Urteil des BGH vom 12.05.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 294/08 Verkündet
am:
12. Mai 2009
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 199 Abs. 1; SGB IV § 28p
a) Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist
für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 199 Abs. 1 BGB zu lau-
fen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde
Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt;
verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen
die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Scha-
densersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsvertei-
lung zu respektieren ist.
b) Im Zusammenhang mit einer Prüfung im Sinne von § 28p SGB IV ist der zu-
ständige Rentenversicherungsträger auch verfügungsberechtigt für die Gel-
tendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche gegen den Ge-
schäftsführer einer GmbH wegen der Vorenthaltung von Gesamtsozialversi-
cherungsbeiträgen.
BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - VI ZR 294/08 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Mai 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die
Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Oktober 2008 wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende AOK verlangt vom Beklagten, der Geschäftsführer der A.
Baugesellschaft mbH war, Schadensersatz wegen nicht abgeführter Sozialver-
sicherungsbeiträge.
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Die A. Baugesellschaft mbH (künftig: GmbH) wurde als Arbeitgeberin mit
einem Beitragskonto bei der Klägerin geführt. Im Jahre 2002 führte das Haupt-
zollamt S. ein Ermittlungsverfahren wegen Beitragspflichtverletzungen bei der
GmbH durch. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (künftig: BfA) in
S. erstellte in diesem Zusammenhang eine Schadensberechnung, die dem
Hauptzollamt am 28. Juni 2002 übersandt wurde. Am 9. Mai 2003 wurde ein
Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH mangels Masse durch Be-
schluss des Amtsgerichts abgelehnt. Der Beklagte wurde durch Strafurteil vom
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17. Juni 2004 u.a. wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf
Bewährung verurteilt, weil er für den Beschäftigungszeitraum von Januar 1999
bis September 2001 die Höhe der Sozialabgaben gegenüber der Klägerin falsch
angegeben und dabei einen Beitragsschaden in Höhe von 487.754,97 € verur-
sacht habe. Am 2. Juni 2005 erließ die BfA gegenüber der GmbH i.L. einen Bei-
tragsbescheid über 487.755,07 €, der am selben Tag auch an die Klägerin zur
weiteren Veranlassung übersandt wurde. Die GmbH wurde am 28. November
2005 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
Am 30. November 2007 beantragte die Klägerin den Erlass eines Mahn-
bescheides gegen den Beklagten, der am 5. Dezember 2007 zugestellt wurde
und einen Vollstreckungsbescheid nach sich zog. Auf den Einspruch des Be-
klagten gegen den Vollstreckungsbescheid hat das Landgericht diesen aufge-
hoben und die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete
Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegeh-
ren weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist ebenso wie das Landgericht der Auffassung,
dass der gegen den Beklagten gerichtete Schadensersatzanspruch aus § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB verjährt sei. Die regelmäßige Verjährungsfrist
von drei Jahren habe mit dem Schluss des Jahres 2002 zu laufen begonnen, da
in diesem Jahr die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB vorgelegen hätten.
Diese Regelung sei gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB anwend-
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bar, da die gegen den Beklagten bestehenden Schadensersatzansprüche am 1.
Januar 2002 wegen fehlender Kenntnis im Sinne von § 852 Abs. 1 BGB a.F.
noch nicht verjährt gewesen seien. Die auch für den Beginn der Verjährung
nach § 199 Abs. 1 BGB n.F. erforderliche Kenntnis von den den Anspruch be-
gründenden Umständen und der Person des Schädigers habe mit der Scha-
densberechnung der BfA vom 28. Juni 2002 vorgelegen. Dabei sei nicht erst
auf die Kenntnis der Klägerin aufgrund des Beitragsbescheids der BfA vom
2. Juni 2005 abzustellen, sondern auf die Kenntnis der Bediensteten der BfA.
Dieser stehe im Zusammenhang mit ihrer Zuständigkeit nach § 28p Abs. 1
SGB IV zumindest auch eine Entscheidungskompetenz für die Verfolgung zivil-
rechtlicher Schadensersatzansprüche gegen den beklagten Geschäftsführer
der GmbH zu. Die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und der
Person des Schuldners sei bei den Bediensteten der BfA bereits aufgrund der
im Jahre 2002 durchgeführten Prüfung vorhanden gewesen, so dass die Ver-
jährung nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2002 begonnen
und mit Ende des Jahres 2005 abgelaufen gewesen sei. Der Mahnbescheid im
Jahr 2007 habe die Verjährung daher nicht mehr hemmen können. Im Übrigen
habe spätestens im Jahr nach der ersten Prüfung der BfA eine grob fahrlässige
Unkenntnis vorgelegen, so dass die Verjährungsfrist jedenfalls Ende 2006 ab-
gelaufen sei.
II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für den
Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist im Sinne des § 195 BGB gemäß
Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB in
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der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung heranzuziehen ist, da zu diesem
Zeitpunkt die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten aus § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB wegen Fehlens einer für den Verjährungsbeginn
im Sinne von § 852 Abs. 1 a.F. BGB erforderlichen Kenntnis noch nicht verjährt
waren. Dies nimmt die Revision als für sie günstig hin. Rechtsfehler sind inso-
weit auch nicht erkennbar.
2. Die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche sind verjährt.
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Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von
drei Jahren (§ 195 BGB) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch
entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Um-
ständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe
Fahrlässigkeit erlangen müsste.
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a) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der gel-
tend gemachte Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten bereits vor Be-
ginn des Jahres 2002 entstanden war. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ist ein Anspruch im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB entstan-
den, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, wobei bei
Schadensersatzansprüchen grundsätzlich die Möglichkeit einer Feststellungs-
klage ausreicht (vgl. zu § 852 BGB a.F.: BGHZ 55, 340, 341; 73, 363, 365; 79,
176, 178; 96, 290, 294). Diese Voraussetzungen waren bei dem geltend ge-
machten Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB
jeweils erfüllt, nachdem der Beklagte als Geschäftsführer der GmbH in der Zeit
von Januar 1999 bis September 2001 Beschäftigungsverhältnisse gegenüber
der Klägerin nicht oder nur falsch angegeben hat und ein Schaden dadurch
entstanden ist, dass bei Fälligkeit spätestens zum jeweiligen 15. des Folgemo-
nats (vgl. § 23 SGB IV) Sozialversicherungsbeiträge durch die GmbH nicht oder
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nicht in voller Höhe abgeführt worden sind (vgl. hierzu Senatsurteile vom
18. November 1997 - VI ZR 11/97 - VersR 1998, 468, 469 und vom 9. Januar
2001 - VI ZR 119/00 - VersR 2001, 903, 904).
b) Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Frage der
Entstehung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches aus § 823 Abs. 2
BGB i.V.m. § 263 StGB gegen den Beklagten nicht auf den Erlass des Bei-
tragsbescheides der BfA vom 2. Juni 2005 an, mit dem die rückständigen Sozi-
alversicherungsbeiträge gegen die GmbH festgesetzt worden sind. Zum einen
richtete sich der Beitragsbescheid der BfA nicht gegen den Beklagten, sondern
gegen die GmbH i.L. und hatte schon deshalb auf die Voraussetzungen eines
zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten unmittelbar
keinen Einfluss. Zum anderen weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin,
dass sich die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Sozialversiche-
rungsbeiträge bereits aus dem Gesetz ergibt (vgl. §§ 5 Abs. 1 SGB V, 20 Abs. 1
SGB XI, 25 Abs. 1 SGB III i.V.m. §§ 22, 23 SGB IV) und es deshalb auch für die
Verjährung des Anspruchs der Sozialversicherungsträger gegen den Arbeitge-
ber nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes ankommen kann, durch den
der Anspruch lediglich konkretisiert wird (vgl. BVerwG NVwZ 1983, 740;
BVerwGE 23, 166, 167 f.). Soweit die Revision für ihre entgegenstehende Auf-
fassung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. September
2004 - IX ZR 148/03 - (ZIP 2004, 2192) verweist, ist der dieser Entscheidung
zugrunde liegende Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
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c) Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen,
dass die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB den Lauf der Verjährungsfrist auslösen-
de Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des
Schuldners bereits im Jahr 2002 vorlag, weil insoweit auf die Kenntnis der Be-
diensteten der BfA abzustellen ist.
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aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zu
§ 852 BGB a.F. - der das Berufungsgericht folgt - beginnt bei Behörden und
öffentlichen Körperschaften die Verjährungsfrist zu laufen, wenn der zuständige
Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden
und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt; verfügungsberechtigt in diesem
Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die
zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die
behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (vgl. Senatsurteile
BGHZ 133, 129, 139; 134, 343, 346; vom 20. November 1973 - VI ZR 72/72 -
VersR 1974, 340, 342; vom 19. März 1985 - VI ZR 190/83 - VersR 1985, 735;
vom 22. April 1986 - VI ZR 133/85 - VersR 1986, 917, 918; vom 11. Februar
1992 -
VI
ZR 133/91
- VersR 1992, 627, 628; vom 27. März 2001
- VI ZR 12/00 - VersR 2001, 863, 864; vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 -
VersR 2004, 123 und vom 28. November 2006 - VI ZR 196/05 - VersR 2007,
513, 514). An dieser Rechtsprechung ist auch im Rahmen des § 199 Abs. 1
Nr. 2 BGB festzuhalten.
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bb) Im Streitfall hat das Berufungsgericht die maßgebliche Entschei-
dungskompetenz für die Verfolgung der gegen den Beklagten geltend gemach-
ten zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche mit Recht der BfA zugeordnet.
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Nach dem IV. Buch des Sozialgesetzbuches ist die Zuständigkeit für die
Erhebung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge den Krankenkassen als Ein-
zugsstelle (§ 28h Abs. 1 SGB IV) und den Trägern der Rentenversicherung als
Prüfungsstelle (§ 28p Abs. 1 SGB IV) zugewiesen. Die Krankenkasse über-
wacht als Einzugsstelle die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zah-
lung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags; sind Beitragsansprüche bei Fäl-
ligkeit nicht erfüllt worden, macht die Einzugsstelle sie durch Leistungsbescheid
geltend (vgl. etwa Wannagat/Felix, SGB IV, § 28p Rn. 7).
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Demgegenüber prüfen gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV die Träger der Ren-
tenversicherung in regelmäßigen Abständen oder aus besonderem Anlass bei
den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversi-
cherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Soweit eine Prüfung
stattfindet, sind nach der mit dem 3. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetz-
buchs vom 30. Juni 1995 (BGBl. I S. 890) seit 1. Januar 1996 geltenden Neure-
gelung des § 28p Abs. 1 SGB IV allein die Träger der Rentenversicherung zu-
ständig (vgl. Wannagat/Felix, aaO, Rn. 9; Sehnert in Hauck/Haines, SGB IV
§
28p Rn.
14, Seewald, Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht,
SGB IV, § 28p Rn. 12). Die Übertragung der Prüfungszuständigkeit von den
Trägern der Krankenversicherung auf die Träger der Rentenversicherung sollte
nach der Begründung des Gesetzes dem Umstand Rechnung tragen, dass es
wegen der in der Krankenversicherung aufgrund der ab 1. Januar 1996 gelten-
den Kassenwahlfreiheit zu einem umfassenden Wettbewerb der Krankenkas-
sen um die Mitglieder in den Betrieben kommen werde, was mit der Notwendig-
keit einer neutralen Prüfung nicht zu vereinbaren sei (vgl. BT-Drucks. 13/1205
S. 6).
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Die alleinige Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger als Prüfungs-
stelle umfasst dabei nicht nur die Kontrollfunktionen, sondern auch Vollzugs-
funktionen. Nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV sind sie ermächtigt, im Rahmen
der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in der Arbeitsförderung ein-
schließlich der Widerspruchsbescheide zu erlassen. Insoweit tritt die Zuständig-
keit der Einzugsstellen (§ 28h Abs. 2 SGB IV) zurück (vgl. Sehnert, aaO, § 28p
Rn. 19; Seewald, aaO, § 28p Rn. 12). Die Durchsetzung der in diesem Zusam-
menhang ergehenden Entscheidungen obliegt zwar weiterhin den Krankenkas-
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sen als Einzugsstellen, die insbesondere nachzuzahlende Beiträge beizutreiben
haben (vgl. Seewald, aaO, § 28p Rn. 15). Insoweit liegt jedoch ein gesetzlich
geregeltes Auftragsverhältnis (vgl. § 93 SGB X) vor, das an der maßgeblichen
Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger für Nachforderungen aufgrund
von Prüfungen nichts ändert. Dies gilt nicht nur für die Verfügungsberechtigung
zur Geltendmachung von Beitragsrückständen gegen die Arbeitgeber, sondern
auch im Sinne einer Annexkompetenz für die Geltendmachung zivilrechtlicher
Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB gegen Dritte
wegen der Vorenthaltung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Da die
Krankenkassen lediglich als Einzugsstellen im Auftrag der Rentenversiche-
rungsträger tätig werden, denen eine vorrangige Prüfungs- und Entscheidungs-
kompetenz zusteht, ist es sachgerecht, für die Verjährung auf die Kenntnis der
Bediensteten der Rentenversicherungsträger abzustellen. Andernfalls könnten
die Rentenversicherungsträger -
wenn man für die verjährungsrechtliche
Kenntnis auf die Bediensteten der Krankenkassen abstellen wollte - den Beginn
der Verjährungsfrist beliebig hinauszögern.
cc) Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kenntnis im Sinne von § 199
Abs. 1 BGB vorhanden, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Scha-
densersatzklage - und sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - Erfolg
versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Erforderlich ist, dass der
Geschädigte über einen Kenntnisstand verfügt, der ihn in die Lage versetzt,
eine auf eine deliktische Anspruchsgrundlage gestützte Schadensersatzklage
schlüssig zu begründen (vgl. etwa Senatsurteil vom 6. November 2007 - VI ZR
182/06 - VersR 2008, 129 m.w.N.). Nach den unangegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts hatten die Bediensteten der BfA bereits im Jahre 2002
Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und der Person des Schuld-
ners, nachdem sie im Rahmen eines vom Hauptzollamt S. durchgeführten Er-
mittlungsverfahrens wegen Beitragspflichtverletzungen bei der GmbH eine
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Schadensberechnung erstellten, die dem Hauptzollamt am 28. Juni 2002 über-
sandt wurde.
3. Danach begann die dreijährige Verjährung im Sinne des § 195 BGB
nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres 2002 zu laufen und war mit-
hin Ende 2005 vor dem erst im Jahre 2007 beantragten Mahnbescheid abge-
laufen. Entsprechendes würde gelten, wenn man mit dem Berufungsgericht an-
nimmt, dass spätestens im Jahre 2003 eine grob fahrlässige Unkenntnis der
Bediensteten der BfA wegen Unterlassung weiterer Maßnahmen vorlag, nach-
dem bereits im Jahre 2002 die Beitragspflichtverletzungen bekannt waren. In
diesem Falle wäre die Verjährungsfrist Ende 2006 abgelaufen.
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4. Ein abweichendes Ergebnis lässt sich entgegen der Auffassung der
Revision nicht mit dem Hinweis auf die bei vorsätzlicher Vorenthaltung von Bei-
trägen geltende dreißigjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV
begründen. Wie die Revision selbst sieht, ist diese Bestimmung nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine die Verjährung nach § 852
Abs.
1 BGB a.F. verdrängende Spezialvorschrift (vgl. Senatsurteil vom
9. Januar 2001 - VI ZR 119/00 - VersR 2001, 903; BGH, Beschluss vom 6. April
2006 - IX ZR 240/04 - NZI 2007, 245, 246 mit zust. Anm. Haentjens; vgl. auch
OLG Frankfurt a. M., ZInsO 2005, 714, 715). An dieser Rechtsprechung ist
auch zu § 195 BGB n.F. festzuhalten.
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III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Müller Wellner Diederichsen
Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 27.05.2008 - 26 O 29/08 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 16.10.2008 - 7 U 119/08 -