Urteil des BGH vom 08.10.2009

BGH (schuldner, auskunft, sache, voraussetzung, zweck, zpo, antragsteller, erfüllung, richtigkeit, ergebnis)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 169/08
vom
8. Oktober 2009
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Pape
am 8. Oktober 2009
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der
Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom
17. Juni 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurück-
verwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € fest-
gesetzt.
Gründe:
I.
Am 5. März 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Schuldners eröffnet. Am 6. Mai 2004 kündigte das Insolvenzgericht die Rest-
schuldbefreiung an. Der weitere Beteiligte zu 2 wurde zum Treuhänder für die
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Wohlverhaltensperiode bestellt. Am 2. September 2004 wurde das Insolvenz-
verfahren aufgehoben.
Aus dem Schlussbericht des weiteren Beteiligten zu 2 vom 19. März
2007 ergab sich, dass der Schuldner trotz mehrfacher Aufforderungen für die
Zeit vom 1. Juni 2006 an keine Einkommensnachweise vorgelegt und nicht
nachgewiesen hatte, wie er seinen Lebensunterhalt bestritt; Zahlungen an den
weiteren Beteiligten zu 2 hatte er nicht geleistet. Mehrere Gläubiger, darunter
der weitere Beteiligte zu 1, haben unter Bezugnahme auf diesen Bericht die
Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Mit Beschluss vom 9. August
2007 hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung gemäß § 296 Abs. 1
InsO wegen mehreren Verstößen gegen die Obliegenheiten des § 295 Abs. 2,
des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO sowie gemäß § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO wegen un-
zureichender Beantwortung einer Anfrage des Gerichts versagt. Auf die soforti-
ge Beschwerde des Schuldners hin hat das Landgericht den Beschluss aufge-
hoben und die Anträge der Gläubiger zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbe-
schwerde will der weitere Beteiligte zu 1 die Wiederherstellung des Beschlusses
des Insolvenzgerichts erreichen.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 296 Abs. 3 Satz 1, §§ 6, 7 InsO, § 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sa-
che an das Beschwerdegericht.
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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob der
Schuldner gegen eine der in § 295 InsO aufgeführten Obliegenheiten verstoßen
habe. Gemäß § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO sei ein Versagungsantrag nur zulässig,
wenn der Antragsteller die Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenz-
gläubiger glaubhaft mache. Daran fehle es hier. Die Antragsteller hätten trotz
gerichtlichen Hinweises ihr Vorbringen nicht ergänzt. Für das Gericht sei nicht
erkennbar, dass der Schuldner eine abhängige Beschäftigung hätte aufnehmen
und eine Vergütung von 3.000 bis 4.000 € brutto im Monat hätte verdienen kön-
nen, die eine Abführungspflicht erst begründet hätte.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Gemäß § 296 Abs. 1 InsO kann die Restschuldbefreiung wegen Ver-
letzung einer der in § 295 InsO genannten Obliegenheiten (nur) dann versagt
werden, wenn der Schuldner durch die Obliegenheitsverletzung die Befriedi-
gung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Diese Voraussetzung hat der Ver-
sagungsantragsteller glaubhaft zu machen. Anderes gilt jedoch, wenn der
Schuldner nicht, wie § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO es verlangt, über die Erfüllung
seiner Obliegenheiten Auskunft erteilt und dann, wenn es der Gläubiger bean-
tragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt versichert. Gemäß § 296
Abs. 2 Satz 3 InsO ist schon dann die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn
der Schuldner schuldhaft gegen diese Verfahrensobliegenheit verstößt. Auf ei-
ne Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger kommt es hier
nicht an. Sinn und Zweck des § 296 Abs. 2 InsO ist es, dem Gericht die Sach-
aufklärung zu erleichtern (BT-Drucks. 12/2443, S. 193). Dieser Zweck würde
verfehlt, wenn die Versagung der Restschuldbefreiung von der weiteren, im
Gesetz gerade nicht vorgesehenen Voraussetzung einer konkreten Beeinträch-
tigung der Befriedigungsaussichten abhängig würde (BGH, Beschl. v. 14. Mai
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2009 - IX ZB 116/08, NZI 2009, 481, 482 Rn. 14; im Ergebnis ebenso bereits
BGH, Beschl. v. 5. Juni 2008 - IX ZA 7/08, NZI 2008, 507 Rn. 3). Hinreichendes
Korrektiv ist, dass die Versagung an ein festzustellendes Verschulden des
Schuldners geknüpft ist (BGH, Beschl. v. 14. Mai 2009, aaO).
b) Wie sich aus dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 9. August
2007 ergibt, ist der Schuldner mit Schreiben vom 5. April 2007 aufgefordert
worden, innerhalb einer Frist von zwei Wochen Auskunft über seine Einnahmen
seit dem 1. Januar 2006 und über seine Unterhaltszahlungen zu erteilen. Er ist
darauf hingewiesen worden, dass dann, wenn die Auskunft nicht erteilt wird, die
Restschuldbefreiung allein aus diesem Grund versagt werden kann. Der
Schuldner hat dieses Schreiben zwar beantwortet, nach Ansicht des Insolvenz-
gerichts die konkret geforderten Auskünfte aber nicht erteilt. Mit diesem Vor-
gang, der die Versagung der Restschuldbefreiung sogar von Amts wegen nach
sich ziehen könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 25. Januar 2007 - IX ZB 156/04, NZI
2007, 534 Rn. 6), hat sich der angefochtene Beschluss nicht befasst.
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III.
Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist
aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdege-
richt zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Dieses wird zu prüfen haben, ob
der Schuldner Mitwirkungsobliegenheiten bei der Auskunftserteilung nach § 296
Abs. 2 Satz 2 InsO schuldhaft verletzt hat (vgl. dazu BGH, Beschl. v.
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25. Januar 2007, aaO S. 535 Rn. 7). Hinsichtlich der Frage des Verstoßes ge-
gen die Abführungspflicht des § 295 Abs. 2 InsO verweist der Senat ergänzend
auf den Beschluss vom 7. Mai 2009 (IX ZB 133/07, NZI 2009, 482).
Ganter Raebel Vill
Lohmann
Pape
Vorinstanzen:
AG Cuxhaven, Entscheidung vom 09.08.2007 - 12 IK 15/00 -
LG Stade, Entscheidung vom 17.06.2008 - 7 T 9/08 -