Urteil des BGH vom 20.07.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 397/03
Verkündet am:
20. Juli 2005
K i r c h g e ß n e r,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 134, 306 a.F.
Ist die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils wegen Verstoßes gegen die
Teilungsbestimmung des § 17 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG gemäß
§ 134 BGB nichtig, so ist das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft auf
eine unmögliche Leistung gerichtet und deshalb ebenfalls nichtig.
BGB § 157 D
Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus, wenn mehrere gleichwertige
Anpassungsmöglichkeiten in Betracht kommen und keine hinreichenden An-
haltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen vorhanden sind (hier: zwei
mögliche Varianten zur wechselseitigen Abstimmung zweier wirtschaftlich zu-
sammenhängender Verträge).
BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 397/03 - OLG Hamm
LG Siegen
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst sowie die Richterin Hermanns
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Grund- und Teilurteil des
27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Januar
2003 aufgehoben.
Die von seinen Streithelfern geführte Berufung des Klägers gegen
das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom
7. Juni 2002 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Streithelfer des Klägers haben die Kosten beider Rechtsmit-
telzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen fehlgeschlagener Über-
tragung von Gesellschaftsanteilen.
Die Beklagten zu 1) und 2), Vater und Onkel des Klägers, waren Gesell-
schafter der H. GmbH & Co. KG sowie deren Komplementär-
GmbH. Im Jahr 1993 entschlossen sie sich, ihre Gesellschaftsanteile auf die
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Söhne des Beklagten zu 1) zu übertragen. Mit notariellem Vertrag vom
8. September 1993 übertrug der Beklagte zu 1) seinen Geschäftsanteil an der
GmbH in Höhe von 12.500 DM zu gleichen Teilen, mithin einen Anteil von je-
weils 6.250 DM, unentgeltlich auf den Kläger und dessen Bruder B. .
Zugleich übertrug er, ebenfalls unentgeltlich, seinen Kommanditanteil an der
Kommanditgesellschaft, der sich zuletzt auf 100.000 DM belief, je zur Hälfte auf
die beiden Söhne. Der Beklagte zu 2), der einen GmbH-Geschäftsanteil von
22.500 DM sowie einen Kommanditanteil von 180.000 DM hielt, übertrug
- jeweils gegen Zahlung einer Rente - mit notariellem Vertrag vom
23. Dezember 1993 den GmbH-Geschäftsanteil mit Teilen von 13.750 DM auf
den Kläger, von 6.250 DM auf dessen Bruder B. und von 2.500 DM auf ei-
nen weiteren Bruder, E. . Seinen Kommanditanteil veräußerte der Be-
klagte zu 2) gleichfalls an den Kläger sowie dessen Brüder. Insgesamt sollte
der Kläger damit 40 % der Anteile an den beiden Gesellschaften halten.
Am 8. September 1993 wurde der Kläger zum Geschäftsführer der
GmbH bestellt; im Juli 1997 legte er dieses Amt nieder, nachdem es zwischen
ihm und den übrigen Gesellschaftern und seinem Vater zu Meinungsverschie-
denheiten über die Geschäftsführung gekommen war.
Nachdem die Erwerber zunächst von allen Beteiligten als Gesellschafter
behandelt worden waren, stellte sich bei einer Gesellschafterversammlung im
Mai 1998 erstmals heraus, daß die im Zusammenhang mit der Veräußerung
der Geschäftsanteile vorgenommene Teilung gegen die Bestimmungen des
GmbH-Gesetzes verstieß, soweit die Beträge der neuen Anteile nicht durch
100 DM teilbar waren. In der Folgezeit gingen die Beteiligten von der Nichtig-
keit der notariellen Verträge aus. Das Verlangen des Klägers, an einer Heilung
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der Verträge mitzuwirken oder ihm die Geschäftsanteile im vorgesehenen Um-
fang in einer dem Gesetz entsprechenden Weise erneut zu übertragen, lehnten
die Beklagten ab und verfügten anderweitig über ihre Anteile. Der Kläger hat
deshalb von den Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung gefordert;
ferner hat er unter anderem die Freistellung von etwaigen Gewinnrückzah-
lungsansprüchen der Kommanditgesellschaft verlangt sowie im Wege der Stu-
fenklage gegen den Beklagten zu 1) Ansprüche auf Auskehrung der auf seinen
Kommanditanteil in der Zeit vom 7. Mai 1998 bis 10. Dezember 2001 ausge-
schütteten Gewinne geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä-
gers, die von seinen beiden Streithelfern für ihn eingelegt und geführt worden
ist, hat das Oberlandesgericht unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
die gestellten Zahlungsanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und
den Beklagten zu 1) im Rahmen der Stufenklage zur Auskunftserteilung und
Rechnungslegung verurteilt. Wegen der Höhe der Zahlungsansprüche des Klä-
gers sowie wegen des Leistungsantrages der Stufenklage hat es das Verfahren
an das Landgericht zurückverwiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelas-
senen Revision wollen die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtli-
chen Urteils erreichen. Die Streithelfer des Klägers beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Beklagten seien dem Kläger zum Schadensersatz gemäß §§ 325
Abs. 1 Satz 1, 326 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. verpflichtet, weil sie sich nach Fest-
stellung der Nichtigkeit der Übertragung der GmbH-Anteile und der Komman-
ditanteile geweigert hätten, eine erneute wirksame Übertragung an den Kläger
vorzunehmen, bzw. weil sie eine solche Übertragung durch die anderweitige
Verfügung über die Anteile selbst unmöglich gemacht hätten.
Zur Mitwirkung an einer erneuten Übertragung seien die Beklagten ent-
gegen der Auffassung des Landgerichts verpflichtet gewesen. Zwar sei die in
den Verträgen vom 8. September und 23. Dezember 1993 vereinbarte Übertra-
gung der Geschäftsanteile wegen Verstoßes gegen §§ 5 Abs. 3, 17 Abs. 4
GmbHG und wegen der gewollten Einheitlichkeit der Anteilsübertragungen
nach den §§ 134, 139 BGB insgesamt nichtig gewesen. Die Nichtigkeit des
dinglichen Geschäfts habe aber ausnahmsweise nicht zur Nichtigkeit des Ver-
pflichtungsgeschäfts geführt; denn die Verträge vom 8. September und
23. Dezember 1993 seien trotz ihrer zeitlichen Trennung als Einheit zu sehen.
Mit diesen beiden Verträgen sei das Ziel verfolgt worden, daß beide Beklagte
durch Veräußerung und Übertragung ihrer Anteile vollständig aus den Gesell-
schaften ausscheiden sollten und dem Kläger einheitlich ein Anteil von 40 %,
seinem Bruder B. ein solcher von 25 % und seinem Bruder E. ein
solcher von 17 % an beiden Gesellschaften verschafft werden sollte. Die beab-
sichtigte Beteiligung des Klägers in Höhe von 20.000 DM und seines Bruders
B. in Höhe von 12.500 DM, die im Rahmen einer geordneten Unterneh-
mensnachfolge der eigentliche Sinn und Zweck des Geschäfts gewesen sei,
habe nicht gegen die genannten Bestimmungen des GmbH-Gesetzes versto-
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ßen. Sie sei deshalb als wirksam anzusehen. Bei der von den Beteiligten ge-
wählten Aufteilung der Anteile habe es sich lediglich um eine Art "technischer
Abwicklung" des wirtschaftlich Gewollten gehandelt. Es liege auf der Hand, daß
die Parteien, wenn sie schon damals den Gesetzesverstoß bei dieser Art der
Abwicklung erkannt hätten, eine ähnliche, gesetzliche zulässige Form der Tei-
lung der zu übertragenden Anteile gewählt hätten, um das erstrebte Ziel zu
erreichen. Der schuldrechtliche Vertrag enthalte insoweit eine ungewollte Lü-
cke, die nach den Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen
sei. Es sei davon auszugehen, daß die Parteien bei Kenntnis der Unwirksam-
keit der vereinbarten Regelung die zu übertragenden Anteile um jeweils 50 DM
größer oder kleiner gebildet und damit dasselbe Ziel erreicht hätten.
Gegenüber dem sich hieraus ergebenden Anspruch des Klägers auf
Übertragung von Anteilen in Höhe von 40 % stehe den Beklagten keine Einre-
de aus § 242 BGB wegen des vorangegangenen Verhaltens des Klägers zu.
Aus denselben Gründen reiche das Vorbringen der Beklagten auch nicht für
einen Widerruf der Schenkung (durch den Beklagten zu 1)) nach § 530 BGB
aus.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in dem ent-
scheidenden Punkt nicht stand. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch
wegen Nichterfüllung aus den §§ 325, 326 BGB a.F. gegen die Beklagten nicht
zu, weil die notariellen Verträge vom 8. September und 23. Dezember 1993
gemäß §§ 306, 139 BGB a.F. insgesamt nichtig sind.
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1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Ver-
stoß gegen § 17 Abs. 4 in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F., wo-
nach auch bei der Teilung eines Geschäftsanteils der Nennbetrag der neuen
Anteile in D-Mark durch 100 teilbar sein muß, gemäß § 134 BGB die Nichtigkeit
des Übertragungsgeschäfts zur Folge hat (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich,
GmbHG, 17. Aufl., § 5 Rn. 12); eine der gesetzlichen Ausnahmen (§§ 57 h
Abs. 1 Satz 2, 57 I Abs. 2 Satz 4, 58 Abs. 2 Satz 2, 58 a Abs. 3 Satz 2 und 3
GmbHG) kommt hier nicht in Betracht. Der Mangel wird durch die Eintragung
der unzulässigen Stammeinlage in das Handelsregister nicht geheilt (Baum-
bach/Hueck/Fastrich aaO Rn. 13). Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht fer-
ner darin, daß die Nichtigkeit der Übertragung der geteilten GmbH-
Geschäftsanteile gemäß § 139 BGB auch die Unwirksamkeit der Übertragung
der Kommanditanteile zur Folge hatte, weil nach § 9 Abs. 5 des KG-Vertrages
und ebenso nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten die Anteile
beider Gesellschaften jeweils nur zusammen übertragen werden sollten, um
übereinstimmende Beteiligungsverhältnisse in den Gesellschaften sicherzustel-
len.
2. Das Oberlandesgericht hat schließlich nicht verkannt, daß die Nich-
tigkeit des dinglichen Geschäfts grundsätzlich auch das Verpflichtungsgeschäft
erfaßt; ein Vertrag, der auf eine rechtlich unzulässige Leistung gerichtet ist, ist
regelmäßig wegen anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung nichtig (§ 306 BGB
a.F., Senatsurteil BGHZ 116, 268, 276/277). Etwas anderes gilt ausnahmswei-
se nur dann, wenn Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes, gegen das das Erfül-
lungsgeschäft verstößt, nicht zwingend die Unwirksamkeit des Verpflichtungs-
geschäfts erfordern (§ 134 letzter HS. BGB; Staudinger/Sack, BGB (2003),
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§ 134 Rn. 34; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 115, 123, 129/130). Eine derartige
Ausnahme liegt hier jedoch nicht vor, und zwar - entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts - auch nicht im Hinblick auf den Gesamtnennbetrag der Ge-
schäftsanteile, die der Kläger und sein Bruder B. durch beide Verträge im
Ergebnis erhalten sollten und die, wie von den §§ 17 Abs. 4, 5 Abs. 3 Satz 2
GmbHG a.F. gefordert, durch 100 DM teilbar waren.
a) Die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes über die bei der Teilung ei-
ner Stammeinlage (§ 5 Abs. 3 Satz 2) bzw. eines Geschäftsanteils (§ 17
Abs. 4) zulässigen Beträge sollen eine völlige Kapitalzersplitterung verhindern
(Michalski/Zeidler, GmbHG, § 5 Rn. 56). Dieser Zweck wird aber regelmäßig
nur erreicht, wenn einem Rechtsgeschäft, das gegen jene Vorschriften ver-
stößt, jede rechtliche Wirksamkeit versagt wird. Dementsprechend hat ein sol-
cher Verstoß gemäß § 134 BGB grundsätzlich die Nichtigkeit des betreffenden
Geschäfts zur Folge; aus dem Gesetz ergibt sich insoweit nichts anderes. Das
gilt, da die Übertragung eines in unzulässiger Weise geteilten Geschäftsanteils
eine rechtlich unmögliche Leistung darstellt, auch für das zugrunde liegende
Verpflichtungsgeschäft (§ 306 BGB a.F.; Soergel/Manfred Wolf, BGB, 12. Aufl.,
§ 306 Rnrn. 7 und 8; Staudinger/Löwisch aaO (2001), § 306 Rn. 36).
b) Ob eine Ausnahme dann gerechtfertigt ist, wenn in mehreren, zeitlich
(etwa auf Grund einer gleichzeitigen Beurkundung bei ein und demselben No-
tar) und sachlich unmittelbar zusammenhängenden Verträgen eine unzulässige
Aufteilung vorgenommen wird, der Gesamtbetrag der verschiedenen, auf eine
Person zu übertragenden Geschäftsanteile aber einen durch 100 teilbaren Be-
trag ergibt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Verträge vom
8. September und 23. Dezember 1993 stellen schon wegen des zeitlichen Ab-
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standes keine Einheit in diesem Sinne dar. Insbesondere stand es bei
Abschluß des ersten Vertrages nicht mit hinreichender Sicherheit fest, ob es
auch zum Abschluß des zweiten Vertrages (zwischen dem Beklagten zu 2) ei-
nerseits sowie dem Kläger und seinen Brüdern andererseits) kommen würde.
Wollte man mit dem Berufungsgericht ungeachtet der nicht unerheblichen zeit-
lichen Differenz die Wirksamkeit des Vertrages vom 8. September 1993 beja-
hen, so hinge diese Wirksamkeit allein vom Abschluß des zweiten Vertrages
ab; dies würde zu einem rechtlichen Schwebezustand von ungewisser Dauer
führen, der mit dem Zweck der §§ 5 Abs. 3 Satz 2, 17 Abs. 4 GmbHG nicht zu
vereinbaren wäre. Der Umstand, daß den Verträgen ein gemeinsamer Plan
aller Beteiligten für die Nachfolge in dem Unternehmen zugrunde lag, reicht
unter diesen Umständen für die Annahme einer Einheitlichkeit, die möglicher-
weise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts nicht aus.
3. Die Wirksamkeit der schuldrechtlichen Abreden läßt sich, anders als
das Berufungsgericht meint, auch nicht im Wege einer ergänzenden Ver-
tragsauslegung herbeiführen.
a) Die ergänzende Vertragsauslegung gehört grundsätzlich zum Bereich
der tatrichterlichen Feststellungen; sie ist deshalb revisionsrechtlich nur dar-
aufhin nachprüfbar, ob das Berufungsgericht Auslegungs- und Ergänzungsre-
geln oder Denk- oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände un-
beachtet gelassen hat (Senatsurteil vom 17. April 2002 - VIII ZR 297/01, NJW
2002, 2310 = BGHR BGB § 157, Ergänzende Auslegung 29, unter II vor 1
m.w.Nachw.). Ein solcher Fehler ist dem Berufungsgericht hier unterlaufen.
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b) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist zunächst,
daß die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke - eine planwidrige Un-
vollständigkeit - aufweist. Eine Regelungslücke liegt dann vor, wenn die Partei-
en einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn bewußt offengelassen haben, weil
sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehal-
ten haben, und wenn sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend her-
ausstellt. Gleich zu behandeln ist der Fall, daß eine bestimmte Vertragsklausel
sich nachträglich als unwirksam herausstellt und sich der Vertrag aus diesem
Grund als lückenhaft erweist (Senatsurteil vom 17. April 2002 aaO unter II 1
m.w.Nachw.).
Das Berufungsgericht sieht eine derartige Lücke in der Unwirksamkeit
der vertraglichen Vereinbarungen über die Höhe der zu übertragenden Ge-
schäftsanteile. Ob diese Annahme zutrifft, erscheint fraglich. Die vom Beru-
fungsgericht vorgenommene ergänzende Auslegung ist jedenfalls deshalb
rechtsfehlerhaft, weil sie gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstößt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist bei der
ergänzenden Auslegung darauf abzustellen, was die Parteien bei einer ange-
messenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Ver-
tragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall
bedacht hätten (Senatsurteil vom 17. April 2002 aaO unter II 2). Dabei ist zu-
nächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen; die darin enthaltenen Regelungen
und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergän-
zung. Lassen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für den
hypothetischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Aus-
legungsmöglichkeiten in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Ver-
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tragsauslegung aus. Im übrigen findet die ergänzende Auslegung ihre Grenze
an dem im - wenn auch lückenhaften - Vertrag zum Ausdruck gekommenen
Parteiwillen; sie darf daher nicht zu einer Abänderung oder Erweiterung des
Vertragsgegenstandes führen (Senatsurteil vom 17. April 2002 aaO).
Für die Beseitigung der Unzulässigkeit der von den Parteien gewählten
Aufteilung der zu übertragenden Geschäftsanteile kommen jeweils zwei Mög-
lichkeiten in Betracht: Die Parteien hätten, um eine dem Gesetz entsprechende
Aufteilung und Übertragung zu erreichen, einen der neuen Geschäftsanteile
um 50 DM erhöhen und den anderen um 50 DM reduzieren können. Dieses
Verfahren hätte allerdings für einen der beiden betroffenen Erwerber - den
Kläger oder seinen Bruder B. - einen wirtschaftlichen Vorteil und für den
anderen einen entsprechenden Nachteil mit sich gebracht. Zudem wäre eine
Anpassung zweier Verträge erforderlich gewesen, und beim Vertrag vom
23. Dezember 1993 hätten sich darüber hinaus Auswirkungen auf die jeweili-
gen Gegenleistungen ergeben. Weder aus den vom Tatrichter getroffenen
Feststellungen noch aus dem von den Parteien im Revisionsverfahren in Be-
zug genommenen Vorbringen ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, welche
der beiden in Betracht kommenden Lösungen die Parteien gewählt hätten,
wenn ihnen die Nichtigkeit der gewollten Anteilsübertragungen bewußt gewe-
sen wäre. Die daraus folgende Ungewißheit über die erforderliche Anpassung
der Verträge schließt nach dem Gesagten die Möglichkeit einer ergänzenden
Auslegung aus.
4. Sind nach alledem die notariellen Verträge vom 8. September und
23. Dezember 1993 insgesamt nichtig und läßt sich ihre Wirksamkeit auch
nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung herstellen, so scheidet der
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vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung
gemäß §§ 325, 326 BGB a.F. schon dem Grunde nach aus. Der vom Kläger im
Wege der Stufenklage gegen den Beklagten zu 1) geltend gemachte Anspruch
auf Auskehrung der Gewinne, die auf die Kommanditanteile ausgeschüttet
worden sind, ist ebenfalls unbegründet.
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III.
Auf die Revision der Beklagten ist deshalb, da die Sache zur Endent-
scheidung reif ist, das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), und die
von den Streithelfern geführte Berufung des Klägers gegen das erstinstanzli-
che Urteil ist zurückzuweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Dr. Deppert Dr. Beyer Wiechers
Dr. Wolst Dr. Deppert für die
wegen Urlaubs an
der Unterzeichnung
verhinderte Richterin
am Bundesgerichtshof
Hermanns 3.8.2005