Urteil des BGH vom 19.06.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 357/11
vom
19. Juni 2013
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 134, 398, 402
Die Abtretung des Anspruchs auf Betreuervergütung durch einen zum Betreuer be-
stellten Rechtsanwalt an eine anwaltliche Verrechnungsstelle verstößt nicht gegen
ein gesetzliches Verbot, auch wenn sie ohne Zustimmung des Betroffenen erfolgt.
BGH, Beschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 357/11 - LG Limburg
AG Limburg a. d. Lahn
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling,
Dr. Günter und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss
der 7. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 17. Juni 2011
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-
gericht zurückverwiesen.
Wert: 1.650
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Verrechnungsstelle) ist eine anwaltli-
che Verrechnungsstelle.
Eine Rechtsanwältin ist durch Beschluss vom 5. Mai 2009 zur Betreuerin
der mittellosen Betroffenen bestellt worden. Die Betreuerin hat die ihr zu-
stehenden Vergütungsansprüche der Verrechnungsstelle abgetreten. Die Ver-
rechnungsstelle hat die Festsetzung und Auszahlung der für das erste Halbjahr
angefallenen Betreuervergütung in Höhe von 1.650
€ beantragt.
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Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landgericht hat
die dagegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde verfolgt die Verrechnungsstelle ihren Antrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch
im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg.
1. Nach der Auffassung des Landgerichts ist die Abtretung wegen Ver-
stoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB unwirksam.
Zwar verstoße die Abtretung der Vergütungsforderung nicht gegen § 203
Abs. 1 Nr. 3 StGB, weil die Rechtsanwältin personenbezogene Daten der Be-
troffenen in ihrer Funktion als Betreuerin und nicht aufgrund eines Mandatsver-
hältnisses erlangt habe. Auch sei die Betreuerin keine Amtsträgerin im Sinne
von § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 iVm § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB. Ferner habe sie
im Zuge der Abtretung auch nicht gegen § 49 b Abs. 4 Satz 2 BRAO verstoßen,
weil sich diese Vorschrift nur auf die Anwaltsvergütung beziehe.
Die Abtretung sei aber gemäß § 134 BGB iVm § 1901 Abs. 2, 3 BGB;
Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nichtig. Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit er-
gebe sich aus § 1901 Abs. 2, 3 BGB; Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Der Betreuer
sei dem objektiven Wohl und den subjektiven Wünschen des Betroffenen ver-
pflichtet. Es entspreche jedoch weder dem Wohl des Betroffenen noch - bei
fehlender Einwilligung - dessen Wunsch, dass personenbezogene Daten, die
der Betreuer in Erfahrung gebracht habe, an außenstehende Dritte weitergege-
ben würden, weil darin eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten
Rechts des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung als spezielle
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Ausprägung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts liege. Zur Geltendma-
chung der Forderung habe die Betreuerin die Verrechnungsstelle jedenfalls
darüber informieren müssen, dass sie für die Betroffene als Betreuerin bestellt
worden sei, habe Angaben zur Dauer der Betreuung und den Vermögensver-
hältnissen der Betroffenen machen und außerdem mitteilen müssen, ob die Be-
troffene zu Hause oder in einem Heim lebe. Damit habe sie einen Sachverhalt
offenbaren müssen, der den persönlichen Lebensbereich der Betroffenen be-
treffe. Dazu habe sie des Einverständnisses der Betroffenen bedurft. Ein sol-
ches liege nicht vor. Der von der Verrechnungsstelle vorgelegten "Zustim-
mungs- und Abtretungser
klärung zur Honorarabwicklung …" sei ein Einver-
ständnis nicht zu entnehmen, weil diese sich ausschließlich auf Honoraransprü-
che eines Rechtsanwalts beziehe und bereits zwei Monate vor der Betreuerbe-
stellung datiere.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass durch die Ab-
tretung und die mit ihr gegenüber der Verrechnungsstelle als Zessionarin ver-
bundenen Informationspflichten nicht gegen § 203 StGB verstoßen worden ist.
Denn die zum persönlichen Lebensbereich der Betroffenen gehörenden Daten
sind der Betreuerin nicht "als Rechtsanwalt" im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1
StGB anvertraut oder bekannt geworden (OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1191,
1192; MünchKommStGB/Cierniak/Pohlit 2. Aufl. § 203 Rn. 42). Die Informatio-
nen sind unabhängig von der spezifischen Berufsausübung erlangt und be-
gründen damit keine weitergehenden Geheimhaltungspflichten, als wenn der
Betreuer keiner der in § 203 Abs. 1 StGB aufgeführten Berufs- und Tätigkeits-
gruppen angehört. Ob und inwiefern diese Einschränkung auch für andere Be-
rufsgruppen einschlägig ist (vgl. OLG Dresden FamRZ 2004, 1390
- Sozialarbeiter als Verfahrenspfleger), bedarf hier keiner Entscheidung.
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Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht eine Amtsträgereigenschaft der
Betreuerin nach § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB verneint
(OLG München NJW 2009, 2837, 2838).
b) Nicht zu folgen ist dem Landgericht indessen in seiner Auffassung,
dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG iVm
§ 1901 Abs. 2, 3 BGB ein Verbotsgesetz darstellt.
Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot setzt allerdings nicht voraus,
dass die betreffende Norm ein Verbot ausdrücklich ausspricht. Ob eine Norm
ein Verbotsgesetz darstellt, ist vielmehr durch Auslegung nach ihrem jeweiligen
Sinn und Zweck zu ermitteln (vgl. Staudinger/Sack/Seibl BGB [2011] § 134
Rn. 31). Die genannten Vorschriften stellen danach weder einzeln noch in einer
Gesamtschau ein Verbotsgesetz dar.
Nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten
des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Bei der Gel-
tendmachung der Betreuervergütung handelt es sich hingegen schon nicht um
eine Angelegenheit des Betroffenen, sondern um eine Angelegenheit des Be-
treuers, die dieser ausschließlich im eigenen Interesse wahrnimmt. Daher ist
auch § 1901 Abs. 3 BGB, wonach der Betreuer den Wünschen des Betroffenen
zu entsprechen hat, für die Betreuervergütung nicht einschlägig. Im Übrigen
dürfte es sich im Fall der Vergütung eines Verfahrensbeistands nicht anders
verhalten. Aus dessen Verpflichtung, im Verfahren das Interesse des Kindes
geltend zu machen (§ 158 Abs. 4 FamFG), wird sich kein gesetzliches Verbot
einer Abtretung der Vergütungsforderung herleiten lassen (aA OLG Frankfurt
Beschluss vom 24. August 2010 - 7 UF 54/10 - juris).
Bei dem verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Persönlichkeits-
recht handelt es sich in erster Linie um ein Abwehrrecht gegen staatliche Ein-
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griffe. Darüber hinaus sind die Grundrechte im bürgerlichen Recht als objektive
Wertordnung zu beachten. Dies kann allerdings, sofern nicht im Einzelfall juris-
tische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, die der unmittelbaren
Grundrechtsbindung unterliegen (vgl. BGHZ 154, 146 = NJW 2003, 1658), im
Rahmen der Ausfüllung zivilrechtlicher Generalklauseln nur zu einer mittelbaren
Drittwirkung führen (vgl. Staudinger/Honsell BGB [2013] Einleitung zum BGB
Rn. 195 ff. mwN; Staudinger/Sack/Seibl BGB [2011] § 134 Rn. 241 mwN). Die
Grundrechte vermögen insoweit ein gesetzliches Verbot nicht zu begründen.
In welchem Umfang der Betreuer kraft seiner gesetzlichen Stellung zur
Verschwiegenheit verpflichtet ist (vgl. Pardey BtPrax 1998, 92), bedarf keiner
Entscheidung. Denn mangels einer die Abtretung erfassenden Verbotsnorm
scheidet eine Nichtigkeit der Abtretung nach § 134 BGB aus.
c) Die Abtretung ist auch nicht nach § 138 BGB nichtig. Allerdings sind in
diesem Zusammenhang das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Ge-
heimhaltungsinteresse des Betroffenen zu berücksichtigen. Diese lassen die
Abtretung der Vergütungsforderung aber noch nicht ohne weiteres als sittenwid-
rig erscheinen. Neben legitimen Interessen des Betreuers an einer erleichterten
Geltendmachung seines Vergütungsanspruchs ist vielmehr zu berücksichtigen,
dass der Vergütungsanspruch (nur) zu dem spezifischen Zweck der Geltend-
machung gegenüber der Staatskasse (oder dem Betroffenen) abgetreten wird.
In dieser Hinsicht müssen lediglich die zur Festsetzung nach §§ 1908 i, 1836
Abs. 1 Satz 2 BGB, §§ 4 ff. VBVG erforderlichen Grunddaten an die Verrech-
nungsstelle weitergegeben werden und werden von dieser nur dazu gebraucht,
um die Höhe der Vergütung zu berechnen.
Die mit der Abtretung verbundenen Angaben beschränken sich bereits
weitgehend auf Umstände, die der Betreuer bei einem Tätigwerden für den Be-
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troffenen nach außen (gegenüber einem grundsätzlich unbeschränkten Perso-
nenkreis) ohnehin offenbaren muss, um sich als zuständiger Betreuer auszu-
weisen und die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen; das gilt auch für
den Aufenthaltsort des Betroffenen und dessen wirtschaftliche Verhältnisse.
Insoweit unterscheidet sich die Stellung des Betreuers wesentlich von der eines
Arztes oder Rechtsanwalts. Schließlich unterliegt die Verrechnungsstelle jeden-
falls grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB).
Selbst eine - unterstellt - pflichtwidrige Weitergabe personenbezogener Daten
seitens der Betreuerin an die Verrechnungsstelle könnte daher nicht ohne Wei-
teres zur Nichtigkeit der Abtretung nach § 138 Abs. 1 BGB führen.
Dose
Klinkhammer
Schilling
Günter
Botur
Vorinstanzen:
AG Limburg, Entscheidung vom 18.05.2010 - 7 XVII 280/09 -
LG Limburg, Entscheidung vom 17.06.2011 - 7 T 130/10 -