Urteil des BGH vom 06.06.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 52/07 Verkündet
am:
6. Juni 2008
L e s n i a k,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB a.F. §§ 197, 463 Satz 2
Die Vermögensnachteile, die ein Käufer infolge einer arglistigen Täuschung erleidet,
bilden unselbständige Faktoren eines einheitlichen Schadensersatzanspruchs; für sie
können deshalb keine unterschiedlichen Verjährungsfristen gelten.
BGH, Urt. v. 6. Juni 2008 - V ZR 52/07 - OLG Dresden
LG
Chemnitz
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter
Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Dresden vom 8. März 2007 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt
worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil der
7. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 22. April 2005
wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 15. Mai 1992 veräußerten die Beklagten ein
Gewerbegrundstück zum Preis von 11 Mio. DM. Später wurden sie wegen arg-
listigen Verschweigens eines Mangels zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug
um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks verurteilt.
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Nunmehr beansprucht die Klägerin aus abgetretenem Recht der Käuferin
Ersatz der Kosten der Vertragsdurchführung und der Kaufpreisfinanzierung.
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Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerecht-
fertigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die
Klage abgewiesen, soweit sie auf Ersatz der Finanzierungskosten gerichtet ist.
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Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren
diesbezüglichen Antrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung
der Revision.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne zwar die Kosten der Ver-
tragsdurchführung nach § 463 Satz 2 BGB a.F. ersetzt verlangen. Anders ver-
halte es sich dagegen mit den Kosten der Kaufpreisfinanzierung. Da es sich
dabei um Zinsen, also um wiederkehrende Leistungen handele, seien die hier-
auf gerichteten Ansprüche innerhalb der Frist des § 197 BGB a.F. und damit
Ende 2002 verjährt.
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II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts findet die Vorschrift
des § 197 BGB a.F. vorliegend keine Anwendung. Aus § 463 Satz 2 BGB a.F.
folgt ein einheitlicher, auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens gerichteter An-
spruch. Die verschiedenen Vermögensnachteile, die der Käufer infolge des arg-
listigen Verschweigens eines Mangels erleidet (hier u.a. Notargebühren, Mak-
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lerprovision, Finanzierungskosten), sind unselbständige Faktoren dieses An-
spruchs; sie begründen - anders als das Berufungsgericht offenbar meint - kei-
ne selbständigen Einzelansprüche (vgl. BGHZ 36, 316, 321; BGH, Urt. v.
22. November 1990, IX ZR 73/90, NJW-RR 1991, 1279; Urt. v. 7. Dezember
1995, VII ZR 112/95, NJW-RR 1996, 891, 892; vgl. auch Senat, BGHZ 167,
108, 116 sowie Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., Vor § 275 Rdn. 37 u. 41).
Demgemäß können für sie keine unterschiedlichen Verjährungsfristen gelten.
Ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung unterliegt vielmehr stets
einer einheitlichen Verjährungsfrist, hier der Frist des § 195 BGB a.F.
2. Etwas anderes folgt nicht aus den zur Anwendung von § 197 BGB a.F.
ergangenen Entscheidungen, auf die das Berufungsgericht verweist.
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Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (NJW 1986, 436) betrifft kei-
nen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, sondern einen Primäran-
spruch auf Zahlung von Bereitstellungszinsen. Der Entscheidung des Bundes-
gerichtshofs vom 2. März 1993 (XI ZR 133/92, NJW 1993, 1384) befasst sich
mit einem Anspruch auf Verzugszinsen (§ 286 Abs. 1 BGB), also einem von
vornherein und seiner Natur nach auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen
gerichteten Schadensersatzanspruch (vgl. auch BGH, Urt. v. 13. März 2008,
IX ZR 136/07, juris Rdn. 9 f.).
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Aus demselben Grund sind die von dem Berufungsgericht angeführten
Entscheidungen zu der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Raten-
kredits (BGHZ 112, 352, 354), eines Disagios (BGH, Urt. v. 12. Oktober 1993,
XI ZR 11/93, NJW 1993, 3257) oder von rechtsgrundlos geleisteten Zinszah-
lungen (BGH, Urt. v. 24. Oktober 2000, XI ZR 273/99, NJW-RR 2001, 1420)
nicht einschlägig. Soweit die Vorschrift des § 197 BGB a.F. dort Anwendung
fand, beruhte dies darauf, dass die nach der Ursprungsvereinbarung erbrachten
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Leistungen in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr geschuldet waren; diesem
Charakter der Leistung wurde auch bei der Rückabwicklung Rechnung getra-
gen. In dem hier zu beurteilenden Sachverhalt gab es im Verhältnis der Kauf-
vertragsparteien dagegen keine auf wiederkehrende Leistungen gerichteten
Verpflichtungen.
3. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil
der Klägerin entschieden worden ist. Der Senat kann in der Sache selbst ent-
scheiden, weil feststeht, dass der Schadensersatzanspruch der Käuferin aus
§ 463 Satz 2 BGB a.F. nicht vor dem 31. Dezember 2004 verjährte (Art. 229 § 6
Abs. 4 Satz 1 EGBGB) und diese Frist spätestens durch die Klageerweiterung
aus dem Jahr 2003 gehemmt worden ist. Das führt zur Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. BGHZ 20, 397).
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Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 22.04.2005 - 7 O 2410/02 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 08.03.2007 - 9 U 953/05 -