Urteil des BGH vom 15.10.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 236/06
vom
15. Oktober 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BetrAVG § 17 Abs. 1 Satz 2; GmbHG § 64 Abs. 1; BGB § 626
a) Der Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers kann wegen Verletzung
der Insolvenzantragspflicht fristlos gekündigt werden. Wie sich diese Kündigung
auf eine erteilte Versorgungszusage auswirkt, ist eine Frage der konkreten Ges-
taltung im Einzelfall.
b) Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH fällt nicht in den Anwen-
dungsbereich des BetrAVG, es sei denn, es wäre ihm
ein ihn besser stellendes Versprechen gegeben worden.
c) Für die Feststellung der Insolvenzreife hat die Handelsbilanz indizielle Bedeutung.
BGH, Hinweisbeschluss vom 15. Oktober 2007 - II ZR 236/06 - OLG Celle
LG Hildesheim
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Dr. Strohn, Dr. Reichart und Dr. Drescher
einstimmig beschlossen:
1. Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beab-
sichtigt, die Revision gemäß § 552 a ZPO durch Beschluss zu-
rückzuweisen.
2. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 90.000,00 €
festgesetzt.
Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 ZPO
liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Frage, ob eine
Verletzung der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrags einen
Grund für eine fristlose Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages
darstellt, hat der Senat bereits mit Urteil vom 20. Juni 2005 entschieden
(II ZR 18/03, ZIP 2005, 1365, 1367). Wie sich eine solche Kündigungsmöglich-
keit auf eine Versorgungszusage auswirkt, ist eine Frage der Vertragsausle-
gung im Einzelfall.
1
Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
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Der Beklagte fällt als Alleingesellschafter der Schuldnerin nicht gemäß
§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG in den Anwendungsbereich des Betriebsrentenge-
setzes (BGHZ 77, 94, 101). Entgegen der Ansicht der Revision hat er mit der
Schuldnerin keine ihn besser stellende Abrede - etwa zur Unverfallbarkeit oder
zur privatautonomen Unterwerfung unter das BetrAVG - getroffen. Im Gegenteil
hat er nach der revisionsrechtlich unangreifbaren Auslegung des Berufungsge-
richts vereinbart, dass der Anspruch auf Versorgungsleistungen erlöschen soll,
wenn ein Grund für eine fristlose Kündigung des Geschäftsführeranstellungs-
vertrages durch die Schuldnerin vorliegt. Mangels Unverfallbarkeit der Versor-
gungszusage kommt es nicht darauf an, unter welchen allgemeinen Vorausset-
zungen eine solche Zusage "widerrufen" werden könnte.
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Auch die Feststellungen des Berufungsgerichts, die Schuldnerin sei spä-
testens am 31. Dezember 2002 überschuldet und damit insolvenzreif gewesen
und davon habe der Beklagte spätestens bei Aufstellung des Jahresabschlus-
ses am 26. Juni 2003 Kenntnis erlangt, hält den Angriffen der Revision stand.
Zwar hat der Kläger keinen Überschuldungsstatus erstellt. Eine rechnerische
Überschuldung nach der Handelsbilanz hat aber indizielle Bedeutung für die
insolvenzrechtliche Beurteilung (Sen.Urt. v. 7.
März 2005 -
II
ZR
138/03,
ZIP 2005, 807). Stille Reserven waren nach dem eigenen Vortrag des Beklag-
ten nicht vorhanden. Die Gesellschafterdarlehen hat das Berufungsgericht un-
berücksichtigt gelassen. Auch ohne diese Passivposten ergibt sich eine Über-
schuldung in Höhe von rund 100.000,00 €. Dass dieser Wert mit Rücksicht auf
eine angeblich positive Fortführungsprognose zu Gunsten des Beklagten zu
korrigieren wäre, ist in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen worden; nach
dem eigenen Vortrag des Beklagten, die Fortführungswerte entsprächen den
Liquidationswerten, besteht zu einer solchen Annahme auch kein Anlass.
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Entgegen der Auffassung der Revision ist bei der Prüfung der Über-
schuldung ein Geschäftswert (Goodwill) in Höhe von 100.000,00 € nicht in An-
satz zu bringen. Dieser nicht durch Tatsachen belegte und nicht nachvollzieh-
bare Vortrag kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil er erstmals
in der Revisionsinstanz gehalten worden ist. Die Darlegungslast oblag insoweit
dem Beklagten (vgl. Sen.Urt. v. 7. März 2005 aaO).
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Goette Kurzwelly Strohn
Reichart Dr. Drescher
Hinweis:
worden.
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 10.01.2006 - 10 O 84/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 20.09.2006 - 9 U 16/06 -