Urteil des BGH vom 06.06.2005

BGH (notar, amtsenthebung, disziplinarverfahren, verhältnis zu, betrug, beihilfe, beurkundung, dauer, entfernung, amt)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotSt (B) 4/05
vom
20. März 2006
in dem Disziplinarverfahren
gegen
wegen vorläufiger Amtsenthebung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Schlick, die Richter Galke und Becker sowie die Notare Dr. Lintz und
Eule am 20. März 2006
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Se-
nats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 6. Juni
2005 (Not 21/01) aufgehoben.
Der Antrag des Notars, seine mit Verfügung des Beteiligten vom
3. Juli 2001 angeordnete vorläufige Amtsenthebung aufzuheben,
wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Beteiligte hat gegen den Notar, der seit 1982 zur Rechtsanwaltschaft
zugelassen ist und 1986 zum Notar bestellt worden war, mit Verfügung vom
14. Mai 2001 das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Verfügung vom
3. Juli 2001 hat er den Notar vorläufig seines Amtes enthoben. Den hiergegen
vom Notar gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandes-
gericht mit Beschluss vom 1. November 2001 zurückgewiesen. Die dagegen
vom Notar erhobene Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (Senat, Beschluss
vom 18. März 2002 - NotSt (B) 1/02).
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Mit Anschuldigungsschrift vom 20. März 2003 hat der Beteiligte dem No-
tar als einheitliches Dienstvergehen folgende Pflichtverstöße zur Last gelegt:
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- Zwischen dem 31. Januar 1997 und dem 19. April 1999 habe er 26 Kaufver-
träge über den Erwerb von Eigentumswohnungen beurkundet, obwohl ihm
bewusst gewesen sei, dass die in den Verträgen niedergelegten Kaufpreise
nicht den von den Vertragsparteien tatsächlich vereinbarten Preisen entspra-
chen. Die unrichtig beurkundeten Kaufpreise hätten dazu gedient, bei den fi-
nanzierenden Kreditinstituten eine vollständige Finanzierung des tastsächli-
chen Kaufpreises und in einer Vielzahl dieser Fälle auch von „Provisionen“ zu
erlangen, die die Verkäufer (jeweils A. L. oder M. Sch. bezie-
hungsweise die von diesem vertretene c. -p. -a GmbH & Co) den Käufern
für den Erwerb der Wohnungen zugesagt hatten (Kick-Back-Zahlungen), was
dem Notar ebenfalls bekannt gewesen sei.
Bei der Durchführung der Verträge, insbesondere der treuhänderischen Ab-
wicklung der Zahlungen über Notaranderkonto, habe er darüber hinaus viel-
fach gegen die ihm von den Kreditinstituten erteilten Hinterlegungsanweisun-
gen verstoßen beziehungsweise die Sicherungsinteressen der Kreditinstitute
verletzt. Mehrfach habe er darüber hinaus von den Vertragsparteien Verwah-
rungsanweisungen angenommen, ohne dass die gebotene Schriftform ein-
gehalten worden sei.
- Er habe den Anschein der Parteilichkeit und der Abhängigkeit erweckt, indem
er in großer Anzahl Immobilienkaufverträge beurkundet habe, durch die A.
L. , M. Sch. beziehungsweise die c. -p. -a GmbH & Co zu-
nächst Eigentumswohnungen zu niedrigen Kaufpreisen erworben und sie so-
dann in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ankauf zu einem
Vielfachen der Kaufpreise wieder veräußerten. Dieser Anschein sei dadurch
verstärkt worden, dass bei zahlreichen dieser Verträge eine Angestellte des
Notars als - bevollmächtigte, aber auch vollmachtslose - Vertreterin beider
Vertragsteile die beurkundeten vertraglichen Erklärungen abgegeben habe,
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oder aber eine Vertragspartei bei der Beurkundung gleichzeitig auch für die
andere aufgetreten sei. All dies vermittle den Eindruck, dass er mit den Herren
L. und Sch. eng verflochten und von diesen nicht unabhängig gewesen
sei, diese vielmehr bei der Übervorteilung der Endkäufer unterstützt habe.
- Er habe in 50 Fällen bei Verwahrgeschäften Barauszahlungen vorgenommen
und hierdurch zumindest teilweise bei Handlungen mitgewirkt (siehe erster
Spiegelstrich), mit denen erkennbar unredliche Zwecke verfolgt wurden.
- Er habe letztlich in einem weiteren Fall den Treuhandauftrag bei einem Ver-
wahrgeschäft nicht befolgt sowie in einem anderen Fall nicht auf Einhaltung
der gebotenen Schriftform für die Änderung eines derartigen Auftrages be-
standen.
Mit Beschluss vom 24. Juni 2003 hat das Oberlandesgericht das förmli-
che Disziplinarverfahren gemäß § 17 Abs. 2 der Disziplinarordnung Niedersa-
chen (NDO) in der Fassung vom 7. September 1982 (GVBl. S. 357) bis zum
Abschluss eines bei der Staatsanwaltschaft gegen den Notar geführten Ermitt-
lungsverfahrens und die Dauer des sich etwaig anschließenden Strafverfahrens
ausgesetzt; dieses Verfahren betreffe Vorgänge, die dem Notar auch in der An-
schuldigungsschrift zur Last gelegt seien. Unter dem 12. Dezember 2003 hat
die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Notar zum Amtsgericht erhoben we-
gen Beihilfe zum Betrug in fünf Fällen. Diesen Vorwurf hat sie darauf gestützt,
dass der Notar wissentlich fünf Kaufverträge über den Verkauf von Eigentums-
wohnungen durch A. L. an fünf verschiedene Erwerber beurkundet habe,
in denen ein höherer als der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis angegeben wor-
den sei, um von der den Kaufpreis finanzierenden Bank ein Darlehen in voller
Höhe des tatsächlich vereinbarten Kaufpreises nebst einer von L. mit den
Käufern verabredeten Kick-Back-Zahlung zu erlangen und die Bank gleichzeitig
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über die Solvenz der Käufer zu täuschen. Diese fünf Beurkundungen werden
dem Notar auch in der Anschuldigungsschrift als Dienstvergehen angelastet.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. Mai 2005 hat der Notar bean-
tragt, seine vorläufige Amtsenthebung aufzuheben (§ 95 Abs. 2 NDO), da sie
wegen ihrer erheblichen Dauer nicht mehr mit dem Grundsatz der Verhältnis-
mäßigkeit vereinbar sei und daher in nicht zu rechtfertigender Weise in seine
grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit eingreife. Diesem Antrag hat das
Oberlandesgericht mit Beschluss vom 6. Juni 2005 entsprochen, weil die be-
reits drei Jahre und elf Monate andauernde vorläufige Amtsenthebung außer
Verhältnis zu der voraussichtlich gegen den Notar zu verhängenden Diszipli-
narmaßnahme stehe; eine endgültige Entfernung des Notars aus seinem Amt
sei ebenso wenig hinreichend wahrscheinlich wie eine befristete Entfernung, die
die Dauer der bisherigen vorläufigen Amtsenthebung übersteige. Hiergegen
richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, der das Oberlandesgericht mit
Beschluß vom 21. Juni 2005 nicht abgeholfen hat.
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Zwischenzeitlich hat das Amtsgericht L. den Notar am 8. August
2005 wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe ver-
urteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Nach den Feststellungen dieses Ur-
teils hat sich der Notar durch die Beurkundung der Kaufverträge zwischen
A. L. als Verkäufer und den Eheleuten La. (Zf. 12. der Anschuldi-
gungsschrift) beziehungsweise Frau Dr. L. (Zf. 14. der Anschuldigungs-
schrift) jeweils der Beihilfe zum Betrug zum Nachteil der finanzierenden Kredit-
institute schuldig gemacht. In den übrigen drei Anklagepunkten (Kaufvertrag
L. - Eheleute K. , Zf. 2. der Anschuldigungsschrift; Kaufvertrag L. -
W. , Zf. 13. der Anschuldigungsschrift; Kaufvertrag L. - I. ,
Zf. 21. der Anschuldigungsschrift) war dagegen nicht zur Überzeugung des
Amtsgerichts nachgewiesen, dass die beurkundeten Kaufpreise von den tat-
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sächlich vereinbarten Kaufpreisen abwichen und Kick-Back-Zahlungen zwi-
schen Herrn L. und den Erwerbern vereinbart worden waren. Gegen dieses
Urteil haben sowohl der Notar als auch die Staatsanwaltschaft Berufung einge-
legt. Das Disziplinarverfahren gegen den Notar ist weiterhin ausgesetzt (vgl.
den Senatsbeschluss vom heutigen Tag in der Parallelsache NotSt (B) 5/05).
II.
Das Rechtsmittel des Beteiligten ist zulässig (§ 105 BNotO, § 79 Abs. 1
BDO) und hat in der Sache Erfolg.
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die vorläufige
Amtsenthebung eines Notars gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen erfüllt
sind, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit der Anordnung ei-
nes vorläufigen Berufsverbots gegen einen Rechtsanwalt (§ 150 BRAO) entwi-
ckelt hat. Sie setzt danach voraus, dass die zumindest befristete endgültige
Amtsenthebung zu erwarten steht und das vorläufige Berufsverbot zur Abwehr
konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist sowie dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. Senatsbeschlüsse vom
25. April 1994 - NotZ 15/93 = BGHR BNotO § 96 Disziplinarverfahren 4; vom
20. Juli 1998 - NotZ 2/98 = NJW-RR 1999, 569; vom 26. Oktober 2000 - NotSt
(B) 3/00 = DNotZ 2001, 567, 568). Hinzu kommen muss, dass das Verfahren
zur endgültigen Amtsenthebung zügig eingeleitet beziehungsweise fortgeführt
und abgeschlossen wird (Senat, Beschlüsse vom 25. April 1994 - NotZ 15/93 =
BGHR BNotO § 96 Disziplinarverfahren 4; vom 20. Juli 1998 - NotZ 2/98 =
NJW-RR 1999, 569). Dies bedeutet, dass das vorläufige Berufsverbot nur auf-
recht erhalten werden darf, wenn das Disziplinarverfahren mit der gebotenen
Beschleunigung betrieben wird, der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter die
Fortsetzung der vorläufigen Maßnahme erfordert und der Grundsatz der Ver-
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hältnismäßigkeit darüber hinaus in der Weise gewahrt bleibt, dass die vorläufige
Amtsenthebung aufgrund ihrer Dauer für den Notar nicht nachteiligere Wirkun-
gen entfalten darf, als sie von der zu erwartenden endgültigen disziplinarrechtli-
chen Ahndung des ihm vorgeworfenen Dienstvergehens zu gewärtigen stehen.
2. All dies hat das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt zutreffend er-
kannt. Jedoch wird der von ihm hieraus gezogene Schluss, aufgrund der seit
Anordnung der vorläufigen Amtsenthebung des Notars verstrichenen Zeit sei
die weitere Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Hinblick auf das zu erwar-
tende Ergebnis des Disziplinarverfahrens unter dem Aspekt der Verhältnismä-
ßigkeit nicht mehr zu rechtfertigen, dem zu beurteilenden Sachverhalt nicht ge-
recht. Im Einzelnen:
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a) Das Disziplinarverfahren ist bisher nicht verzögert worden. Dass es
seit dem 24. Juni 2003 nicht weiterbetrieben worden ist, beruht nicht auf einem
den Beschleunigungsgrundsatz missachtenden Verhalten des Oberlandesge-
richts, sondern auf den gesetzlichen Vorgaben des § 17 NDO. Das Oberlan-
desgericht hat das Verfahren zunächst wegen der staatsanwaltschaftlichen Er-
mittlungen gegen den Notar ermessensfehlerfrei nach § 17 Abs. 2 NDO ausge-
setzt. Mit der Anklageerhebung war der zwingende Aussetzungsgrund des § 17
Abs. 1 Satz 2 NDO hinzugetreten. Es lässt auch noch keinen Ermessensfehler
erkennen, dass das Oberlandesgericht trotz der erheblichen Dauer des noch
nicht abgeschlossenen Strafverfahrens und des Umstandes, dass dieses sich
nur auf einen engen Ausschnitt des dem Notar als einheitliches Dienstvergehen
angelasteten Sachverhalts bezieht, bisher von einer Fortsetzung des Diszipli-
narverfahrens nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 NDO abgesehen hat. Eine mit
dem Rechtsstaatsgebot beziehungsweise dem konventionsrechtlich garantier-
ten Anspruch des Notars auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 6
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Abs. 1 Satz 1 MRK) unvereinbare Verfahrensverzögerung ist daher schon im
Ansatz nicht erkennbar.
b) Allerdings dauert die vorläufige Amtsenthebung des Notars bereits
mehrere Jahre an, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts
drei Jahre und elf Monate, nunmehr schon über vier Jahre und acht Monate.
Allein dieser Zeitablauf hat jedoch nicht von vornherein zur Folge, dass die
Fortdauer des vorläufigen Berufsverbots mit dem Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit nicht mehr vereinbar wäre. Maßgeblich sind vielmehr die besonderen
Umstände des Einzelfalles. Dabei ist zunächst in Betracht zu nehmen, ob die
Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter, denen durch die vorläufige Maß-
nahme vorgebeugt werden soll, trotz des verstrichenen Zeitraums seit Anord-
nung der Maßnahme fortbestehen. Ist dies der Fall, steht deren Aufrechterhal-
tung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig nicht entgegen (vgl.
BVerfGE 46, 17, 28), so dass der Notar die hiermit verbundenen Belastungen
hinzunehmen hat. Dies folgt aus der Zwecksetzung des Disziplinarverfahrens.
Während das Strafverfahren auf einen Ausgleich des begangenen Unrechts
und die Resozialisierung des Täters ausgerichtet ist, dient das Disziplinarver-
fahren vorrangig dem Interesse der Öffentlichkeit an der pflichtgemäßen Amts-
führung der Notare und damit an der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Amts
des Notars (Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 97 Rdn. 9). Damit in
engem Zusammenhang steht der bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung weiter zu
beachtende Gesichtspunkt, dass die belastenden Wirkungen der vorläufigen
Maßnahme nicht über diejenigen der zu erwartenden endgültigen disziplinar-
rechtlichen Sanktion hinausgehen dürfen. Denn die dargelegte Zwecksetzung
des Disziplinarverfahrens hat auch für die Art der disziplinarrechtlichen Sanktio-
nierung des Dienstvergehens ausschlaggebende Bedeutung. Demgemäß muss
die Disziplinarmaßnahme so gewählt werden, dass dem öffentlichen Interesse
an der Abwehr der Gefahren, die einer geordneten Rechtspflege und den
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Rechtsuchenden durch die pflichtwidrige Amtsführung des Notars drohen, an-
gemessen entgegengewirkt wird. Dies ist bei der im Rahmen der Verhältnismä-
ßigkeitsprüfung vorzunehmenden Prognose über die zu erwartende Diszipli-
narmaßnahme in Rechnung zu stellen.
Nach diesen Maßstäben ist die vorläufige Amtsenthebung des Notars
weiterhin gerechtfertigt; denn im Hinblick auf das Gewicht der ihm vorgeworfe-
nen Pflichtverletzungen und die Dichte der Beweislage kann bei vorläufiger Be-
urteilung trotz der bisherigen Verfahrensdauer kaum eine andere Disziplinar-
maßnahme in Betracht kommen, als die dauerhafte Entfernung des Notars aus
seinem Amt.
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Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 18. März 2002 (NotSt (B)
1/02) darauf hingewiesen, dass dem Notar nach dem damaligen
- vorläufigen - Ermittlungsstand schwerwiegende Verstöße gegen seine Amts-
pflichten zur Last liegen. Das Ergebnis der nachfolgenden weiteren Ermittlun-
gen, wie es seinen Niederschlag in der Anschuldigungsschrift gefunden hat, hat
nicht nur diese Bewertung bestätigt. Vielmehr vermittelt es den dringenden Ver-
dacht, dass der Notar in noch wesentlich gravierenderem Maße dienstpflicht-
widrig gehandelt hat, als dies zum Zeitpunkt der ersten Senatsentscheidung
erkennbar war. Die ihm zur Last liegenden Verstöße betreffen den Kernbereich
notarieller Tätigkeit und eine Vielzahl von Einzelfällen. Sie sind in verschiedener
Hinsicht strafrechtlich relevant. Entgegen der in der Antragsschrift vertretenen
Auffassung verwirklicht die wissentliche Beurkundung eines höheren als des
tatsächlich vereinbarten Kaufpreises zwar nicht den Tatbestand der Falschbe-
urkundung im Amt (§ 348 StGB), wenn die Vertragsparteien den höheren Kauf-
preis in ihre vor dem Notar zur Beurkundung abgegebenen Willenserklärungen
aufgenommen haben (BGH, Beschluss vom 14.
August 1986
- 4 StR 400/86 - BGHR StGB § 348 Abs. 1 Notar 1). Jedoch liegt in der Beur-
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kundung zumindest eine Beihilfe zum Betrug, soweit diese Verträge dazu dien-
ten, die finanzierenden Kreditinstitute über die Höhe des wahren Kaufpreises zu
täuschen und hierdurch die Vollfinanzierung des tatsächlichen Kaufpreises
nebst gegebenenfalls der vom Verkäufer dem Käufer zugesagten Kick-Back-
Zahlung zu erlangen. Insbesondere soweit der Notar die Urkunden aufgrund
von Willenserklärungen seiner Angestellten errichtete, kommt wegen seiner die
Tat beherrschenden Stellung bei der Tatvorbereitung sogar täterschaftlicher
- fremdnütziger - Betrug in Betracht. Die treuwidrige Auskehrung von Fremdgel-
dern kann den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB erfüllen (vgl. BGH,
Urteil vom 6. April 1982 - 5 StR 8/82 - NStZ 1982, 331), jedenfalls ist sie in gro-
bem Maße dienstpflichtwidrig. Die zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgende Be-
urkundung zunächst des Ankaufs von Eigentumswohnungen durch A.
L. , M. Sch. und die c. -p. -a GmbH & Co und sodann des Wei-
terverkaufs dieser Immobilien zu einem Vielfachen des Ankaufspreises begrün-
det zumindest den Verdacht schwerwiegender Verstöße gegen § 14 Abs. 2 und
3 BNotO, wenn nicht sogar der Beihilfe zum Betrug zum Nachteil der Erwerber.
Auch die weiteren dem Notar angelasteten Pflichtverstöße, zu deren Einzelhei-
ten der Senat auf den Inhalt der Anschuldigungsschrift Bezug nimmt, wiegen
schwer.
Durch die Amtsführung des Notars wurden somit nach dem bisherigen
Erkenntnisstand derart schwere Gefahren für eine geordnete Rechtspflege be-
gründet, dass eine tiefgreifendere Beeinträchtigung dieses wichtigen Gemein-
schaftsguts nur schwer denkbar erscheint. Diese Beurteilung kann entgegen
der Ansicht des Oberlandesgerichts auch nicht durch die Überlegung relativiert
werden, der Notar habe nicht eigennützig gehandelt. Dieser Umstand mag für
die Bewertung einer dem Notar anzulastenden strafrechtlichen Schuld und da-
her für die Bemessung einer gegen ihn wegen seines Verhaltens zu verhän-
genden Kriminalstrafe von Bedeutung sein. Für das von anderen Zwecken be-
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herrschte Disziplinarverfahren ist er dagegen nur von untergeordneter Bedeu-
tung.
Es steht zu befürchten, dass gleichartige Gefahren erneut entstünden,
wenn dem Notar die Amtsausübung wieder gestattet würde. Denn obwohl er die
ihm angelasteten Verhaltensweisen in objektiver Hinsicht weitgehend einge-
räumt hat, beharrt er darauf, keine notariellen Pflichten verletzt zu haben. Es
liegt daher nicht fern, dass er wieder in gleicher Weise tätig würde, sollte ihm
gestattet werden, erneut als Notar zu amtieren. Auch wenn die Auswirkungen
einer längeren vorläufigen Amtsenthebung beim Ausspruch der endgültigen
Disziplinarmaßnahme mit in Erwägung zu ziehen sind (Senat, Urteil vom
20. November 2000 - NotSt (Brfg) 4/00 = NJW-RR 2001, 1354, 1357), sprechen
danach alle Anzeichen dafür, dass nur die dauerhafte Entfernung des Notars
aus seinem Amt als angemessene disziplinarrechtliche Sanktion in Betracht
kommt. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts liegt damit kein Sachver-
halt vor, der demjenigen vergleichbar wäre, den der Senat in dem zitierten Urteil
zu bewerten hatte.
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Nach alledem erweist sich die Fortdauer der vorläufigen Amtsenthebung
noch nicht als unverhältnismäßig. Die Beschwerde des Beteiligten greift daher
durch.
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Schlick Galke Becker
Lintz Eule
Vorinstanz:
OLG Celle, Entscheidung vom 6. Juni 2005 - Not 21/01 -