Urteil des BGH vom 10.06.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 117/09
vom
18. März 2010
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZVG § 9a Abs. 1 Satz 3
Restitutionsansprüche auf Grundstücke können nicht nach Maßgabe von § 9a Abs. 1
Satz 3 EGZVG im Zwangsversteigerungsverfahren angemeldet werden (Anschluss
an BVerwGE 130, 134).
BGH, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 117/09 - LG Potsdam
AG
Potsdam
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. März 2010 durch den Vor-
sitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-
Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss
der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 10. Juni 2009
und der Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam vom
13. März 2009 unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen
aufgehoben.
Der Gegenstandswert für die Vertretung der Beteiligten zu 1 als
Ersteherin wird auf 783.807,66 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1 ordnete das Amtsgericht mit Beschlüssen
vom 14. August 2007 und vom 13. November 2007 die Versteigerung der ein-
gangs genannten Grundstücke an. Mit Beschlüssen vom 17. Dezember 2007
und vom 10. März 2008 setzte es die Verkehrswerte der beiden Grundstücke
auf 925.350 € (lfd. Nr. 4) und auf 14.650 € (lfd. Nr. 1) fest. In dem auf den
26. Februar 2009 bestimmten Versteigerungstermin wies es auf die Anmeldung
von Restitutionsansprüchen nach dem Vermögensgesetz auf die zu verstei-
gernden Grundstücke durch die Beteiligte zu 3 hin. In dem Versteigerungster-
min blieb die Beteiligte zu 1 mit einem Bargebot von 250.000 € Meistbietende.
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Das Amtsgericht hat der Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 13. März
2009 den Zuschlag erteilt und bestimmt, dass die Restitutionsansprüche der
Beteiligten zu 3 bestehen bleiben. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten
zu 1 gegen diese Bestimmung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der
von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu
1 in erster Linie erreichen, dass statt des Bestehenbleibens der Restitutionsan-
sprüche deren Erlöschen bestimmt wird. Hilfsweise beantragt sie die Aufhebung
des Zuschlags insgesamt; sie sei im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 19.
Dezember 2007 (BVerwGE 130, 134)
sicher davon ausgegangen, die Grundstücke frei von Restitutionsansprüchen
zu erwerben.
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II.
Das Beschwerdegericht hält die Bestimmung über den Fortbestand der
angemeldeten Restitutionsansprüche in Nummer IV des angefochtenen Zu-
schlagsbeschlusses für zutreffend. Nach § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG könnten
Restitutionsansprüche nach dem Vermögensgesetz in Zwangsversteigerungs-
verfahren angemeldet werden, die nach dem 31. Dezember 2000 angeordnet
werden. Die - im vorliegenden Fall erfolgte - rechtzeitige Anmeldung führe dazu,
dass der Restitutionsanspruch durch den Zuschlag nicht erlösche, sondern be-
stehen bleibe. Die Regelung des § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG gelte, anders als
das Bundesverwaltungsgericht meine (BVerwGE 130, 134), nicht nur für Resti-
tutionsansprüche auf selbständiges Gebäudeeigentum, sondern auch für Resti-
tutionsansprüche auf Grundstücke und damit auch für die hier angemeldeten
Restitutionsansprüche der Beteiligten zu 3. § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG verwei-
se ohne Einschränkungen auf Satz 2 der Vorschrift, der die Möglichkeit einer
bestandserhaltenden Anmeldung für Ansprüche nach dem Sachenrechtsberei-
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nigungsgesetz vorsehe. Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung ent-
halte der Text der Vorschrift nicht. Der Gesetzgeber habe mit § 9a Abs. 1
Satz 3 EGZVG den Berechtigten stärker schützen wollen als bisher. Er könne
auch nicht gewollt haben, dass Restitutionsansprüche als Folge einer Zwangs-
versteigerung des Grundstücks erlöschten. Die von der Beteiligten zu 1 für den
Fall des Bestehenbleibens der Restitutionsansprüche vorsorglich erklärte An-
fechtung ihres Gebots wegen Irrtums sei unwirksam, weil es sich um einen blo-
ßen Motivirrtum gehandelt habe.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.
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1. Unbegründet ist allerdings der Hauptantrag.
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Der Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts ist zwar rechtsfehlerhaft, so-
weit er den Fortbestand der Restitutionsansprüche der Beteiligten zu 3 aus-
spricht. Die mit dem Hauptantrag angestrebte isolierte Änderung dieses Aus-
spruchs im Zuschlagsbeschluss kommt aber allenfalls in Betracht, wenn der
Fehler erst bei der Abfassung des Zuschlagsbeschlusses unterlaufen ist. So
liegt es hier aber nicht. Das Fortbestehen der von der Beteiligten zu 3 angemel-
deten Restitutionsansprüche war schon in den Versteigerungsbedingungen
vorgesehen, die das Amtsgericht zu Beginn der Versteigerung bekannt gege-
ben hat. Damit leidet nicht allein der Zuschlagsbeschluss an diesem Fehler,
sondern die Versteigerung insgesamt. Dann aber scheidet eine isolierte Aufhe-
bung des angefochtenen Ausspruchs zum Fortbestand der Restitutionsansprü-
che in dem Zuschlagsbeschluss aus.
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2. Begründet ist dagegen der auf Aufhebung des Zuschlags insgesamt
gerichtete Hilfsantrag.
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a) Das ergibt sich allerdings entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwer-
de nicht daraus, dass das Gebot der Beteiligten zu 1 unwirksam war. Das Ge-
bot war nämlich wirksam. Die Beteiligte zu 1 mag zwar, wie sie geltend macht,
im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember
2007 (BVerwGE 130, 134) sicher davon ausgegangen sein, die Grundstücke
frei von Restitutionsansprüchen zu erwerben. Das Amtsgericht hatte aber in
den Versteigerungsbedingungen, die es zu Beginn der Versteigerung bekannt
gegeben hat, klar und unmissverständlich das Gegenteil vorgesehen. Die ihrem
Gebot zugrunde gelegte abweichende Rechtsauffassung der Beteiligten zu 1
blieb deshalb bloßes Motiv für ihr Gebot und berührte die Wirksamkeit ihres
Gebots nicht (vgl. Senat, BGHZ 177, 62, 67 f.; Beschl. v. 9. Juli 2009, V ZB
190/08, ZfIR 2009, 884, 885).
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b) Der Zuschlagsbeschluss ist aber nach § 100 Abs. 1 ZVG aufzuheben,
weil er auf einem fehlerhaften Verfahren beruht. Die Versteigerung ist nämlich
unter einer fehlerhaften Bedingung durchgeführt worden, § 83 Nr. 6 ZVG. Die-
ser Mangel ist von Amts wegen zu berücksichtigen, § 100 Abs. 3 ZVG.
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aa) Die Bedingungen der Versteigerung waren fehlerhaft, weil in ihnen
der Fortbestand der im Verfahren angemeldeten Restitutionsansprüche der Be-
teiligten zu 3 nach § 9a EGZVG vorgesehen war. Nach § 9a EGZVG können
Ansprüche nach dem Vermögensgesetz indes nur angemeldet werden, wenn
ihr Gegenstand die Restitution von selbständigem Gebäudeeigentum ist. Sind
sie dagegen auf die Restitution des zu versteigernden Grundstücks gerichtet,
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können sie im Zwangsversteigerungsverfahren nicht angemeldet werden und
erlöschen mit dem Zuschlag.
(1) Dem Beschwerdegericht ist allerdings einzuräumen, dass die Vor-
schrift nach dem Wortlaut in dem von ihm für richtig gehaltenen Sinn verstan-
den werden kann und dass die Vorschrift in der Vergangenheit überwiegend
auch in diesem Sinn verstanden worden ist (VG Greifswald RGV Nr. D I 64;
Redeker/Hirtschulz in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG,
§ 3b Rdn. 18; Säcker/Busche, Vermögensrecht, § 3b Rdn. 14; Wasmuth in RVI
§ 3b VermG Rdn. 42; Keller, Rpfleger 1994, 194, 201; Krause, OV-spezial
1998, 182 f.; wohl auch Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 9a EGZVG Rdn. 6.4; a.M.
Grund, ZIP 1999, 1617, 1621 ff.; Cremer, NotBZ 2000, Sonderheft September,
S. 13, 26 f.). Das Bundesverwaltungsgericht ist diesem Verständnis der Vor-
schrift aber nicht gefolgt. Es legt sie eng in dem Sinn aus, dass nur Restituti-
onsansprüche auf Gebäudeeigentum nach Maßgabe von § 9a Abs. 1 Satz 3
EGZVG bestandserhaltend angemeldet werden können, nicht aber Restituti-
onsansprüche auf Grundstücke, um die es hier geht (BVerwGE 130, 134,
137 f.).
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(2) Der Senat hat dieses Verständnis der Vorschrift seiner Entscheidung
zur Erstattungsfähigkeit von Zinszahlungen auf Altgrundpfandrechte aus der
Zeit vor dem 3. Oktober 1990 nach § 7 Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 VermG zugrunde
gelegt (Urt. v. 18. September 2009, V ZR 118/08, ZOV 2009, 298, 300). Er hält
daran auch unter Berücksichtigung der von dem Beschwerdegericht angeführ-
ten Gesichtspunkte fest.
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bb) Das von dem Beschwerdegericht zugrunde gelegte weite Verständ-
nis von § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG steht im Widerspruch zur Entstehungsge-
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schichte und dem Zweck der Norm und vor allem zu der Konzeption des Geset-
zesgebers. Die Norm ist mit Rücksicht hierauf einschränkend auszulegen und
nur auf Restitutionsansprüche auf selbständiges Gebäudeeigentum anzuwen-
den.
(1) Die in der Vergangenheit vorherrschende Auslegung von § 9a Abs. 1
Satz 3 EGZVG ist entscheidend von dem Bestreben getragen, eine Lücke im
Schutz des Berechtigten zu schließen. Diese Lücke wird darin gesehen, dass
der Berechtigte (vgl. § 2 VermG) vor einer unberechtigten Veräußerung durch
das Erfordernis einer Grundstücksverkehrsgenehmigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 GVO geschützt ist, ein vergleichbarer Schutz nach Aufhebung des Ge-
nehmigungserfordernisses für den Erwerb in der Vollstreckungsversteigerung
nach § 2 Abs. 1 Buchstabe d GVO a. F. mit deren Änderung durch das sog.
Hemmnissebeseitigungsgesetz (vom 22. März 1991, BGBl. I S. 766) aber nicht
mehr besteht. Er würde erreicht, wenn der Berechtigte den Restitutionsan-
spruch in der Vollstreckungsversteigerung anmelden und so erhalten könnte.
Für diese Sicht lässt sich auch eine Passage in der Begründung zu § 9a Abs. 2
Satz 3 EGZVG anführen, die man so verstehen kann, als gehe der Gesetzge-
ber von der Anmeldefähigkeit aller Restitutionsansprüche aus (Begründung des
Entwurfs eines Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes in BT-Drucks.
12/5553 S. 125). Das trifft aber nicht zu.
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(2) § 9a EGZVG ist keine allgemeine Überleitungsvorschrift für Zwangs-
versteigerungsverfahren im Beitrittsgebiet, die inhaltlich nicht zusammenhän-
gende Übergangsregelungen in einer Vorschrift zusammenfasst. Mit der Rege-
lung in § 9a EGZVG wollte der Gesetzgeber vielmehr, wie sich aus der Vorbe-
merkung zu ihrer Einzelerläuterung (Entwurf eines Registerverfahrenbeschleu-
nigungsgesetzes in BT-Drucks. 12/5553 S. 124) ergibt, die Störung der Grund-
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stücksversteigerung durch das sog. vagabundierende Gebäudeeigentum behe-
ben. Sein Ziel war es aber nicht, den Schutz des Berechtigten über den konkre-
ten Regelungsanlass hinaus in einem ganz wesentlichen Punkt zu verändern.
Bei Inkrafttreten der Vorschrift am 25. Dezember 1993 konnte die
Zwangsversteigerung eines bebauten Grundstücks praktisch nicht durchgeführt
werden. Es war nämlich nicht zu klären, ob das auf dem zu versteigernden
Grundstück stehende Gebäude als Bestandteil des Grundstücks von der Be-
schlagnahme im Zwangsversteigerungsverfahren erfasst war und mitversteigert
werden konnte. An dem Gebäude konnte rechtlich selbständiges Gebäudeei-
gentum bestehen. Dieses musste nicht mit einem Nutzungsrecht am Grund-
stück verbunden sein. Ein etwa vorhandenes Nutzungsrecht musste nicht im
Grundbuch des zu versteigernden Grundstücks eingetragen sein. Dieser Zu-
stand behinderte die Wertberechnung und machte die Abgabe eines Gebots
zum Risiko. Der Ersteher konnte nicht sicher sein, ob er das Gebäude miter-
warb oder im Gegenteil damit rechnen musste, dessen Nutzer auf unbestimmte
Zeit dulden und ihm das Grundstück, auf Grund von Ansprüchen nach dem
damals noch im Entstehen begriffenen Sachenrechtsbereinigungsgesetz, sogar
wieder verkaufen zu müssen (vgl. Senat, Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB
188/05, NJW-RR 2007, 194, 196, insoweit in BGHZ 169, 305 nicht abgedruckt).
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Die Lösung sah der Gesetzgeber darin, nach einer Übergangszeit auch
das selbständige Gebäudeeigentum mit dem Zuschlag erlöschen zu lassen,
wenn es nicht wie ein die Veräußerung hinderndes Recht angemeldet war (§ 9a
Abs. 2 EGZVG). Das allein hätte nicht viel genutzt, da mit dem Gebäudeeigen-
tum, aber auch mit anderen Bebauungen, Ankaufsansprüche nach dem sich
abzeichnenden Sachenrechtsbereinigungsgesetz verbunden sein konnten. Oh-
ne eine Einbeziehung auch solcher Ansprüche in die Regelung hätte der Erste-
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her im Ergebnis doch mit einer nachträglichen Entwertung des ersteigerten
Grundbesitzes rechnen müssen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5553
S. 124). Deshalb sollten auch sie ohne Anmeldung erlöschen, bei erfolgter An-
meldung aber bestehen bleiben (§ 9a Abs. 1 Satz 2 EGZVG).
Bei den Restitutionsansprüchen auf Gebäudeeigentum ergab sich ein
Sonderproblem. Sie würden zwar auch ohne die in § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG
vorgesehene Regelung erlöschen, weil sie nach dem in § 3b Abs. 4 Satz 1
VermG zum Ausdruck kommenden Grundkonzept des Vermögensgesetzes
ebenso wie Restitutionsansprüche auf Grundstücke nicht zuschlagsfest sind.
Hier wäre das Erlöschen aber nicht die Folge einer Versteigerung des Gebäu-
deeigentums selbst, sondern die Folge der Versteigerung eines anderen Ob-
jekts, über die zudem nicht entsprechend § 3b Abs. 2 VermG zu unterrichten
wäre. Das ließ es geraten sein, Restitutionsansprüche auf Gebäudeeigentum
ausnahmsweise genauso zu behandeln wie die mit Gebäudeeigentum oder
sonstigen Bebauungen verbundene Bereinigungsansprüche (Entwurfsbegrün-
dung in BT-Drucks. 12/5553 S. 125).
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(3) Dass der Gesetzgeber mit § 9a EGZVG insgesamt und speziell mit
§ 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG keine generelle Änderung der Stellung des Berech-
tigten im Zwangsversteigerungsverfahren angestrebt hat, zeigt sich klar an § 3b
Abs. 2 bis 4 VermG und der Entstehungsgeschichte dieser Norm.
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Schon das Vorhandensein dieser Norm zeigt, dass der Gesetzgeber in
§ 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG eine Sonderregelung für das vagabundierende Ge-
bäudeeigentum und keine Regelung für alle Restitutionsansprüche schaffen
wollte. Aus § 3b Abs. 2 bis 4 VermG ergibt sich nämlich, dass der Gesetzgeber
die Stellung des Berechtigten im Zwangsversteigerungsverfahren nicht als Ein-
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zelfrage des Zwangsversteigerungsrechts, sondern als eine wesentliche Frage
des Restitutionsrechts ansieht. Die wollte er nicht an verschiedenen Stellen re-
geln, sondern mit § 3b VermG einer in sich geschlossenen Regelung zuführen.
Das ist ihm mit der Norm im Wesentlichen gelungen, selbst wenn man sie für
inhaltlich unzureichend halten wollte.
Die Norm folgt einem Regelungskonzept, das mit einer Anwendung von
§ 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG auf alle Restitutionsansprüche unvereinbar ist.
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Ihr erster Teil, die Pflicht zur Unterrichtung des Berechtigten nach § 3b
Abs. 2 VermG, ist vor § 9a EGZVG mit dem Zweiten Vermögensrechtsände-
rungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) geschaffen worden. Sie hat
zwar auch dann einen Sinn, wenn man § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG auf alle Res-
titutionsansprüche anwendet. Denn eine Anmeldung von Ansprüchen im
Zwangsversteigerungsverfahren setzt die Kenntnis von der Anordnung eines
solchen Verfahrens voraus. Gedacht war sie dazu aber nicht. Nach der Ent-
wurfsbegründung hatte sie gerade nicht den Zweck, dem Berechtigten die An-
meldung seiner Rechte zu ermöglichen und den Verlust des Grundstücks zu
verhindern. Der Gesetzgeber ging im Gegenteil davon aus, dass die Restitution
nach Eröffnung des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht mehr Platz greift
und dem Anmelder nur die Chance geboten werden sollte mitzubieten (BT-
Drucks. 12/2480 S. 43).
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Entsprechendes gilt für den nach Inkrafttreten des § 9a Abs. 1 Satz 3
EGZVG am 25. Dezember 1993 durch das Vermögensrechtsanpassungsgesetz
vom 4. Juli 1995 (BGBl. I S. 895) geschaffenen dritten Teil der Vorschrift, den
Anspruch auf Erlösauskehr nach § 3b Abs. 4 Satz 1 VermG. Diese Vorschrift
ergibt ebenfalls noch einen Sinn, wenn man § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG auf alle
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Restitutionsansprüche anwendet. Der dort vorgesehene Anspruch auf Heraus-
gabe des Versteigerungserlöses kommt bei den Anmeldern in Betracht, die ihre
Ansprüche im Zwangsversteigerungsverfahren nicht angemeldet haben und
denen das Grundstück dann nicht mehr restituiert werden kann. Gedacht war
diese Vorschrift dazu aber ebenso wenig wie § 3b Abs. 2 VermG. In der Ent-
wurfsbegründung erklärt der Gesetzgeber die Regelung genau wie die Einfüh-
rung des § 3b Abs. 2 VermG damit, dass der Berechtigte im Zwangsversteige-
rungsverfahren seine Rechte nur durch Mitbieten wahren kann (Beschlussemp-
fehlung in BT-Drucks. 13/1593 S. 11).
Inhaltlich unvereinbar ist die Anwendung von § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG
auf alle Restitutionsansprüche jedenfalls mit dem zweiten Teil der Vorschrift,
dem Einstellungsanspruch des Berechtigten in der Teilungsversteigerung nach
§ 3b Abs. 3 VermG. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die durch die
Aufhebung der Genehmigungspflicht nach der Grundstücksverkehrsordnung für
den Erwerb in der Zwangsversteigerung entstandene Lücke im Schutz des Be-
rechtigten schließen (Beschlussempfehlung zum Vermögensrechtsanpas-
sungsgesetz in BT-Drucks. 13/1593 S. 11). Das Unterlassungsgebot des § 3
Abs. 3 Satz 1 VermG wirkt nur schuldrechtlich. Gebotswidrige Verfügungen
über das Grundstück bleiben in ihrem Bestand unberührt und lassen sich nur
verhindern, soweit sie nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GVO einer Grundstücksverkehrs-
genehmigung bedürfen. Funktionell tritt damit an die Stelle der entfallenen frü-
heren Genehmigungsbedürftigkeit des Zuschlags in der Zwangsversteigerung
die Pflicht zur Einstellung der Teilungsversteigerung nach Maßgabe von § 3b
Abs. 3 VermG. Diese Regelung wäre von vornherein überflüssig gewesen,
wenn alle Restitutionsansprüche nach § 9a Abs. 1 Satz 2 EGZVG bestandser-
haltend angemeldet werden könnten. Denn dann wären alle Berechtigten schon
durch diese, zudem nur etwa zwei Jahre zuvor eingeführte, Regelung ausrei-
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chend geschützt. Hinzu kommt, dass die Pflicht zur Einstellung nach § 3b
Abs. 3 VermG nicht bei jeder Teilungsversteigerung bestehen soll, sondern nur
dann, wenn diese von einem Verfügungsberechtigten betrieben wird. Ausge-
nommen werden sollten und sind nach dem Text der Vorschrift Teilungsverstei-
gerungen, die von einem Gläubiger betrieben werden (Beschlussempfehlung,
aaO). Diese bewusste Beschränkung der Regelung würde unterlaufen, wenn
neben § 3b Abs. 3 VermG auch § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG generell anwendbar
wäre. Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb der Berechtigte in der Tei-
lungsversteigerung zwischen einer bestandserhaltenden Anmeldung und einem
Einstellungsantrag soll wählen können. Nicht erklärbar wäre schließlich, wes-
halb der Schutz des Berechtigten in der Zwangsversteigerung unterschiedlich
ausgestaltet werden sollte, je nachdem, ob es sich um eine Teilungsversteige-
rung auf Antrag des Verfügungsberechtigten, um die Teilungsversteigerung auf
Antrag eines Gläubigers oder um eine Vollstreckungsversteigerung handelt.
Das zeigt, dass die Anwendung des § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG auf alle Restitu-
tionsansprüche nicht den Vorstellungen und dem Konzept des Gesetzgebers
entspricht, sondern auf eine Korrektur der als unzureichend empfundenen Ent-
scheidung des Gesetzgebers hinausliefe.
(4) Die Anwendung des § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG auf den Anspruch auf
Restitution eines Grundstücks stünde schließlich auch in einem nicht sachge-
recht auflösbaren Widerspruch zu den Regelungen über die Belastung eines
restitutionsbehafteten Grundstücks mit Grundpfandrechten.
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Die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche löst, wie bereits ausge-
führt, nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG keine Verfügungssperre aus, sondern
"nur" die Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, sich einer Verfügung über
das Grundstück außerhalb des durch § 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 VermG gesteck-
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ten Rahmens (dazu Senat, Urt. v. 22. Februar 2008, V ZR 30/07, NJW-RR
2008, 1399, 1401 f.) zu enthalten. Das bedeutet aber nicht, dass der Verfü-
gungsberechtigte keinerlei Verfügungen über das Grundstück vornehmen dürf-
te. Er darf das Grundstück im Gegenteil zur Finanzierung von Maßnahmen auf
dem Grundstück belasten, die ihm erlaubt und nicht als gewöhnliche Erhal-
tungsmaßnahmen aus dem Grundstück zu finanzieren sind (Senat, Urt. v.
22. Februar 2008, V ZR 30/07, NJW-RR 2008, 1399, 1402).
Überschreitet der Verfügungsberechtigte die ihm mit dem Unterlas-
sungsgebot nach § 3 Abs. 3 VermG gesetzten Grenzen einer Belastung des
Grundstücks, löst das einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB
oder nach § 3 Abs. 3 Satz 6 VermG i.V.m. § 678 BGB aus (Senat, Urt. v.
16. Dezember 2005, V ZR 195/04, NJW-RR 2006, 733, 734). Die gebotswidrige
Belastung bleibt aber zivilrechtlich wirksam. Das folgt aus § 16 Abs. 2 und 10
VermG, wonach dem Berechtigten ein Befreiungsanspruch gegen den zusteht,
der die Belastung vorgenommen hat. Zweck dieser Regelung ist es, eine ver-
lässliche Beleihung auch restitutionsbelasteter Grundstücke zu ermöglichen. Ob
eine Belastung gegen das Unterlassungsgebot des § 3 Abs. 3 VermG verstößt,
kann der Kreditgeber nicht erkennen. Hinge davon der Bestand der zu seiner
Sicherheit bestellten Grundpfandrechte ab, wären diese letztlich wertlos, weil
der Kreditgeber nicht beurteilen könnte, welche Sicherheit sie ihm vermitteln.
Das sollte nach dem Willen des Gesetzgebers auf jeden Fall vermieden werden
(Begründung des Entwurfs eines Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes
in BT-Drucks. 12/2480 S. 49 zu § 16 Abs. 9 VermGE). Sicherheit für den ausge-
reichten Kredit vermittelt ein Grundpfandrecht aber nicht schon dann, wenn sein
Bestand von einem Verstoß des Sicherungsgebers gegen das Unterlassungs-
gebot unberührt bleibt. Das Grundpfandrecht muss in der Vollstreckungsver-
steigerung auch durchsetzbar sein. Das wäre es aber nicht, könnte der Berech-
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tigte im Vollstreckungsversteigerungsverfahren seinen Restitutionsanspruch mit
der Folge anmelden, dass er nicht erlischt und (im Verfahren nach dem Vermö-
gensgesetz) gegen den Ersteher durchgesetzt werden kann. Jeder Ersteher
müsste dann damit rechnen, dass er das ersteigerte Grundstück an den Be-
rechtigten verliert und damit im Ergebnis die auf das Gebot geleistete Zahlung
verloren ist. Das Grundstück wäre damit nicht versteigerbar. Um diese Folge zu
vermeiden, hat der Gesetzgeber den Einstellungsanspruch des Berechtigten
nach § 3b Abs. 3 VermG auf die Anordnung der Teilungsversteigerung auf An-
trag des Verfügungsberechtigten beschränkt (Beschlussempfehlung zum Ent-
wurf eines Vermögensrechtsanpassungsgesetzes in BT-Drucks. 13/1593 S.
11).
Dieses Regelungskonzept des Gesetzgebers führte ohne die Regelung
in § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG nur in dem Fall zu einem sachwidrigen Ergebnis,
der Anlass für die Regelung gab, nämlich wenn Gegenstand der Restitution
rechtlich selbständiges Gebäudeeigentum, Gegenstand der Zwangversteige-
rung aber das Grundstück ist, auf dem das Gebäude steht. In dieser Konstella-
tion ist der Schuldner typischerweise nicht auch Eigentümer des Gebäudes,
sondern nur Eigentümer des Grundstücks. Die Versteigerung würde aber nach
§ 9a Abs. 1 Satz 1 EGZVG ohne die Möglichkeit einer bestandserhaltenden
Anmeldung dazu führen, dass das Gebäudeeigentum stets mitversteigert wird
und sich der Gläubiger des Grundstückseigentümers auch aus einer seinem
Schuldner nicht gehörenden Sache, nämlich dem selbständigen Gebäudeeigen-
tum, befriedigen kann. Ein schützenswertes Interesse daran hat der Gläubiger
des Grundstückseigentümers nicht. Diese nicht gerechtfertigte Rechtsfolge wird
mit der Möglichkeit einer bestandserhaltenden Anmeldung des Restitutionsan-
spruchs auf Gebäudeeigentum gemäß § 9a Abs. 1 Satz 3 EGZVG verhindert.
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3. Rechtsfehlerhaft ist die angefochtene Entscheidung auch insoweit, als
der Beteiligten zu 1 nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens auferlegt worden sind. Diese Vorschrift ist in dem Verfahren über die Zu-
schlagsbeschwerde nicht anwendbar, weil sich die Beteiligten nicht als Parteien
im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, BGHZ 170, 378,
381 m.w.N.). Das gilt nicht nur für das Rechtsbeschwerde-, sondern auch für
das Beschwerdeverfahren.
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IV.
Eine Kostenentscheidung ist aus dem vorstehend zu III. 3. ausgeführten
Grund nicht veranlasst. Der Gegenstandswert für die Vertretung der Beteiligten
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zu 1 als Ersteherin bestimmt sich gemäß § 26 Nr. 3 RVG nach dem Wert des
Meistgebots.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann
Czub
Vorinstanzen:
AG Potsdam, Entscheidung vom 13.03.2009 - 2 K 329/07 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 10.06.2009 - 5 T 323/09 -