Urteil des BGH vom 02.10.2008

Whistling for a train Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 6/06 Verkündet
am:
2.
Oktober
2008
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Whistling for a train
UrhG § 97
Bei der Berechnung des Schadens, der dem Berechtigten aufgrund einer Ver-
letzung des Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts entstanden ist,
kann im Rahmen der Lizenzanalogie zur Ermittlung der angemessenen Lizenz-
gebühr auf eine frühere Vereinbarung zwischen den Parteien über die Einräu-
mung eines entsprechenden Nutzungsrechts zurückgegriffen werden. Dies
setzt indessen voraus, dass die damals vereinbarte Lizenzgebühr dem objekti-
ven Wert der Nutzungsberechtigung entsprochen hat.
BGH, Urt. v. 2. Oktober 2008 - I ZR 6/06 - OLG Hamburg
LG
Hamburg
- 2 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 2. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 7. Dezember 2005
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht
einen weiteren Schadensersatzanspruch wegen der seit dem 1. Ja-
nuar 1994 im Fernsehen erfolgten Schaltungen des Werbespots
"ESSO TV C-Store 3/93" verneint hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbe-
schwerde und der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwie-
sen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin ist eine Musikagentur, die auch Tonträger herstellt. Sie
nimmt die Beklagte, ein Mineralölunternehmen, wegen unberechtigter Nutzung
einer angeblich von ihr hergestellten Tonaufnahme zu Werbezwecken haupt-
sächlich auf Schadensersatz und Auskunftserteilung in Anspruch.
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Die Beklagte suchte im Juni 1993 für ihren Werbespot "ESSO C-Store"
eine Hintergrundmusik, die besser als die bereits vorhandene für den deut-
schen Markt passen würde. Nach Gesprächen zwischen dem Werbeleiter O.
der Beklagten und dem Geschäftsführer F. der Klägerin wurde diesem ein Re-
chercheauftrag erteilt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der Ge-
schäftsführer F. persönlich oder die Klägerin auf der einen und die Beklagte
oder die Werbeagentur M.
H.
GmbH (im Weiteren: M.
) auf der anderen Seite als Vertragspartner beteiligt waren. Der
Geschäftsführer der Klägerin legte dem Werbeleiter der Beklagten eine Musik-
kassette mit zehn Vorschlägen vor, aus denen dieser die Aufnahme "Whistling
for a train" auswählte. Im Anschluss daran kam es Ende Juni 1993 in Hamburg
zu einem Treffen zwischen dem Werbeleiter der Beklagten und dem Geschäfts-
führer der Klägerin, wobei streitig ist, ob bereits bei dieser Zusammenkunft eine
Vereinbarung über die Nutzung der Tonaufnahme durch die Beklagte geschlos-
sen wurde. Mit Schreiben vom 28. Juni 1993 sandte M. an den
Geschäftsführer der Klägerin eine Auftragserteilung mit folgendem Inhalt:
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ESSO TV 30 C-Store 3/93
Musikrecherche für ESSO TV C-Store
900 DM
Nutzungsrechte/Rechte am Werk
'Whistling for a train' TV-Musik für ESSO TV C-Store
Einsatz Deutschland TV/93
10.000 DM
Der Geschäftsführer der Klägerin stellte der Werbeagentur M.
daraufhin am 3. Juli 1993 unter der Bezeichnung "Music Consultant"
für die Musikrecherche einen Betrag von 900 DM und für die "Nutzungsrech-
te/Rechte am Werk 'Whistling for a train' als TV-Musik für ESSO TV C-Store
Einsatz Deutschland TV/93" einen Betrag von 10.000 DM zuzüglich Mehr-
wertsteuer in Rechnung (Anlage B 12).
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Die Beklagte nutzte einen Ausschnitt aus der Tonaufnahme "Whistling for
a train" in den Jahren 1993 und 1994 als Hintergrundmusik für einen Fernseh-
Werbespot, wobei im Jahre 1993 mindestens 102 Schaltungen und im Septem-
ber 1994 zumindest 56 Schaltungen erfolgten.
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Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe die streitgegenständliche Tonauf-
nahme "Whistling for a train" hergestellt. Die Vereinbarung über die Einräumung
der Nutzungsrechte sei zwischen ihr und der Beklagten ohne Beteiligung von
M. zustande gekommen. Ihr Geschäftsführer sei nach dem Tref-
fen mit dem Werbeleiter der Beklagten im Juni 1993 davon ausgegangen, dass
der Werbespot im Jahre 1993 höchstens zehn Mal geschaltet werde. Denn der
Werbeleiter der Beklagten habe erklärt, dass die Aufnahme lediglich "für ein
paar Schaltungen" genutzt werde. Nur für diese Anzahl von Schaltungen habe
sie sich mit der Nutzungsvergütung von 10.000 DM einverstanden erklärt. Sie
habe der Beklagten weder für 1993 noch für das Jahr 1994 eine unbegrenzte
Nutzung der Tonaufnahme gegen Zahlung einer Pauschalvergütung von
10.000 DM eingeräumt.
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- 5 -
Die Klägerin begehrt Schadensersatz auf der Grundlage einer Lizenz-
analogie. Zur Berechnung ihres bezifferten Klageantrags hat sie ausgeführt,
dass mit dem vereinbarten Entgelt von 10.000 DM zehn Schaltungen abgegol-
ten gewesen seien, so dass pro Schaltung eine Vergütung von 1.000 DM ver-
einbart gewesen sei. Von 158 unstreitig vorgenommenen Schaltungen (102 im
Jahre 1993 und 56 im September 1994) seien 148 ohne Erlaubnis vorgenom-
men worden. Hieraus errechne sich eine Lizenzgebühr von 148.000 DM. Da
durch die Nutzungsvereinbarung auch urheberrechtliche Nutzungsrechte hätten
abgegolten werden sollen und eine Relation dieser beiden Rechte von 50:50
vereinbart worden sei, mache sie den auf sie entfallenden Betrag von
74.000 DM geltend.
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Im Jahre 1994 seien erheblich mehr Schaltungen des in Rede stehenden
Werbespots erfolgt, als die Beklagte zugestanden habe. Dies werde durch eine
Liste der Media Intensiv (Anlage K 14) belegt, aus der allein für das Jahre 1994
insgesamt 414 Schaltungen hervorgingen. Über die genaue Anzahl der Schal-
tungen müsse die Beklagte Auskunft erteilen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 37.755 € nebst Zinsen zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, wie oft
sie den Werbespot "ESSO TV C-Store 3/93" insgesamt geschaltet hat, und
zwar unter detaillierter Angabe des jeweiligen Schaltungszeitpunkts, aufge-
schlüsselt nach Medien (TV, Radio, Kino) und Sendeanstalten, sowie ent-
sprechend Rechnung zu legen und die gemachten Angaben an Eides Statt
zu versichern;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Schaltungen gemäß Zif-
fer 2 auch insoweit angemessen zu vergüten, als die Nutzung den bislang
eingeklagten Betrag in Höhe von 37.755 € übersteigt, wobei die bislang nicht
Iizenzierten Schaltungen in doppelter Höhe zu vergüten sind.
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Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, die Klägerin sei nicht als
Herstellerin der Tonaufnahme "Whistling for a train" anzusehen. Die Nutzungs-
vereinbarung, die zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin persönlich und
M. geschlossen worden sei, enthalte keine Begrenzung des
Schaltvolumens. Der Werbespot mit der neuen Hintergrundmusik habe nur bis
zum Einsatz eines neuen Werbespots gesendet werden sollen, der für das Jahr
1994 konkret geplant gewesen sei. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche
seien zudem verjährt.
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Das Landgericht hat der Klägerin unter Abweisung der Klage im Übrigen
für die Nutzung von Teilen der Tonaufnahme "Whistling for a train" als Hinter-
grundmusik für ihren Werbespot im Jahre 1994 einen Anspruch auf Zahlung
von fiktiven Lizenzgebühren in Höhe von 5.112,92 € zuerkannt und die Beklag-
te des Weiteren verurteilt, an Eides Statt zu versichern, dass sie ihre im Laufe
des Verfahrens gegebenen Auskünfte über vorgenommene Schaltungen nach
bestem Wissen erteilt habe.
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Die gegen die Teilabweisung gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolg-
los geblieben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen den von der Klägerin geltend ge-
machten Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abgewiesen.
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Der Senat hat die Revision der Klägerin insoweit zugelassen, als das Be-
rufungsgericht einen weiteren Schadensersatzanspruch wegen der seit dem
1. Januar 1994 im Fernsehen erfolgten Schaltungen des Werbespots "ESSO
TV C-Store 3/93" verneint hat. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin mit der
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Revision ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin wegen unlizenzierter Nutzung
von Ausschnitten aus der Tonaufnahme "Whistling for a train" im Jahre 1994
unter dem Gesichtspunkt einer Lizenzanalogie einen Schadensersatzanspruch
aus § 97 Abs. 1 UrhG (a.F.) in Höhe von 5.112,92 € zuerkannt. Die weiterge-
hende Klage hat es für unbegründet erachtet. Dazu hat das Berufungsgericht
ausgeführt:
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Die Klägerin sei Inhaberin der Tonträgerherstellerrechte an der streitge-
genständlichen Aufnahme, von der die Beklagte in den Jahren 1993 und 1994
Ausschnitte für ihren Werbespot benutzt habe. Für die Nutzung im Jahre 1993
stünden der Klägerin keine Ansprüche mehr zu, weil die Parteien des Nut-
zungsvertrages - der Geschäftsführer der Klägerin persönlich und M.
- eine Pauschalvergütung von 10.000 DM für alle im Jahre 1993 vor-
genommenen Schaltungen vereinbart hätten.
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Die Nutzungsvereinbarung habe sich dagegen nicht auf Schaltungen des
Werbespots mit der streitgegenständlichen Hintergrundmusik im Jahre 1994
erstreckt. Der Klägerin stehe daher wegen der unlizenzierten Nutzung der Ton-
aufnahme "Whistling for a train" der zuerkannte Zahlungsanspruch unter dem
Gesichtspunkt einer Lizenzanalogie zu. Daneben sei auch ein Schadensersatz-
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anspruch auf Bezahlung fiktiver Lizenzen für 1994 aus § 97 Abs. 1 UrhG a.F.
gegeben.
Maßstab für die Höhe des Zahlungsanspruchs der Klägerin sei die für
das Jahr 1993 getroffene Nutzungsvereinbarung. Diese sei in der Weise auszu-
legen, dass für das Jahr 1993 eine Pauschalvergütung von 10.000 DM für eine
unbeschränkte Nutzung geschuldet gewesen sei. Demgemäß hätten verständi-
ge Vertragspartner auch für das Jahr 1994 eine entsprechende Vergütung
- unabhängig von der Anzahl der vorgenommenen Schaltungen - getroffen.
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Ein Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung über die im Jahre 1994
vorgenommenen Schaltungen bestehe nicht, da die Beklagte die begehrte Aus-
kunft während des Rechtsstreits erteilt habe. Über Schaltungen im Kino und
Hörfunk brauche die Beklagte keine Auskunft zu erteilen, da es keine Anhalts-
punkte gebe, dass sie den Spot auch in diesen Medien verbreitet habe. Hin-
sichtlich der für das Jahr 1994 erteilten Auskunft brauche die Beklagte nicht die
Richtigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern, da ihr nicht vorgeworfen
werden könne, dass sie die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt
habe.
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II. Die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenom-
mene Bemessung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin wegen der seit
dem 1. Januar 1994 im Fernsehen erfolgten Schaltungen des Werbespots
"ESSO TV C-Store 3/93" haben Erfolg. Sie führen insoweit zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-
richt.
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1. Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus-
gegangen, dass der Klägerin gegen die Beklagte wegen der im Jahre 1994 vor-
genommenen Schaltungen des Werbespots "ESSO TV C-Store 3/93" dem
Grunde nach aus § 97 Abs. 1 UrhG a.F. (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG n.F.) ein
Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zusteht.
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Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht fest-
gestellt, dass die Klägerin Inhaberin der Tonträgerherstellerrechte gemäß § 85
UrhG an der Tonaufnahme "Whistling for a train" ist. Unstreitig hat die Beklagte
in den Jahren 1993 und 1994 Ausschnitte aus dieser Aufnahme als Hinter-
grundmusik für den hier in Rede stehenden Werbespot benutzt. Nach den wei-
teren Feststellungen des Berufungsgerichts war die Beklagte hierzu im Jahre
1994 nicht (mehr) berechtigt, da die zwischen dem Geschäftsführer der Kläge-
rin und M. vereinbarte Nutzungsrechtseinräumung sich nicht auf
den Zeitraum ab 1. Januar 1994 erstreckt hat.
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2. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die vom Berufungsgericht
vorgenommene Bemessung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin.
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a) Die Klägerin ist als Gläubigerin des Schadensersatzanspruchs aus
§ 97 Abs. 1 UrhG a.F. berechtigt, Schadensersatz nach den Grundsätzen der
Lizenzanalogie zu verlangen. Bei dieser Art der Berechnung der Höhe des zu
leistenden Schadensersatzes ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als
Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen ver-
einbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung.
Dabei ist unerheblich, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine
Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen (BGH, Urt. v.
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6.10.2005 - I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Tz. 23 = WRP 2006, 274 - Presse-
fotos, m.w.N.).
b) Die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr hat der
Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls
nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Im Revisionsverfahren ist nur zu
prüfen, ob die tatrichterliche Schätzung auf grundsätzlich falschen oder offenbar
unsachlichen Erwägungen beruht oder ob wesentliche, die Entscheidung be-
dingende Tatsachen außer Acht gelassen worden sind, insbesondere ob schät-
zungsbegründende Tatsachen nicht gewürdigt worden sind, die von den Partei-
en vorgebracht worden sind oder sich aus der Natur der Sache ergeben (vgl.
BGHZ 77, 16, 24 - Tolbutamid; 97, 37, 50 - Filmmusik; BGH, Urt. v. 3.7.1986
- I ZR 159/84, GRUR 1987, 36 - Liedtextwiedergabe II; BGH GRUR 2006, 136
Tz. 24 - Pressefotos). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Bemessung
der angemessenen Lizenzgebühr ist nicht frei von solchen Fehlern.
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c) Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass zwischen den Partei-
en für das Jahr 1993 eine Nutzungsvereinbarung gegolten hat, die eine Pau-
schalvergütung in Höhe von 10.000 DM - unabhängig von der Anzahl der
Schaltungen - vorgesehen hat. Es hat angenommen, eine entsprechende Pau-
schalvergütung stelle auch für das Jahr 1994 jedenfalls so lange eine ange-
messene Grundlage für eine Schadensschätzung dar, als nicht eine deutliche
Ausweitung der Nutzung nach Anzahl der Schaltungen und Art der Medien über
diejenige des Jahres 1993 hinaus gegeben sei, was im Streitfall nicht ange-
nommen werden könne. Vernünftige Vertragsparteien hätten die Lizenzberech-
nung nicht auf eine Stücklizenz umgestellt oder sonst gänzlich andere Bedin-
gungen vereinbart, wenn sich die Erstellung des neuen Werbespots, der den
streitgegenständlichen Spot ersetzt hätte, lediglich verzögert hätte und die bis-
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herige Nutzung nach Art und Umfang lediglich noch eine Zeitlang fortgesetzt
worden wäre. Dadurch hätte sich an der Grundkonstellation nichts geändert,
dass der Spot nur übergangsweise habe zum Einsatz kommen sollen.
d) Bei diesen Erwägungen hat das Berufungsgericht wesentliche schät-
zungsbegründende Tatsachen, die insbesondere von der Klägerin vorgetragen
worden sind, nicht genügend berücksichtigt. Im Rahmen der Ermittlung des ob-
jektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenz-
gebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzel-
falls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (BGH GRUR 2006,
136 Tz. 26 - Pressefotos). Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsge-
richt dieser Anforderung nicht gerecht geworden ist.
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Das Berufungsgericht hat die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr in
der Weise berechnet, dass es die für das Jahr 1993 vereinbarte Pauschalvergü-
tung auf das Jahr 1994 fortgeschrieben hat, da nicht anzunehmen sei, dass im
Jahre 1994 eine deutliche Ausweitung der Nutzung nach Anzahl der Schaltun-
gen und Art der Medien stattgefunden habe. Die Revision weist mit Recht dar-
auf hin, dass eine "Fortschreibung" der für 1993 geltenden Vertragsbedingun-
gen auf die im Jahre 1994 erfolgten unberechtigten Nutzungen nur dann ge-
rechtfertigt wäre, wenn davon ausgegangen werden könnte, dass die für 1993
getroffene Lizenzvereinbarung dem objektiven Wert der Nutzungsberechtigung
entsprochen hätte. Dies hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt und
kann auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts auch nicht angenommen
werden.
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Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass eine Pauschalver-
gütung von 10.000 DM für das restliche Jahr 1993 (Juli bis Dezember) ohne
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Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Schaltungen erheblich unter dem
objektiven Wert einer solchen Nutzungserlaubnis liege. Sie hat die Ansicht ver-
treten, eine Vergütung in dieser Höhe sei derart unangemessen, dass bereits
die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten sei. Hätte die Klägerin - wie sie
geltend gemacht hat - die Nutzungsberechtigung für das Jahr 1993 zu einer
deutlich unter ihrem objektiven Wert liegenden Vergütung erteilt, so stellte das
vereinbarte Entgelt keine geeignete Grundlage für die Bemessung der Lizenz-
gebühr für die im Jahre 1994 erfolgte unberechtigte Nutzung von Ausschnitten
aus der Tonaufnahme "Whistling for a train" dar. Die Klägerin ist nach ihrem
- für die Revisionsinstanz zu unterstellenden - Vortrag bei Abschluss der Li-
zenzvereinbarung davon ausgegangen, dass der Werbespot der Beklagten mit
der in Rede stehenden Hintergrundmusik höchstens zehn bis zwanzig Mal im
Jahre 1993 geschaltet werde und nicht - wie unstreitig geschehen - 102 Mal.
Trifft dies zu, kann entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht ange-
nommen werden, dass sie - hätte sie Kenntnis von der Anzahl der tatsächlich
vorgenommenen Schaltungen des Werbespots gehabt - für das Jahr 1994
(noch einmal) einen Vertrag gleichen Inhalts abgeschlossen hätte.
III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben, soweit
das Berufungsgericht einen weiteren Schadensersatzanspruch wegen der seit
dem 1. Januar 1994 im Fernsehen erfolgten Schaltungen des Werbespots
"ESSO TV C-Store 3/93" für unbegründet erachtet hat. Im wiedereröffneten Be-
rufungsverfahren wird das Berufungsgericht den objektiven Wert der hier in Re-
de stehenden Benutzungsberechtigung gemäß § 287 ZPO unter Würdigung
aller relevanten Umstände des Streitfalls zu ermitteln haben. Hierzu weist der
Senat noch auf Folgendes hin:
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Bei der Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr liegt es nahe,
branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen,
wenn sich in dem entsprechenden Zeitraum eine solche Übung herausgebildet
hat (vgl. BGH GRUR 2006, 136 Tz. 23 - Pressefotos). Es wird deshalb zu prü-
fen sein, ob es für die einschlägige Nutzungsart - die Verwendung einer Ton-
aufnahme in einem Fernsehwerbespot - Tarifwerke von Verwertungsgesell-
schaften oder Vergütungssätze anderer Organisationen gibt, die als allgemein
übliche Vergütungssätze anzusehen sind oder zumindest als Anhaltspunkt die-
nen können. Dabei wird die von der Klägerin genannte Empfehlung des Deut-
schen Musikverlegerverbandes zu würdigen sein. Lassen sich keine üblichen
Honorare ermitteln, ist die angemessene Lizenzgebühr gemäß § 287 ZPO unter
Berücksichtigung aller Umstände in freier Beweiswürdigung zu schätzen (BGH,
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Urt. v. 29.5.1962 - I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 513 - Dia-Rähmchen II). Da-
bei sind der Umfang der Nutzung, der Wert des verletzten Ausschließlichkeits-
rechts sowie Umfang und Gewicht des aus dem geschützten Werk übernom-
menen Teils zu berücksichtigen (vgl. Schricker/Wild, Urheberrecht, 3. Aufl.,
§ 97 UrhG Rdn. 63).
Bornkamm
Pokrant
Schaffert
Bergmann
Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 05.11.2004 - 308 O 392/98 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 07.12.2005 - 5 U 180/04 -