Urteil des BGH vom 17.12.2009

Berichtigungsbeschluss

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
IX ZR 16/09 Verkündet
am:
17. Dezember 2009
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 2 Satz 1
Der Anfechtungsgegner einer unentgeltlichen Leistung muss darlegen und beweisen,
dass er nicht mehr bereichert ist.
BGH, Versäumnisurteil vom 17. Dezember 2009 - IX ZR 16/09 - OLG Dresden
LG Dresden
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die
Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und Grupp
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. Dezember 2008 aufge-
hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. August 2005 eröffneten Insolvenz-
verfahren über das Vermögen der W.
GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese war aus der örtlichen kommunalen Woh-
nungsverwaltung hervorgegangen. Gesellschafter der Schuldnerin waren die
J. KG (Mehrheitsgesellschafterin; fortan: J. KG) und die M.
Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH (fortan: M. GmbH). Alleinige Kommandi-
tistin der J. KG war die Beklagte. Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis
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sowohl der Schuldnerin als auch der M. GmbH war der Ehemann der Beklag-
ten, A. J. ; er war zugleich persönlich haftender Gesellschafter sowohl der
J. KG als auch der M. GmbH.
Am 5. Dezember 2002 schloss die Schuldnerin mit der E.
GmbH (fortan: E. ) einen Wärmelieferungsvertrag.
Darin verpflichtete sich die E. , den Wohnungsbestand der Schuldnerin mit
Wärme zur Raumheizung und zur Warmwasserbereitung zu beliefern. Der Ver-
trag enthielt Regelungen über die Berechnung des zu entrichtenden Wärme-
preises. Die Vertragsdauer belief sich auf mindestens 20 Jahre. Am selben Tag
schlossen die Vertragsparteien und die J. KG, die in der Vertragsurkunde ne-
ben der Schuldnerin als "Kunde" bezeichnet wird, einen mit "Sondervereinba-
rung" überschriebenen Vertrag. Darin versprach die E. "als Gegenleistung" für
die Verpflichtung des Kunden, Wärme für mindestens 20 Jahre ausschließlich
von ihr zu beziehen, eine einmalige Zahlung von 490.840 € zuzüglich Umsatz-
steuer. Der Betrag war unter näher bestimmten Voraussetzungen in einer
Summe zur Auszahlung fällig. Rechnerisch war er auf die 240 Monate der Min-
destvertragslaufzeit zu verteilen. "Der Kunde" verpflichtete sich zur (gegebe-
nenfalls anteiligen) Rückzahlung, falls der Wärmelieferungsvertrag aus Grün-
den, die er verursachte, nicht (oder nicht ganz) erfüllt wurde.
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Die E. zahlte den vereinbarten Betrag zu treuen Händen an einen No-
tar, den sie von dem wesentlichen Inhalt beider Verträge unterrichtete. Diesem
gegenüber erklärte sie mit Schreiben vom 27. Dezember 2002 die "Freigabe".
Sie ersuchte den Notar, den Betrag "entsprechend" auszukehren. Schon zuvor,
nämlich mit Schreiben vom 12. Dezember 2002, hatte A. J. unter der
Verwendung eines Briefbogens einer weiteren von ihm geführten Gesellschaft
den Notar angewiesen, aus dem hinterlegten Guthaben einen Teilbetrag von
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429.374 € auf ein näher bezeichnetes Konto der Beklagten zu überweisen.
Dem entsprach der Notar am 30. Dezember 2002 im Wesentlichen. Am
24. Januar 2003 überwies er weitere 35,31 € auf dieses Konto.
Der Kläger hat von der Beklagten die Rückzahlung beider Beträge (ins-
gesamt 429.359,31 €) aus Bereicherung sowie aus Insolvenzanfechtung be-
gehrt. Das Landgericht hat dem Bereicherungsanspruch stattgegeben. Das Be-
rufungsgericht hat die Klage aus beiden Rechtsgründen abgewiesen. Mit der
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren
voll umfänglich weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat gemeint, der von der Vorinstanz für begründet
angesehene Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB schei-
tere gemäß § 814 BGB an der Kenntnis des Leistenden. Dem klägerischen
Vorbringen sei zu entnehmen, dass A. J. als Geschäftsführer der
Schuldnerin beide Beträge der Beklagten in dem Bewusstsein zugewandt habe,
dass ein Zahlungsanspruch ihrerseits nicht bestehe.
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Die Schenkungsanfechtung (§ 143 Abs. 1 in Verbindung mit § 134 Abs. 1
InsO) scheide ebenfalls aus. Beide Zahlungen fielen allerdings in den von § 134
InsO geschützten Zeitraum. Der Kläger habe jedoch die Unentgeltlichkeit nicht
nachweisen können. Lege man die Darstellung des Klägers zugrunde, liege ein
Zwei-Personen-Verhältnis vor. Die Verfügung sei dann unentgeltlich, wenn ihr
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nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenüberstehe, dem
Verfügenden also keine Gegenleistung zufließen solle. Eine solche werde auch
von der Beklagten nicht geltend gemacht. Sie habe sich jedoch - nicht wider-
legbar - auch damit verteidigt, die Leistung sei an die J. KG gerichtet gewesen
und von ihr lediglich als Treuhänderin in Empfang genommen worden. Treffe
dies zu, liege ein Drei-Personen-Verhältnis vor, bei dem es nach der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs darauf ankomme, ob der Zuwendungsemp-
fänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen gehabt habe. Nach Auffas-
sung des Senats könne eine die Unentgeltlichkeit ausschließende Gegenleis-
tung auch darin liegen, dass durch den Empfang der Leistung eine werthaltige
Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten, hier der J. KG, erst begründet werde.
Eine solche könne gemäß §§ 662, 667 BGB in der Verpflichtung der Beklagten
bestanden haben, Zahlungseingänge weisungsgemäß zu verwenden oder he-
rauszugeben. Die Parteien hätten sich bezüglich der umstrittenen Treuhandab-
rede auf den Zeugen A. J. berufen. Unter Ausschöpfung der zur Verfü-
gung stehenden Mittel sei es dem Gericht nicht gelungen, dessen Vernehmung
zu erreichen. Die hierdurch verbliebene Ungewissheit, ob die von der Beklagten
behauptete Treuhandvereinbarung bestehe, gehe zu Lasten des Klägers, weil
sie die Anfechtungsvoraussetzung der Unentgeltlichkeit betreffe. Andere An-
fechtungstatbestände kämen nicht in Betracht.
II.
1. Auf die Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil einer unein-
geschränkten rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Das Berufungsgericht hat die
Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Der Entscheidungssatz des
Berufungsurteils enthält keinen Zusatz, durch den die Zulassung der Revision
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eingeschränkt wird. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
sind für die Prüfung des Umfangs der zugelassenen Revision zwar auch die
Entscheidungsgründe des Berufungsurteils heranzuziehen (BGH, Urteil vom
3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716 m.w.N.). Für eine wirksa-
me Beschränkung der Zulassung ist es aber erforderlich, dass sich dies klar
aus den Gründen ergibt. Der Bundesgerichtshof hat es wiederholt als unzurei-
chend angesehen, wenn das Berufungsgericht lediglich eine Begründung für die
Zulassung der Revision genannt hat, ohne weiter erkennbar zu machen, dass
es die Zulassung auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitge-
genstandes hat beschränken wollen (BGHZ 153, 358, 361; BGH, Urteil vom
9. Oktober 2008 - IX ZR 59/07, WM 2008, 2178, 2179 Rn. 9). Die Zulassung
der Revision im Hinblick auf die Beweislastverteilung bei der Schenkungsan-
fechtung (§ 134 InsO) stellt keine eindeutige Beschränkung dar, die den Senat
daran hinderte, auch die bereicherungsrechtlichen Ansprüche zu überprüfen
(vgl. BGH, Urt. v. 9. Oktober 2008, aaO Rn. 9).
2. Die Revision des Klägers hat Erfolg.
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a) Da die Beklagte in der Revisionsverhandlung nicht vertreten war, ist in
der Sache selbst über die Revision des Klägers antragsgemäß durch Versäum-
nisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf
der Säumnis, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und
Streitstands, soweit er in der Revisionsinstanz angefallen ist (vgl. BGHZ 37, 79,
81 f).
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b) Die Verneinung des Anfechtungsanspruchs aus § 134 Abs. 1, § 143
InsO hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsge-
richt hat offen gelassen, ob der Zahlungsanspruch aus der Sondervereinbarung
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zum Wärmelieferungsvertrag vom 5. Dezember 2002 der Schuldnerin, der
J. KG oder aber beiden Gesellschaften als Gesamtgläubigern (§ 428 Satz 1
BGB) zustand. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken.
aa) War der Betrag allein der J. KG geschuldet oder war er von der E.
jedenfalls auf eine solche Verbindlichkeit etwa als Maklerprovision gezahlt wor-
den, sind der Schuldnerin mit der Zahlung auf das Anderkonto des Notars keine
Mittel zugeflossen, über die A. J. als Geschäftsführer der Schuldnerin mit
der Anweisung an den Notar, einen Teilbetrag auf das Konto der Beklagten zu
überweisen, zu Lasten der künftigen Masse (§ 129 Abs. 1 InsO) verfügt haben
könnte. Ein Anspruch des klagenden Insolvenzverwalters über das Vermögen
der Schuldnerin aus Insolvenzanfechtung schiede dann grundsätzlich aus.
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War das Zahlungsgeschehen in der Weise zu würdigen, dass A. J.
den im Ergebnis der J. KG zustehenden Betrag zunächst dem Schuldnerver-
mögen einverleibt hätte, um ihn dann - soweit vorliegend von Interesse - unter
Einschaltung der Beklagten der J. KG zuzuwenden, ließe sich eine die Gläubi-
ger der Schuldnerin objektiv benachteiligende Deckungshandlung (§ 129 Abs. 1
InsO) zwar möglicherweise nicht verneinen. Der Kläger hätte dann aber die An-
fechtungsklage gegen die J. KG richten müssen. Bei dieser vom Berufungsge-
richt ebenfalls für möglich gehaltenen Konstellation wäre die Beklagte nicht als
Zahlungsempfängerin, sondern nur als Empfangsbeauftragte des Gläubigers (J.
KG) eingeschaltet worden. In einem solchen Fall ist der Gläubiger und nicht der
Empfangsbeauftragte zur Rückgewähr der Leistung verpflichtet (vgl. BGH,
Beschl. v. 12. März 2009 - IX ZR 85/06, ZIP 2009, 726, 727 Rn. 2). Dies gilt
unabhängig davon, ob - was die Vorinstanz nicht feststellen konnte - durch die
Übertragung der Gelder auf das Konto der Beklagten dieser in der Funktion ei-
ner uneigennützigen Treuhänderin der J. KG Treugut zu dem Zweck zugewandt
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worden ist, es insgesamt weisungsgemäß weiter zu übertragen (vgl. Münch-
Komm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 134 Rn. 13; OLG Celle ZIP 2006, 1878, 1880).
bb) Anders verhielte es sich hingegen, wenn die Zahlung der E. auf
das Anderkonto des Notars zumindest auch für die Schuldnerin bestimmt ge-
wesen und die nachfolgend erteilte Weisung, den Betrag "entsprechend auszu-
kehren", als Erfüllungshandlung gegenüber der Schuldnerin zu verstehen wäre.
In einem solchen Fall wäre der Zahlbetrag der Schuldnerin mit der Freigabe
zugeflossen und hätte deren Gläubigern fortan als Haftungsmasse zur Verfü-
gung gestanden. Dies hatte der Kläger in den Tatsacheninstanzen unter Hin-
weis darauf geltend gemacht, dass es sich um eine Zahlung allein an die
Schuldnerin gehandelt habe und die J. KG als weiterer "Kunde" ausschließlich
zur Absicherung des Rückzahlungsanspruchs für den Fall der vorzeitigen Auflö-
sung des Wärmelieferungsvertrages in die Sondervereinbarung aufgenommen
worden sei. In diesem Fall griffe die Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO durch,
ohne dass es darauf ankäme, ob das Zielkonto der Beklagten von dieser treu-
händerisch für die J. KG geführt wurde oder nicht. Jedenfalls hätte A. J.
an die Beklagte nicht als Empfangsbeauftragte der J. KG gezahlt. Auf die Un-
terscheidung des Berufungsgerichts danach, ob ein Zwei- oder ein Drei-
Personen-Verhältnis vorliege und ob die in einem Drei-Personen-Verhältnis
maßgebliche Gegenleistung auch in der Begründung einer werthaltigen Ver-
bindlichkeit liegen könne, kommt es deshalb nicht an.
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c) Die Beklagte könnte sich allerdings gegebenenfalls gemäß § 143
Abs. 2 Satz 1 InsO darauf berufen, durch den Empfang der Leistung nicht be-
reichert zu sein. Den hierfür erforderlichen Nachweis hat sie jedoch nicht er-
bracht.
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aa) Die Vorschrift des § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO schränkt die Haftung
wegen Unmöglichkeit der Rückgewähr des empfangenen Gegenstandes, also
auf Wertersatz, ein. Soweit die Leistung des Insolvenzschuldners in Natur noch
vorhanden ist, hat der Anfechtungsgegner sie aber unabhängig von gutem oder
bösem Glauben zurückzugewähren. Gleiches gilt, soweit eine Bereicherung
tatsächlich noch vorhanden ist (Rechtsgedanke des § 818 Abs. 3 BGB; vgl.
MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 143 Rn. 102). Die Beklagte hat ihre von
dem Kläger bestrittene Behauptung, sie habe die auf ihrem Konto eingegange-
nen Zahlungen auf Weisung und zugunsten der J. KG verwendet, weder in ei-
ner der Beweisaufnahme zugänglichen Form vorgetragen (§ 138 Abs. 1 ZPO)
noch unter Beweis gestellt. Insbesondere fehlt jeder Vortrag, aufgrund welcher
Verfügungen sie das Guthaben oder jedenfalls die durch die Überweisung des
Notars gewonnene zusätzliche Liquidität auf dem angeblichen Treuhandkonto
verbraucht hat. Ein solcher Vortrag war unter anderem deshalb erforderlich,
weil der Empfänger zum Beispiel auch dann noch bereichert ist, wenn er durch
die Weggabe des Empfangenen notwendige Ausgaben aus eigenem Vermögen
erspart oder eigene Schulden getilgt hat (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO
§ 143 Rn. 104).
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Die Beklagte hat es in den Tatsacheninstanzen ausdrücklich abgelehnt,
zu der Verwendung der an sie ausgezahlten Gelder weiter vorzutragen. Ihr
Einwand, aufgrund des bestehenden Treuhandvertrages mit der J. KG sei es ihr
ohne Verletzung bestehender Geheimhaltungspflichten "nicht ohne Weiteres
möglich", hier detailliert zu Zahlungen, die über das Treuhandkonto an die
Gläubiger der J. KG geflossen seien, Auskunft zu geben, ist unbehelflich. Die
Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärung findet möglicherwei-
se dort ihre Grenze, wo die darlegungsbelastete Partei sich ansonsten der
Strafbarkeit bezichtigen müsste (vgl. BAG NJW 2004, 2848, 2851; Musie-
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lak/Stadler, ZPO 7. Aufl. § 138 Rn. 3; Hk-ZPO/Wöstmann, 3. Aufl. § 138 Rn. 2;
Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. § 138 Rn. 3). Unterlässt diese unter Bezugnahme
hierauf entsprechenden Vortrag, muss sie aber grundsätzlich die entsprechen-
den prozessualen Konsequenzen hieraus ziehen (Hk-ZPO/Wöstmann, aaO;
Zöller/Greger, aaO). Abgesehen hiervon ist schon nicht erkennbar, aufgrund
welcher tatsächlichen Umstände ein vollständiges Vorbringen der Beklagten zu
der angeblich weisungsgemäßen Verwendung der ihr von der Schuldnerin zur
Verfügung gestellten Mittel eine strafbare Handlung oder jedenfalls ihr zur Un-
ehre reichende Tatsachen aufdecken würde.
bb) Die fehlenden Feststellungen zur "Entreicherung" der Beklagten ge-
hen zu ihren Lasten. Denn nach § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO obliegt dem Anfech-
tungsgegner nicht nur der Nachweis, dass Rückgewähr in Natur unmöglich ist,
sondern weiter, dass und warum er nicht mehr bereichert ist (FK-
InsO/Dauernheim, 5. Aufl., § 143 Rn. 32; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO
§ 143
Rn. 111;
HmbKomm-InsO/Rogge,
3. Aufl.
§ 143
Rn. 91;
Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 143 Rn. 56; vgl. ferner BGH, Urt. v. 20. Juli
2006 - IX ZR 226/03, ZIP 2006, 1639, 1641 Rn. 15). Das Berufungsgericht durf-
te deshalb nicht unentschieden lassen, ob die in der Sondervereinbarung ver-
sprochene "Gegenleistung" der J. KG oder der Schuldnerin zustand.
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III.
Das angefochtene Urteil kann sonach keinen Bestand haben; es ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzu-
verweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 3 ZPO).
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1. Nach der Zurückverweisung wird das Berufungsgericht auch zu prüfen
haben, ob eine Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) allein deswegen
vorliegt, weil der auf das Notarkonto eingezahlte Betrag aus Rechtsgründen
dem Vermögen der Schuldnerin zuzuordnen ist.
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Die Loyalitätspflicht verbietet dem Geschäftsführer, Geschäftschancen
der Gesellschaft als Eigengeschäft auszunutzen. Da er die Interessen der Ge-
sellschaft wahrzunehmen und seine eigenen Interessen dahinter zurückzustel-
len hat, ist es dem Geschäftsführer verboten, sich für den Abschluss eines
Rechtsgeschäfts mit der Gesellschaft von einem Dritten eine Provision verspre-
chen zu lassen (RGZ 96, 53, 54; Scholz/Schneider, GmbHG 10. Aufl. § 43
Rn. 211). Die Gesellschaft kann Auskehr einer verbotenen Provisionszahlung
verlangen (BGHZ 38, 171, 175; 39, 1, 2 f; RGZ 99, 31, 32 f; Scholz/Schneider,
aaO § 43 Rn. 212). Bei dieser Sachlage konnte der Geschäftsführer A. J.
eine aus dem Abschluss des Energielieferungsvertrags herrührende Rückver-
gütung weder für sich selbst noch die von ihm und der Beklagten beherrschte
KG beanspruchen.
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2. Bei dieser Sachlage schließt § 814 BGB entgegen der Annahme des
Berufungsgerichts einen Bereicherungsanspruch der Schuldnerin gegen die
Beklagte nicht aus. Kehrt der Geschäftsführer der GmbH zustehende Mittel
über seine Ehefrau oder ein von ihm beherrschtes Unternehmen an sich selbst
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aus, führt der Missbrauch der Vertretungsmacht dazu, dass sich die Gesell-
schaft die Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes nicht mehr zurechnen lassen
muss (MünchKomm-BGB/Schwab, 5. Aufl. § 814 Rn. 8).
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Ganter Kayser
Gehrlein
Fischer
Grupp
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 18.06.2007 - 10 O 3786/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 23.12.2008 - 13 U 1163/07 -