Urteil des BGH vom 20.12.2012

BGH: spiel, vermittler, irrtum, auszahlung, betrug, quote, wette, heim, wahrscheinlichkeit, computer

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 125/12
vom
20. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
15. November 2012 in der Sitzung vom 20. Dezember 2012, an der teilgenom-
men haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung am 15. November 2012 -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-
gerichts Bochum vom 25. August 2011 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbe-
zeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen auf-
gehoben
a) im Fall III.6 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird
verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen,
wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, sowie wegen Beihilfe zum Betrug zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung
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dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Es hat ferner festgestellt, dass gegen
den Angeklagten wegen eines Geldbetrages in Höhe von 871.367,27
€ lediglich
deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter
im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich zum einen die Revision des Angeklagten,
mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Zum anderen
wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten
eingelegten Revision gegen das Urteil des Landgerichts und rügt die Verletzung
materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie, das Landgericht hätte we-
gen banden- und gewerbsmäßigen Betruges die Voraussetzungen der Qualifi-
kation nach § 263 Abs. 5 StGB bejahen müssen; ferner sei der Angeklagte im
Fall III.6 zu Unrecht lediglich wegen versuchten Betruges verurteilt worden.
A.
I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
1. Im Sommer 2006 lernte der Angeklagte den gesondert verfolgten
S. während der in Deutschland stattfindenden Fußballweltmeisterschaft
kennen. Dem Angeklagten war die Wettleidenschaft des S. bekannt; auch
für den Angeklagten selbst wurde das Wetten auf Sportereignisse zu einer Lei-
denschaft. Zwischen S. , der nach Entlassung aus Strafhaft im Juli 2008
seine schon zuvor betriebenen Wettgeschäfte schnell wieder aufgenommen
hatte, und dem Angeklagten entwickelte sich eine vertrauensvolle, freundschaft-
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liche Beziehung, in deren Verlauf sich beide im In- und im Ausland im Rahmen
von Sportereignissen häufig trafen. Nach und nach bezog S. den Ange-
klagten in dessen Wettaktivitäten ein, ließ ihn Wettscheine einlösen, Gewinne
bei sich zu Hause deponieren und auf Anweisung Geldbeträge in Wettbüros
setzen. Am 11. August 2008 kam es in Wien zu einem Treffen zwischen den
Mitarbeitern H. , C. und Ch. des Sportwetten-Vermittlers Ltd.
mit Sitz in London, der Wetten vornehmlich an asiatische Wettanbieter wie ,
und weitervermittelte, dem gesondert verfolgten S. und dem
österreichischen Sportwetten-Vermittler G. . Bei dem Treffen wurden die
Konditionen besprochen, zu denen der gesondert verfolgte S. durch Ein-
schaltung der Ltd. Zugang zum asiatischen Wettmarkt erhalten konnte,
der auf S. wegen der im Vergleich zum deutschen Wettmarkt wesentlich
variationsreicheren Wettmöglichkeiten eine große Anziehungskraft ausübte. Zu
dem Treffen hatte S. den Angeklagten wegen dessen guter Englischkennt-
nisse als Dolmetscher zugezogen. Daher war er während des gesamten Tref-
fens, bei dem die Grundlagen für die weiteren Beziehungen zwischen S.
und Ltd. gelegt wurden, anwesend.
2. Zur Funktionsweise der Fußballwetten und zum Ablauf der Taten
– im
vorliegenden Fall geht es bei allen sechs Einzeltaten um die Platzierung von
Wetten bei asiatischen Wettanbietern
– hat das Landgericht Folgendes festge-
stellt:
a) Bei Wetten mit verbindlichen Quoten lobt der Wettanbieter für das je-
weilige Spiel eine bestimmte Wettquote aus, die das Verhältnis von Einsatz und
möglichem Gewinn widerspiegelt. Dabei geht der Wettanbieter davon aus, dass
sich die Wetteinsätze weitgehend nach den Wahrscheinlichkeiten verteilen
werden, mit denen ein bestimmter Spielausgang zu erwarten ist. Die Wettquo-
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ten werden nach der zu erwartenden Verteilung der Wetteinsätze kalkuliert und
so bemessen, dass „unter dem Strich“ unabhängig von dem Ergebnis des je-
weiligen Spiels ein Gewinn verbleibt (UA 8). Wird auf das Spielergebnis mani-
pulativ eingewirkt, kann der Wettanbieter das betroffene Spiel nicht mehr zuver-
lässig kalkulieren. Wetten auf bekannt manipulierte Spiele werden daher nicht
angenommen.
b) In allen sechs Fällen bediente sich der gesondert verfolgte S. der
in London ansässigen Vermittlerfirma Ltd. zur Platzierung der Wetten
bei den asiatischen Anbietern. Dabei teilte S. Mitarbeitern der Firma
Ltd. telefonisch mit, welche Wetten er platzieren wollte. Die Vermittler
schlossen dann für ihn bei verschiedenen Wettanbietern einen oder mehrere
Wettverträge auf das jeweilige Spiel ab. Nach der Ausführung des Auftrages
erhielt S. auf gleichem Weg eine Bestätigung. Den von S. eingeschal-
teten Mitarbeitern der Ltd. waren die Manipulationen bekannt. Bei dem
bereits erwähnten Treffen am 11. August 2008 in Wien hatten S. und die
Mitarbeiter der Ltd. H. , C. und Ch. in Anwesenheit des Ange-
klagten im Zuge ihrer Verhandlungen auch ein sogenanntes "Sterne-System"
entwickelt. Danach sollte S. bei der Aufgabe einer Wette den Mitarbeitern
der Ltd. mitteilen, in welchem Ausmaß er die zu bewettende Partie
manipuliert hatte. Je mehr Spieler von ihm korrumpiert waren, desto mehr
"Sterne" sollte er der Partie verleihen. Die Ltd. verdiente an der Ver-
mittlung, indem sie die von den Wettanbietern in Asien angebotenen Quoten
gegenüber dem S. geringfügig verschlechterte. Spiele, die den Mitarbeitern
der Ltd. als "sicher" erschienen, wurden von ihnen
– ohne Wissen des
S. und des Angeklagten
– auch gezielt zu Wetten auf eigene Rechnung
ausgenutzt. Weder S. noch die von ihm beauftragten Vermittler der Firma
Ltd. legten gegenüber den asiatischen Wettanbietern offen, dass die
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gewetteten Spiele manipuliert waren. Den Wettanbietern wurde auf diese Weise
vorgespiegelt, dass es sich um "normale" unbeeinflusste Spiele handelte. Die
erzielten Gewinne flossen über die Vermittler zunächst auf ein von S. ge-
führtes Konto. Hatten sich weitere Personen an der Platzierung der Wette betei-
ligt, wie etwa der Angeklagte oder der gesondert verfolgte C. , erhielten die-
se von dem gesondert verfolgten S. ihren jeweiligen Anteil.
3. Vor diesem Hintergrund kam es unter Beteiligung des Angeklagten zu
folgenden Straftaten:
(1) 28. August 2008 (D. , UEFA-Cup Qualifikationsspiel
D. gegen Y. ):
Durch Zahlung von insgesamt 50.000
€ veranlasste der gesondert ver-
folgte S. die Abwehrspieler des D. , dieses Spiel absichtlich zu
verlieren. Das Spiel endete 2:3. Im Vertrauen auf diese Manipulation schloss
S. über den englischen Vermittler Ltd. bei drei asiatischen Anbie-
tern insgesamt 22 Wettverträge ab; auf 21 dieser Verträge entfiel ein Gewinn
von 311.346,74
€. Da es sich um den ersten größeren Wetteinsatz des S.
bei Ltd. handelte, hatte diese zuvor von S. eine Sicherheitsleis-
tung in Höhe von 200.000
€ verlangt, zu hinterlegen bei dem beiden Seiten be-
kannten Wettvermittler G. . Im Auftrag des S. übergab der Angeklagte,
der für die Verhandlungen des S. mit der Ltd. auch noch seinen
Chat-Account zur Verfügung gestellt hatte, 170.000
€, die ihm S. in B.
in bar übergeben hatte, einem Vertrauten des Wettvermittlers G. in P. .
30.000
€ sollte der Angeklagte aus eigenen Mitteln beisteuern. Die Hintergrün-
de der Sicherheitsleistung waren dem Angeklagten dabei bekannt, insbesonde-
re auch das "Sterne-System".
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(2) 17. April 2009 ( G. gegen T. , zweite
Fußballliga):
Im Vorfeld dieses Spiels hatte der gesondert verfolgte C. zwei Spie-
ler des T. durch Übergabe von 13.000
€ dazu veranlasst, einen Sieg des
G. herbeizuführen. Das Spiel endete 4:3 für den G. . Über
Ltd. schlossen S. für sich und C. bei dem asiatischen Anbieter
einen Wettvertrag, der einen Gewinn von 58.500
€ erbrachte, wobei der
Angeklagte an dieser Wette mit einem Einsatz von 5.000
€ beteiligt war und
einen Gewinn von 4.500
€ erhielt.
(3) 27. Juni 2009 (Freundschaftsspiel W. gegen T. ):
Im Zusammenwirken mit Funktionären des Clubs T.
hatte der gesondert verfolgte C. dieses Spiel organisiert und für dessen
Registrierung bei der UEFA gesorgt, was Voraussetzung für die Aufnahme der
Partie in den asiatischen Wettmarkt war. Mit den Funktionären des
Clubs war ferner vereinbart worden, dass diese gegen Zahlung erheblicher
Geldbeträge dieses und weitere geplante Freundschaftsspiele dergestalt mani-
pulieren sollten, dass die eigene Mannschaft jeweils verlieren würde. Die Zu-
wendungen an den Verein beliefen sich auf insgesamt 70.000
€. Auf der Grund-
lage von 15 über den Vermittler Ltd. bei asiatischen Anbietern abge-
schlossenen Wettverträgen erzielten C. und der eingeweihte S. einen
Gewinn von insgesamt 93.370,63
€; der Angeklagte war mit einem Einsatz von
5.000
€ beteiligt und erhielt einen Gewinn von 4.202,98 €.
(4) 2. August 2009 ( S. gegen O. , DFB-
Pokal):
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Der gesondert verfolgte C. vereinbarte mit den Spielern der gastge-
benden Mannschaft des S. , dass die gastgebende Mannschaft das
Spiel verlieren sollte. S. und der Angeklagte verabredeten, dass der Ange-
klagte dem gesondert verfolgten C.
50.000 € aus dem Vermögen S. s
übergeben sollte, was der Angeklagte am 1. August 2009 auch tat. Einen Tag
später händigte C. das Geld den manipulationswilligen Spielern des
S. aus und verabredete mit diesen die Einzelheiten der Tat. Der Ange-
klagte war dabei anwesend. S. schloss über Ltd. bei asiatischen
Wettanbietern sieben Wettverträge ab. Absprachegemäß verlor der
S. das Spiel mit 0:3. Vier der sieben Wettverträge erbrachten Gewinne
von insgesamt 87.681,82
€.
(5) 1. November 2009 ( G. gegen V. , zweite
Fußballliga):
Der gesondert verfolgte C. versprach Mitgliedern der Mannschaft
des G. finanzielle Mittel, damit diese das Spiel gegen den V.
absichtlich verlieren würden. Zur Absicherung des beabsichtigen Spielergebnis-
ses wurde auch einem Spieler der Gastmannschaft eine Geldsumme dafür ver-
sprochen, den gewünschten Spielverlauf herbeizuführen. Über den Anbieter
Ltd. platzierte S. bei asiatischen Wettanbietern insgesamt sechs
Wettverträge; auf drei dieser Wetten entfiel ein Gewinn von insgesamt
85.650,00
€. Da sich S. am Tag des Spiels nicht in B. befand und des-
halb auch keinen Zugriff auf seinen Computer hatte, beauftragte er den Ange-
klagten, seinen Computer zu starten, die Internet-Webseiten der in Aussicht
genommenen asiatischen Wettanbieter aufzusuchen, sich einzuloggen und die
Entwicklung der entsprechenden Wettquoten zu beobachten und fernmündlich
an ihn, S. , durchzugeben. Der Angeklagte führte diesen Auftrag aus; auf
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der Grundlage der von ihm durchgegebenen Informationen über Quoten und
Quotenbewegungen setzte S. dann vom Ausland aus über den englischen
Wettvermittler Ltd. die angegebenen Spielwetten. Dem Angeklagten
war bewusst, dass er Quoten eines manipulierten Spiels beobachtete und dass
seine Informationen die Grundlage für die Wetten des gesondert verfolgten
S. darstellten.
(6) 18. November 2009 (U 21
– Nationalmannschaft der gegen
U 21 - Nationalmannschaft von , U 21
– Fußballweltmeisterschaft):
Die gesondert verfolgten S. und C. trafen mit dem Schiedsrich-
ter dieses Spiels, dem gesondert verfolgten P. , die Absprache, dass das
Spiel durch die Mannschaft der mit mindestens drei Toren Unterschied
gewonnen werden sollte. P. erhielt dafür nicht nur 30.000
€ in bar, sondern
auch eine durch Kontakte des gesondert verfolgten C. zur UEFA bewirkte
Höherstufung, die ihm seine Teilnahme als Schiedsrichter an diesem Spiel
überhaupt erst ermöglichte. C. musste daher Zahlungen von 50.000
€ an
Kontaktleute bei der UEFA aufwenden. Das Spiel endete jedoch lediglich mit
dem Ergebnis 1:0. Die 27 über den englischen Vermittler Ltd. auf dem
asiatischen Wettmarkt abgeschlossenen Einzelverträge von S. und C.
gingen sämtlich verloren. Beide hatten insgesamt 280.000
€ gewettet, auf die
keinerlei Gewinn entfiel; der Einsatz war in voller Höhe verloren. Im Erfolgsfall
wäre es zu einem Gewinn von mindestens 150.000
€ gekommen, der neben
den Einsätzen ausgezahlt worden wäre. Auch an den Wetten auf dieses Fuß-
ballspiel war der Angeklagte mit einem Betrag von bis zu 5.000
€ beteiligt.
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II.
Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe sich hinsichtlich
der Taten Nr. 1 bis 4 des vollendeten gemeinschaftlichen Betruges, hinsichtlich
der Tat Nr. 6 des versuchten gemeinschaftlichen Betruges sowie hinsichtlich
der Tat Nr. 5 der Beihilfe zum Betrug schuldig gemacht. Bei dem Abschluss der
jeweiligen Wettverträge hätten der Angeklagte und seine beiden Mittäter jeweils
konkludent erklärt, sie selbst bzw. die mit ihnen gemeinschaftlich handelnden
anderen Beteiligten hätten das betreffende Spiel nicht manipuliert. Die Erwar-
tung des Geschäftspartners, sein Gegenüber habe nicht vorsätzlich sittenwidrig
auf den Vertragsgegenstand Einfluss genommen, gehöre zu den unverzichtba-
ren Grundlagen jeglichen geschäftlichen Verkehrs. Dies gelte nicht nur für den
Abschluss von Wettverträgen während eines laufenden, bereits manipulierten
Spiels, sondern auch bei Vertragsabschluss vor Spielbeginn. Der bei dem kon-
kreten Wettanbieter jeweils entstandene Irrtum habe wenigstens im Rahmen
eines sachgedanklichen Mitbewusstseins bis nach Spielende, also bis zur Aus-
zahlung des Wettgewinns nebst geleistetem Einsatz, fortbestanden. Auf Grund
dieses fortbestehenden Irrtums sei es jeweils zu einer Vermögensverfügung
des Wettanbieters gekommen, die auf seiner Seite zu einem entsprechenden
Schaden geführt habe. Hätte der Wettanbieter von der Manipulation gewusst,
hätte er den entsprechenden Wettvertrag nicht abgeschlossen. Ihm wäre dann
zwar kein Einsatz zugeflossen, er hätte allerdings auch keine Auszahlung
durchgeführt. Bei dem hier abzuurteilenden Sportwettenbetrug sei der Schaden
– abweichend vom Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Dezember 2006 (5
StR 181/06, BGHSt 51, 165) nach den Grundsätzen des sog. Erfüllungsbetru-
ges zu bestimmen, weshalb ein Schaden dann nicht festgestellt werden könne,
wenn es nicht zur Auszahlung von Wettgewinnen gekommen sei. Nur wenn das
tatsächlich getippte Ergebnis eintrete und der Wettanbieter zu einer Auszahlung
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des Gewinns verpflichtet sei, komme es bei ihm zu einem Vermögensschaden,
der, den Anforderungen der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts gemäß, auch quantifiziert werden könne. Dieser Schaden des Wettan-
bieters bestehe in der Differenz zwischen Einsatz und Gewinn. Die Grundsätze
des sog. Quotenschadens seien mangels ausreichender Quantifizierbarkeit
nicht mehr anzuwenden.
B.
I.
Zur Revision des Angeklagten:
1. Die nach der vom Senat mit Beschluss vom 7. November 2012 ge-
währten Wiedereinsetzung nunmehr rechtzeitig erhobene Verfahrensrüge hat
aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. Mai 2012
genannten Gründen keinen Erfolg.
Lediglich ergänzend bemerkt der Senat:
Unabhängig von der Frage, ob in dem Revisionsvorbringen überhaupt
eine zulässige Aufklärungsrüge gesehen werden kann, mussten sich dem
Landgericht weiter gehende Ermittlungen nicht aufdrängen. Dies gilt auch unter
Berücksichtigung des vom früheren Mitangeklagten S. gestellten Beweis-
antrags, dem eine dahingehende Beweisbehauptung zugrunde lag. Der Antrag
wurde von S. im weiteren Prozessverlauf zurückgenommen; dass diese
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Rücknahme des Beweisantrags von der Strafkammer unter Verstoß gegen
§ 136a Abs. 1 Satz 3 Fall 1 StPO erfolgt wäre, ist nicht bewiesen.
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge
hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
a) Für die vom Landgericht abgeurteilten Taten gilt gemäß § 3 StGB das
deutsche Strafrecht, da sie im Inland begangen wurden.
Dies gilt zunächst für die Fälle III.1, 4 und 5 der Urteilsgründe, in denen
der Angeklagte nach den Feststellungen selbst Tatbeiträge im Inland geleistet
hat. Im Fall III.1 nahm er die für die Leistung der Sicherheit bestimmten
170.000
€ von S. in B. entgegen und transportierte sie nach P. .
Im Fall III.4 war der Angeklagte in die Verhandlungen über die Manipulation des
DFB-Pokalspiels eingebunden und übergab in Deutschland dem C. das für
die Mannschaft bestimmte Bestechungsgeld in Höhe von 50.000
€. Im Fall III.5
unterstützte der Angeklagte den gesondert verfolgten S. bei der Platzie-
rung von Wetten, indem er zu diesem Zweck den in seiner Wohnung in B.
befindlichen Computer einsetzte. Aber auch in den übrigen abgeurteilten Fällen
ergibt der Zusammenhang der Urteilsgründe, dass die Taten ihren Ausgang in
Deutschland und nicht, wie die Revision unter Hinweis auf den in Großbritanni-
en ansässigen Spielvermittler Ltd. meint, in Großbritannien nahmen.
Da die Regeln des Strafanwendungsrechts trotz ihrer Zuordnung zum materiel-
len Strafrecht nicht als Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes anzusehen
sind (vgl. SSW-StGB/Satzger, vor §§ 3-7 Tz. 3 mwN), steht die Tatsache, dass
Mitarbeiter der Ltd. nach den Feststellungen in die Manipulationen ein-
geweiht waren, einer Anwendung des deutschen Strafrechts nicht entgegen.
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b) Soweit der Angeklagte wegen (versuchten) Betrugs verurteilt worden
ist, weist das Urteil keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler auf.
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Ange-
klagte und die gesondert verfolgten S. und C. selbst oder durch ihre
Vermittler bei der Abgabe der Wetten gegenüber den Wettanbietern konkludent
der Wahrheit zuwider erklärt haben, dass der Verlauf oder der Ausgang der
gewetteten Spiele von ihnen nicht beeinflusst worden ist. Die Manipulationsfrei-
heit des Wettgegenstandes gehört zur Geschäftsgrundlage der Wette. Beide
Parteien sichern sich daher stillschweigend zu, auf das gewettete Spiel keinen
Einfluss genommen zu haben. Dadurch wurde bei den Wettanbietern
– jedenfalls in der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins – ein entspre-
chender Irrtum erregt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Reichsgerichts
und des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006
– 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 16 ff.; Urteil vom 19. Dezember 1979
– 3 StR 313/79, BGHSt 29, 165, 167 f.; RG, Urteil vom 17. Dezember 1928
– III 1006/28, RGSt 62, 415, 416), die in der Literatur weitgehend Zustimmung
gefunden hat (Cramer/Perron, in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 263 Tz. 16e;
Fischer, 60. Aufl., § 263 Tz. 32; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 38; Fas-
ten/Oppermann, JA 2006, 69, 71; Feinendegen, NJW 2007, 787, 788; Gaede,
HRRS 2007, 16; Krack, ZIS 2007, 103, 105; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69 f.;
Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254, 255; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 53 f.;
Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 ff.; vgl. auch Maaß, GA 1984,
264, 280 ff.; aus zivilrechtlicher Sicht Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand,
S. 471).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Erfassung konkluden-
ter Täuschungen ist vom Wortlaut der Vorschrift des § 263 Abs. 1 StGB gedeckt
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und führt nicht zu einer Entgrenzung des Tatbestandes, sodass im Hinblick auf
Art. 103 Abs. 2 GG keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfG, NStZ 2012, 496
Tz. 168). Der Einwand, es liege keine Feststellung von Tatsachen mehr vor,
wenn das Vorliegen einer konkludenten Täuschung über die Manipulationsfrei-
heit des gewetteten Spieles ohne Ermittlung des tatsächlichen Verständnisses
der Beteiligten allein aus dem Wesen des Wettvertrages hergeleitet werde, ver-
fängt nicht (Jahn/Maier, JuS 2007, 215, 217; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim,
NStZ 2007, 361, 362 f.; vgl. noch Kraatz, JR 2012, 329, 331). Ob in einer be-
stimmten Kommunikationssituation neben einer ausdrücklichen auch eine kon-
kludente Erklärung abgegeben worden ist und welchen Inhalt sie hat, bestimmt
sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, der unter Berücksichtigung der
Gesamtumstände und der Verkehrsanschauung festzulegen ist (vgl. BGH, Ur-
teil vom 26. April 2001
– 4 StR 439/00, NStZ 2001, 430; Urteil vom 10. Novem-
ber 1994
– 4 StR 331/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 10; SSW-
StGB/Satzger, § 263 Tz. 37 f.). Wenn der Tatrichter dabei
– wie hier – seine
Bewertung maßgeblich auf die sich aus dem Wesen des abgeschlossenen Ver-
trages ergebende Risiko- und Pflichtenverteilung stützt, ist dies revisionsrecht-
lich bedenkenfrei (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009
– 3 StR 552/08, BGHSt
54, 69 Tz. 150; MünchKomm-StGB/Hefendehl, § 263 Tz. 86, 93; Kubiciel,
HRRS 2007, 68, 69). Auch wird durch die Annahme einer konkludenten Täu-
schung die für die Strafbarkeit eines Unterlassens erforderliche Feststellung
einer Garantenpflicht nicht umgangen (so aber Schild, ZfWG 2006, 213, 216 f.;
Schlösser, NStZ 2005, 423, 426). Die Abgabe einer auf den Abschluss eines
Rechtsgeschäfts gerichteten Erklärung ist positives Tun, auch wenn sie zu-
gleich als (stillschweigende) Negativerklärung in Bezug auf zu dem Geschäfts-
zweck in Widerspruch stehende Umstände verstanden wird (vgl. NK-StGB-
Kindhäuser, § 263 Tz. 110; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 29; SSW-
StGB/Satzger, § 263 Tz. 41). Die Manipulationsfreiheit ist eine notwendige Be-
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dingung für die Durchführbarkeit eines auf ein ungewisses Ereignis ausgerichte-
ten Wettvertrages; sie gehört deshalb zum Inhalt eines in sich schlüssigen
(konkludenten) Antrags auf dessen Abschluss (vgl. BGH, Urteil vom
15. Dezember 2006
– 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 27).
bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist auch in den Fällen II.2, 3 und 6
die Verurteilung des Angeklagten als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) aus Rechts-
gründen nicht zu beanstanden.
(1) Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, dass sein Bei-
trag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergän-
zung seines eigenen Tatanteils erscheint, er also nicht nur fremdes Tun fördert,
ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Tatrichter
auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung
der gesamten Umstände des Falles festzustellen (BGH, Urteil vom 20. Januar
1998
– 5 StR 501/97, NStZ-RR 1998, 136 mwN). Lässt das angefochtene Urteil
erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sach-
verhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisi-
onsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine
andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH aaO).
(2) Danach erweist sich die rechtliche Bewertung des Landgerichts hier
jedenfalls als vertretbar. Die Strafkammer konnte insoweit rechtsfehlerfrei da-
rauf abstellen, dass der in die Manipulationen umfassend eingeweihte Ange-
klagte in den Fällen III.2, 3 und 6 mit dem gesondert verfolgten S. abge-
sprochen hatte, dass dieser für ihn Geldbeträge einsetzen sollte.
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cc) In denjenigen Fällen, in denen die Wettanbieter den entsprechend
der vereinbarten Quote berechneten Gewinn ausbezahlt und dadurch für sich
einen Vermögensverlust in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wett-
gewinn herbeigeführt haben, ist das Landgericht zu Recht von einem vollende-
ten Betrug und einem Schaden in dieser Höhe ausgegangen.
(1) Da nach den Feststellungen die Wettanbieter die Wettverträge nicht
abgeschlossen und dementsprechend auch keine Gewinne ausbezahlt hätten,
wenn ihnen die Manipulationen der gewetteten Spiele bekannt geworden wä-
ren, ist der für die Annahme eines Betruges erforderliche Ursachenzusammen-
hang zwischen dem täuschungsbedingten Irrtum und der in der Gewinnaus-
schüttung liegenden Vermögensverfügung gegeben (BGH, Urteil vom 15. De-
zember 2006
– 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 34).
Der Umstand, dass das Landgericht keine näheren Feststellungen dazu
getroffen hat, wer bei den Wettanbietern im konkreten Fall die Wetten ange-
nommen hat und wie die Gewinnauszahlungen veranlasst wurden, steht dem
nicht entgegen, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es im Ge-
schäftsbetrieb der Wettanbieter an irgendeiner Stelle ein Wissen um die Mani-
pulationen gegeben hat und der durch die Täuschung ausgelöste Irrtum über
die Manipulationsfreiheit deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein
könnte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002
– 3 StR 161/02, NStZ 2003,
313 Tz. 8 f.; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316). Auch hat das irrtums-
bedingte Verhalten auf Seiten der Wettanbieter ohne weitere deliktische Zwi-
schenschritte der Angeklagten zu der Vermögensverfügung geführt (vgl. BGH,
Urteil vom 20. Februar 1991
– 2 StR 421/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermö-
gensschaden 29).
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(2) Die Tatsache, dass die Wettanbieter
– entgegen der Ansicht des
Landgerichts
– schon mit der auf derselben Täuschung beruhenden Eingehung
der Wettverträge einen Vermögensnachteil erlitten haben (dazu unten II.3),
steht einer Schadensbestimmung nach Maßgabe der in der Erfüllungsphase
geleisteten Zahlungen nicht entgegen. Die Erfüllung einer täuschungsbedingt
eingegangenen, vermögensnachteiligen Verpflichtung vertieft den bereits einge-
tretenen Schaden. Beide Verfügungen und die durch sie ausgelösten Nachteile
bilden zusammen eine Betrugstat (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009
– 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 162 f.; Urteil vom 15. Dezember 2006
– 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 35 f.; Urteil vom 29. Januar 1997
– 2 StR 633/96, NStZ 1997, 542, 543; RG, Urteil vom 17. März 1932
– III. 841/31, RGSt 66, 175, 180; LK-StGB/Lackner, 10. Aufl., § 263 Tz. 292 f.;
LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 274; Tenckhoff in FS Lackner, S. 677,
680). Dabei ist für die Schadensfeststellung jedenfalls dann allein auf die Erfül-
lungsphase abzustellen, wenn
– wie hier – der Getäuschte seine Verpflichtung
aus dem Vertrag restlos erfüllt hat und der mit dem Vertragsschluss ausgelöste
Nachteil deshalb vollständig in dem durch die Vertragserfüllung herbeigeführten
Schaden enthalten ist (BGH, Beschluss vom 14. April 2011
− 2 StR 616/10,
NStZ 2011, 638 Tz. 12 a.E.; vgl. Klein, Das Verhältnis von Eingehungs- und
Erfüllungsbetrug, 2003, S. 178 ff.).
(3) Auf die Frage, ob die Manipulationen des Angeklagten und der ge-
sondert verfolgten S. und C. tatsächlich den Ausgang der betroffenen
Spiele beeinflusst haben, kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 15. Dezember
2006
– 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 35 f.; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim,
NStZ 2007, 361, 368; Saliger in FS Samson, S. 455, 460). Dass es dem Ange-
klagten, S. und C. in den Fällen, in denen das gewettete Spielergebnis
unabhängig von ihrer Einflussnahme auf den Spielverlauf eintrat, möglich ge-
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- 19 -
wesen wäre, den Wettgewinn auch ohne Manipulation und damit auch ohne
eine hierauf bezogene Täuschung zu erzielen, ist schon deshalb ohne Belang,
weil für die innere Verknüpfung von Täuschung, Irrtum und Vermögensverfü-
gung allein der tatsächliche Verlauf der Willensbildung maßgebend ist (BGH,
Urteil vom 24. Februar 1959
– 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 14 f.; im Ergebnis
ebenso Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, S. 250 f.).
(4) Zu Unrecht vermisst die Revision im Zusammenhang mit der Feststel-
lung des Vermögensschadens eine Erörterung der Frage, ob das von den asia-
tischen Wetthaltern betriebene Wettgeschäft dort erlaubt gewesen sei. Denn
jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht ist auf Seiten der ausländischen Wettanbie-
ter eine Schädigung eingetreten (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006
– 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 49).
II.
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat den aus der Urteilsformel
ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Voraussetzungen banden- und gewerbsmäßigen Betruges im Sin-
ne der Qualifikation des § 263 Abs. 5 StGB hat die Strafkammer indes im Er-
gebnis rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Es fehlt insoweit bereits an einer den
Angeklagten einbeziehenden Bandenabrede.
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a) Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der delikti-
schen Vereinbarung, der sog. Bandenabrede (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005
3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 161). Sie setzt den Zusammenschluss von min-
destens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künf-
tig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse
Straftaten des im Gesetz benannten Deliktstyps zu begehen (BGH aaO; vgl.
auch BGH, Beschluss vom 22. März 2001
– GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 335).
b) Als Verabredung bandenmäßigen Handelns kommt lediglich die Zu-
sammenkunft des gesondert verfolgten S. mit drei Mitarbeitern der
Ltd. am 11. August 2008 in W. in Frage. Unabhängig davon, ob die dort ge-
troffenen Vereinbarungen für S. und die Beschäftigten der Ltd. die
Anforderungen an eine Bandenabrede im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB erfüllen
(vgl. dazu das Senatsurteil vom heutigen Tage gegen die gesondert verfolgten
C. und S.
– 4 StR 55/12), belegen die vom Landgericht getroffenen
Feststellungen nicht, dass auch der Angeklagte in eine solche Abrede einbezo-
gen gewesen wäre. Denn er war von S. lediglich als Dolmetscher seines
Vertrauens zu dem Treffen hinzugezogen worden. Weitere, möglicherweise
zeitlich nachgelagerte Abreden, denen sich der Angeklagte, und sei es auch nur
konkludent, angeschlossen haben könnte, hat die Strafkammer ebenfalls nicht
festgestellt.
2. Die von der Beschwerdeführerin ferner angegriffene Verneinung ge-
werbsmäßigen Handelns weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Vorteil des
Angeklagten auf.
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- 21 -
Das Landgericht konnte im Hinblick auf die für Gewerbsmäßigkeit im
Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 5 StGB erforderliche, auf Dauer an-
gelegte Einnahmequelle zum einen rechtsfehlerfrei darauf abstellen, dass hin-
sichtlich des Angeklagten lediglich sechs Taten in einem Zeitraum von 15 Mo-
naten festgestellt werden konnten. Zum anderen konnte nicht ermittelt werden,
ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Angeklagte in den Fällen III.1 und
III.4 der Urteilsgründe für seine Mitwirkung an den Taten entschädigt wurde.
3. Im Fall III.6 hat das Urteil jedoch keinen Bestand; das Landgericht hat
das Vorliegen der Voraussetzungen eines vollendeten Betruges mit nicht trag-
fähigen Erwägungen abgelehnt.
a) Der 5. Strafsenat hat entschieden, dass bei Wetten mit festen Quoten
auf manipulierte Fußballspiele bereits mit Abschluss des Wettvertrages ein voll-
endeter Betrug zum Nachteil der getäuschten Wettanbieter gegeben ist. Die
au
fgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote stelle gleichsam den „Ver-
kaufspreis“ der Wettchance dar. Durch die Manipulationen sei das Wettrisiko
erheblich zugunsten der täuschenden Wettkunden verschoben worden. Die bei
Vertragsschluss von den Wettanbietern vorgegebene Quote entspreche des-
halb nicht mehr dem Risiko, das ihrer Kalkulation zugrunde gelegen habe. Die
von dem Wettkunden erkaufte Chance auf den Wettgewinn sei wesentlich mehr
wert, als er dafür in Ausnutzung seiner Täuschung bezahlt habe. Für seine je-
weiligen Einsätze hätte der Wettkunde bei realistischer Einschätzung des tat-
sächlichen Wettrisikos einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können.
Diese „Quotendifferenz“ stelle bei jedem Vertragsschluss einen nicht unerheb-
lichen Vermögensschaden dar. Dieser Quotenschaden müsse nicht beziffert
werden. Es reiche aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen
und bewertet werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006
– 5 StR 181/06,
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- 22 -
BGHSt 51, 165 Tz. 32 f.; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 212; Engländer, JR
2007, 477, 479; Gaede, HRRS 2007, 16, 18; Krack, ZIS 2007, 103, 109;
Ostermeier, ZfWG 2007, 253, 260).
b) Auch der Senat bejaht grundsätzlich einen Vermögensschaden bereits
mit Abschluss des Wettvertrags. Allerdings ist die eingetretene Vermögensmin-
derung abweichend zu bestimmen.
aa) Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines gegenseitigen Vertra-
ges verleitet (Eingehungsbetrug), sind bei der für die Schadensfeststellung er-
forderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen
den Täuschenden und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung mitei-
nander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Ne-
gativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom
14. April 2011
− 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Tz. 12; Urteil vom 14. August
2009
– 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 156; Beschluss vom 18. Februar 1999
– 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 StR 606/60,
BGHSt 16, 220, 221; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 160, 173). Ist
der Getäuschte ein Risikogeschäft eingegangen, kommt es für die Bestimmung
des Schadens maßgeblich auf die täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustge-
fahr an, die über die vertraglich zu Grunde gelegte hinausgeht (vgl. BGH, Be-
schluss vom 14. April 2011
− 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Tz. 12; Beschluss
vom 18. Februar 2009
– 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Tz. 12 f.; Beschluss vom
23. Februar 1982
– 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f.; Jaath in FS Dünne-
bier, S. 583, 591 f.).
Auch ein nur drohender, ungewisser Vermögensabfluss kann einen
Schaden darstellen, wenn der wirtschaftliche Wert des gefährdeten Vermögens
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bereits gesunken ist (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 263 Tz. 40 ff.;
Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 529 f.; Riemann, Vermögensgefährdung und
Vermögensschaden, 1989, S. 7). Die bloße Möglichkeit eines Wertverlustes
genügt dabei allerdings noch nicht. Auch dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten
nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Ein-
tritt eines realen Schadens ungewiss bleibt. Zur Verhinderung einer tatbestand-
lichen Überdehnung und zur Wahrung des Charakters des Betrugstatbestandes
als Erfolgsdelikt ist der Schaden daher der Höhe nach zu beziffern und nach-
vollziehbar darzulegen. Bestehen Unsicherheiten, kann ein Mindestschaden
unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege einer tragfähigen Schätzung er-
mittelt werden (BVerfG, NStZ 2012, 496 Tz. 176; vgl. NStZ 2010, 626 Tz. 28;
BGH, Urteil vom 14. August 2009
– 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 163; Be-
schluss vom 18. Februar 2009
– 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Tz. 13; LK-
StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 165 mwN; Kraatz, JR 2012, 329, 332 ff.).
Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung des Schadens eine Rolle
spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern
oder verdrängen (BVerfG, NStZ 2012, 496 Tz. 176; vgl. auch Saliger, JZ 2012,
723, 727 f.).
bb) Bei Wettverträgen auf Sportereignisse mit verbindlichen Quoten ge-
stehen sich der Wettende und der Wetthalter gegenseitig je einen Anspruch auf
einen bestimmten Geldbetrag zu und übernehmen das entsprechende Haf-
tungsrisiko. Beide Ansprüche stehen zueinander im Verhältnis der Alternativität,
weil sie mit unterschiedlichen Vorzeichen von dem Eintritt des gewetteten Spie-
lergebnisses oder Spielverlaufs und damit von entgegengesetzten Bedingungen
abhängen (vgl. Staudinger/Engel, BGB, Neubearb. 2008, § 762 Tz. 4 ff.;
MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl., § 762 Tz. 7; Henssler, Risiko als Ver-
tragsgegenstand, S. 440 ff.). Der Anspruch des Wettenden ist auf den seinen
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- 24 -
Einsatz entsprechend der vereinbarten Quote übersteigenden Wettgewinn und
der Anspruch des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des vorgeleisteten
Wetteinsatzes gerichtet. Ihr Geldwert bestimmt sich nach der vereinbarten Hö-
he (Einsatz x Quote
– Einsatz bzw. Einsatz) sowie der Wahrscheinlichkeit des
Eintrittes des zur Bedingung gemachten Spielausganges. Wird durch eine nicht
offen gelegte Manipulation des Wettenden die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass
es zu dem von ihm gewetteten Spielausgang kommt, erhöht sich damit auch
der Geldwert seines Anspruchs gegen den getäuschten Wettanbieter und das
korrespondierende Haftungsrisiko. Zugleich vermindert sich der Geldwert des
alternativen Anspruchs des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des Einsat-
zes. Die getäuschten Wettanbieter haben mithin einen Vermögensschaden erlit-
ten, wenn bei objektiver Betrachtung die von ihnen gegenüber dem Angeklag-
ten, S. und C. eingegangene
– infolge der Manipulationen mit einem
erhöhten Realisierungsrisiko behaftete
– Verpflichtung zur Auszahlung des ver-
einbarten Wettgewinns nicht mehr durch den Anspruch auf den Wetteinsatz
aufgewogen wird.
cc) Die Tatsache, dass die beeinträchtigten Ansprüche der Wettanbieter
auf ein Behaltendürfen des Wetteinsatzes von dem Nichteintritt des gewetteten
Spielergebnisses abhängen, lässt den strafrechtlichen Vermögensschutz nicht
entfallen. Auch bedingte Forderungen gehören zum strafrechtlich geschützten
Vermögen, wenn mit ihrer Realisierung ernsthaft zu rechnen ist und sie deshalb
im Geschäftsverkehr als werthaltig angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss
vom 27. Mai 2008
– 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627). Dies war hier ersichtlich der
Fall.
dd) Soweit die getäuschten Wettanbieter in der Gesamtschau keinen
Verlust erlitten haben, weil das auf die betroffenen Spiele entfallene Wettauf-
54
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- 25 -
kommen die an den Angeklagten, S. und C. auszuschüttenden Ge-
winne gedeckt hat, steht dies der Annahme eines Vermögensschadens nicht
entgegen (a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 366; Reinhart,
SpuRt 2007, 52, 54 f.; Rönnau in FS Rissing-van Saan, S. 517, 528; Saliger in
FS Samson, S. 455, 459 f.). Die dem Wettanbieter verbleibenden Wetteinsätze
der Wettverlierer stellen im Verhältnis zu den manipulativ agierenden Wettge-
winnern keinen unter dem Gesichtspunkt der Schadenskompensation zu be-
rücksichtigenden Ausgleich dar. Kommt es im Zusammenhang mit einer nach-
teiligen Vermögensverfügung an anderer Stelle zu einem Vermögenszuwachs,
scheidet die Annahme eines Vermögensschadens nur dann aus, wenn dieser
Vorteil von der Verfügung selbst zeitgleich mit dem Nachteil hervorgebracht
worden ist und nicht
– wie hier – auf rechtlich selbstständigen Handlungen be-
ruht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009
– 4 StR 194/09, NStZ 2010,
330 Tz. 2; Beschluss vom 27. August 2003
– 5 StR 254/03, NStZ 2004, 205
Tz. 2; Urteil vom 23. Mai 2002
– 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 f.; Urteil
vom 4. März 1999
– 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354; SSW-StGB/Satzger,
§ 263 Tz. 144).
ee) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entschei-
dung. Der neue Tatrichter wird dabei
– gegebenenfalls mit sachverständiger
Hilfe
– die Wahrscheinlichkeit eines Wetterfolges und dessen Beeinflussung
durch die Manipulationen zu beurteilen und danach den wirtschaftlichen Wert
sowohl der bedingten Verbindlichkeit (Zahlung des Wettgewinns) als auch des
gegenüberstehenden Anspruchs (Behaltendürfen des Wetteinsatzes) des ge-
täuschten Wettanbieters zu bestimmen haben. Dabei können die auf dem
Wettmarkt für die jeweiligen Spiele anfänglich angebotenen Quoten einen An-
halt für die Bewertung des Wettrisikos vor der Manipulation bieten. Für die Be-
wertung der Beeinflussung des Wettrisikos durch die Manipulation geben die
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Zahl und die Bedeutung der beeinflussten Spieler oder sonstigen Teilnehmer
einen wesentlichen Anhaltspunkt.
Soweit für eine Schadensbestimmung eine Anknüpfung an die Grundsät-
ze zu Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste
aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) in Betracht kommt
(vgl. Kozikowski/Schubert in Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 249
Tz. 60; Kraatz, JR 2012, 329, 334), wird besonders zu beachten sein, dass es
hier um die Ermittlung eines Mindestschadens geht. Betriebswirtschaftliche so-
wie handels- und gesellschaftsrechtliche Bewertungsverfahren sind in erhebli-
chem Maß von Grundsätzen geprägt (Vorsichtsprinzip), die im Zweifel zur An-
nahme niedriger Werte und zu einer Überbewertung von Verlustrisiken führen,
was ihrer Anwendung auf einen strafrechtlichen Sachverhalt Grenzen setzt
(Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 530; Becker, HRRS 2009, 334, 338 f.; Kempf in
FS Volk, S. 231, 240 f.; Tiedemann in FS Klug, Bd. II., S. 405, 415). Lassen
sich keine belastbaren Aussagen treffen und kann deshalb auch ein Mindest-
schaden nicht mehr geschätzt werden, scheidet ein Schuldspruch wegen voll-
endeten Betrugs aus.
ff) Eine Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG ist nicht erforderlich,
weil der 5. Strafsenat die in seinem Urteil vom 15. Dezember 2006
(5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 32 f.) vertretene Auffassung, dass der einge
tretene Vermögensschaden nicht beziffert werden müsse, mit Beschluss vom
13. April 2012 (5 StR 442/11, NJW 2012, 2370 Tz. 7) aufgegeben und mit
Rücksicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember
2011 (2 BvR 2500/09 u.a., NStZ 2012, 496 Tz. 176) entschieden hat, dass es
im Fall der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschrei-
bung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden bedarf.
57
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V.
Die Anordnung der Rückgewinnungshilfe gemäß § 111i Abs. 2 StPO mit
den zugehörigen Feststellungen bleibt von Teilaufhebung des Schuldspruchs
unberührt. Das Landgericht hat festgestellt, dass es im Fall III.6 der Urteilsgrün-
de keine Wettgewinne zur Auszahlung gelangten und die Einsätze in voller Hö-
he verloren waren. Dies betraf auch den Teilbetrag des Wetteinsatzes, der auf
den Angeklagten entfiel.
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin
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