Urteil des BGH vom 20.02.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB 412/11
Verkündet am:
20. Februar 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB §§ 242 A, 280, 823 Af, 826 Gb, Gi, 1607 Abs. 3
a) Weder ein von der Ehefrau begangener Ehebruch noch das bloße Verschweigen
der hieraus folgenden möglichen Nichtvaterschaft gegenüber dem Ehemann
führt zu einer Schadensersatzpflicht der (geschiedenen) Ehefrau hinsichtlich des
von ihm geleisteten Unterhalts für das scheineheliche Kind (im Anschluss an Se-
natsurteil vom 19. Dezember 1989 - IVb ZR 56/88 - FamRZ 1990, 367; Abgren-
zung zu Senatsurteilen vom 15. Februar 2012 - XII ZR 137/09 - FamRZ 2012,
779 und vom 27. Juni 2012 - XII ZR 47/09 - FamRZ 2012, 1363).
b) Die Mutter ist nach Anfechtung der (ehelichen) Vaterschaft grundsätzlich ver-
pflichtet, ihrem (geschiedenen) Ehemann Auskunft darüber zu erteilen, wer ihr
während der Empfängniszeit beigewohnt hat (im Anschluss an Senatsurteil
BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200).
c) Ohne Erteilung der Auskunft kann ein Schadensersatzanspruch wegen nicht
durchsetzbarer Regressforderung gegen den Erzeuger nicht geltend gemacht
werden, weil dieser Schaden ohne die Auskunft nicht beziffert werden kann.
BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013 - XII ZB 412/11 - OLG Braunschweig
AG Wolfenbüttel
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Februar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für
Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig vom
29. Juni 2011 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Der am 9. Mai 2011 verstorbene Ehemann der Antragstellerin (im Fol-
genden: Erblasser) heiratete im Jahr 1961 die Antragsgegnerin. Aus jener Ehe
ist unter anderem der im Jahr 1966 geborene Sohn J. hervorgegangen. Nach
der Trennung der Eheleute lebte er im Haushalt der Antragsgegnerin.
Im Scheidungstermin am 21. Juni 1968 gab die Antragsgegnerin unter
anderem an:
"Der Zeitpunkt des letzten ehelichen Verkehrs ist von dem Beklag-
ten richtig angegeben worden (Mitte Februar 1968). Nach Beleh-
rung über die Bedeutung ehewidriger Beziehung räume ich ein,
1
2
- 3 -
solche Beziehungen zu einem anderen Mann unterhalten zu ha-
ben und zwar nach dem letzten ehelichen Verkehr."
Mit Urteil vom selben Tag wurde die Ehe wegen beiderseitiger schwerer,
die Ehe zerrüttender Verfehlungen geschieden.
Auf Antrag des Erblassers stellte das Amtsgericht im Jahr 2010 fest,
dass der Sohn J. nicht das Kind des Erblassers ist.
Nachdem der Erblasser die Antragsgegnerin wiederholt erfolglos aufge-
fordert hatte, die Namen der als Vater in Betracht kommenden Männer zu nen-
nen, hat er die Antragsgegnerin auf Schadensersatz in Höhe von 1.533,84
€ in
Anspruch genommen. Hierbei handelt es sich um den auf das Jahr 1980 entfal-
lenden Teil des von ihm für den Zeitraum von 1967 bis 1996 insgesamt auf
38.960
€ bezifferten Unterhalts, den er seinem Vortrag zufolge dem Kind geleis-
tet hat.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht
hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Witwe des
Erblassers als Alleinerbin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen
Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht vertritt die Auffassung, der Erblasser habe
gegen die Antragsgegnerin keine Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz.
Allein die Tatsache, dass die Antragsgegnerin in der gesetzlichen Empfängnis-
zeit Mitte 1965 mit einem anderen Mann verkehrt und damit die eheliche
3
4
5
6
7
8
- 4 -
Treuepflicht verletzt haben müsse, weil das Kind J. - wie inzwischen im Anfech-
tungsverfahren festgestellt worden sei - nicht vom Antragssteller abstamme,
begründe keinen Schadensersatzanspruch. Im Bereich familienrechtlicher Be-
ziehungen könnten schuldrechtliche Ersatzansprüche, insbesondere Scha-
densersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, durch abschließende Rege-
lungen des Familienrechts ausgeschlossen sein. Nach der ständigen höchst-
richterlichen Rechtsprechung könne ein Ehemann nicht aufgrund des Ehe-
bruchs seiner Ehefrau, aus dem ein Kind hervorgegangen sei, von der Ehefrau
nach dem Recht der unerlaubten Handlung den Ersatz des Vermögensscha-
dens verlangen, der ihm infolge der Scheinehelichkeit des Kindes entstanden
sei. Ehestörungen, wie insbesondere ein Ehebruch, berührten unmittelbar die
innere Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten und stellten einen
innerehelichen Vorgang dar, der nicht in den Schutzzweck der deliktischen Haf-
tungstatbestände einbezogen sei. Zwar sei bei Hinzutreten weiterer schädigen-
der Umstände ein Anspruch aus § 826 BGB als einer "Rechtsnorm höherer Art"
nicht ausgeschlossen. Die Vorschrift könne demgemäß auch im Bereich der
Störung der innerehelichen, geschlechtlichen Beziehungen zwischen den Ehe-
gatten, insbesondere durch einen Ehebruch, dann ausnahmsweise eingreifen,
wenn zu dem Ehebruch ein weiteres, sittenwidrig schädigendes Verhalten des
Ehegatten hinzutrete und dieser dabei mit - gegebenenfalls bedingtem - auf
eine Schadenszufügung gerichtetem Vorsatz handele. Die Voraussetzungen für
eine Anwendung des § 826 BGB seien mithin eröffnet, wenn sich die Wertmaß-
stäbe für das Sittenwidrigkeitsurteil nicht aus der ehelichen Lebensgemein-
schaft, sondern aus eigenständigen Wertungsbereichen ergäben, was aller-
dings nicht schon dann der Fall sei, wenn die Ehefrau den begangenen Ehe-
bruch nicht von sich aus offenbare und den Ehemann damit in dem Glauben
lasse, das Kind stamme von ihm ab. Das Vorliegen eines derartigen sittenwidrig
- 5 -
schädigenden Verhaltens der Antragsgegnerin habe der Erblasser jedoch nicht
hinreichend substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt.
Aus dem Terminsprotokoll des Ehescheidungsverfahrens könne eine
arglistige Täuschung des Erblassers nicht hergeleitet werden. Die Tatsache,
dass die Antragsgegnerin im Scheidungstermin eingeräumt habe, nach dem
letzten ehelichen Verkehr (Mitte Februar 1968) eine Beziehung zu einem ande-
ren Mann unterhalten zu haben, bedeute nicht zugleich, dass sie einen Ehe-
bruch Mitte 1965 habe leugnen oder vortäuschen wollen, dass sie während der
Ehe erstmals nach Februar 1968 eine ehewidrige Beziehung eingegangen sei.
Aus dem Terminsprotokoll ergebe sich gerade nicht, dass die Antragsgegnerin
danach befragt worden sei, ob sie während der Empfängniszeit vor der Geburt
des Kindes J. mit einem anderen Mann verkehrt habe. Darauf sei es im Rah-
men des Scheidungsverfahrens zur Feststellung der tiefgreifenden Zerrüttung
der Ehe auch nicht angekommen. Es stehe auch nicht fest, dass die Aussage
der Antragsgegnerin, nach dem letzten ehelichen Verkehr eine (neue) ehewid-
rige Beziehung zu einem anderen Mann aufgenommen zu haben, falsch gewe-
sen sei, denn es bestehe auch die Möglichkeit, dass der Erzeuger des Kindes
nicht derselbe Mann gewesen sei, zu dem sie später eine ehewidrige Bezie-
hung aufgenommen habe. Den Parteien sei im Scheidungstermin offenbar da-
ran gelegen gewesen, eine schnelle Scheidung herbeizuführen, indem sie bei-
de eine Verfehlung eingeräumt hätten und bereit gewesen seien, wechselseitig
auf Unterhalt zu verzichten.
Soweit die Antragsgegnerin im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren fahr-
lässig oder bedingt vorsätzlich falsch ausgesagt habe, dass sie in der Emp-
fängniszeit mit keinem anderen Mann außerehelichen Verkehr gehabt habe und
nur der Erblasser der biologische Vater des Kindes J. sein könne, sei dieses
9
10
- 6 -
Verhalten für den eingetretenen Schaden, nämlich die Zahlung von Unterhalt
zwischen 1967 und 1996, nicht kausal geworden.
Soweit der Erblasser darauf abstelle, dass die Antragsgegnerin auf Auf-
forderung den oder die möglichen Väter des Kindes nicht benannt habe und
damit einen Scheinvaterregress verhindere, könne dahinstehen, ob ein Aus-
kunftsanspruch bestehe. Denn die Erblasserin habe Auskunft dahingehend er-
teilt, dass sie keine Erinnerung mehr daran habe, mit wem sie vor 44 Jahren
Geschlechtsverkehr gehabt habe. Dass dieser Vortrag der Antragsgegnerin
falsch gewesen sei, dass sie sich doch noch an den oder die Namen des Ehe-
bruchspartners erinnere und diese bewusst verschweige, könne der Erblasser
nicht beweisen.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde im
Ergebnis stand. Nach den getroffenen Feststellungen ist die Antragsgegnerin
dem Erblasser weder infolge des Ehebruchs noch wegen der unterbliebenen
Benennung des tatsächlichen Vaters schadensersatzpflichtig.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde vermag weder ein
von der Ehefrau begangener Ehebruch noch das bloße Verschweigen der hie-
raus folgenden möglichen Nichtvaterschaft gegenüber dem Ehemann einen
Schadensersatzanspruch zu begründen.
aa) Ein Ehemann kann von seiner (geschiedenen) Ehefrau wegen eines
von ihr begangenen Ehebruchs, aus dem ein Kind hervorgegangen ist, grund-
sätzlich keinen Ersatz des Vermögensschadens verlangen, der ihm durch die
Unterhaltszahlung an das scheineheliche Kind entstanden ist.
(1) Die Ehe steht außerhalb der Rechtsverhältnisse, deren Verletzung
allgemeine Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden auslösen kann. Eine
11
12
13
14
15
- 7 -
die Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten beeinträchtigende
Ehestörung - wie insbesondere ein Ehebruch - stellt einen innerehelichen Vor-
gang dar (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 - IVb ZR 56/88 - FamRZ 1990,
367, 368; s. auch BGHZ 57, 229, 231 ff. = NJW 1972, 199 f.). Solche Ehestö-
rungen sind nicht in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände
einbezogen. Insoweit verdrängt das Ehe- und Familienrecht die Deliktsregeln
(Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 - IVb ZR 56/88 - FamRZ 1990, 367,
368 f. mwN). Damit sind neben den deliktischen auch alle solchen Ansprüche
der (geschiedenen) Ehegatten gegeneinander ausgeschlossen, bei denen als
verletztes Rechtsgut der Kern der Ehe und der mit diesem verfolgte Schutz-
zweck in Betracht käme (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 - IVb ZR 56/88 -
FamRZ 1990, 367, 369 mwN).
Auch wenn die Vorschriften des Ehe- und Familienrechts die allgemeinen
Deliktsansprüche hinsichtlich der Folgen eines begangenen Ehebruchs ver-
drängen, schließt dies allerdings nicht aus, dass bei Hinzutreten weiterer schä-
digender Umstände die besondere Deliktsregel des § 826 BGB zur Anwendung
kommen kann (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 - IVb ZR 56/88 - FamRZ
1990, 367, 369 mwN).
Nach § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten ver-
stoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen
zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Diese Norm kann ausnahmsweise auch
im Bereich der Störung der innerehelichen, geschlechtlichen Beziehung zwi-
schen den Ehegatten, insbesondere durch einen Ehebruch, eingreifen, wenn zu
dem Ehebruch ein weiteres, sittenwidriges schädigendes Verhalten des Ehegat-
ten hinzutritt und dieser dabei mit - gegebenenfalls bedingtem - auf eine Scha-
denszufügung gerichtetem Vorsatz handelt. Die Voraussetzungen für eine An-
wendung des § 826 BGB sind mithin eröffnet, wenn sich die Wertmaßstäbe für
16
17
- 8 -
das Sittenwidrigkeitsurteil nicht aus der ehelichen Lebensgemeinschaft, son-
dern aus eigenständigen Wertungsbereichen ergeben. Das ist allerdings nicht
schon dann der Fall, wenn die Ehefrau den begangenen Ehebruch nicht von
sich aus offenbart und den Ehemann damit in dem Glauben lässt, das Kind
stamme von ihm. Allein die Tatsache, dass die Ehefrau den Treuebruch ver-
schwiegen hat, begründet keine sittenwidrig schädigende Handlung im Sinne
von § 826 BGB. Denn es besteht keine schadensersatzrechtlich sanktionierte
Pflicht, dem anderen Ehegatten einen Ehebruch zu offenbaren (Senatsurteil
vom 19. Dezember 1989 - IVb ZR 56/88 - FamRZ 1990, 367, 369).
Ein Fall des § 826 BGB kann hingegen vorliegen, wenn die Ehefrau, die
bei einem Ehebruch ein Kind empfangen hat, Zweifel des Ehemanns an der
Abstammung des Kindes durch unzutreffende Angaben bzw. durch ausdrückli-
ches Leugnen des Ehebruchs zerstreut oder wenn sie den Ehemann durch eine
arglistige Täuschung oder auf andere Weise, etwa auch durch Drohungen, an
der Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage hindert (Senatsurteil vom
19. Dezember 1989 - IVb ZR 56/88 - FamRZ 1990, 367, 369 mwN).
(2) Die Entscheidungen, die der Senat in jüngerer Zeit zu verschiedenen
anderen - im Familienrecht auftretenden - Fallkonstellationen getroffen hat, be-
rühren die Grundsätze der vorgenannten Rechtsprechung nicht.
(a) Mit Urteil vom 15. Februar 2012 (XII ZR 137/09 - FamRZ 2012, 779
Rn. 23) hat der Senat entschieden, dass ein über den Ehebruch als solchen
hinausgehender Vorwurf eine unterhaltsberechtigte Ehefrau unter anderem
dann trifft, wenn ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise bei dem
Ehebruch gezeugt wurde und sie ihren Ehemann in dem Glauben gelassen hat,
dass allein er als Vater des Kindes in Betracht komme. Dadurch hat sie in einer
elementaren persönlichen Frage in die Lebensgestaltung des Ehemanns ein-
18
19
20
- 9 -
gegriffen und diese insbesondere bei anschließender Fortsetzung der Ehe sei-
ner autonomen Entscheidung entzogen. Ein solches Verhalten stellt einen gra-
vierenden Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung des Ehemannes dar,
dessen Verhältnis und Einstellung zu dem Kind und regelmäßig auch zu der
Ehe wesentlich von dem Bestehen seiner - leiblichen - Vaterschaft abhängt.
Das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes stellt
demnach ein offensichtliches schwerwiegendes Fehlverhalten i.S.d. § 1579
Nr. 7 BGB dar.
(b) Im Anschluss hieran hat der Senat mit Beschluss vom 21. März 2012
(XII ZB 147/10 - FamRZ 2012, 845 Rn. 19) ausgesprochen, dass ein solches
Verschweigen auch zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen
kann.
(c) Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 27. Juni 2012 (XII ZR 47/09
- FamRZ 2012, 1363 Rn. 26 ff.) entschieden, dass das Verschweigen der mög-
lichen Nichtvaterschaft des Ehemannes, die Anfechtung einer schenkweisen
Zuwendung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB begründen kann.
Danach trifft die Ehefrau bei wesentlich von der familiären Verbundenheit der
Beteiligten geprägten Zuwendungen eine Pflicht zur ungefragten Offenbarung
der Möglichkeit, dass das Kind von einem anderen Mann abstammt. Zwar geht
es bei dieser Fragestellung nicht um die Entscheidung des Ehegatten für die
Fortsetzung der Ehe, sondern um dessen Willensentschluss, dem anderen
Ehegatten bei gescheiterter Ehe einen Vermögenswert zukommen zu lassen.
Dient dieser indessen dazu, dass durch den Gebrauch des zugewendeten Ge-
genstands, durch seine Erträge oder durch die mit ihm verbundene Sicherheit
eine Unterhalts- oder Vorsorgefunktion erfüllt werden soll, so ist die Frage der
leiblichen Abstammung für den Ehemann im Zweifel von wesentlicher Bedeu-
tung und die Ehefrau, die allein über die nötige Kenntnis verfügt, wegen der
21
22
- 10 -
Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung offenbarungspflichtig (Senatsur-
teil vom 27. Juni 2012 - XII ZR 47/09 - FamRZ 2012, 1363 Rn. 29).
(d) Diese Rechtsprechung (kritisch hierzu Wever FamRZ 2012 1601 ff.),
die vor allem auf familienrechtliche Sondervorschriften abstellt (vgl. hierzu be-
reits Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 - IVb ZR 56/88 - FamRZ 1990, 367,
368), betrifft somit andere Fragestellungen und ändert nichts an dem Umstand,
dass das Ehe- und Familienrecht bezogen auf die hier gegenständliche Ehestö-
rung in Form eines Ehebruchs grundsätzlich allgemeine Schadensersatzan-
sprüche verdrängt. Demgemäß ist die Entscheidung des Senats vom
15. Februar 2012 (XII ZR 137/09 - FamRZ 2012, 779) zur Begrenzung des Un-
terhalts nach § 1579 Nr. 7 BGB ergangen. Die sich hieran anschließende Ent-
scheidung zum Versorgungsausgleich betrifft ebenfalls eine familienrechtliche
Sondervorschrift zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen unbilliger
Härte nach § 1587 h Nr. 1 BGB (jetzt § 27 VersAusglG - Senatsbeschluss vom
21. März 2012 - XII ZB 147/10 - FamRZ 2012, 845). Auch das Senatsurteil vom
27. Juni 2012 (XII ZR 47/09 - FamRZ 2012, 1363) steht zu dieser Rechtspre-
chung des Senats nicht im Widerspruch. Zwar betrifft dieses namentlich die An-
fechtung einer schenkweisen Zuwendung wegen arglistiger Täuschung nach
§ 123 BGB, der keine familienrechtliche Sondervorschrift darstellt. Der dort ent-
schiedene Fall unterscheidet sich jedoch maßgeblich von der hier gegebenen
Fallkonstellation, weil er eine wesentlich von der familiären Verbundenheit der
Beteiligten geprägte Zuwendung an die Ehefrau selbst betraf (Senatsurteil vom
27. Juni 2012 - XII ZR 47/09 - FamRZ 2012, 1363 Rn. 29). Demgegenüber ist
der hier im Streit stehende Kindesunterhalt allein dem Kind zugutegekommen.
Insoweit scheidet eine schadensersatzrechtlich sanktionierte Offenbarungs-
pflicht der Mutter indes aus.
23
- 11 -
bb) Dass die Voraussetzungen des - nach dem vorstehend Gesagten al-
lein in Betracht kommenden - § 826 BGB nach Auffassung des Beschwerdege-
richts vorliegend nicht erfüllt sind, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Das Beschwerdegericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die An-
tragsgegnerin mit ihrer Aussage im damaligen Scheidungsverfahren nicht zu-
gleich einen Ehebruch Mitte 1965 leugnen wollte. Nach seiner Überzeugung hat
sie mit ihrer Einlassung auch nicht vortäuschen wollen, dass sie während der
Ehe erstmalig nach Februar 1968 eine ehewidrige Beziehung eingegangen sei.
Dabei ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass es den Ehegatten
im Rahmen des Scheidungsverfahrens offenbar allein um die Darlegung der
tiefgreifenden Zerrüttung der Ehe gegangen sei. Diese Feststellungen, die von
der Prämisse getragen sind, dass die damalige Anhörung die Frage der rund
drei Jahre davor liegenden Empfängnis aus Sicht beider Ehegatten nicht zum
Gegenstand hatte, sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Schließlich
konnte das Oberlandesgericht aufgrund des Parteivortrages auch keine ander-
weitigen Täuschungshandlungen feststellen, die etwaige Zweifel des Erblassers
an der Abstammung des Kindes zerstreuen sollten.
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann sich die An-
tragstellerin auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch aus dem Gesichts-
punkt einer Regressvereitelung infolge einer unzureichenden Auskunft nach
§§ 280, 242 BGB berufen.
Als Anspruchsgrundlage für einen entsprechenden Schadensersatzan-
spruch käme allenfalls § 280 BGB in Betracht (vgl. Senatsurteil BGHZ 151, 155
= FamRZ 2002, 1099, 1100 zum Schadensersatz bei Umgangsvereitelung aus
pFV). Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB trägt der Anspruchsteller die Darle-
gungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung, die Schadensentstehung und
24
25
26
27
- 12 -
den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden (vgl.
Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl. § 280 Rn. 34).
aa) Nach den getroffenen Feststellungen ist die Antragsgegnerin aller-
dings auskunftspflichtig. Der Erblasser hatte einen - nunmehr auf die Antrag-
stellerin übergegangenen - Anspruch auf Auskunft, wer als Vater des Kindes in
Betracht kommt.
(1) Der Senat hat bereits für den Fall eines Vaterschaftsanerkenntnisses
entschieden, dass die Mutter dem Scheinvater aus Treu und Glauben gemäß
§ 242 BGB Auskunft über die Person schulden kann, die ihr während der Emp-
fängniszeit beigewohnt hat (Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200
Rn. 17).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es
Treu und Glauben grundsätzlich, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunfts-
anspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechts-
beziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuld-
barer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewis-
sen ist und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung die-
ser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Eine Sonderverbindung
der beteiligten Personen, die eine Auskunftspflicht nach Treu und Glauben
rechtfertigt, liegt danach auch dann vor, wenn ein sonstiges familienrechtliches
Verhältnis unmittelbar zwischen den Beteiligten besteht (Senatsurteil BGHZ
191, 259 = FamRZ 2012, 200 Rn. 20).
(a) Ein solches Verhältnis besteht zwischen den Beteiligten, wenn der
Mann seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hatte. Durch die-
se gemeinsame Erklärung entsteht die rechtliche Vaterschaft, die die Eltern in
vielfältiger Weise miteinander verbindet. Sowohl die unterhaltsrechtlichen Fol-
28
29
30
31
- 13 -
gen des Vaterschaftsanerkenntnisses als auch dessen weitere Wirkungen be-
gründen eine wechselseitige Auskunftspflicht hinsichtlich der Voraussetzungen
der Vaterschaft. Die Beteiligten des Vaterschaftsanerkenntnisses schulden sich
mithin wechselseitig Auskunft über die insoweit relevanten Umstände, wenn der
Auskunftsberechtigte über wesentliche Informationen weder verfügt noch sich
diese auf andere Weise beschaffen kann und der Auskunftspflichtige die erfor-
derliche Auskunft unschwer erteilen kann. Diese wechselseitige Verpflichtung
gilt auch dann fort, wenn die Vaterschaft nachträglich wirksam angefochten ist,
soweit Rechtsfolgen des zunächst wirksamen Vaterschaftsanerkenntnisses be-
troffen sind (Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 Rn. 21).
(b) Ein sonstiges familienrechtliches Verhältnis im vorgenannten Sinne
besteht (erst recht), wenn die Mutter - wie hier - mit dem Scheinvater verheiratet
ist und die Vaterschaft erfolgreich angefochten wurde. In diesem Falle sind die
Eheleute nicht nur durch die rechtliche Vaterschaft, sondern darüber hinaus
durch die Ehe selbst gemäß §§ 1353 ff. BGB in vielfältiger Weise miteinander
verbunden. Für das Fortbestehen der Auskunftsverpflichtung im Falle der
Scheidung gilt im Ergebnis nichts anderes als im Falle der Anfechtung der an-
erkannten Vaterschaft (vgl. Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200
Rn. 21). Die fortdauernde Unterhaltspflicht dem Kind gegenüber aus §§ 1601 ff.
BGB stellt sich als Rechtsfolge der durch die Ehe begründeten Vaterschaft
nach § 1592 Nr. 1 BGB dar.
(2) Die Auskunftsverpflichtung greift auch nicht in den unantastbaren Be-
reich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mutter ein.
Die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters
ihres Kindes berührt zwar das Persönlichkeitsrecht der Beklagten nach Art. 2
Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, das auch das Recht auf Achtung der Privat- und
32
33
34
- 14 -
Intimsphäre umfasst und zu dem die persönlichen, auch geschlechtlichen Be-
ziehungen zu einem Partner gehören. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
schützt die Befugnisse des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu ent-
scheiden, inwieweit und wem gegenüber er persönliche Lebenssachverhalte
offenbart (Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 Rn. 24 mwN).
Ein solcher Eingriff liegt hier jedoch nicht vor. Aufgrund der erfolgreichen
Anfechtung der Vaterschaft durch den Erblasser steht fest, dass die Antrags-
gegnerin in der Empfängniszeit mit einem anderen Mann geschlechtlich ver-
kehrt hat. Es geht also nicht um die Offenbarung eines Ehebruchs, sondern
"nur" noch um die Frage, wer als Vater in Betracht kommt.
Bei der gebotenen Interessenabwägung ist schließlich zu berücksichti-
gen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragsgegnerin durch das
Recht des Erblassers bzw. der Antragstellerin auf effektiven Rechtsschutz be-
grenzt ist. Ohne eine Auskunft der Antragsgegnerin zu der Person, die ihr wäh-
rend der Empfängniszeit beigewohnt hat, kann die Antragstellerin den auf sie
übergegangenen Anspruch auf Unterhaltsregress nach § 1607 Abs. 3 Satz 2
BGB nicht durchsetzen. Dem Regressanspruch steht auch nicht nach § 1600 d
Abs. 4 BGB entgegen, dass nach der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung
noch keine neue Vaterschaft festgestellt worden ist, weil nach dem gegenwärti-
gen Verfahrensstand davon auszugehen ist, dass ein Vaterschaftsfeststel-
lungsverfahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird (vgl. dazu Senatsurteil
BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 Rn. 15 mwN).
bb) Unbeschadet der - vom Beschwerdegericht verneinten - Frage, ob
die Auskunft der Antragsgegnerin unzureichend erteilt und damit pflichtwidrig
erfolgt ist, scheidet ein Anspruch aus § 280 BGB allerdings schon deshalb aus,
35
36
37
- 15 -
weil die Antragstellerin die Schadensentstehung und den Ursachenzusammen-
hang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht dargelegt hat.
(1) Allerdings ist es zweifelhaft, ob allein aus der Einlassung der An-
tragsgegnerin, sich nach 44 Jahren nicht mehr an den tatsächlichen Vater erin-
nern zu können, auf eine Auskunftswilligkeit und damit eine pflichtgemäße Er-
füllung des Auskunftsanspruchs geschlossen werden kann. Hier wäre - auch
unter Beachtung der auf Seiten des Anspruchstellers liegenden Darlegungs-
last - zumindest ein substantiierter Vortrag von der Antragsgegnerin zu fordern,
warum sie sich angesichts eines so einschneidenden Ereignisses wie einer
Schwangerschaft trotz des Zeitablaufs nicht mehr an den möglichen Vater erin-
nern kann.
(2) Jedoch liegen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspru-
ches nach § 280 Abs. 1 BGB nicht vor.
Ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt einer Regressver-
hinderung kann den Anspruchsteller nur so stellen, wie er stünde, wenn die
auskunftspflichtige Mutter den tatsächlichen Vater benannt hätte und damit der
Scheinvaterregress nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB eröffnet wäre.
Die Unterhaltsleistung durch den Scheinvater an das Kind hat gemäß
§ 1607 Abs. 3 BGB zur Folge, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen
den tatsächlichen Vater auf den Leistenden übergeht. Dabei behält der überge-
gangene Anspruch seine Rechtsnatur als Unterhaltsanspruch (Wendl/Scholz
Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 805). Das
bedeutet, dass sich die Höhe der Regressforderung nicht nach dem richtet, was
der Scheinvater an Unterhalt geleistet hat, sondern danach, welchen Unter-
haltsanspruch das Kind gegenüber seinem tatsächlichen Vater hat (KG FamRZ
2000, 441 f.). Die Werthaltigkeit des übergegangenen Anspruchs hängt mithin
38
39
40
41
- 16 -
in erster Linie von der Leistungsfähigkeit des leiblichen Vaters ab (vgl. auch
Senatsurteil vom 27. November 2002 - XII ZR 295/00 - FamRZ 2003, 444, 445).
Um einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB schlüssig zu
begründen, müsste die Antragstellerin also darlegen, in welcher Höhe sie bei
dem tatsächlichen Vater hätte Regress nehmen können, was ihr freilich ohne
die Auskunft nicht möglich ist.
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Antragstellerin
deshalb indes nicht rechtlos gestellt (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 191, 259
= FamRZ 2012, 200 Rn. 26). Sie kann die Antragsgegnerin auf Auskunft in An-
spruch nehmen, gegebenenfalls auf die Abgabe einer eidesstattlichen Versiche-
rung hinwirken bzw. bei nicht gehöriger Erfüllung die Vollstreckung betreiben.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass es Fallgestaltungen geben mag,
bei denen ein Auskunftsverfahren ergebnislos bleiben kann, etwa wenn sich die
Mutter tatsächlich - aus nachvollziehbaren Gründen - nicht mehr erinnern kann.
Dies vermag entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde indes keinen
Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt einer Risikohaftung zu recht-
fertigen. Eine solche Schadensersatzpflicht ließe sich letztlich nur unter Heran-
ziehung derjenigen Umstände herleiten, die nach Auffassung der Antragstellerin
42
43
44
- 17 -
bereits einen Schadensersatzanspruch wegen Verschweigens des Ehebruchs
begründen sollten. Dies würde indes zu einer Umgehung der oben dargestellten
Grundsätze führen, die eine solche Schadensersatzpflicht gerade ausschließen.
Dose
Klinkhammer
Schilling
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG Wolfenbüttel, Entscheidung vom 05.01.2011 - 21 F 2422/10 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 29.06.2011 - 2 UF 30/11 -