 208; v. 27. Januar 2005 - IX ZB 270/03, ZInsO 2005,
265; v. 15. November 2007 - IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 Rn. 18) die
Stundung der Verfahrenskosten versagt oder aufgehoben werden, ohne dass
es auf die vorhergehende Versagung der Restschuldbefreiung ankommt. Diese
Aufhebung beruht auf der Unredlichkeit des Schuldners. Die planwidrige Rege-
lungslücke, von der der Senat für das eröffnete Verfahren ausgegangen ist,
wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren im
Schlusstermin versagt werden musste (BGH, Beschl. v. 16. Juli 2009 aaO
S. 1779 f Rn. 14 ff), besteht auch hier. Um zu verhindern, dass der im Erstver-
fahren festgestellte Versagungsgrund sanktionslos bleibt, darf der Schuldner
nicht die Möglichkeit haben, sofort wieder einen Antrag auf Restschuldbefreiung
zu stellen. Entsprechend dem Grundgedanken des Vorschlags in dem "Regie-
rungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stär-
kung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Li-
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zenzen" vom 22. August 2007 (abgedruckt als Beilage 2 zu ZVI Heft 8/2007),
mit dem der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO erweitert wer-
den sollte (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Juli 2009 aaO S. 1779 f Rn. 16), soll der
Schuldner das aufwändige und kostenträchtige Verfahren auch dann nicht so-
fort wieder in Anspruch nehmen können, wenn es aufgrund seines Fehlverhal-
tens schon in einem vorausgegangenen Verfahren zur Stundungsversagung
gekommen ist. Auch hier besteht eine dreijährige Sperrfrist für einen erneuten
Antrag, deren Lauf mit Rechtskraft der Entscheidung über die Ablehnung der
Verfahrenskostenstundung und Abweisung des Eröffnungsantrags mangels
Masse in dem früheren Verfahren beginnt.
3. Dem steht nicht entgegen, dass es hierfür einer doppelten Analogie,
nämlich der Anwendung aller Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1-6 InsO
im Eröffnungsverfahren auf die Entscheidung über die Verfahrenskostenstun-
dung und der entsprechenden Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach
Maßgabe der Vorschläge des Regierungsentwurfs eines Entschuldungsgeset-
zes bedarf. Die entsprechende Anwendung aller Versagungsgründe im Eröff-
nungsverfahren ist – wie oben bereits ausgeführt - im Fall ihres zweifelsfreien
Vorliegens schon seit langem anerkannt. Anlass, von dieser Rechtsprechung
abzugehen oder sie einzuschränken, besteht nicht. Vielmehr ist es zur Siche-
rung einer maßvollen Inanspruchnahme des zeit- und kostenaufwändigen Rest-
schuldbefreiungsverfahrens geboten, auch bei schon vor Verfahrenseröffnung
zweifelsfrei festgestellten Verstößen die übermäßige Inanspruchnahme des
Verfahrens zu verhindern. Andere Abgrenzungskriterien haben sich als nicht
tragfähig erwiesen (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Juli 2009 aaO S. 1780 Rn. 18). In
Betracht kommt nur eine zeitlich begrenzte Sperrfrist. Insoweit hält der Senat
außerhalb des Anwendungsbereichs des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO einen Zeitab-
stand von drei Jahren für angemessen (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO, hierzu
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BGH, Beschl. v. 16. Juli 2009 aaO S. 1779 f Rn. 16). Eine übermäßige Beein-
trächtigung des Schuldners ist damit nicht verbunden. Auch dies ergibt sich aus
der Rechtsprechung des Senats.
Ganter Raebel Vill
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 23.06.2009 - 60 IK 89/09 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 14.01.2010 - 7 T 176/09 -