Urteil des BGH vom 14.11.2012

BGH: eintritt des versicherungsfalles, lebensversicherung, nichteheliche lebensgemeinschaft, versicherungsnehmer, bezugsrecht, versicherungsvertrag, darlehen, versicherungsleistung, immobilie, rüge

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 219/12
vom
14. November 2012
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzen-
de Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 14. November 2012
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen
das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln
vom 15. Juni 2012 durch Beschluss nach § 552a ZPO zu-
rückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bin-
nen
vier Wochen
Gründe:
I. Der Kläger und seine frühere Lebensgefährtin (im Folgenden:
Erblasserin) schlossen bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Juni 2003
eine Risikolebensversicherung auf verbundene Leben. Dabei waren bei-
de Partner versicherte Personen und räumten sich wechselseitig ein Be-
zugsrecht für den Todesfall ein. In den dem Vertrag zugrunde liegenden
Allgemeinen Bedingungen für die Risikoversicherung heißt es in § 16 zu
"Wer erhält die Versicherungsleistung?" unter anderem:
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"1. Die Leistung aus dem Versicherungsvertrag erbringen
wir an Sie als unseren Versicherungsnehmer oder an Ihre
Erben, falls Sie uns keine andere Person benannt haben,
die bei Eintritt des Versicherungsfalles Ansprüche au s dem
Versicherungsvertrag erwerben soll (Bezugsberechtigter).
Bis zum Eintritt des Versicherungsfalles können Sie das
Bezugsrecht jederzeit widerrufen.
4. Die Einräumung und der Widerruf eines widerruflichen
Bezugsrechts (vgl. Abs.
1) … sind uns gegenüber nur und
erst dann wirksam, wenn sie uns vom bisherigen Berechtig-
ten schriftlich angezeigt worden sind. Der bisherige Berec h-
tigte sind im Regelfall Sie; es können aber auch andere
Personen sein, sofern Sie bereits vorher Verfügungen vor-
genommen haben."
Der Beklagte zu 1 ist der Sohn der Erblasserin aus erster Ehe; fer-
ner haben der Kläger und die Erblasserin einen weiteren gemeinsamen
Sohn. Am 6. Dezember 2008 beendeten der Kläger und die Erblasserin
ihre nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die Erblasserin teilte daraufhin
der Beklagten zu 2 mit, sie wünsche eine Änderung der Bezugsberecht i-
gung ihrer Lebensversicherung dahin, dass der Beklagte zu 1 der Be-
günstigte sein solle. Die Beklagte zu 2 verlangte hierfür eine gemeinsa-
me Erklärung der Erblasserin und des Klägers, die Letzterer ablehnte.
Am 3. Mai 2009 verstarb die Erblasserin. Der Beklagte zu 1 ist ihr testa-
mentarischer Alleinerbe. Nachdem die Beklagte zu 2 sowohl vom Kläger
als auch vom Beklagten zu 1 zur Leistung der Versicherungssumme auf-
gefordert worden war, hinterlegte die Beklagte zu 2. Der Kläger verlangt
vom Beklagten zu 1 Zustimmung zur Auszahlung der hinterlegten Versi-
cherungssumme sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgung s-
kosten. Darüber hinaus nimmt er beide Beklagte auf Zahlung von Ver-
zugszinsen in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos g e-
blieben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
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II. Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor. Die
Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.
von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur der Fall, wenn sie ei-
ne entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige
Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen
stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an
der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt
(BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288,
291). Dies ist für die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob auch
auf die verbundene Lebensversicherung die Grundsätze über den We g-
fall der Geschäftsgrundlage Anwendung finden, nicht der Fall. Die grun d-
legenden Fragen sind durch die Rechtsprechung geklärt. Im Übrigen
handelt es sich um Entscheidungen im Einzelfall, die einer grundsätzl i-
chen Klärung nicht zugänglich sind.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgega n-
gen, dass die dem Kläger in dem Versicherungsvertrag durch die Erblas-
serin eingeräumte Bezugsberechtigung durch diese zu ihren Lebzeiten
nicht wirksam gem. § 16 Ziff. 1 und 4 der Allgemeinen Bedingungen für
die Risikoversicherung widerrufen wurde. Für das Bezugsrecht aus einer
Lebensversicherung kommt es auf das Deckungsverhältnis zwischen
Versicherungsnehmer und Versicherer und die dort vereinbarten Bedin-
gungen an (Senatsurteil vom 30. November 1994 - IV ZR 290/93, BGHZ
128, 125, 132). Aus dem Versicherungsvertrag ergibt sich, dass es sich
um eine Risikolebensversicherung auf verbundene Leben ha ndelt, bei
der der Kläger und die Erblasserin jeweils Versicherungsnehmer und
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versicherte Person sind und bei der ein wechselseitiges Bezugsrecht b e-
steht. Eine Änderung dieses Bezugsrechts kann nach § 16 Ziff. 1 und 4
der Allgemeinen Bedingungen für die Risikoversicherung nur durch den
Berechtigten erfolgen. Bei einer Versicherung für verbundene Leben
handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, bei dem jeder Versiche-
rungsnehmer seine Leistung, nämlich die Einsetzung des anderen zum
Bezugsberechtigten, nur in der Erwartung und unter der Bedingung er-
bringt, dass der andere ein gleiches tut (OLG Stuttgart VersR 1954, 186;
ferner OLG Köln VersR 1992, 1337). Hieraus folgt, dass das Recht zum
Widerruf einer einmal eingeräumten Bezugsberechtigung nur von beiden
Versicherungsnehmern gemeinsam ausgeübt werden kann (Benkel/
Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. § 13
ALB 2008 Rn. 41; Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VVG
2. Aufl. § 159 Rn. 57; Reiff/Schneider in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl.
§ 13 ALB 86 Rn. 14). Daran fehlt es hier, so dass der Kläger Bezugsbe-
rechtigter der Lebensversicherung geblieben ist.
b) Ob der von einer Bezugsberechtigung Begünstigte die Versich e-
rungsleistung im Verhältnis zu den dem Versicherungsnehmer nach fol-
genden Erben behalten darf, beantwortet demgegenüber allein das Val u-
taverhältnis (Senatsurteile vom 21. Mai 2008 - IV ZR 238/06, VersR
2008, 1054 Rn. 21; vom 30. November 1994 - IV ZR 290/93, BGHZ 128,
125, 132; vom 1. April 1987 - IVa ZR 26/86, VersR 1987, 659, 660 unter
2.). Ist der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung im Valut a-
verhältnis entfallen, so kann der Erbe des Versicherungsnehmers dem
Bezugsberechtigten den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
gemäß § 242 BGB entgegenhalten (vgl. OLG Hamm VersR 2002, 1409).
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Ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen kann sich bei der Einrä u-
mung eines Bezugsrechts in einer Lebensversicherung aus einer Sche n-
kung oder einer unbenannten Zuwendung sowohl bei Ehegatten als auch
bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergeben. Handelt
es sich um eine Versicherung für verbundene Leben, so erg ibt sich der
Rechtsgrund aus dem zwischen den Versicherungsnehmern und Be-
zugsberechtigten geschlossenen gegenseitigen Vertrag. Die Geschäfts-
grundlage einer derartigen Bezugsberechtigung kann insbesondere das
Bestehen einer Ehe bzw. deren Fortbestand sein (Senatsurteil vom
1. April 1987 - IVa ZR 26/86, VersR 1987, 659, 660 unter 3; BGH, Urteil
vom 8. Juli 1982 - IX ZR 99/80, BGHZ 84, 361, 368). Die Grundsätze
über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bei wechselseitigen Zuwe n-
dungen kommen nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften zur Anwendung (BGH,
Urteile vom 6. Juli 2011 - XII ZR 190/08, NJW 2011, 2880 Rn. 18 f.; vom
25. November 2009 - XII ZR 92/06, NJW 2010, 998 Rn. 25; vom 9. Juli
2008 - XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193 Rn. 33), d.h. auch bei verbunde-
nen Lebensversicherungen zwischen Ehegatten oder Partnern einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Gerade in den Fällen, in denen sich
Ehegatten oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in e i-
ner verbundenen Lebensversicherung als Versicherungsnehmer und ve r-
sicherte Personen jeweils wechselseitig ein Bezugsrecht nach dem Tod
des Erstversterbenden einräumen, kann bei Scheitern der Ehe oder der
nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Wegfall der Geschäftsgrundlage
in Betracht kommen. Ob die Geschäftsgrundlage weggefallen ist, richtet
sich nach einer Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles, insb e-
sondere Dauer der Ehe oder Lebensgemeinschaft, Alter der Parteien, Art
und Umfang der erbrachten Leistungen, Höhe der dadurch bedingten und
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noch vorhandenen Vermögensmehrung, Einkommens- und Vermögens-
verhältnisse (BGH, Urteile vom 6. Juli 2011 aaO Rn. 24; vom 8. Juli 1982
- IX ZR 99/80, BGHZ 84, 361, 368). Dies ist im Einzelfall durch den
Tatrichter zu entscheiden, ohne dass sich allgemein klärungsfähige
Rechtsfragen stellen.
2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
Das Berufungsgericht hat unter Abwägung der maßgeblichen Umstände
und unter Zugrundelegung des jeweiligen Parteivortrags rechtsfehlerfrei
entschieden, dass die Voraussetzungen für einen Wegfall der G e-
schäftsgrundlage gegeben sind. Die hiergegen gerichteten Angriffe der
Revision dringen nicht durch.
a) Zwar kann die Bezugsberechtigung über die Ehescheidung oder
das Scheitern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hinaus fortb e-
stehen bei Vorhandensein von Kindern, dem Erfordernis einer Kredita b-
sicherung, der weiter bestehenden Zahlungsverpflichtung auf den Kredit
und der Schmälerung des Unterhaltsanspruchs wegen dieser Rückza h-
lungsverpflichtung (OLG Köln FamRZ 1998, 193 f.; MünchKomm-VVG/
Heiss, § 159 Rn. 94). Das Berufungsgericht hat diese Umstände aber in
seine Abwägung einbezogen. Insbesondere hat es berücksichtigt, dass
der Kläger und die Erblasserin Eltern eines im Jahr 2003 geborenen ge-
meinsamen Sohnes sind. Wenn das Berufungsgericht auf dieser Grund-
lage darauf abstellt, dass die Existenz eines gemeinsamen Kindes d er
bisherigen Lebenspartner nur ein Element innerhalb der Gemeinschaft
und daher nicht allein die Grundlage der Bezugsberechtigung aus dem
Versicherungsvertrag gewesen sei, ist das aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
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Ebenso hat das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten zu 1
in Rechnung gestellt, die Risikolebensversicherung habe der Absich e-
rung eines Finanzierungskredits für eine von der Erblasserin erworbene
Immobilie gedient.
Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, der Kläger sei nach
dem Scheitern der Lebensgemeinschaft nicht mit den Hauskaufschulden
belastet, weil er eine Beteiligung an der Darlehensaufnahme für die von
der Erblasserin erworbene Immobilie selbst nicht behaupte, dringt der
Kläger mit seiner Rüge aus § 139 ZPO nicht durch. Er räumt selbst ein,
dass er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Ber u-
fungsgericht eine eigene Darlehensbeteiligung nicht vorgetragen hat.
Vielmehr hat er im Gegenteil behauptet, dass die Lebensversicherung
keiner Immobilienfinanzierung gedient habe. Auch im Antrag für die Risi-
kolebensversicherung ist die Frage, ob dieser von besonderen Vereinb a-
rungen, z.B. einer Hypothekenbeschaffung, abhängig ist, ausdrücklich
verneint worden. Wenn der Kläger darüber hinaus anlässlich seiner An-
hörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht trotz
des entgegenstehenden Vortrags der Beklagten ausdrücklich erklärt, die
Lebensversicherung sei nicht als Sicherheit für ein Immobiliendarlehen
eingesetzt worden und auch eine eigene Beteiligung an dem aufgenom-
menen Darlehen, sei es als Mitdarlehensnehmer, sei es als Bürge , nicht
erwähnt, kann von einem Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 139
ZPO keine Rede sein. Es wäre vielmehr Sache des Klägers gewesen,
bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung vorzutragen, dass er für
das Darlehen gebürgt hat, wie das erst in seinem nach der mündlichen
Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 6. Juni 2012 der Fall war.
Erst recht gilt dies für den erstmals im Revisionsverfahren gehaltenen
Vortrag, dass der Kläger nicht nur Bürge, sondern sogar Mitdarlehen s-
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nehmer gewesen sei. Hinzu kommt, dass eine mögliche Mithaftung des
Klägers für das Darlehen mangels zusätzlicher Anhaltspunkte nicht
zwingend dafür sprechen muss, dass sein Bezugsrecht trotz Scheitern s
der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in jedem Fall erhalten bleiben
sollte. Immerhin fließt die Versicherungssumme dem Beklagten zu 1 als
Erben zu, der hiervon die Darlehenstilgung vornehmen kann.
Soweit der Kläger erstmals im Revisionsverfahren Vortrag zu sei-
nen Einkommensverhältnissen sowie denjenigen der Erblasserin gehal-
ten hat, kann er hiermit bereits aus prozessualen Gründen nicht gehört
werden. Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 139 ZPO ist nicht
ersichtlich, zumal der Kläger selbst nicht darlegt, welche Folgerungen
sich aus den Einkommensverhältnissen für die Frage des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage bezüglich der Bezugsberechtigung ergeben sollen.
Die Verpflichtung des Klägers, die Versicherungsprämien zumindest tei l-
weise zu tragen, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass er selbst
Versicherungsnehmer ist.
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht schließlich berücksichtigt,
dass es gegen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage spricht, wenn auch
nach Scheitern einer Ehe oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
weiterhin durch den einen Partner Leistungen erbracht werden, insb e-
sondere eine einseitig widerrufliche Bezugsberechtigung bestehen g e-
lassen wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1996 - II ZR 340/95, NJW 1996,
2727 unter 2; OLG Hamm VersR 2002, 1409, 1410; OLG Koblenz VersR
1999, 830, 832; MünchKomm-VVG/Heiss VVG § 159 Rn. 93; Ortmann in
Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VVG 2. Aufl. § 159 Rn. 31). Ein derar-
tiger einseitiger Widerruf der Erblasserin kam hier nicht in Betracht, da
bei der verbundenen Lebensversicherung das Widerrufsrecht für die B e-
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zugsberechtigung beiden Versicherungsnehmern gemeinschaftlich z u-
steht und sich der Kläger mit einer Änderung der Bezugsberechtigung
nicht einverstanden erklärt hatte.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme
erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 22.07.2011 - 26 O 272/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 15.06.2012 - 20 U 160/11 -