Urteil des BGH vom 26.02.2014

BGH: persönliche anhörung, wohnung, öffnung, behandlung, vertretung, epilepsie

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 5 0 3 / 1 3
vom
26. Februar 2014
in der Betreuungssache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Februar 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Schil-
ling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss
der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 19. August 2013
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zu-
rückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 5
.000 €
Gründe:
I.
Der 67jährige Betroffene leidet an Epilepsie mit Grand-mal-Anfällen bei
allgemeiner Hirnschädigung und Entwicklungsstörung, wegen derer er vor allem
nicht imstande ist, notwendige Behandlungsmaßnahmen an fortgeschrittenen
Entzündungen beider Beine mit Ödembildung zu ergreifen. Das Amtsgericht hat
im Jahre 2012 eine Betreuung für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge
und der Aufenthaltsbestimmung im Rahmen der Gesundheitssorge eingerichtet
und den Beteiligten zu 2 als Berufstreuer bestimmt.
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Durch Beschluss vom 19. März 2013 hat das Amtsgericht den Aufgaben-
kreis um die Vertretung gegenüber Gerichten, Ämtern, Behörden sowie Kran-
ken- und Pflegekassen erweitert. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde ein-
gelegt, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Be-
schlusses. Dieser beruht auf einem Verfahrensfehler.
1. Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG bestimmt sich das Beschwerdever-
fahren nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das gilt
auch für die nach §§ 278 Abs. 1 Satz 1, 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG vor der Er-
weiterung des Aufgabenkreises des Betreuers grundsätzlich gebotenen persön-
lichen Anhörung des Betroffenen.
Allerdings kann das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG
von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechts-
zug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen
Erkenntnisse zu erwarten sind. Das Beschwerdegericht hat aber - wie auch das
erstinstanzliche Gericht - die Gründe, aus denen es von einer Anhörung aus-
nahmsweise absehen will, in den Entscheidungsgründen nachprüfbar darzule-
gen. Allerdings ist im Einzelfall eine Begründung entbehrlich, wenn aus den
weiteren Entscheidungsgründen ersichtlich wird, dass das Beschwerdegericht
in zulässiger Weise von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen
absehen konnte (Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 504/11 - FamRZ
2012, 968 Rn. 6 mwN).
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2. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass es dem angefochtenen
Beschluss an einer Begründung für das Unterbleiben der Anhörung des Be-
troffenen fehlt. Dass eine Anhörung des Betroffenen entbehrlich ist, ergibt sich
auch nicht aus den übrigen Beschlussgründen und ist hier im Übrigen schon
deshalb ausgeschlossen, weil bereits die vom Amtsgericht unter gewaltsamer
Öffnung der Wohnung des Betroffenen durchgeführte Anhörung verfahrensfeh-
lerhaft war (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2012
– XII ZB 181/12 –
FamRZ 2013, 31 Rn. 11 ff.).
Zwar kann gemäß § 293 Abs. 2 Nr. 2 FamFG von einer erneuten persön-
lichen Anhörung abgesehen werden, wenn die beabsichtigte Erweiterung des
Aufgabenkreises des Betreuers nicht wesentlich ist. Das setzt aber zumindest
voraus, dass der Betroffene vor der erstmaligen Betreuerbestellung verfahrens-
fehlerfrei angehört worden ist. Unter welchen Umständen und mit welchem Er-
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gebnis eine persönliche Anhörung des Betroffenen vor der erstmaligen Betreu-
erbestellung stattgefunden hat, lässt sich dem angefochtenen Beschluss aber
nicht entnehmen. Daher ist die Anhörung nunmehr zwingend nachzuholen.
Dose Weber-Monecke Schilling
Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Itzehoe, Entscheidung vom 19.03.2013 - 81 XVII 592/11 -
LG Itzehoe, Entscheidung vom 19.08.2013 - 4 T 140/13 -