Urteil des BGH vom 29.07.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 243/13
Verkündet am:
29. Juli 2014
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
GG Art. 9 Abs. 3; BGB §§ 38, 39 Abs. 2
a) Eine Kündigungsfrist in der Satzung eines in der Rechtsform eines eingetragenen
Vereins organisierten Arbeitgeberverbandes, die sechs Monate überschreitet, ist
auch unter Berücksichtigung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten berechtigten
Belange des Verbandes regelmäßig nicht mit der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleiste-
ten individuellen Koalitionsfreiheit seiner Mitglieder vereinbar.
b) Überschreitet die in der Satzung eines Arbeitgeberverbandes bestimmte Kündi-
gungsfrist die im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG zulässige Dauer, bleibt die Rege-
lung in dem mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbaren Umfang aufrechterhalten.
BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 243/13 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juli 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den
Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter
Dr. Drescher und Born
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des
Klägers
gegen
das
Urteil
des
13. Zivilsenats
des
Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. Juni 2013 werden
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte zu
54 % und der Kläger zu 46 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist ein als eingetragener Verein gegründeter Arbeitgeberver-
band. Mitglied des Klägers war die T. GmbH. Von dieser übernahm die Be-
klagte, eine GmbH, im Frühjahr 2010 drei Betriebe im Wege eines „Asset
Deals“. Mit E-Mail vom 31. März 2010 erkundigte sich ein Mitarbeiter der Be-
klagten beim Kläger, ob die Mitgliedschaft automatisch mit dem Betriebsüber-
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gang übergehe, sie ende oder ob gekündigt werden müsse. In einer weiteren E-
Mail vom 16. April 2010 des Mitarbeiters der Beklagten an den Kläger hieß es:
… „Ich hoffe, wir werden auch unter neuer Führung weiter zu-
sammen arbeiten können.“…
In der Folgezeit nahm die Beklagte die Dienste des Klägers mehrfach in
Anspruch; unter anderem ließ sie sich in 78 Arbeitsgerichtsverfahren durch den
Kläger vertreten. Den Mitgliedsbeitrag für das Jahr 2010 zahlte die Beklagte
widerspruchslos.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2011, das der Kläger spätestens am
27. Januar 2011 erhielt, erklärte der Geschäftsführer der Beklagten, die Beklag-
te habe stets deutlich gemacht, keinem Verband anzugehören; ferner habe sie
keine Fortsetzung irgendeiner Mitgliedschaft unterschrieben und niemals beab-
sichtigt, Mitglied des Klägers zu sein. Die Beitragszahlung für das Jahr 2010 sei
irrtümlich erfolgt. Den von ihr geforderten Mitgliedsbeitrag für das Jahr 2011
zahlte die Beklagte nicht.
Die Satzung des Klägers hat u.a. folgenden Inhalt:
§ 4 - Aufnahme
Über Anträge auf Aufnahme in den Verband, die in Schriftform erfolgen
müssen, entscheidet auf Empfehlung der Geschäftsführung der Vorsitzen-
de des Vorstandes oder dessen Stellvertreter. Die Entscheidung erfolgt in
Schriftform.
Gegen die Ablehnung des Antrages ist die Berufung an den Vorstand in-
nerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses möglich. (…).
§ 5 - Beginn und Ende der Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft beginnt mit der Aufnahme. Sie endet mit dem Austritt
oder Ausschluss.
Der Austritt eines Mitgliedes aus dem Verband kann nur durch Kündigung
erfolgen, und zwar mittels eingeschriebenen Briefes an die Geschäftsstelle
bis zum 31.12. eines Jahres zum 31.12. des nächsten Jahres.
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(…)
§ 11 - Vorstand
(…)
Der Vorstand wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden und zwei stellvertre-
tende Vorsitzende. Sie sind Vorstand im Sinne des § 26 BGB. Jeder von
ihnen ist alleinvertretungsberechtigt. Vereinsintern dürfen die stellvertre-
tenden Vorsitzenden von ihrer Vertretungsbefugnis nur dann Gebrauch
machen, wenn der Vorsitzende des Vorstandes verhindert ist.
(…)
Das Landgericht hat der auf Zahlung des Mitgliedsbeitrags für das Jahr
2011 (18.027,78 €) und auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten (564,66 €) ge-
richteten Klage in Höhe von 9.578,55 € (9.013,89 € + 564,66 €) stattgegeben.
Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Anschlussberufung
der Beklagten hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von weiteren
1.352,08 € verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-
folgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, soweit sie zur Zahlung
von mehr als 1.333,56 € (anteiliger Mitgliedsbeitrag bis zum Zeitpunkt des Zu-
gangs des Schreibens vom 24. Januar 2011) verurteilt worden ist. Der Kläger
wendet sich mit der Anschlussrevision gegen die teilweise Abweisung der Klage
(7.661
,81 €) und erstrebt weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung
des vollen Mitgliedsbeitrags für das Jahr 2011.
Entscheidungsgründe:
Revision und Anschlussrevision haben keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Beklagte sei zwar nicht Mitglied des Klägers geworden. Es fehle an
einem, die Formvorschriften der Vereinssatzung einhaltenden Beitritt der Be-
klagten. Die Vertretungsmacht des für den Verein Handelnden sei durch die in
der Satzung geregelten Aufnahmevoraussetzungen beschränkt. In Anwendung
der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sei die Beklagte für die Vergan-
genheit aber so zu behandeln, als ob sie fehlerfrei beigetreten wäre. Das
Schreiben der Beklagten vom 24. Januar 2011 sei als Austrittserklärung zu ver-
stehen. Die Beklagte könne sich vom Verband aber nur unter Einhaltung der
satzungsgemäß vorgesehenen, ab Zugang der Kündigungserklärung laufenden
Kündigungsfrist lösen, die allerdings wegen Verstoßes gegen die negative Koa-
litionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG auf ein angemessenes Maß von sechs Mo-
naten zu reduzieren sei. Wegen der deshalb erst zum 27. Juli 2011 ablaufen-
den Frist sei die Beklagte zur Zahlung eines anteiligen Mitgliedsbeitrages bis zu
diesem Tag verpflichtet.
II. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, so
dass Revision wie Anschlussrevision zurückzuweisen sind.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist allerdings nicht von
einem fehlerhaften Vereinsbeitritt auszugehen. Die Beklagte ist vielmehr Mit-
glied des Klägers infolge schlüssigen Beitritts geworden. Die Nichteinhaltung
des in der Satzung vorgesehenen Aufnahmeverfahrens steht dem nicht entge-
gen.
a) Die Beklagte ist durch schlüssiges Verhalten Mitglied des Klägers ge-
worden. Der Beitritt zu einem Verein setzt den Abschluss eines Aufnahmever-
trages zwischen Bewerber und Verein voraus (BGH, Urteil vom 29. Juni 1987
- II ZR 295/86, BGHZ 101, 193, 196; BAG, NZA 2001, 980, 981; Reichert, Ver-
eins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 1006), der grundsätzlich auch still-
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schweigend zustande kommen kann. Zwar lässt sich nicht feststellen, dass die
Beklagte bei der Überweisung des Mitgliedsbeitrags für das Jahr 2010 und der
Inanspruchnahme der Leistungen des Klägers in der Vorstellung handelte, mit
diesem Verhalten konkludent einen Antrag auf Aufnahme in den klagenden
Verband zu stellen, da sie - ebenso wie die Organe des Klägers - von einem
Übergang der Mitgliedschaft durch den Erwerb der Betriebe von der T.
GmbH ausgegangen sein mag. Dies steht aber der Annahme eines Beitritts
nicht entgegen. Auf das Vorliegen eines Beitrittswillens kommt es hier nicht an.
Denn die Zahlung des Mitgliedsbeitrags für das Jahr 2010 sowie die fortlaufen-
de und umfangreiche Inanspruchnahme der Leistungen des Klägers bis zum
Schreiben vom 24. Januar 2011 lassen keinen Zweifel daran zu, dass die Be-
klagte Mitglied des klagenden Verbandes sein wollte. Die Beklagte hat in dieser
Zeit auch nicht etwa eine Kündigung oder einen Austritt erklärt, obwohl ihr dies
jederzeit möglich gewesen wäre. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Or-
gane des Klägers an eine konkludente Aufnahme der Beklagten gedacht ha-
ben. Denn die Verbandsorgane haben unzweideutig zu verstehen gegeben,
dass sie die Beklagte als Mitglied behandeln wollten. Für das Zustandekommen
der Mitgliedschaft genügt es, dass die Beklagte durch Wahrnehmung aller
Rechte und Pflichten eines Verbandsmitglieds ihren Willen, Mitglied sein zu
wollen, eindeutig und nachhaltig bekundet hat und von Seiten des Klägers stets
als Mitglied behandelt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1988
- II ZR 311/87, BGHZ 105, 306, 313; OLG Hamm, NZG 2011, 35, 36; Schöpflin,
ZStV 2011, 25, 26).
b) Der konkludent erfolgte Beitritt ist nicht deshalb unwirksam, weil das in
§ 4 der Satzung des Klägers für die Aufnahme neuer Mitglieder vorgesehene
Verfahren nicht beachtet wurde.
aa) Allerdings wird in Rechtsprechung und Schrifttum teilweise die An-
sicht vertreten, dass ein stillschweigender Beitritt nicht möglich sein soll, wenn
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die Satzung die Einhaltung besonderer Aufnahmevoraussetzungen vorschreibt
(OLG Naumburg, ZfgG 49, 312, 314 f. zur Genossenschaft; KG, Rpfleger 2004,
497, 500 AG Duisburg, NZG 2002, 1072; MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl.,
§ 38 Rn. 62; wohl auch Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Aufl.,
Rn. 229). Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Ein schlüssi-
ger Beitritt ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Auslegung der Satzung
ergibt, dass die Einhaltung bestimmter, in der Satzung vorgeschriebener Ver-
fahrensweisen Wirksamkeitsvoraussetzung für den Erwerb der Mitgliedschaft
ist oder die Vertretungsmacht des Vorstands für die Aufnahme neuer Mitglieder
durch die satzungsmäßigen Aufnahmevoraussetzungen beschränkt wird.
bb) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts scheitert die Mitglied-
schaft der Beklagten nicht an einer Beschränkung der Vertretungsmacht der
organschaftlichen Vertreter des Klägers für die Aufnahme neuer Mitglieder nach
§ 4 der Satzung.
Dieser Satzungsregelung lässt sich eine solche Beschränkung nicht ent-
nehmen, wie der Senat selbst feststellen kann, weil die Satzung des Klägers
nach objektiven Gesichtspunkten aus sich heraus auszulegen ist und die Aus-
legung durch das Berufungsgericht in vollem Umfang der revisionsrechtlichen
Nachprüfung unterliegt (BGH, Beschluss vom 24. April 2012 - II ZB 8/10, ZIP
2012, 1097 Rn. 17; Urteil vom 22. April 1996 - II ZR 65/95, NJW-RR 1996, 866).
Zwar kann die nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BGB grundsätzlich unbeschränk-
te Vertretungsmacht des Vorstands durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte
beschränkt werden. Für eine solche Beschränkung der Vertretungsmacht ge-
nügt aber nicht schon, dass in der Satzung eine den Handlungsspielraum des
Vorstands einschränkende Regelung getroffen wird. Aus der Satzungsbestim-
mung muss sich vielmehr klar und eindeutig entnehmen lassen, dass damit zu-
gleich der Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands beschränkt werden
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soll. Ist dies nicht der Fall, so hat im Interesse des Rechtsverkehrs die ein-
schränkende Satzungsbestimmung nur vereinsinterne Bedeutung und be-
schränkt sich auf das vereinsrechtliche Innenverhältnis (BGH, Urteil vom
28. April 1980 - II ZR 193/79, NJW 1980, 2799, 2800; Urteil vom 22. April 1996
- II ZR 65/95, NJW-RR 1996, 866; BayObLG, NJW-RR 2000, 41; Münch-
KommBGB/Reuter, 6. Aufl., § 26 Rn. 14). Dass grundsätzlich zwischen Innen-
und Außenverhältnis zu trennen ist, zeigt sich auch daran, dass die Aufnahme
von Personen, die nicht die in der Satzung festgelegten persönlichen Voraus-
setzungen erfüllen, trotz des Satzungsverstoßes wirksam ist (Reichert, Vereins-
und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 1041; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 38
Rn. 9).
Gemessen daran wird die Vertretungsmacht der organschaftlichen Ver-
treter des Klägers durch § 4 Abs. 1 der Satzung nicht dadurch begrenzt, dass
der Vorsitzende des Vorstands auf Empfehlung der Geschäftsführung über An-
träge auf Aufnahme in den Verband entscheidet und damit, wie das Berufungs-
gericht angenommen hat, ein Geschäftsführer des Klägers das Beitrittsgesuch
befürworten müsse. Dieser Regelung lässt sich weder klar noch eindeutig ent-
nehmen, dass die Vertretungsmacht des Vorstands für die Aufnahme neuer
Mitglieder durch das Erfordernis einer (notwendigen) Mitwirkung der Geschäfts-
führung beschränkt werden sollte.
Im vorliegenden Fall ist die Beklagte zudem auch von der Geschäftsfüh-
rung des Klägers wie ein Mitglied behandelt worden, so dass schon aus diesem
Grunde das Vorliegen einer Mitgliedschaft nicht daran scheitert, dass nach § 4
Satz 1 der Satzung die Entscheidung über die Aufnahme auf Empfehlung der
Geschäftsführung erfolgt.
cc) Aus der vom Berufungsgericht angezogenen Entscheidung des Se-
nats vom 29. Juni 1987 (II ZR 295/86, BGHZ 101, 193, 196 f.) ergibt sich nichts
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Gegenteiliges. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall scheiterte
der rechtswirksame Erwerb der Mitgliedschaft daran, dass der auf Antrag des
Bewerbers entsprechend der Satzung gefasste interne Beschluss über die Auf-
nahme als Mitglied nicht mehr - wie durch die Satzung vorgeschrieben - durch
Aushändigung einer Mitgliedskarte (nach außen) vollzogen und auf diese Weise
dem Bewerber die Annahme seines Aufnahmeantrags erklärt wurde. Im hier zu
entscheidenden Fall wurde die Aufnahme gegenüber der Beklagten konkludent
erklärt. Nicht eingehalten wurde allein das in § 4 Abs. 1 Satz 1 der Satzung für
die interne Willensbildung vorgegebene Verfahren. Für die Wirksamkeit der Er-
klärung der Annahme des Aufnahmeantrags gegenüber dem Bewerber kommt
es aber nicht auf die innere Willensbildung des Vereins, sondern lediglich auf
die Vertretungsmacht des Vorstands nach außen an. Diese wird - wie oben
ausgeführt - durch die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der Satzung nicht be-
schränkt. § 4 Abs. 2 der Satzung, der bei Ablehnung des Aufnahmeantrags
durch den Vorsitzenden des Vorstands innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung
des Beschlusses die Berufung an den Vorstand vorsieht, betrifft zwar das Au-
ßenverhältnis; diese Bestimmung regelt jedoch nur das Verfahren bei Ableh-
nung des Aufnahmeantrags. Für die Frage, ob die Annahme des Aufnahmean-
trags ohne die in § 4 Abs. 1 Satz 1 der Satzung vorgesehene Mitwirkung der
Geschäftsführung wirksam ist, lässt sich aus § 4 Abs. 2 nichts herleiten.
c) Schließlich steht auch die Nichtbeachtung der in § 4 Abs. 1 der Sat-
zung für den Aufnahmeantrag wie auch die Aufnahmeentscheidung vorge-
schriebenen Schriftform der wirksamen Begründung der Mitgliedschaft der Be-
klagten durch schlüssiges Verhalten nicht entgegen.
Die in dieser Satzungsbestimmung vorgeschriebene Schriftform ist we-
gen der privat-autonomen Rechtssetzung des Satzungsgebers grundsätzlich
als gewillkürte Schriftform i.S. des § 127 BGB zu behandeln (BGH, Urteil vom
22. April 1996 - II ZR 65/95, NJW-RR 1996, 866, 867 zum Schriftformerforder-
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nis einer Austrittserklärung). Nach § 125 Satz 2 BGB führt die Nichteinhaltung
einer lediglich vereinbarten Schriftform nicht zwingend zur Nichtigkeit des
Rechtsgeschäfts. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn sie nicht nur der
Klarstellung dienen, sondern konstitutive Bedeutung haben soll. Inhalt und
Tragweite einer Formvereinbarung sind durch Auslegung festzustellen
(Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 125 Rn. 17).
Der Satzung des Klägers lässt sich nichts dafür entnehmen, dass der in
§ 4 Abs. 1 enthaltenen Formabrede die Funktion einer Wirksamkeitsbedingung
des Beitritts zukommen soll mit der Folge, dass gemäß § 125 Satz 2 BGB bei
Nichteinhaltung der Schriftform von der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts auszu-
gehen wäre. Nimmt man die Interessen des klagenden Verbandes und des Mit-
glieds in den Blick, hat die vorgeschriebene Schriftform, wie der Kläger geltend
macht, deklaratorischen Charakter und dient lediglich der Klarstellung und Be-
weissicherung. Diesen vom Satzungsgeber mit dem Schriftformerfordernis ver-
folgten Zwecken kann bei der hier anzunehmenden Begründung der Mitglied-
schaft durch schlüssiges Verhalten aber dadurch genügt werden, dass der Wille
der Beklagten, Mitglied des Klägers zu sein, und der Wille (der Organe) des
Klägers, die Beklagte als Mitglied zu behandeln, auf andere Weise schriftlich
dokumentiert wird. Dies ist hier unter anderem durch Anforderung des Mit-
gliedsbeitrags, durch Eintragung in die Mitgliederliste und durch schriftliche An-
forderung der Leistungen des Klägers geschehen. Der Rechtsfolge der Unwirk-
samkeit des Beitritts bedarf es zur Erreichung des mit dem Schriftformerforder-
nis verfolgten Zwecks nicht. Diesem Ergebnis entspricht, dass gerade der Klä-
ger, auf den die Formabrede zurückgeht, die Schriftform nicht etwa eingefor-
dert, sondern ganz im Gegenteil die Mitgliedschaft der Beklagten als für ihn
verbindlich anerkannt und Leistungen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis er-
bracht hat.
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2. Dem Kläger stehen Mitgliedsbeiträge für das Jahr 2011 bis zur Been-
digung des Mitgliedschaftsverhältnisses der Beklagten zu. Dieses endete infol-
ge der dem Kläger am 27. Januar 2011 zugegangenen Kündigung nach Ablauf
der Kündigungsfrist, die das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Wei-
se mit sechs Monaten bemessen hat.
a) Zwar endet das Mitgliedschaftsverhältnis nach § 5 Absatz 2 der Sat-
zung erst zum 31. Dezember des darauffolgenden Jahres, wenn die Kündigung
bis zum 31. Dezember eines Jahres erklärt wird. Eine Satzungsregelung, die
eine Kündigungsfrist von nahezu 24 Monaten zur Folge haben kann, steht aber,
wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht mehr mit Art. 9
Abs. 3 GG in Einklang.
aa) Allerdings räumt § 39 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB einem Verein grund-
sätzlich das Recht ein, in der Satzung eine Kündigungsfrist bis zur Höchstdauer
von zwei Jahren vorzusehen. Handelt es sich jedoch um eine Vereinigung zur
Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, zu denen auch die Arbeit-
geberverbände gehören, ist dieser durch das Vereinsrecht vorgegebene Fris-
tenrahmen durch die Koalitionsfreiheit des einzelnen Mitglieds weitergehend
begrenzt (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1980 - II ZR 34/80, ZIP 1980,
999; Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl., § 3 Rn. 46; Reitze, NZA 1999, 70; Kühnel,
Zeitliche Grenzen der gemäß § 3 Abs. 3 TVG fortbestehenden Tarifgebunden-
heit beim Verbandsaustritt des Arbeitgebers, 2008, S. 13). Denn Art. 9 Abs. 3
GG schützt in seiner Ausprägung als individuelles Freiheitsrecht den Einzelnen
in seiner Freiheit, eine Koalition zu gründen, ihr beizutreten, ihr fernzubleiben,
aber auch sie zu verlassen (BVerfGE 50, 290, 367; 64, 208, 213; BVerfG, NZA
2014, 493). Dabei ist unerheblich, ob das Austrittsverlangen davon motiviert ist,
überhaupt keiner Vereinigung mehr angehören zu wollen oder die Vereinigung
zu wechseln (vgl. Oetker, ZfA 1998, 41, 69).
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bb) Für den Austritt aus einer Gewerkschaft hat der Senat (BGH, Urteil
vom 4. Juli 1977 - II ZR 30/76, WM 1977, 1166, 1168; Urteil vom 22. September
1980 - II ZR 34/80, ZIP 1980, 999 f.) bereits entschieden, dass dem einzelnen
Mitglied mit Rücksicht auf das Bestandsinteresse der Koalition als solcher und
ihr Recht, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern,
das ebenfalls durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist, die Einhaltung einer maßvol-
len Kündigungsfrist zuzumuten ist. Art. 9 Abs. 3 GG verbietet nicht etwa jegliche
Kündigungsfrist. Denn das Mitglied eines Vereins wird in seinem Grundrecht
aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht nennenswert beeinträchtigt, wenn es seine Individu-
alrechte nach einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum verwirklichen kann. Im
Hinblick darauf, dass sich eine Gewerkschaft auf Veränderungen im Mitglieder-
bestand organisatorisch einstellen können muss, hat der Senat eine Kündi-
gungsfrist von drei Monaten jedenfalls für zulässig erachtet (BGH, Urteil vom
4. Juli 1977 - II ZR 30/76, WM 1977, 1166, 1168). Beträgt die Kündigungsfrist
dagegen mehr als sechs Monate, so hindert sie jedoch das Mitglied in unan-
gemessener Weise an der Verwirklichung seines Grundrechts auf individuelle
Koalitionsfreiheit (BGH, Urteil vom 22. September 1980 - II ZR 34/80, ZIP 1980,
999).
cc) Ob der bei dem Austritt aus einer Arbeitnehmervereinigung vom Se-
nat gesteckte Fristenrahmen auch auf die Beendigung der Mitgliedschaft bei
einem Arbeitgeberverband Anwendung finden kann, ist in der höchstrichterli-
chen Rechtsprechung bislang nicht geklärt (vgl. BAGE 113, 45, 48; 119, 275,
278). Im Schrifttum ist die Frage umstritten. Teilweise wird angenommen, dass
bei dem Austritt aus einer Arbeitgebervereinigung wegen der - gegenüber Ge-
werkschaften - unterschiedlichen Struktur solcher Verbände auch eine sechs
Monate überschreitende Kündigungsfrist mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar ist
(Schaub/Treber, Arbeitsrechts-Handbuch, 15. Aufl., § 191 Rn. 40; ErfK/
Dieterich/Linsenmaier, Arbeitsrecht, 14. Aufl., Art. 9 GG Rn. 38; Däubler/
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Lorenz, TVG, 3. Aufl., § 3 Rn. 47; Paschke, JR 2006, 264; ebenso LAG
Saarland, Urteil vom 22. Oktober 2003 - 2 Sa 48/03 juris Rn. 23 ff.; differenzie-
rend Oetker, ZfA 1998, 41, 61 ff.). Die herrschende Meinung im Schrifttum hält
dagegen die für den Austritt aus einer Gewerkschaft geltenden Grenzen auch
für den Austritt aus einem Arbeitgeberverband für maßgeblich (Münch-
KommBGB/Reuter, 6. Aufl., § 39 Rn. 9; Staudinger/Weick, BGB, Neubearb.
2005, § 39 Rn. 2; Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 39 Rn. 4;
Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 9 Rn. 58; Löwisch/Rieble, TVG,
3. Aufl., § 3 Rn. 123; Höpfner in Henssler/Moll/Bepler, Der Tarifvertrag, Teil 6
Rn. 38; Henssler in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 5. Aufl., § 3 TVG
Rn. 11; Bauer/Diller, DB 1993, 1085; Krauss, DB 1995, 1562; Däubler,
NZA 1996, 225, 226; von Bernuth, NJW 2003, 2215; Sauter/Schweyer/Waldner,
Der eingetragene Verein, 19. Aufl., 1. Teil Rn. 82). Dem schließt sich der Senat
an.
Eine Kündigungsfrist schränkt das einzelne Mitglied in der Wahrnehmung
seiner in Art. 9 Abs. 3 GG verbürgten Individualrechte ein, was umso schwerer
wiegt, je länger es an ihrer Verwirklichung gehindert wird. Das Doppelgrund-
recht des Art. 9 Abs. 3 GG schützt zugleich aber auch die Koalition in ihrem
Bestand und ihrer organisatorischen Ausgestaltung (BVerfG, NZA 2014, 493;
BVerfGE 93, 352, 357). Wie für Gewerkschaften gilt auch für Arbeitgeberver-
bände, dass diese für die Erbringung ihrer verbandstypischen Leistungen wie
die Interessenvertretung sowie die Beratung und Information ihrer Mitglieder
langfristige Vorkehrungen treffen müssen, die mit finanziellen Investitionen ver-
bunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1977 - II ZR 30/76, WM 1977, 1166,
1168). Diese an einen veränderten Mitgliederbestand anzupassen, mag für ei-
nen Arbeitgeberverband bereits beim Austritt eines einzelnen Mitglieds einen
nicht unerheblichen Aufwand bedeuten, weil derartige Verbände infolge regio-
naler und fachlicher Zersplitterung nicht die Größe von Massenorganisationen
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erreichen. Unter Umständen kann ein Arbeitgeberverband durchaus auf einzel-
ne Beiträge angewiesen sein, um seinen finanziellen Bedarf zu erwirtschaften
(vgl. Oetker, ZfA 1998, 41, 62 f.). Allerdings gewinnt der Austritt des einzelnen
Mitglieds wiederum nur im Zusammenspiel mit den individuellen Zufälligkeiten
im übrigen Mitgliederbestand besondere Bedeutung für das Bestandsinteresse
des Verbandes. Ferner dürften die Gewerkschaften als Massenorganisationen
stärkeren Fluktuationsbewegungen ausgesetzt sein, was die Auswirkungen ei-
nes Gewerkschaftsaustritts in einem anderen Licht erscheinen lässt (vgl.
Reitze, NZA 1999, 70, 71; Reuter, RdA 2006, 117, 120). Zumutbarkeitserwä-
gungen bei der organisatorischen Anpassung an Veränderungen im Mitglieder-
bestand von Arbeitgeberverbänden erlauben es deshalb zwar, die Höchstgren-
ze von sechs Monaten auszuschöpfen (zur Gewerkschaft offenlassend BGH,
Urteil vom 22. September 1980 - II ZR 34/80, ZIP 1980, 999, 1000) und nicht
etwa von einer kürzeren Höchstgrenze auszugehen (so Mann, Zeitliche Aus-
trittsbeschränkungen in Tarifverbänden, 1994, S. 89 ff., für eine Höchstfrist von
drei Monaten; ebenso Reitze, NZA 1999, 70, 71 f.). Eine über den nicht unbe-
trächtlichen Zeitraum von einem halben Jahr hinausgehende Kündigungsfrist
rechtfertigen die berechtigten Belange von Arbeitgeberverbänden unter Berück-
sichtigung der individuellen Koalitionsfreiheit ihrer Mitglieder aber nicht. Ein län-
gerer Zeitraum als sechs Monate würde das Mitglied, das einem anderen Ver-
band beitreten oder keinem Verband mehr angehören will, in seinen durch
Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechten unangemessen beeinträchtigen.
dd) Ohne Erfolg macht die Anschlussrevision geltend, die individuelle
Koalitionsfreiheit der Beklagten werde im vorliegenden Fall auch durch eine
Kündigungsfrist bis zum Jahresende nicht beeinträchtigt, weil es den Mitglie-
dern des Klägers nach dessen Satzung freistehe, weitere Mitgliedschaften in
anderen Koalitionen einzugehen. Dieser Umstand vermag eine sechs Monate
überschreitende Kündigungsfrist nicht zu rechtfertigen, weil hierdurch die durch
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eine unangemessen lange Kündigungsfrist bewirkte Beeinträchtigung der indi-
viduellen Koalitionsfreiheit nicht beseitigt wird. Denn der Zwang, in dieser Zeit
Mitglied des Klägers zu bleiben und die damit verbundene Beitragspflicht erfül-
len zu müssen, ist geeignet, ein Mitglied zu hindern, während des Laufs der
Kündigungsfrist einer weiteren Koalition beizutreten. Abgesehen davon steht
einem Mitglied des Klägers die Möglichkeit, trotz fortbestehender Mitgliedschaft
beim Kläger zu einer anderen Vereinigung im Sinn von Art. 9 Abs. 3 GG zu
wechseln, ohnehin nur dann offen, wenn auch deren Satzung eine Doppelmit-
gliedschaft zulässt. Zudem vermag die Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft
nichts daran zu ändern, dass ein kündigendes Mitglied durch eine unangemes-
sen lange Kündigungsfrist in seinem durch Art. 9 Abs. 3 GG ebenfalls geschütz-
ten Recht, keiner Koalition angehören zu wollen, beeinträchtigt wird (vgl. BGH,
Urteil vom 22. September 1980 - II ZR 34/80, ZIP 1980, 999, 1000 zu einer Ar-
beitnehmervereinigung).
Aus den denselben Gründen bleibt auch der Einwand des Klägers, es sei
seinen Mitgliedern überlassen, ob sie sich beim Abschluss von Tarifverträgen
durch ihn oder einen anderen Verband vertreten lassen wollten, ohne Erfolg.
Auch dies lässt die Unzulässigkeit einer im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG unan-
gemessen langen Kündigungsfrist nicht entfallen.
ee) Kann danach der Austritt aus einem Arbeitgeberverband allenfalls
durch eine Kündigungsfrist von sechs Monaten erschwert werden, wird hier-
durch die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nicht berührt (so aber
ErfK/Dieterich/Linsenmaier, Arbeitsrecht, 14. Aufl., Art. 9 GG Rn. 38). Ebenso
wenig wird hierdurch unzulässiger Einfluss auf die tarifvertragliche Verhand-
lungsfähigkeit genommen (so aber Paschke, JR 2006, 264). Es ist von Rechts
wegen nicht geboten, dass ein Arbeitgeberverband der Gewerkschaft mit sei-
nem konkreten Mitgliederbestand erhalten bleibt, auch nicht während laufender
Tarifverhandlungen. Denn infolge der durch § 3 Abs. 3 TVG angeordneten
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Nachbindung wie auch der in § 4 Abs. 5 TVG angeordneten Nachwirkung bleibt
der ausscheidende Arbeitgeber weiterhin einer tariflichen Bindung unterworfen
(BAGE 126, 75, 86 f. zum „Blitzaustritt“; Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl., § 3
Rn. 47). Ferner betrifft der Austritt eines Mitglieds aus einem Arbeitgeberver-
band ebenso wie dessen Statuswechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbin-
dung im Regelfall - sofern er nicht im engen zeitlichen Zusammenhang mit ei-
nem Tarifabschluss erfolgt - unmittelbar nur den Verband und seine Mitglieder
(vgl. BAGE 127, 27, 41 zum „Blitzwechsel“). Die tarifgesetzlichen Folgewirkun-
gen der Nachbindung und der Nachwirkung verleihen vielmehr dem Interesse
des einzelnen Mitglieds an einem zügigen Austritt aus der Koalition weiteres
Gewicht (BAGE 126, 75, 87; Reitze, NZA 1999, 70, 71).
ff) Anders als die Revision meint, lässt sich aus § 10 Abs. 2 Satz 3
PartG, wonach Mitglieder einer Partei jederzeit zum sofortigen Austritt berech-
tigt sind, für den hier zu beurteilenden Austritt aus einem Arbeitgeberverband
nichts herleiten. Bei § 10 Abs. 2 Satz 3 PartG handelt es sich um eine - auf dem
Wesen der Partei im demokratischen Staatswesen, dem es widerspricht, wenn
Parteien „ein Mitglied auch nur befristet gegen seinen Willen in Anspruch neh-
men“ (BT-Drucks. 3/1509, S. 25), beruhende - Sonderregelung, die im Zusam-
menhang mit dem Austritt aus anderen Vereinen, auch solchen im Sinn von
Art. 9 Abs. 3 GG, von vornherein keine Anwendung finden kann (Münch-
KommBGB/Reuter, 6. Aufl., § 39 Rn. 8; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 39
Rn. 4; Staudinger/Weick, BGB, Neubearb. 2005, § 39 Rn. 2; Palandt/
Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 39 Rn. 3; Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB,
3. Aufl., § 39 Rn. 4; Oetker, ZfA 1998, 41, 62; Reitze, NZA 1999, 70, 71; aA AG
Ettenheim, NJW 1985, 979; offenlassend Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl.,
§ 39 Rn. 2). Hinzu kommt, dass die Folgen eines Mitgliederaustritts für eine
Partei durch die staatliche Teilfinanzierung gem. §§ 18 ff. PartG geringer aus-
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geprägt sind als bei Koalitionen, die ein solches Privileg nicht genießen (Oetker,
ZfA 1998, 41, 62; Reitze, NZA 1999, 70, 71).
b) Kann damit die in § 5 Satz 2 der Satzung des Klägers bestimmte Kün-
digungsfrist nicht mehr mit der individuellen Koalitionsfreiheit der Beklagten
vereinbart werden, hat dies entgegen der Auffassung der Revision aber nicht
zur Folge, dass die Bestimmung vollständig entfällt und die Kündigung der Be-
klagten sofort wirksam wurde (so aber AG Ettenheim, NJW 1985, 979 f.;
Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 39 Rn. 4; differenzierend Reitze,
NZA 1999, 70, 72). Eine Regelung, die die zulässige Dauer einer Kündigungs-
frist überschreitet, bleibt vielmehr in dem mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbaren Um-
fang aufrechterhalten (hM, vgl. nur Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl., § 3 Rn. 125;
ErfK/Franzen, Arbeitsrecht, 14. Aufl., § 3 Rn. 9; Oetker, ZfA 1998, 41, 58 f.;
wohl auch MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl., § 39 Rn. 9; durch Anwendung des
§ 140 BGB im Ergebnis ebenso Höpfner in Henssler/Moll/Bepler, Der Tarifver-
trag, Teil 6 Rn. 39; Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl., § 3 Rn. 47; Kühnel, Zeitliche
Grenzen der gemäß § 3 Abs. 3 TVG fortbestehenden Tarifgebundenheit beim
Verbandsaustritt des Arbeitgebers, 2008, S. 27 f.; Henssler in Henssler/
Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 5. Aufl., § 3 TVG Rn. 11; ebenso LAG Düsseldorf,
NZA-RR 1996, 340, 341). Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG stellt ein gesetzliches Verbot
im Sinn von § 134 BGB dar (BAGE 127, 27, 44). Die Folgen eines Verstoßes
gegen diese Bestimmung sind nicht anders zu beurteilen als die einer Über-
schreitung der allgemein zulässigen Höchstfrist des § 39 Abs. 2 BGB. Auch in
diesem Fall ist eine über das zulässige Maß hinausgehende Frist mit der
Höchstfrist von zwei Jahren aufrechtzuerhalten (RG, JW 1937, 3236; RGZ 90,
306, 310 f.; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 39 Rn. 4; Palandt/Ellenberger,
BGB, 73. Aufl., § 39 Rn. 3, Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein,
19. Aufl., 1. Teil Rn. 82; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl.,
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Rn. 1097; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Aufl., Rn. 277; aA
Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 39 Rn. 4).
In Übereinstimmung hiermit sind Abreden über Wettbewerbsverbote, so-
fern sie das zeitlich erträgliche Maß überschreiten, nicht insgesamt nichtig.
Vielmehr hat die überlange Dauer lediglich die zeitliche Begrenzung der verein-
barten Frist auf die höchstzulässige Dauer zur Folge (BGH, Urteil vom 8. März
2000 - II ZR 308/98, WM 2000, 1496, 1498).
Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Satzungsregelung, die ei-
ne wegen Art. 9 Abs. 3 GG unangemessen lange Kündigungsfrist bestimmt,
nicht mit einer unzulässigen Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
vergleichbar. Als Bestandteil der Satzung ist die Geltung einer Kündigungsfrist
für die Mitglieder der Koalition nicht überraschend. Durch das zulässige
Höchstmaß wird lediglich ein Ausgleich zwischen den durch Art. 9 Abs. 3 GG
geschützten Interessen des Mitglieds und des Verbandes hergestellt. Zudem
beruht die Satzungsbestimmung auf einer Entscheidung der Mitglieder selbst,
die sich diese Verfassung gegeben haben.
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c) Bis zum Wirksamwerden des Austritts mit Ablauf der mit Art. 9 Abs. 3
GG vereinbaren Kündigungsfrist von 6 Monaten hat die Beklagte als Mitglied im
Verband sämtliche Rechte und Pflichten einschließlich der Beitragspflicht
(BGHZ 48, 207, 209; Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 39 Rn. 6;
von Bernuth, NJW 2003, 2215). Der als Jahresbetrag erhobene Mitgliedsbeitrag
ist deshalb entsprechend den auch sonst bei Dauerrechtsverhältnissen gelten-
den Grundsätzen von der Beklagten anteilig bis zu ihrem Ausscheiden zu ent-
richten.
Bergmann Strohn Reichart
Drescher Born
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 14.11.2012 - 5 O 1867/12 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 03.06.2013 - 13 U 128/12 -
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